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4chan

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4chan
Imageboard
Sprachen Englisch
Gründer Christopher Poole
Betreiber 4chan community support LLC
Registrierung nein
Online seit 1. Okt. 2003
https://www.4chan.org/

4chan (vor allem in Japan in Anlehnung an Futaba Channel bekannt als Yotsuba Channel, deutsch ‚Vierblatt‐Kanal‘) ist ein englischsprachiges Imageboard (eine Art eines Internetforums, bei der weitgehend anonym, d.h. insbesondere ohne Account, Bilder und Texte ausgetauscht werden können). Jeder Nutzer trägt standardmäßig den Namen „Anonymous“, sofern beim Erstellen eines Beitrags nicht ausdrücklich ein anderer Name eingegeben wurde. Die Seite ist dem japanischen Vorbild Futaba Channel nachempfunden, welches seinerseits wiederum auf 2channel zurückgeht, und ist eine der meistbesuchten Seiten des Internets.[1] Ihre Nutzer machten unter anderem durch Netzaktionen auf sich aufmerksam und sie gilt als Wiege der Anonymous-Bewegung.[2]

Popularität erfährt 4chan vor allem als steter Quell neuer Memes in Text, Bild und Audio. 4chan beherbergt in seinen 76 Boards (Stand: Ende 2021) eine große Bandbreite an unterschiedlichen Themen und Subkulturen, welche von Anime und Videospielen über Technologie bis ins Finanzwesen reichen. Die auf den unterschiedlichen Boards gültigen Verhaltensregeln und Umgangsformen sind dabei sehr unterschiedlich streng reguliert. So haben themenspezifische Boards meist relativ strenge Vorgaben zu gewünschten Inhalten und Umgangsformen, während etwa /b/ und /pol/ annähernd unreguliert sind. Neben boardspezifischen Regeln existiert auch eine Reihe globaler Regeln, von denen auf manchen Boards jedoch Ausnahmen herrschen. Die Moderation jedes Boards kann dabei Beiträge und Themen löschen sowie Nutzer sperren. Da die Sperrung – wegen des Fehlens von Nutzerkonten – auf Grundlage der IP-Adresse eines Nutzers geschieht, hält sich deren Effekt jedoch in Grenzen und ist eher verwarnender Natur.

Unter den Subkulturen befinden sich insbesondere mit /pol/ – geschaffen in dem Versuch, das zunehmende Auftreten entsprechender Inhalte in anderen Bereichen zu verringern[3] – jedoch auch solche, die etwa durch Rechtsextremismus, Rassismus, Frauenhass und antisemitische Verschwörungstheorien auffallen. So hat z.B. die Verschwörungstheorie QAnon ihren Ursprung auf 4chan.

Im Kontrast dazu fällt die ebenfalls auf 4chan entstandene Anonymous-Bewegung häufiger durch gegen Rechtsextremismus oder Machtmissbrauch gerichtete „Operationen“ auf, in Deutschland etwa im Rahmen der Operation Tinfoil, bei welcher unter anderem die Website des rechtsextremen Verbreiters von Falschinformationen zur COVID-19-Pandemie Attila Hildmann übernommen sowie dessen Telegram-Kanäle infiltriert wurden.[4]

Geschichte

Entstehung

moot (Christopher Poole) im Jahr 2010

4chan wurde im Oktober 2003 unter der Domain 4chan.net von Christopher Poole (* 1988) gegründet.[5][6] Poole war ein regelmäßiger Nutzer des Internetforums Something Awful, vor allem des Subforums für Anime, damals Anime Death Tentacle Rape Whorehouse, kurz ADTRW, genannt und des IRC-Kanals Raspberry Heaven.[7][8] Er konzipierte die Seite ursprünglich als ein reines Anime-Forum für diese beiden Communities, basierend auf dem japanischen Forum Futaba Channel, in dem es ebenfalls größtenteils um Anime, Manga und Otakukultur ging.[2] Bis heute machen Inhalte rund um Anime und Manga einen großen Teil der Seite und ihrer Kultur aus.

Pooles Identität war bis zur Aufdeckung durch das Wall Street Journal im Juli 2008 nicht bekannt. Die Seite gilt als englischsprachige Variante des japanischen Imageboards Futaba Channel, das seinerseits wiederum auf 2channel zurückgeht.[7] 4chan war die zweite englischsprachige channel-Seite nach World2channel, einer Seite, die ebenfalls viel von der ADTRW-Community genutzt wurde. Sie basierte jedoch anders als 4chan zum größten Teil auf 2channel, hatte also keine Möglichkeit Bilder zu teilen. Drei Monate vor der Gründung von 4chan führte World2channel allerdings auch Imageboards ein.

Das erste und ursprünglich einzige 4chan-Board war /b/, welches damals den Namen Anime/Random trug. Schon in den ersten Tagen der Website wurden jedoch weitere Foren eingeführt, darunter /h/ (Hentai), /c/ (Anime/Cute) und /s/ (Sexy Beautiful Women), welches das erste Forum der Seite wurde, das nicht für Anime gedacht war.

Im Februar 2004 suspendierte GoDaddy, der Hosting-Provider von 4chan die Seite, woraufhin sie zur Domain 4chan.org wechselte.

Ende Oktober 2004 wurden die Boards /l/ (Lolikon) und /sm/ (Shotakon) gelöscht, da sie aufgrund ihres kontroversen Inhalts den Fortbestand der Seite gefährdeten. Anfang November 2004 gründete Poole eine inzwischen eingestellte, unabhängige Seite namens not4chan, auf der die Boards zeitweise wiederbelebt wurden.

Poole führte im September 2012 die Möglichkeit an einen 4chan Pass zu kaufen, der es ermöglicht, die übliche Captcha-Verifikation vor dem Posten und Melden zu umgehen, und der die Zeit, die zwischen zwei Posts vergehen muss, verkürzt.[9] Außerdem ermöglicht er, das 2016 eingeführte Board /vip/ (Very Important Posts) zu benutzen. Der 4chan Pass wurde eingeführt, um Nutzern eine Möglichkeit zu geben, die Seite finanziell zu unterstützen, ohne auf Spenden zurückgreifen zu müssen.[10]

Hiroyuki Nishimura (2005)

Im September 2015 verkaufte Poole 4chan an Hiroyuki Nishimura, den Gründer von 2channel und gab auch den Posten als Administrator an ihn ab.[11]

Die Seite kündigte im November 2019 an, alle Boards mit unverfänglichen Inhalten (die keine sogenannten „NSFW“-Inhalte haben) auf die Domain 4channel.org zu verschieben. Diese Domain verlinkt nur auf andere unverfängliche Boards, außer dies wurde in den Einstellungen deaktiviert. Auf solchen Boards ist es nicht erlaubt, bestimmte Inhalte (vor allem Pornografie und extreme Gewaltdarstellungen) zu teilen. Schon seit längerem wurden diese Boards farblich von den restlichen abgegrenzt.[Beleg benötigt]

Funktionsweise

4chan ist nach mehreren thematischen Unterkategorien gegliedert. Gegenwärtig gibt es über fünfzig Kanäle, auf denen Bilder gepostet und kommentiert werden. Themen der einzelnen Imageboards gehen von Natur (/an/) über Waffen (/k/) und Autos (/o/) zu Anime, Manga (/a/ u. a.) und Erotik (/h/, /s/, /d/ u. a.). Am größten und stärksten frequentiert ist das Imageboard /b/, welches den Namen Random (englisch wahllos) trägt. Hier kann jeder Benutzer beliebige Bilder aller Thematiken posten und kommentieren. Oft werden Bilder gepostet, die schockieren sollen. Im Gegensatz zu konventionellen Foren sind Threads und Posts auf 4chan sehr kurzlebig. Der gesamte Inhalt wird, abhängig vom jeweiligen Imageboard, bereits nach Stunden oder einigen Tagen durch Neueres verdrängt. Da jeder Bereich nur eine gewisse Anzahl an Threads aufnimmt – und aktivere obenauf gelegt werden –, werden inaktive am Ende der Liste gelöscht. Ein wesentlicher Punkt, der 4chan auszeichnet, ist, dass auf der Seite eine von den Benutzern selbstgeschaffene Terminologie benutzt wird, die Außenstehende meist nicht ohne weiteres verstehen können.

Spiegel Online beschreibt 4chan als

„[…] eine Meme-Schleuder, eine Brutstätte für ansteckende Ideen, aber auch ein abgründiger Ort, an dem Scheußlichkeiten, rassistische und sexistische Tiraden und Bilder weit jenseits der Grenzen des guten Geschmacks veröffentlicht werden. […] Die Welt von 4Chan ist dunkel und seltsam, wie das Innenleben eines verwirrten Provinz-Teenagers um 3 Uhr morgens.“

Felix Knoke[12]

Technisches

4chan basiert auf der eigens für es entwickelten Software Yotsuba, einer modifizierten Variante von Futallaby, welche ihrerseits eine Abspaltung von Futaba ist, der Software, auf der Futaba Channel basiert.[7] Ursprünglich lief die Seite auf einer veränderte Version von GazouBBS, der Software, die auch 2channel benutzte und auf der Futaba basiert. Sowohl Futallaby als auch Yotsuba wurden nach 4chans Gründung von Mitarbeitern von 4chan für die Seite entwickelt.

Der Name Yotsuba ist Japanisch für „Vier Blätter“ und eine Anspielung auf den Namen der Seite sowie den Vorgänger Futaba, dessen Name „Zwei Blätter“ bedeutet.

Reichweite

Alexa listet 4chan global permanent unter den Top 1000 Websites (US: Top 300).[1] Tägliche Unique Visits liegen bei rund 220.000 (Monatlich: ≈6,8 Mio.), generiert werden so rund acht Millionen Page Impressions (Monatlich: ≈240 Mio.).[13] Die Community verzeichnete im April 2009 450.000 Postings pro Tag.[14] Die Nutzung ist kostenlos. Der durchschnittliche 4chan-Besucher ist zwischen 18 und 34 Jahre alt und männlich.[15]

Wichtige und kontroverse Boards

Boards auf 4chan (2020)

Die folgenden Boards finden sich aufgrund ihrer kontroversen Natur häufig in Berichterstattungen über 4chan.

/b/

Das beliebteste Subboard stellte früher mit ca. 350.000 anonymen Postings am Tag das Board „Random“ oder „/b/“ dar, in dem es um kein konkretes Thema geht und bis auf extreme Gesetzesverstöße, persönliche Informationen, Aufrufe zur Verbreitung solcher oder zu Raids, Spam, Werbung und My-Little-Pony-Inhalte ungeniert alles gepostet werden darf. Dieses Konzept entstand in Anlehnung an das /b/-Subboard auf Futaba Channel, auf dem ein ähnlicher Ton herrscht.[16]

Hier brechen die Stammleser, die sich als „/b/tards“ (Verballhornung von „retard“, englisch eigentlich „Behinderter“ oder „Zurückgebliebener“, gemeint eher wie „Vollidiot“) bezeichnen, mit jedem denkbaren Tabu, von Hardcore-Pornografie bis hin zu expliziter Gewaltdarstellung und Gore. Beschimpfungen gehören zum guten Ton und werden häufig auch als Selbstbezeichnung gebraucht. Hier herrschen ein eigener Slang und Verhaltenskodex, den sich Neuzugänge, von den Stammlesern als „Newfags“ (englisch wörtlich „Neuschwuchtel“, wobei das Suffix „-fag“ stets als Charakteristikum verwendet wird – beispielsweise heißt es nicht „drawing artist“ (zeichnerischer Künstler) oder „German“ (Deutsche/r), sondern dann „drawfag“ oder „germanfag“) bezeichnet, auf externen Wikis wie der Encyclopedia Dramatica aneignen können. Die ersten zwei Regeln sind an den Film Fight Club, einen Thriller aus dem Jahr 1999, angelehnt:

  1. do not talk about /b/.
  2. do NOT talk about /b/.
  3. We are Anonymous,
  4. Anonymous is legion.
  5. Anonymous never forgives.
  6. Anonymous can be a horrible, senseless, uncaring monster.
  1. Sprich nicht über /b/.
  2. Sprich NICHT über /b/,
  3. Wir sind Anonymous,
  4. Anonymous ist Legion [vgl. Mk 5,9 EU].
  5. Anonymous vergibt nie.
  6. Anonymous kann ein schreckliches, vernunft- und gefühlsloses Monster sein.

Bei 4chan, besonders auf dem /b/, werden häufig provozierende Bilder gezeigt, wie etwa von toten Menschen oder Tieren (Gore) oder Pornographie. Dauer und die Häufigkeit der Nutzung durch Einzelne sind nicht sichtbar.

Der 500 Millionste Beitrag wurde am 15. August 2013 veröffentlicht, und vom Twitter-Account der Website kommentiert:[17]

“…and /b/’s 500 millionth post is a 4channer bragging about banging Polish prostitutes in London.”

„…und der 500-millionste Beitrag auf /b/ ist ein 4channer, der über das Bumsen polnischer Prostituierter in London prahlt.“

In den vergangenen Jahren hat die Aktivität auf /b/ abgenommen. Üblich sind inzwischen noch ca. 55.000 bis 65.000 Posts pro Tag. /pol/ sowie die beiden auf Videospiele konzentrierten Boards /v/ und /vg/ sind damit inzwischen zu den aktivsten Boards geworden, wodurch /b/ auf die vierte Stelle rückte.[18]

/pol/

/pol/, das den Namen politically incorrect (deutsch: politisch inkorrekt) trägt, ist ein Subboard über Politik auf 4chan, welches überwiegend durch rechtsextreme Inhalte auffällt.[19] Erstellt wurde es am 10. November 2011, um die zunehmende Flutung anderer Boards mit unerwünschten politischen Inhalten unter Kontrolle zu bringen, sodass die dort besprochenen Themen nicht länger von politischen Diskussionen und von unerwünschten rassistischen oder sexistischen Inhalten vereinnahmt werden. Dies sollte der Wahrung der weitgehend apolitischen Natur der meisten auf 4chan besprochenen Themen dienen. Insbesondere das Board /new/, welches ursprünglich der Besprechung aktueller Nachrichten diente, war im Vorfeld davon betroffen. Auf /new/ dominierten hierbei bereits oftmals rechte Inhalte. /new/ wurde daher bereits einige Monate vor der Erstellung von /pol/ dauerhaft von moot geschlossen.[3]

Nach Aussage von Fredrick Brennan, der ehemals in der Szene aktiv war und später die Website 8chan gründete, wurde innerhalb des Subboards zunächst (bei den US-Vorwahlen 2012) der libertäre Ron Paul unterstützt. Vor allem seine Anti-Establishment-Haltung sei auf Zuspruch gestoßen. Brennan gab an, dass er später Bernie Sanders unterstützte (bei den Vorwahlen 2016), aber zum damaligen Zeitpunkt (2012) keine derartige ökonomisch linke Alternative existiert habe, was er als Grund dafür sieht, dass die Mitglieder vor allem Ron Paul als Alternative zum Establishment wahrnahmen. Ferner beschrieb er, wie /pol/ nach und nach von Nazis übernommen wurde, die eine populistische Anti-Establishment-Haltung vertraten und strategisch mit dem Befürworten der freien Meinungsäußerung spielten, um ihre Inhalte dort zu platzieren und die Nutzer von diesen zu überzeugen. Er äußerte, das Subboard sei so zum „Nazi-Paradies“ geworden.[20]

Kultur

Eine freizügige Beitragspolitik, die schnelllebige Architektur und vermeintlich anonyme Teilnahme befördern die Entstehung ungewöhnlicher Web-Phänomene. Moderatoren überwachen die Inhalte auf teilweise boardspezifische, nicht unbedingt zivile Umgangsformen. Irrelevante oder illegale Beiträge sowie Spam werden sporadisch gelöscht, die verantwortlichen Nutzer können vom Board ausgeschlossen werden.[21] Zu diesem Zweck werden die Logfiles und IP-Adressen als einzige Nutzerdaten nach Eigenaussage für die Lebensdauer der Posts gespeichert.[22]

Memes

Einzelne Texte und Bilder entfalten durch den regen Austausch zuweilen ein „Eigenleben“, das sie auch über die Seite hinaus bekannt macht. In dieser Tradition entstanden verschiedene Internetphänomene, wie beispielsweise der „Caturday“, „Pedobear“ oder der „Epic Fail Guy“, einer von vielen Strichmännchen-Comicstrips, deren Handlung durch jede Antwort auf den Thread weitergestrickt wird.

Lolcats

Die Verbreitung von Katzenfotos mit absurden Sprüchen und offensichtlich falscher Grammatik geht auf eine Initiative der Community zurück, den „Caturday“.[23]

Abwandlung von Kumā zu Pedobear

Auch wird dem Board die Abwandlung von Kumā, eines Internet-Phänomens von 2channel, zum Pedobear nachgesagt. Dabei wurde der ursprünglich harmlose Bär Kumā insofern pervertiert, dass er nun in der Rolle eines Pädophilen in Bildern und Videos mit jungen Kindern erscheint und dort entsprechende Kommentare von sich gibt oder Gesten zeigt.

Rickrolling

2005 tauchte das Internet-Phänomen „duckroll“ auf, nachdem moot einen Wortfilter auf 4chan eingesetzt hatte, der „egg“ nach „duck“ änderte. In einer Diskussion postete jemand eine Ente auf Rädern.[24] Im März 2007 wurde der Trailer für das Spiel Grand Theft Auto IV veröffentlicht. Auf Grund der hohen Nachfrage konnte das Video nach einiger Zeit nicht mehr auf der Hersteller-Website aufgerufen werden. Ein anonymer 4chan-Nutzer adaptierte das Prinzip der „duckroll“ und lud auf YouTube ein Video hoch, welches den Trailer versprach – in Wirklichkeit zeigte es aber Rick Astleys „Never Gonna Give You Up“. Der „Rickroll“ war geboren.[24][25] In einem Interview mit der Los Angeles Times sagte Astley, er finde „rickrolling“ lustig und bizarr.[26]

Raids

Wenn „Anonymous“ außerhalb des /b/-Boards aktiv wird, so nennt sich das „Raid“, eine Art Überfall, der nicht nur andere Websites, sondern auch die anderen Unterforen von 4chan treffen kann. Auch hier geht es vorrangig um den Unterhaltungswert, den das Stiften von Ärger hervorbringt („…Anonymous must have no higher cause than its own cruel amusement…“,[27] „… Anonymous darf kein höheres Anliegen als sein eigenes grausames Vergnügen haben …“).

Ein Raid wird mit verschiedenen „Waffen“ ausgetragen, u. a. Spams, Flooding, DDoS-Attacken, Scherzanrufe, Ausnutzen von Sicherheitslücken in Webseiten (einfache Registrierung, identische Benutzerdaten auf verschiedenen Seiten) bis hin zum Löschen kompletter Datenbanken.

Wahl Moots zur weltweit einflussreichsten Person

Der Gründer und Administrator Christopher Poole wurde Ende April 2009 von der Zeitschrift Time zur „World’s Most Influential Person 2008“, also zur weltweit einflussreichsten Person, ernannt.[28] Es stellte sich jedoch heraus, dass die auf einer öffentlichen Umfrage basierende Wahl durch der Community nahestehende Personen beeinflusst wurde. Innerhalb kürzester Zeit erhielt Christopher Poole knapp 17 Millionen Stimmen – mehr als alle anderen Kandidaten zusammen. Die Wahl wurde außerdem derart manipuliert, dass die Anfangsbuchstaben der folgenden 23 Kandidaten die Nachricht „Marble cake also the game“ bildeten – eine Anspielung auf den IRC-Kanal, in dem sich einst der Protest gegen Scientology formte.[29] Christopher Poole wird nunmehr offiziell auf Platz 35 der Liste geführt.[30]

Auch die Wahl zur „World’s Most Influential Person“ des Jahres 2012 wurde von 4chan-Benutzern beeinflusst. So wurde der nordkoreanische Diktator Kim Jong-un, durch eigens für diese Wahl programmierte Voting-Programme, zur einflussreichsten Person des Jahres gewählt. Auch die Stimmen der anderen Teilnehmer wurden gezielt manipuliert. So ergaben die Anfangsbuchstaben der obersten 14 Plätze die Botschaft „K.J.U. GASCHAMBER“ – eine Anspielung auf die Schlagzeilen machenden Arbeitslager in Nordkorea.[31]

Google und das Hakenkreuz

Als im Juli 2008 ein Unbekannter in einem 4chan-Board den HTML-Code für ein Hakenkreuz schrieb, tippten oder kopierten anschließend Tausende von Lesern das Zeichen ins Google-Suchtextfeld. Daraufhin landete die Suche und das Symbol an der Spitze von Googles „Hot Trends“-Liste, die die momentan häufigsten Suchanfragen auflistet. Google entfernte das Hakenkreuz aus den Suchergebnissen und entschuldigte sich.[32]

„Pornday“ auf YouTube

Am 6. Januar 2010 strapazierten 4chan-Teilnehmer durch massenhaftes Veröffentlichen von pornographischem Material, getarnt als Musik oder Kindervideos, die Filterinstanzen des zu Google gehörenden Videoportals YouTube. Anlass der Protestaktion war die Sperrung des dortigen Benutzerkontos „Lukeywes1234“. Ein dem Augenschein nach noch nicht 13 Jahre alter Junge aus Wichita (Kansas) hatte auf diesem Kanal Videos veröffentlicht, in denen er unter anderem improvisierte Rollenspiele mit Spielfiguren zeigte oder als Geisterjäger auftrat. Da die YouTube-Geschäftsbedingungen ein Mindestalter von 13 Jahren voraussetzen, wurde sein Benutzerkonto durch YouTube gesperrt. 4chan-Teilnehmer, die zuvor ihre Aufforderung zum Abonnieren dieses Kanals viral verbreitet und damit die Zahl seiner Abonnenten innerhalb eines Wochenendes von elf auf 15.000 getrieben hatten, riefen als Vergeltungsaktion zum „PornDay“ am 6. Januar 2010 auf.[33][34]

Projekt Chanology

Anlass war eine webweite Löschaktion eines unvorteilhaften Interviews mit Tom Cruise durch Scientology. 4chans Antwort ist die bisher größte Kampagne, die aus dem /b/-Board hervorgegangen ist, und hat das Ziel, Scientology „… aus dem Internet zu verstoßen … und systematisch zu zerstören …“ (Dibbell).[35] Sie hat nicht zuletzt zu dem hohen Bekanntheitsgrad von Anonymous geführt.

Imitatoren

Aufgrund der hohen Popularität und Bedeutung von 4chan inspirierte die Seite eine Vielzahl von Nachahmern, die oft mit anderen Regeln oder einem spezielleren Fokus für sich warben. 1chan, welches im November 2003 von einem Freund Christopher Pooles, der mit ihm an 4chan arbeitete, gegründet wurde, war die erste solcher Seite und fokussiert sich auf Schienenverkehr.

8kun

Die wohl bekannteste, jedoch auch kontroverseste Nachahmung von 4chan ist 8kun, welches im Oktober 2013 von Fredrick Brennan unter dem Namen 8chan gegründet wurde. Sein Alleinstellungsmerkmal sind zum einen weniger restriktive Regeln und zum anderen die Möglichkeit, Subforen selbst zu erstellen und moderieren zu können. Die 8 im Namen ist als Unendlichzeichen () zu lesen. Die Seite erfuhr im September 2014 einen großen Popularitätsschub, nachdem Diskussion über die Gamergate-Affäre auf 4chan verboten wurde.[36] Noch mehr als 4chans /pol/-Subforum ist 8kun für rechtsextreme und andere kontroverse Inhalte bekannt, einschließlich der Ankündigung von Amokläufen. 2019 erfolgte die Umbenennung in 8kun, nachdem 8chan in Folge mehrerer dort angekündigter Amokläufe nur noch über das Tor-Netzwerk erreichbar war[37]. Brennan, welcher seit 2014 nicht länger Inhaber und seit 2016 auch nicht mehr Administrator von 8kun ist, gab in einem Interview an, die Gründung aus diesen Gründen zu bereuen.[37][38] Des Weiteren kritisierte er den Versuch, 8chan unter dem neuen Namen 8kun zurückzubringen. Aktueller Inhaber von 8kun ist seit 2014 Jim Watkins, welcher ebenfalls 2014 auch die Kontrolle über 2channel übernahm.[37] Es gibt Vermutungen, dass Watkins oder sein Sohn einige oder alle der ursprünglichen QAnon-Posts verfasst haben. Watkins gründete 2020 das super PAC Disarm the Deep State, welches Kandidaten, die sich auf QAnon berufen, unterstützen soll.[39]

Krautchan bzw. Kohlchan

Krautchan war eine deutsche Nachahmungseite, die zwischen 2007 und 2018 existierte. Kraut ist hierbei eine selbstironisch gebrauchte englische Bezeichnung für Deutsche. Sie war Ursprung der Polandball-Comics und geriet mehrfach in Kritik für die Ankündigung von Straftaten, so etwa 2008 im Zuge des Amoklaufs von Winnenden, als eine angebliche Ankündigung des Amoklaufs auf Krautchan auftauchte, welche sich später jedoch als Fälschung herausstellte.[40] Die Nutzer sprachen sich untereinander mit dem Namen „Bernd“ an, um anonym zu bleiben, entsprechend den Namen „Anonymous“ bzw. „Anon“ auf 4chan.[41] Krautchan ging 2018 nach einem angeblichen Diebstahl seiner Domain offline. Als Nachfolger hat sich Kohlchan profiliert.[42]

Kontroversen

GamerGate und Frauenhass

Von 4chan gingen 2014 Postings über angebliche Beziehungen von Zoë Quinn mit Computerspielejournalisten aus, die im Gegenzug dazu Quinns Spielen positive Reviews gegeben hätten. Diese Postings wurden ursprünglich von Quinns Exfreund unter dem Hashtag #gamergate gepostet und von anderen Nutzern weiter verbreitet, was die Gamergate-Kontroverse startete.[43] Später wurde die Diskussion der GamerGate-Kontroverse auf 4chan verboten, da in ihrem Zuge zahlreiche Regeln von 4chan gebrochen wurden, wie etwa das Verbot von Doxing, und moot diese Bewegung nicht unterstützen wollte.[44] Die GamerGate-Kontroverse veranlasste moot dazu, das von ihm selbst gegründete 4chan zu verlassen.[45] Nach dem Verbot der GamerGate-Diskussion auf 4chan verlagerte sich diese auf 8chan bzw. 8kun.[46]

Rechtsextremismus

Unter den Subkulturen auf 4chan befinden sich auch solche, die durch Rechtsextremismus, Rassismus und Frauenhass auffallen. Die Verbreitung derartiger extremistischer Ansichten über die Plattform und der dortige Konsum kann zur schnellen Rekrutierung und Radikalisierung von weiteren Personen führen, was 4chan in den Ruf brachte, diese Entwicklung zu fördern. Vor allem das Board /pol/, welches die Beschreibung politically incorrect trägt, fällt in dieser Hinsicht auf.[19][47] Insbesondere im zeitlichen Umfeld der Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten 2016 erfuhr 4chan auf /pol/ einen Zufluss neuer, rechtsextremer Nutzer.[48] Des Weiteren hat auch die QAnon-Verschwörungstheorie ihren Ursprung auf 4chan, wobei die entsprechenden Posts möglicherweise von Jim Watkins, dem Betreiber 8kuns, oder dessen Sohn, verfasst wurden.[39]

Literatur

  • Kevin Kuhn: Hikikomori. Berlin Verlag, 2012. Der Roman greift Strukturen und Spracheigenheiten von 4chan auf.
  • Gerald Himmelein: Das Trollparadies – Eine Internet-Subkultur entwickelt sich vom Web-Störenfried zur globalen Bewegung. In: c’t – Magazin für Computertechnik. Nr. 6, 2008, S. 98–103.
  • Julian Dibbell: The Assclown Offensive. In: Wired. Oktober 2009.
  • Cole Stryker: Epic Win for Anonymous: How 4chan’s Army Conquered the Web. Overlook, 2011, ISBN 1-59020-710-6.

Einzelnachweise

  1. a b 4chan: Siteinfo, Alexa. Abgerufen am 25. August 2013.
  2. a b Konrad Lischka, Christian Stöcker, Ole Reißmann: 4chan: Die Ursuppe von Anonymous. In: Spiegel Online. 26. März 2012, abgerufen am 10. Mai 2020.
  3. a b “Dennis Erasmus” — Containment Breach: 4chan’s /pol/ and the Failed Logic of “Safe Spaces” for Far-Right Ideology. In: b2o. 1. Juli 2019, abgerufen am 15. November 2021 (englisch).
  4. https://www.derstandard.de/story/2000129605681/operation-tinfoil-anonymous-kapert-website-und-telegram-kanaele-von-attila
  5. Christopher „Moot“ Poole Testimony in Palin Email Trial. In: The Business Insider. Abgerufen am 4. September 2010 (englisch): „Q.: Approximately when was it founded? A.: October 1st, 2003.“
  6. Jamin Brophy-Warren: Modest Web Site Is Behind a Bevy of Memes. In: WSJ.com. Dow Jones & Company, 9. Juli 2008, abgerufen am 19. September 2012 (englisch).
  7. a b c 4chan FAQ. Abgerufen am 19. September 2012 (englisch).
  8. Jerry Langton: Funny how `stupid' site is addictive. In: The Star. Toronto Star, 22. September 2007, abgerufen am 29. September 2019 (englisch).
  9. 4chan Pass. 4chan Community Support, abgerufen am 16. Dezember 2019 (englisch).
  10. Christopher Poole: If Only It Grew On Trees. In: 4chan. 18. September 2012, abgerufen am 16. Dezember 2019 (englisch).
  11. Johannes Boie: Christopher Pool verkauft 4chan an Hiroyuki Nishimura. Süddeutsche Zeitung, 23. September 2015, abgerufen am 13. August 2019.
  12. Felix Knoke: Web-Guerilla will YouTube mit Pornos überschwemmen. In: Spiegel Online. 5. Januar 2010, abgerufen am 19. September 2012.
  13. 4chan.org visitorsworth.com; abgerufen am 23. August 2013.
  14. Patrick Dax/Thomas Thaler: 4chan: Lolcats und Splatter. 21. April 2009, abgerufen am 19. September 2012.
  15. 4chan.org advertise. In: 4chan.org. Abgerufen am 11. Juli 2014 (englisch).
  16. https://knowyourmeme.com/memes/sites/futaba-channel-2chan
  17. Tweet, twitter.com/4chan. Abgerufen am 25. August 2013.
  18. https://4stats.io/
  19. a b Rechte Cyberkultur: Glossar über die extrem rechte digitale Subkultur. In: belltower.news. 16. April 2019, abgerufen am 10. Mai 2020.
  20. Bhaskar Sunkara: Fredrick Brennan hat 8chan gegründet – und würde es am liebsten abschalten. In: Jacobin. 25. Mai 2021, abgerufen am 3. Juni 2021 (Übersetzung von Paul Brunner).
  21. 4chan Rules. Abgerufen am 19. September 2012 (englisch).
  22. 4chan – FAQ. Abgerufen am 23. Juli 2013.
  23. Konrad Lischka: Web-Guerilla manipuliert US-Promi-Wahl. In: Spiegel Online. 17. April 2009, abgerufen am 19. September 2012.
  24. a b The Biggest Little Internet Hoax on Wheels Hits Mainstream. FOX News Network, 22. April 2008, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 22. April 2008; abgerufen am 19. September 2012 (englisch).
  25. Sean Michaels: Taking the Rick. In: guardian.co.uk. 19. März 2008, abgerufen am 19. September 2012 (englisch).
  26. David Sarno: Web Scout exclusive! Rick Astley, king of the 'Rickroll,' talks about his song’s second coming. 25. März 2008, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 23. Mai 2011; abgerufen am 19. September 2012 (englisch).
  27. Julian Dibbell: The Assclown Offensive: How to Enrage the Church of Scientology. In: wired.com. Oktober 2009, abgerufen am 19. September 2012 (englisch).
  28. The World’s Most Influential Person Is… In: Time. 27. April 2009, abgerufen am 19. September 2012 (englisch).
  29. Birgit Riegler: Hacker kapern Promi-Wahl des Time Magazines. In: derStandard.at. 18. April 2009, abgerufen am 19. September 2012.
  30. Rick Astley: The 2009 TIME 100. In: TIME. 30. April 2009, abgerufen am 19. September 2012 (englisch).
  31. Sarah Wagner: „4chan“ macht Kim Jong Un zum Mann des Jahres. In: Focus. 12. Dezember 2012, abgerufen am 5. Juni 2013.
  32. Christian Stöcker: Guerilla gegen Google. In: Spiegel Online. 15. Juli 2008, abgerufen am 19. September 2012.
  33. lukeywes1234. In: Know Your Meme. 2010, abgerufen am 19. September 2012 (englisch).
  34. MG Siegler: 4chan Presents: YouTube Porn Day (NSFW). In: TechCrunch. AOL, 4. Januar 2010, abgerufen am 19. September 2012 (englisch).
  35. Message to Scientology. (Onlinevideo) In: YouTube. 21. Januar 2008, abgerufen am 19. September 2012 (englisch).
  36. Adrian Chen: Gamergate Supporters Partied at a Strip Club This Weekend. In: New York Magazine. 27. Oktober 2014, abgerufen am 10. Oktober 2019 (englisch).
  37. a b c The Weird, Dark History of 8chan. In: wired.com. 6. August 2019, abgerufen am 15. November 2021 (englisch).
  38. Josa Mania-Schlegel: Fredrick Brennan: "Ich bereue es, 8chan gegründet zu haben". In: Die Zeit. 16. Oktober 2019, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 19. Oktober 2019]).
  39. a b QAnon Now Has Its Very Own Super PAC. In: vice.com. 2. März 2020, abgerufen am 16. November 2021 (englisch).
  40. https://www.stimme.de/themen/dossierarchiv/amoklauf-winnenden/Die-lachen-sich-kaputt-hier-Wie-kam-es-zu-falscher-Amok-Drohung;art19312,1482716
  41. Jan Stark: KrautChan.net ist der kaum unterhaltsame, provinzielle, deutsche Abklatsch von 4Chan. In: Vice. 31. März 2014, abgerufen am 2. März 2020.
  42. Marcel Rosenbach, Vera Deleja-Hotko, Melanie Amann: Digitales Vermummungsverbot: Auch Schäuble will Klarnamen-Pflicht im Netz. In: Spiegel Online – Netzwelt. Abgerufen am 2. März 2020.
  43. Gaming & Culture — Chat logs show how 4chan users created #GamerGate controversy, arstechnica.com, 9. Oktober 2014.
  44. https://www.rollingstone.com/culture/culture-features/4chans-overlord-christopher-poole-reveals-why-he-walked-away-93894/
  45. https://www.theverge.com/2015/3/14/8214713/gamergate-scandal-convinced-4chan-founder-moot-to-leave-the-site
  46. https://nymag.com/intelligencer/2014/10/gamergate-supporters-party-at-strip-club.html
  47. Sonja Peteranderl: Troll-Forscherin Whitney Phillips: Wie das Internet vom Hass geflutet wurde. In: Spiegel Online. 6. August 2019, abgerufen am 10. Mai 2020.
  48. https://www.washingtonpost.com/news/the-intersect/wp/2016/11/09/we-actually-elected-a-meme-as-president-how-4chan-celebrated-trumps-victory/