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Geschichtsrevisionismus

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Als Geschichtsrevisionismus bezeichnet man Versuche, ein allgemein anerkanntes Geschichtsbild zu revidieren, d.h. bestimmte Ereignisse wesentlich anders zu erklären als in der Geschichtswissenschaft üblich. Dabei geht es in der Regel darum, eine „Deutungshoheit“ über die Vergangenheit zu gewinnen, die von der bisherigen Auffassung abweicht und diese ersetzt.

In Deutschland bezeichnet man damit vor allem Versuche, die Ursachen, Verläufe und Folgen von Ereignissen des 20. Jahrhunderts, besonders aus der Zeit des Nationalsozialismus, anders zu interpretieren. Regelmäßig bestreiten Geschichtsrevisionisten die Hauptverantwortung des dritten Reiches für den 2. Weltkrieg, Ausmaß und Besonderheit der Verbrechen nationalsozialistischer Politik, besonders der Shoa. Sie richten ebenfalls oft Ansprüche auf ehemalige deutsche Gebiete oder Großmachtambitionen wieder auf. Politisch sind geschichtsrevisionistische Autoren daher überwiegend national-konservativ oder rechtsextrem orientiert.

Dieser Geschichtsrevisionismus ist vom Begriff des Revisionismus, der in der Geschichte der deutschen Sozialdemokratie und der Kritik des Staatskommunismus verankert ist, und vom Vertragsrevisionismus, der die im Versailler Vertrag von 1919 geforderten Reparationen und Gebietsabtretungen revidieren wollte, zu unterscheiden.

Weimarer Republik

Schon die Dolchstoßlegende in der Weimarer Republik war ein Versuch, die tatsächlichen Ursachen der Niederlage des Deutschen Reiches im 1. Weltkrieg zu leugnen und zu revidieren. Damit verbunden war eine Ablehnung der parlamentarischen Demokratie und der Unterordnung von Militär und Justiz unter den Primat der mehrheitlich gewählten Regierung. Auch bei revisionistischen Autoren nach 1945 finden sich Versuche, den Zusammenbruch des Deutschen Reichs den "Vertretern" der Novemberrevolution in die Schuhe zu schieben. Zu diesen Autoren zählen beispielsweise die inzwischen verstorbenen Publizisten Otto Ernst Remer und Erich Kern.

Nationalsozialismus und Holocaust

Als „Revisionismus“ bezeichnet man seit dem Historikerstreit von 1986 das Bestreben, die Verbrechen des Nationalsozialismus zu relativieren, zu verharmlosen und in andere Zusammenhänge einzuordnen. Dieser Versuch verschiebt die Kriegsschuld am 2. Weltkrieg auf außerdeutsche Ursachen.

Hauptvertreter ist der Historiker Ernst Nolte, der damals eine neue Variante der Totalitarismusthese aufstellte: Er stellte die Vernichtungslager der Nationalsozialisten als Reaktion auf die Arbeitslager Stalins und den deutschen Überfall auf die Sowjetunion 1941 als präventive Abwehrmaßnahme Adolf Hitlers dar. Er bestreitet damit die alleinige deutsche Kriegsschuld und deutet den Holocaust als zufällige Folge des von außen aufgenötigten Krieges um. Auch bewertete er die Bereitschaft des Vorsitzenden der Jewish Agency Chaim Weizmann, an der Seite Großbritanniens gegen das nationalsozialistische Deutschland zu kämpfen, als Kriegserklärung der Juden an das Deutsche Reich und stellte die mit Kriegsbeginn eskalierende Judenverfolgung des NS-Regimes als „Gegenmaßnahme“ dar.

Dieser gemäßigte Revisionismus findet weit über rechtsextreme Gruppen hinaus in der sogenannten Neuen Rechten Zustimmung. Dort sehen Historiker wie Alexander Ruoff einen „Diskurs des völkischen Nationalismus, in dem nicht Auschwitz selbst, sondern die Bedeutung dieses Verbrechens für die Bildung einer „selbstbewussten Nation“ geleugnet wird. Ruoff analysierte dazu die Wochenzeitung Junge Freiheit und stellte fest:

Mit dem Konzept der „Hegemoniepolitik“ unternimmt die Neue Rechte den Versuch, gesellschaftliche Akzeptanz für eine völkische Fassung nationaler Selbstvergewisserung zu erreichen, die zum einen auf parteiförmige Organisationsformen wie zum anderen auf die Leugnung der Vernichtung der europäischen Juden verzichtet.

Dieser Versuch ist von einer direkten Holocaustleugnung zu unterscheiden. Da Holocaustleugner sich ebenfalls „Revisionisten" nennen, werden Relativieren und Leugnen des nationalsozialistischen Völkermords oft in diesem Begriff zusammengefasst. Zu den bekanntesten direkten Holocaustleugnern gehören u.a. Ernst Zündel in Kanada, Fred A. Leuchter in den USA, David Irving in Großbritannien und der deutsche Diplom-Chemiker Germar Rudolf. Als Zentralen der Holocaustleugnung gelten das Institute for Historical Review in Kalifornien, USA, und das Institut Vrij Historisch Onderzoek (VHO, „Freie Historische Untersuchung“) in Antwerpen, Belgien.

Neben der direkten Holocaustleugnung finden sich in vielen revisionistischen Arbeiten weitere Varianten eines eleminatorischen Antisemitismus. So etwa bei der indizierten rechtsextremistischen Publizistin Ingrid Weckert, die schreibt, dass die sogenannte Reichskristallnacht von zionistischen Organisationen in Gang gesetzt wurde.

Ausbruch des Zweiten Weltkriegs

Ein weiterer Schwerpunkt geschichtsrevisionistischer Arbeiten ist die Leugnung oder Relativierung der Hauptverantwortung Adolf Hitlers und des Deutschen Reichs am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Derartige von der seriösen Forschung allgemein abglehnten Thesen finden sich nicht nur bei dem Holocaustleugner David Irving, sondern auch bei Autoren wie David L. Hoggan und A.J.P. Taylor. Seite einigen Jahren veröffentlicht der ehemalige Generalmajor Gerd Schultze-Rhonhof publikumswirksam Arbeiten, die von einer allgemeinen Entfesselung des Kriegs ausgehen und eine Hauptschuld Polen zuschieben. Ein gemäßigterer Vertreter der Relativierung der Agressionspolitik Hitlers ist der freie Historiker Stefan Scheil.


Strafrechtliche Verfolgung/ Beobachtung durch den Verfassungsschutz

Sofern sie eine direkte Holocaustleugnung darstellen, können geschichtsrevisionistische Äußerungen in Deutschland als Volksverhetzung bestraft werden. Publikationen aus dieser Richtung werden oft vom Verfassungsschutz beobachtet, einige sind verboten. Da der Verfassungsschutz als Arbeitsgrundlage davon ausgeht, dass mit der systematischen Leugnung oder Relativierung der deutschen Hauptverantwortung an den beiden Weltkriegen bestimmte politische Ziele verbunden sein können, beobachtet der Verfassungsschutz in extremistischen Verdachtsfällen auch Revisionisten, die keine strafrechtlich ahnbare Handlungen begehen.

Siehe auch

Literatur

  • Ruoff, Alexander: Verbiegen, Verdrängen, Beschweigen. ISBN 3-89771-406-X
  • Landesamt für Verfassungsschutz (Berlin): Die internationale Revisionismus-Kampagne, Berlin 1994.
  • Benz, Wolfgang: Abweichende Geschichtsinterpretation oder rechtsextremistische Geschichtsdeutung? Zur Problematik der Beobachtung des Revisionismus, in: Bundesamt für Verfassungsschutz (Hrsg.), Bundesamt für Verfassungsschutz. 50 Jahre im Dienst der inneren Sicherheit, Köln 2000, S. 247-261.
  • Pfahl-Traughber, Armin: Die Apologeten der „Auschwitz-Lüge“ - Bedeutung und Entwicklung der Holocaust-Leugnung im Rechtsextremismus, in: Uwe Backes/Eckhard Jesse (Hrsg.), Extremismus & Demokratie 8, Bonn 1996, S. 75-101.
  • Binder, Gerhart: Revisionsliteratur in der Bundesrepublik, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, 17. Jg., 1966, S. 179-200.
  • Bundesamt für Verfassungsschutz (Hg.): Rechtsextremistischer Revisionismus: Ein Thema von heute, Köln 2001.