Gussew

Gussew (russisch Гусев, deutsch bis 1945 Gumbinnen, polnisch Gusiew (bis 1946 Gąbin), litauisch Gumbinė) ist eine Kleinstadt in der Oblast Kaliningrad, Russland. Die Stadt ist heute Verwaltungssitz eines russischen Rajons und hat ca. 28.000 Einwohner (Stand: 2004).
In Gussew fließen Krasnaja und Pissa zusammen.
Geschichte
Gründung
Auf einer Landkarte von 1576 ist an der Stelle des späteren Gumbinnen ein Ort namens Bisserkeim verzeichnet, was auf den Namen des Flusses Pissa schließen lässt. 1580 wird der Name Gumbinnen erstmals urkundlich erwähnt, er kommt wahrscheinlich aus dem litauischen Wort für Krümmung – Gumbinnen lag an einer Flussbiegung.
Vor der Eroberung des Gebietes durch den Deutschen Ritterorden im 13. Jahrhundert gab es in der Nähe des späteren Gumbinnens Befestigungsanlagen wie die Burg Otholicha und eine Schanzburg bei Plicken. Zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges bestand das Dorf Gumbinnen aus einigen an beiden Seiten der Pissa gelegenen Gehöften und einer Kirche, die der preußische Herzog Albrecht 1545 errichten ließ.
18. und 19. Jahrhundert
Während des Tatareneinfalls 1656 und der Pestjahre 1709 – 1711 wurde Gumbinnen wie ganz Ostpreußen schwer in Mitleidenschaft gezogen. Durch das von Preußenkönig Friedrich Wilhelm I. ins Leben gerufene Besiedelungsprogramm erfuhr auch Gumbinnen, das 1724 das Stadtrecht erhielt, einen spürbaren Aufschwung. Es wurde zum Zentrum der Salzburger Emigranten, die sich 1732 in der Stadt und im Umland niederließen. Während des Siebenjährigen Krieges war Gumbinnen von 1758 bis 1762 von russischen Truppen besetzt, und während des Koalitionskrieges gegen Napoleon lagerten 1807 französische Soldaten in der Stadt, die obendrein noch 89.000 Taler an Kontributionen aufzubringen hatte. Auch während des napoleonischen Russlandfeldzuges marschierte das französische Heer im Juni 1812 durch Gumbinnen. Napoleon selbst hielt sich für vier Tage in der Stadt auf.
Am 1. September 1818 wurde Gumbinnen Kreisstadt und 1878 Sitz der Bezirksregierung des Regierungsbezirkes Gumbinnen. Mit drei großen Kasernen war die Stadt ein bedeutender Garnisonsstandort, und mit dem Ostpreußenwerk (Elektrizitätswerk), der Prangmühle und einer Molkerei auch industrieller Schwerpunkt.
1. und 2. Weltkrieg
Während des Ersten Weltkrieges war Gumbinnen zeitweise von russischen Truppen besetzt. Im August 1914 fand vor der Toren der Stadt eine große Schlacht zwischen deutschen und russischen Truppen statt. Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges nahte auch das Ende Gumbinnens als deutsche Stadt. 1944 begannen schon die ersten Flüchtlingsbewegungen der damals 24.000 Einwohner. Im Frühjahr 1945 fiel Gumbinnen mit dem Rest Ostpreußens in sowjetische Hände.
Sowjetunion
1946 wurde die Stadt Gumbinnen in Gussew umbenannt und der russischen Teilrepublik der Sowjetunion zugeordnet. Gussew wurde Zentrum des Rajons Gussew innerhalb der aus militärischen Erwägungen heraus hermetisch abgeriegelten Oblast Kaliningrad. In dieser Zeit wurde die Stadt mit Russen aus Zentralrussland und aus dem Gebiet des heutigen Föderationskreises Wolga sowie mit Weißrussen besiedelt. In der Stadt entstanden vielfach Neubauten im Plattenbaustil.
Russische Föderation
Nach dem Ende der Sowjetunion fand sich Gussew in einer russischen Exklave wieder. Durch die Öffnung der Oblast Kaliningrad kam es teilweise zur Kontaktaufnahme zwischen ehemaligen und heutigen Einwohnern, insbesondere zwischen Behörden, Hilfsorganisationen und Kirchengemeinden. Gussew hat heute mit großen wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen, offiziell ist jeder vierte Einwohner arbeitslos.
Persönlichkeiten
- Otto Koehler, Verhaltensforscher
- Hans Victor von Unruh, Politiker und Regierungsrat
- Christian Rauch, Bildhauer
- Richard Friese, Maler und Tiermaler
Wirtschaft und Verkehr
In Gussew befinden sich Elektro-, Futtermittel- und Trikotagenfabriken. Gussew liegt an der Fernstraße Kaliningrad-Tschernyschewskoje-Moskau und an der parallel verlaufenden Eisenbahnstrecke (ehemals Preußische Ostbahn).
Sehenswürdigkeiten
- Salzburger Kirche (Nachfolgebau von 1840), "Haus Salzburg" und "Salzburger Anstalt"
Literatur
- Rudolf Grenz: Stadt und Kreis Gumbinnen. Eine ostpreußische Dokumentation. Zusammengestellt und erarbeitet im Auftrag der Kreisgemeinschaft Gumbinnen. Marburg/Lahn: 1971
- Herbert Stücklies und Dietrich Goldbeck: Gumbinnen Stadt und Land. Bilddokumentation eines ostpreußischen Landkreises 1900 - 1982. Im Auftrag der Kreisgemeinschaft Gumbinnen aus der Bildersammlung des Kreisarchivs Gumbinnen ausgewählt, zusammengestellt und erläutert. Band I und II. Bielefeld: 1985
- Bruno Moritz: Geschichte der reformierten Gemeinde Gumbinnen. Festschrift zum 200jährigen Bestehen der Kirche 1739 - 1939. Sonderdruck aus dem "Evangelischen Volksblatt für die Ostmark" 1939
- Gumbinner Heimatbrief. Nachrichtenblatt für die Stadt und den Kreis Gumbinnen. Organ der Kreisgemeinschaft Gumbinnen/Ostpreußen. Erscheinen seit etwa 1952 ca. 2 mal im Jahr.
- Mitteilungen dür die ehemaligen Angehörigen der Friedrichsschule und Cecilienschule Gumbinnen. 1954 ff.