Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland
Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland wollte von 1949 bis 1989 die Handlungsfähigkeit deutscher Außenpolitik wiederherstellen und Vertrauen in die Berechenbarkeit deutscher Politik schaffen, um mittelfristig die deutsche Einheit und die nationale Souveränität zu erreichen. Seit 1990 bemüht sich die Bundesdeutsche Außenpolitik verstärkt darum, in multilateralen Entscheidungsprozessen wie denen der Vereinten Nationen, der OSZE und der Europäischen Union einem ihrem Finanzierungsanteil an diesen Organisationen entsprechenden politischen Einfluß zu gewinnen.
Kernaussage
Im Rahmen der bipolaren Weltordnung war und ist die wichtigste Botschaft, die Bundesregierung werde die Unverletzlichkeit der Grenzen respektieren (keine Gebietsansprüche stellen) und sich in eine Europäische Sicherheitsarchitektur einbinden lassen.
Link-Text Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland dient zu 90 Prozent innenpolitischen Zwecken.
Wirtschaftliche Bedeutung der deutschen Außenpolitik zur Schaffung von Arbeitsplätzen
Garanten eines friedlichen Deutschland für die Nachbarländer blieben die Siegermächte mit ihren in Deutschland stationierten Truppen. Der große Rahmen war und ist durch die Weltmacht USA vorgegeben: Eindämmung durch Internationale Organisationen wie die KSZE und Bündnisse (NATO) sowie nukleare Waffen auf deutschem Boden unter amerikanischer Kontrolle.
Adressaten
Erster Adressat deutscher Außenpolitik war und ist die damalige Besatzungsmacht USA. Der jeweilige Botschafter (ab 1955) hatte eine zentralen Position. Deutschland signalisierte die Bereitschaft, die Deutsche Einheit zurückzustellen, sich nach Westen zu orientieren und die Stationierung fremder Truppen zu bejahen. Mit Gründung der NATO (1949) stellte sich auch die Frage nach einer deutschen Armee; 1956 – elf Jahre nach Kriegsende – wurde sie aufgestellt.
Zweiter Adressat deutscher Außenpolitik war und ist Frankreich. Die Regierung in Bonn signalisierte, man wolle die deutsch-französische Aussöhnung vorrangig betreiben, um den Frieden in Europa langfristig zu sichern. Lokalpolitiker begegneten einander (Städtepartnerschaften); später auch Schüler (Deutsch-Französisches Jugendwerk, 1963). 1963 konnte auch der Elysée-Vertrag unterschrieben werden. Eine enge Koordinierung bis hin zu einer Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) wurde möglich. So konnte in Bonn auch die atomare Bewaffnung des Bündnispartners akzeptiert werden.
Außenpolitik durch gesellschaftliche Organisationen und Programme
Trauerarbeit wird durch den Volksbund deutsche Kriegsgräberfürsorge geleistet; ausländische Studenten als potentielle Elite von morgen nach Deutschland eingeladen (Eliteförderung durch Stipendien der Politischen Stiftungen); ausländische Journalisten können Deutschland besuchen (Programm Inter Nationes).
Außenpolitik durch Verträge
Viele weitere bilaterale Verträge kamen hinzu, denn mehr und mehr wurde der Wiederaufbau zum Erfolg und die deutsche Wiederbewaffnung in den Nachbarländern als Bedrohung empfunden. Die Einbindung in die NATO-Strukturen dienten als vertrauensbildende Maßnahme.
Außenpolitik als Aufgabe des Parlamentes
Zwischen 1949 und 1989 haben die Parteien CDU, FDP und SPD meist im Konsens agiert.
Meilensteine
1947: Der Marshallplan bietet Hilfen für Kohle und Stahl; der Wiederaufbau der Industrie beginnt.
1948: Die Londoner Sechsmächtekonferenz will die Gründung eines westdeutschen Staates. Von Juni 1948 bis 12. Mai 1949 dauert die Berlin-Blockade der UdSSR und die Luftbrücke der Westmächte; die Alliierten fordern Deutschland auf, eine Verfassung zu konzipieren (Rittersturzkonferenz der Deutschen Ministerpräsidenten; der Verfassungskonvent tagt)
1949: Realitätsverweigerung: Gründung der Deutsche Demokratischen Republik Link-Text
Der Staat wird neu etabliert, ein Entscheidungsspielraum für nationale Politik gewonnen (Verfassung von 23. Mai); aus Militärgouverneuren werden Hochkommissare. Am 4. April Gründung der NATO in Washington und Überlegungen zu einem deutschen Beitrag. Am 21. September Veröffentlichung des Besatzungsstatutes (Kontrolle über Abrüstung, Entmilitarisierung, Außenpolitik, Außenhandel, Devisenverkehr, Anwendung des Grundgesetzes). Im Petersberg-Abkommen (22. November) behalten sich die Alliierten konsularische Beziehungen, Demontagen, Entscheidungen über den Beitritt Deutschlands zu Internationalen Organisationen vor.
1950: Frankreich schlägt am 24. Oktober eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft vor, um den Aufbau einer deutschen Armee zu verhindern, im Oktober entsteht die Dienststelle Blank im Bundeskanzleramt zur Vorbereitung der Wiederbewaffnung.
1951: Bundeskanzler Konrad Adenauer ist zugleich Außenminister (15. März); die Basis für die Grundstoffindustrie (Montanunion ist die EGKS vom 18. April, dies bedeutet Aufhebung der internationalen Kontrolle über das Ruhrgebiet; Schaffung des Bundesgrenzschutzes – 1956 tritt dann die Hälfte der Beamten in die Bundeswehr ein.
1952: Das Luxemburger Abkommen vom 10. September sieht 3 Mrd. DM für die Eingliederung von 500.000 Flüchtlingen vor; Adenauer sieht in diesen Vereinbarungen mit Israel eine Verbesserung der moralischen Position Deutschlands in der Welt; UNHCR-Mitgliedschaft und eigene Mission bei der UNO in New York.
1953: Das Londoner Schuldenabkommen schafft die Voraussetzung für die deutsche Kreditwürdigkeit, für internationale Geschäfte und Exporterfolge (27. Februar).
1955: Adenauer zu Besuch in Moskau: Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der UdSSR und Repatriierung von 2 der 3,3 Mio. noch in der UdSSR befindlicher deutscher Kriegsgefangener. Die Gespräche finden 9. September-13. September statt. Der NATO-Beitritt bedeutet Ende des Besatzungsstatuts; aus Hochkommissaren der Alliierten werden Botschafter.
1956: Gründung der Bundeswehr als Armee innerhalb der NATO: Am 2. Januar Einrücken der ersten Rekruten.
1957 Der Bund der Vertriebenen gründet sich. Er vertritt 12 Mio. Flüchtlinge.
1961: Gründung des Entwicklungshilfeministeriums: Deutschland zeigt seine Fähigkeit und Bereitschaft, sich in der Welt praktisch zu engagieren.
1963: Der Elysée-Vertrag zur deutsch-französischen Aussöhnung (22. Januar)
1969: Auch der Ausgleich mit Polen, Tschechien und anderen Ländern im Machtbereich der UdSSR wird im Rahmen des Helsinki-Prozesses gesucht.
1971 Das Vier-Mächte-Abkommen über Deutschland und Berlin (3. September).
1972: Der Grundlagenvertrag am 21. Dezember (DDR garantiert Transitverkehr für Westberlin)
1973: Eröffnung der Konferenz der KSZE in Helsinki (3. Juli); Deutschland (BRD und DDR) erlangen die UN-Vollmitgliedschaft (18. September)
1975: Die Schlußakte von Helsinki (1. August) eröffnet auch der bundesdeutschen Außenpolitik größere Spielräume, um die Einheit Deutschlands und gutnachbarliche Beziehungen mit europäischen Ländern wie Polen voranzutreiben, die im Machtbereich der UdSSR liegen.
(...)
Situation seit 1989
Die Wiedererlangung der Souverenität durch den 2+4 Vertrag und die damit verbundene Wiedervereinigung Deutschlands markierten den Anfang eines erneuten Wandels in der deutschen Außenpolitik. Nach dem Zerfall der Sowjetunion und dem Ende des bipolaren Machtgefüges in der Welt war Deutschland nun nicht mehr existentiell bedroht. Es folgten unter Kohl wie auch unter Schröder sowohl eine Anpassung der Ziele deutscher Außenpolitik auf eine veränderte weltpolitische Lage als auch Schritte die eine deutliche Abkehr von alten Prinzipien darstellten.
In der Frage der europäischen Einigung wurde der auch schon vor der Wende aufgenommene Kurs beibehalten und an vielen Stellen verstärkt. So etablierte sich Deutschland als klarer Befürworter der EU-Ost-Erweiterung und ergriff immer öfter Partei für die osteuropäischen Staaten wie auch für Russland, was natürlich auch auf die sehr freundschaftlichen Verhältnisse Jelzin/Kohl und Schröder/Putin zurückzuführen ist. Weitere Eckpfeiler der EU-Politik nach der Wiedervereinigung waren die Einführung des Euros als gemeinsames Zahlungsmittel und die Erstellung einer EU-Verfassung. Im Hinblick auf die letzten Jahre lässt sich feststellen, dass die Außenpolitik der Deutschen Bundesregierung in EU-Fragen eigentlich immer mehr zur EU-Innenpolitik geworden ist, da die Europäische Union immer dichter in die Innenpolitik ihrer Mitgliedsländer eingreift und auch die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik immer stärker betrieben wird.
Ein Novum in der Außenpolitik seit 1945 war jedoch in jedem Fall die Abkehr von der „Scheckbuch-Diplomatie“, also der bloßen finanziellen Unterstützung militärischer Konflikte wie im Zweiten Golf-Krieg. Man spricht in diesem Bezug auch von einem Wandel Deutschlands vom Sicherheitsimporteur zum „Sicherheitsexporteur“. Mitte 1993 nahm die Bundeswehr das erste Mal an einem sogenannten „out-of-area“ Einsatz in Somalia teil und beschloss so, sich von einer Verteidigungsarmee zu einer internationalen Eingreiftruppe zu wandeln. 1999 wurde ein weiterer Schritt getan als sich die Bundeswehr an Luftangriffen auf Serbien beteiligte. Dies stellte einen Präventivschlag zur Abwehr einer humanitären Katastrophe im Kosovo dar und war wegen fehlender völkerrechtlicher Legitmierung hart umstritten. Auch nach dem 11. September beteiligte sich die Deutschen an der „Operation Enduring Freedom“ in Afghanistan, nachdem zuvor die NATO das erste Mal in ihrer Geschichte den Bündnisfall ausgerufen hatte. Heute stehen alle Parteien (mit Ausnahme der Linkspartei) hinter den Auslandseinsätzen der Bundeswehr, im Vorfeld einer solchen Maßnahme wird jedoch immer wieder heftig diskutiert bis die notwendige Zustimmung des Bundestages vorliegt.
Eine Kursänderung der deutschen Außenpolitik zeigte sich auch in der Abkühlung der transatlantischen Beziehungen im Vergleich zu den Zeiten des Kalten Kriegs. Schon während der Amtszeit von Helmut Kohl wurde vermehrt auf deutsche Kritikpunkte wie die Anwendung der Todesstrafe oder die nicht-Teilnahme am Kyoto-Protokoll zum Umweltschutz hingewiesen. Einen absoluten Tiefpunkt erlebte das deutsch-amerikanische Verhältniss während des Irak-Konflikts 2002 – 2003 als Bundeskanzler Schröder schon Mitte 2002 einer militärischen Intervention vielleicht auch aus wahltaktischen Gründen eine absolute Absage erteilte und somit einer Entscheidung des U.N. Sicherheitsrates und der U.N. Vollversammlung blind vorausgriff. Inzwischen hat das transatlantische Verhältnis auch noch unter Schröder wie jetzt unter Merkel wieder eine Aufhellung erlebt.
Zentrale Fragen der kommenden Jahre (wie auch schon der vergangenen Periode) werden das Verhältnis der deutschen Außenpolitik zum Zivilmacht-Prinzip und die Einordnung Deutschlands in eine wohl wahrscheinlich neue multipolare Weltordnung sein.