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Landreform

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Indonesische Bauern demonstrieren in Jakarta für Landrechte

Als Landreform oder Bodenreform (manchmal auch Agrarreform) wird eine Änderung der Eigentums- oder Nutzungsrechte an Grundstücken oder allgemein der Rechtsordnung in diesem Bereich bezeichnet, die meist zum Ziel hat, eine gleichmäßigere („gerechtere“) Verteilung des Landbesitzes zu erreichen.

Gründe, Ziele und Bedeutung von Landreformen

Landreformen haben meist zum Ziel, eine größere Streuung des Landbesitzes zu erreichen und den Boden von Großgrundbesitzern zu Kleinbauern und landlosen Landarbeitern umzuverteilen.

Im Sozialismus und Kommunismus sind Landreformen Bestandteil der Überführung der Produktionsmittel in den Besitz der Arbeiterschaft. Auch politische, ideologische und religiös-esoterische Strömungen, die das (Privat-)Eigentum an Boden grundsätzlich in Frage stellen, zählen zu den Sympathisanten von Landreformen. Die Gegner – namentlich die Landbesitzer, welche ihr Land im Zuge einer Landreform abgeben müssen – machen hingegen geltend, dass eine Landreform den Diebstahl von legitimem Besitz darstelle. Vertreter politischer Anschauungen, die grundsätzlich skeptisch gegenüber staatlichen Eingriffen in Markt und Wirtschaft sind, lehnen Landreformen tendenziell ab.

Ethisch-philosophische Argumente wie die „soziale Gerechtigkeit“ werden für Landreformen angeführt, aber auch (sozial-)politische und wirtschaftliche Überlegungen. So schafft eine kleinbäuerliche Landwirtschaft generell mehr Arbeitsplätze als eine industriell betriebene großflächige Landwirtschaft; in Brasilien bietet der Großgrundbesitz beispielsweise Arbeit für 420.000 Menschen, wohingegen Kleinbetriebe mehr als 14 Millionen beschäftigen[1]. Landreformen dienen daher oft dem Zweck, Arbeit und Existenzgrundlagen für die – zumeist armen – Begünstigten zu schaffen.

Darüber hinaus kann eine Landreform eine Maßnahme zur Förderung von Ernährungssicherheit und Ernährungssouveränität eines Landes oder Gebietes sein, da Großgrundbesitzer zu einem großen Teil exportorientiert wirtschaften, während Kleinbauern eher Grundnahrungsmittel zur Subsistenzwirtschaft und für lokale Märkte anbauen. Brasilien gehört durch die Produktion der riesigen Fazendas zu den führenden Exporteuren von Cash Crops wie Soja, Orangensaft, Kaffee, Rindfleisch etc., aber Bohnen und Maniok – wichtige Grundnahrungsmittel der brasilianischen Bevölkerung – werden zu 70 bzw. 84 % von Kleinbauern produziert[2].

Die Welternährungsorganisation FAO widmete der Bedeutung von Landreformen für die ländliche Entwicklung und die Bekämpfung des Welthungers 2006 eine Konferenz im brasilianischen Porto Alegre.

Historisch spielte die Thematik der Landreform immer wieder eine bedeutende Rolle, so im 2. Jahrhundert v. Chr. im alten Rom, als die Brüder Tiberius Gracchus und Gaius Gracchus im Rahmen der Gracchischen Reformen erfolglos eine Landreform durchzusetzen versuchten und damit ein Jahrhundert der Römischen Bürgerkriege auslösten.

Auch in den diversen Bauernkriegen in Europa gehörten u.a. Landreformen und ähnliche Belange zu den Zielen der Aufständischen. Landreformen bzw. Forderungen danach waren Bestandteil verschiedener sozialistisch bis kommunistisch ausgerichteter Revolutionen auf der ganzen Welt sowie vieler Dekolonisationskämpfe in Entwicklungsländern.

Formen der Landreform

Landreformen können auf unterschiedliche Weise durchgeführt werden. Das Spektrum reicht von der „Marktgestützen Landreform“ (siehe unten) über staatliche Subventionen oder Darlehen für Bauern und Landarbeiter, die das von ihnen bearbeitete Land kaufen möchten, bis hin zu Erwerb und Verteilung des Landes durch den Staat selbst. In den einen Fällen kauft der Staat hierbei das Land von Großgrundbesitzern, welche es freiwillig verkaufen („willing seller – willing buyer“), in anderen Fällen greift er zum Mittel der Enteignung, welche vollumfänglich, teilweise oder auch nicht entschädigt werden kann und bisweilen mit Gewalt geschieht. Manchmal wird im Rahmen einer Landreform privates Land verstaatlicht, in anderen Fällen wiederum Staatsland in den Privatbesitz von Kleinbauern überführt. Privatbesitz kann zum Gemeinschaftsbesitz umgewandelt werden (Kollektivierung) oder auch Gemeinschaftsbesitz unter den Mitgliedern der Gemeinschaft aufgeteilt werden.

Marktgestützte Landreform

Die Marktgestützte Landreform ist eine Variante der Landreform, die von der Weltbank gefördert, aber von Organisationen wie Via Campesina und FIAN als ineffektiv kritisiert wird[3]. Hierbei muss der Kleinbauer, der provisorisch Land erhalten hat, dieses dem ursprünglichen Besitzer zum vollen Marktpreis abkaufen. Vermag er dies nicht, verliert er das Land wieder.

Landreform und Frauenanliegen

Eine manchmal von Befürwortern von Landreformen geäusserte Kritik ist, dass zumindest in früheren Landreformen die spezifische Situation und die Anliegen von Frauen wenig berücksichtigt worden seien. So waren von den Begünstigten der Landreform in Honduras von 1962 –1991 gerade 4% Frauen[4]. Da Frauen in vielen Entwicklungsländern einen Großteil der Haus- und Feldarbeit leisten, aber das meiste Land sich im Besitz von Männern befindet, treten manche Feministinnen für eine Umverteilung des Landbesitzes nicht nur von Großgrundbesitzern zu Kleinbauern, sondern auch innerhalb der Bauernfamilien ein.

Landreformen nach Regionen

Afrika

  • Äthiopien: Die traditionellen Landbesitzsysteme in Äthiopien sind vielfältig. Während der Bodenbesitz im Norden des Landes relativ gleichmäßig verteilt war, war die Ungleichheit im Süden größer. Ab Mitte der 1960er waren Teile der äthiopischen Bevölkerung für Landreformen. Die Landreform des kommunistischen Derg 1975 wurde im Süden begrüßt, im Norden hingegen teilweise abgelehnt. Hierbei wurde das Land verstaatlicht, wobei die Bauern Nutzungsrechte für Landstücke von weniger als zehn Hektaren erhielten. Infolge des Bevölkerungswachstums und des Mangels an alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten hält die Tendenz der Aufteilung in immer kleinere Parzellen, welche kaum zur Selbstversorgung ausreichen, an[5].
  • Burkina Faso: In Burkina Faso führte Thomas Sankara in den 1980er Jahren Landreformen durch, indem das Land, das bisher von den Dorfvorstehern nach Gutdünken verteilt worden war, umverteilt wurde gemäß den Bedürfnissen der Bauernfamilien[6].
  • Kenia: In den 1960er Jahren lancierte Kenyatta eine Landreform auf Basis der willing seller – willing buyer-Prinzips, die von der ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien finanziert wurde. 2006 kündigte Mwai Kibaki die Neuverteilung von Land in der Küstenregion, welches sich im Besitz abwesender Landeigentümer befindet, an Menschen, die sich auf diesem Land niedergelassen haben, an[7].
  • Namibia: Wie im gesamten südlichen Afrika befindet sich als Erbe von Kolonialismus und Apartheid ein großer Teil insbesondere der fruchtbarsten Böden im Besitz weißer Farmer. Unter Sam Nujoma fand eine begrenzte Landreform zugunsten schwarzer Kleinbauern statt.
  • Simbabwe: In Simbabwe wird unter Mugabe eine kontroverse Landreform durchgeführt. Ursprünglich kaufte die Regierung nach dem willing seller – willing buyer-Prinzip Land von weißen Farmern, um es zu verteilen. Im Zuge der „beschleunigten Landreform“ seit 2000 wurden jedoch praktisch alle weißen Farmer ohne Entschädigung gewaltsam vertrieben. Das enteignete Land wurde vielfach nicht wie ursprünglich vorgesehen an landlose schwarze Bauern oder an die vormaligen Farmarbeiter vergeben, sondern an Anhänger Mugabes.
  • Südafrika: Die Rückgabe von Land (Land restitution) war eines der Versprechen des African National Congress, als dieser 1994 an die Macht kam. Zunächst wurde dies mit Hilfe eines willing seller – willing buyer-Programms umgesetzt, in dessen Rahmen die Regierung Land von weißen Großgrundbesitzern aufkaufte und verteilte. Auch wurde Land von Schwarzen, das die Regierung in der Apartheid-Ära enteignet hatte, wieder zurückgegeben[8]. Da die südafrikanische Landreform jedoch insgesamt langsam vorankommt, kündigte die Regierung Anfang 2006 an, künftig auch zum Instrument der Enteignung – mit Entschädigung der Grundbesitzer – zu greifen[9].
  • Tansania: Als bedeutender Teil des Ujamaa-Sozialismus unter Nyerere wurden Millionen Dorfbewohner – teils unter Zwang – in Gemeinschaftsdörfer umgesiedelt, wo ihnen landwirtschaftliche Technologie, Bildungseinrichtungen etc. zur Verfügung gestellt wurden und sie das Land gemeinsam bearbeiten sollten. Nach dem Ende des Ujamaa-Programms kehrten viele Bauern wieder in ihre ursprünglichen Dörfer zurück.

Asien

  • China: In China gab es im 20. Jahrhundert eine Reihe von Landreformen.
    • Durch die 1946 – drei Jahre vor Gründung der Volksrepublik China – durchgeführte Landreform gewann die Kommunistische Partei die Unterstützung von Millionen armen bis mittleren Bauern. Land und sonstiger Besitz von „Grundherren“ wurde enteignet und unter den Bauern umverteilt, sodass jeder ländliche Haushalt etwa gleich viel besass.
    • Mitte der 1950er Jahre wurden die bäuerlichen Haushalte in Kollektive und Volkskommunen zusammengefasst, welche zentral kontrolliert wurden. Diese Politik war mitverantwortlich für die massive Hungersnot im Laufe des „Großen Sprungs nach vorn“ und wurde danach teilweise rückgängig gemacht.
    • Zu Beginn der 1970er Jahre wurden im Rahmen des household responsibility system und familienbasiertem Kontraktsystem wieder individuelle Rechte und Verantwortung der Bauern gestärkt. Dieses Programm verzeichnete zunächst großen Erfolg, stagnierte aber danach.
  • Indien: Als Erbe der britischen Kolonialzeit hatte Indien ein semi-feudales Landbesitzsystem, in dem der Landbesitz auf wenige Eigentümer (zamindars) konzentriert war. Seit der Unabhängigkeit gab es daher in mehreren Bundesstaaten Landreform(-bestrebung-)en. Am konsequentesten wurden diese im von der Kommunistischen Partei Indiens regierten Westbengalen durchgeführt; das Land wurde gleichmäßiger unter den landlosen Bauern verteilt. Ähnlich geschah es im ebenfalls kommunistisch regierten Kerala[10]. Ein weiteres Landreformprogramm wurde nach 1947 in Jammu und Kashmir lanciert.
    In Andhra und Madhya Pradesh kämpfen die Naxaliten mit Gewalt für Landreformen. In Bihar kommt es im Kontext der Auseinandersetzungen zwischen Privatmilizen von Landeigentümern, Dorfbewohnern und Maoisten immer wieder zu Massakern.
  • Japan: Nach dem 2. Weltkrieg führte die US-amerikanische Besatzungsmacht eine Landreform durch. Pächtern wurde das Land, das sie bestellten, als Privatbesitz übertragen, wobei die vormaligen Grundherren eine geringe Entschädigung erhielten. Die japanische Landreform wird allgemein als „Erfolg“ und als einer der Gründe für Japans wirtschaftlichen Aufstieg gewertet, doch ist teils umstritten, inwiefern sie tatsächlich wirtschaftlich und inwiefern nur politisch erfolgreich war[11].
  • Kambodscha: Unter den Roten Khmer sollte das Land in einen „Bauernstaat“ umgewandelt werden. Hierzu wurden Stadtbewohner aufs Land gezwungen und alle Reisfelder in Parzellen von einheitlicher Größe aufgeteilt, unabhängig davon, ob dies geografisch sinnvoll war.
  • Korea:
    • In Südkorea führten koreanische und US-amerikanische Behörden 1945–1950 eine Landreform durch, ohne die Institution des Privatbesitzes anzutasten. Land im Besitz der ehemaligen japanischen Kolonialregierung, japanischer Unternehmen und Kolonisten wurde konfisziert und umverteilt. Die koreanische Regierung führte eine Landreform durch, in deren Rahmen koreanische Großgrundbesitzer das meiste Land abgeben mussten. So entstand eine neue Klasse unabhängiger Landeigentümer-Familien[12].
    • Im kommunistisch regierten Nordkorea wurde nach 1946 eine Landreform durchgeführt. Bis heute gelten ehemalige „Großbauern“ als „feindlich gesinnte Personen“[13].
  • Laos: Nach der Machtübernahme der kommunistisch geprägten Pathet Lao 1975 wurde das Land zu Staatseigentum erklärt, und die Kleinbauern wurden in Kooperativen zusammengefasst. Dieses Programm erfreute sich allerdings keiner großen Beliebtheit unter den Bauern, da diese zuvor nicht von Grundherren unterdrückt worden waren und die Kollektivierung nicht als „Befreiung“, sondern als Einengung empfanden. Im Zuge der wirtschaftlichen Öffnung des Landes in den 1980ern wurde den Kleinbauern der Austritt aus den Kooperativen erlaubt, was die meisten daraufhin taten[14].
  • Nepal: Durch Landreformgesetze in den 1950er und 1960er Jahren wurden die vormals feudalistisch geprägten Landbesitzstrukturen reformiert und ein Teil des Bodens umverteilt[15]. Nach der Befreiung der Kamaiya aus der Schuldknechtschaft wurde diesen Land als Entschädigung und Existenzgrundlage versprochen, was jedoch noch nicht umgesetzt wurde.
  • Philippinen: Comprehensive Agrarian Reform Law, umfassendes Programm für Landumverteilung an landlose Bauern; zuweilen kommt es zu Attentaten auf Landreformaktivisten[16].
  • Taiwan: In den Jahren nach dem 2. Weltkrieg führte Chiang Kai-shek auf Insistieren der USA eine Landreform durch. Dies wurde auch dadurch ermöglicht, dass viele Großgrundbesitzer Japaner waren, die nach dem Kriegsende geflohen waren, und dass die meisten Kuomintang vom chinesischen Festland stammten und daher den einheimischen Grundbesitzern nicht verbunden waren.
  • Thailand: Premierminister Chuan Leekpai trat für Landreformen ein, stieß jedoch auf Widerstand und konnte diese daher nicht umsetzen.
  • Vietnam: Nach dem 2. Weltkrieg und noch vor der formellen Teilung des Landes wurde in Nordvietnam eine Landreform initiiert. Diese führte zur Verteilung von Land an zwei Millionen arme Bauern, aber auch zu Zehn- bis Hunderttausenden Toten und war ein Grund für den Exodus von einer Million Menschen nach Südvietnam nach 1954. In Südvietnam gab es in der Zeit nach Diệm mehrere Bestrebungen, wovon die ehrgeizigste das 1970 von Nguyễn Văn Thiệu begonnene „Das Land dem, der es bebaut“-Programm war. Dieses beschränkte den Landbesitz von Individuen auf 15 Hektaren, beinhaltete Kompensationen für enteignete Landstücke und vergab legale Landtitel an Bauern in von der südvietnamesischen Regierung kontrollierten Gebieten, die zuvor von der Vietcong Land erhalten hatten. Die Landreform wurde nicht in allen Landesteilen wirksam umgesetzt; im Mekongdelta und in den Provinzen um Saigon konnte innerhalb dreier Jahre der Anteil des von Pächtern bestellten Bodens von 60 auf 10 % gesenkt werden[17].

Europa

  • Bulgarien: 1880 erhielt jeder Bauer, Teilpächter oder Landarbeiter, der 10 Jahre lang ohne Unterbrechung ein Landstück bearbeitet hatte, dieses zugeteilt[18].
  • Estland und Lettland: Bei ihrer Staatsgründung 1918 wurde der Großgrundbesitz deutscher Grundbesitzer enteignet und zu einem großen Teil in kleinbäuerliche Einheiten umgewandelt.
  • Finnland: Nach dem Finnischen Bürgerkrieg kam es 1918 zu einer Reihe von Landreformen. Diese beinhalteten die Übertragung von gepachtetem Land (torppa) an die Pächter (bei Entschädigung an die Grundbesitzer) und ein Verbot der Landaneignung durch Holzunternehmen. Nach dem 2. Weltkrieg erhielten aus russisch gewordenen Gebieten evakuierte Karelier Staats- und Privatland. Auch Kriegsveteranen profitierten von solchen Zuteilungen.
  • Frankreich: Eine umfassende und dauerhafte Landreform fand unter der Herrschaft des Direktoriums gegen Ende der Französischen Revolution statt.
  • Irland: Nach der Großen Hungersnot 1845–1849 – welche u. a. darauf zurückzuführen war, dass sich der irische Boden damals im Besitz englischer Landlords befand, während die irischen Bauern als Pächter zumeist in großer Armut lebten – nahmen Landreformen einen beherrschenden Platz in der irischen Politik ein. Ab den 1870ern wurden Landreformen durchgeführt, sodass der Boden im Laufe der folgenden Jahrzehnte allmählich wieder in den Besitz der irischen Bauern überging (siehe auch: Land War).
  • ehemaliges Jugoslawien: Unter Tito wurde das Land zu einem erheblichen Teil in Genossenschaften zusammengefasst, ein Teil wurde armen Bauern zugeteilt[19].
  • Polen: Es gab mehrere Landreformen in Polen; die bedeutendsten sind diejenigen in der Zeit zwischen 1. und 2. Weltkrieg (1919, 1921, 1923, 1925 und 1928) und in der Volksrepublik Polen (1944).
  • Portugal: Nach der Nelkenrevolution 1974 kam es unter dem sozialistischen Flügel der putschenden Streitkräfte MFA zu Verstaatlichungen und Landreformen[20].
  • Rumänien: Nach gescheiterten Landreformversuchen durch Mihail Kogălniceanu nach 1863 (deren Scheitern u.a. den Bauernaufstand in Rumänien 1907 zur Folge hatte) wurde 1921 eine umfassende Reform durchgeführt.
Datei:Collectivization-get-rid-of-kulak.jpg
Die Kollektivierungs-Kampagne in der UdSSR in den 1930ern. Auf dem Transparent steht: „Wir Kolchosen liquidieren die Kulaken als Klasse aufgrund kompletter Kollektivierung“.
  • Russland / Sowjetunion: Nachdem 1861 im Russischen Reich die Bauernbefreiung durchgesetzt worden war, waren die russischen Bauern nicht mehr an Großgrundbesitzer gebunden, aber an die Mir-Dorfgemeinschaften. Premierminister Stolypin führte eine Agrarreform durch, die den Bauern das Dorfgemeinschaftsland als Privateigentum übertrug.
    Nach der Oktoberrevolution 1917 verbot Lenin in seinem Land-Dekret jegliches Privateigentum an Boden. Landbesitz wurde ohne Entschädigung enteignet und kollektiviert. In den 1930er Jahren unter Stalin führte der Einsatz von Hunger als Waffe gegen angebliche oder tatsächliche „Großbauern“ (Kulaken), um den Widerstand gegen die Zwangskollektierung zu brechen, zur Hungersnot in Teilen Russlands, im Kaukasus, Kasachstan und der Ukraine (Holodomor).
  • Schottland: Der Land Reform (Scotland) Act 2003 beendet das historische Erbe feudaler Gesetze und stellt einen Rahmen dar, in dem ländliche Gemeinden Land auf ihrem Gebiet kaufen können.
  • Schweden: 1827 wurde das Land, das von den Dorfbewohnern bislang gemeinschaftlich bearbeitet worden war, als Privatbesitz aufgeteilt[21].
  • Ungarn: 1945 wurden sämtliche mehr als 142 Acres umfassenden Grundstücke entschädigungslos enteignet und unter den Bauern verteilt. In den 1950er Jahren wurde der Kollektivbesitz nach sowjetischem Vorbild eingeführt. Nach 1990 wurden die Kooperativen aufgelöst und der Boden auf private Kleinbauern verteilt.

Lateinamerika

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Aktivist der brasilianischen Landlosenbewegung MST
  • Bolivien: Nach der Revolution 1952 wurde ein Landreformgesetz verabschiedet, in dessen Rahmen bis 1970 aber nur 45 % der Bauernfamilien tatsächlich Landtitel erhalten hatten. Weitere Reformprogramme in den 1970er und 1980er Jahren. Der neue Präsident Evo Morales plant in den nächsten fünf Jahren die Umverteilung von einem Fünftel des bolivianischen Landes[22].
  • Brasilien: In den 1930er Jahren versprach Getúlio Dornelles Vargas eine Landreform, doch wurde dieses Versprechen nicht wirklich eingelöst. Die Landlosenbewegung MST setzt sich für Landreformen ein. Der seit 2003 regierende Luiz Inácio Lula da Silva versucht gegenwärtig die Landreform umzusetzen.
  • Chile: Beginn von Landreformen unter Jorge Alessandri 1960, Weiterführung unter Eduardo Frei Montalva. Ihren Höhepunkt erreichte die Landreform in Chile unter Allende (1970–1973) – mehr als 80 Hektar große Farmen wurden enteignet –; nach der Machtübernahme Pinochets wurde sie gestoppt und teilweise durch die Kräfte des Marktes wieder rückgängig gemacht.
  • Ecuador: Landreformen gehören zu den Forderungen der Bewegung der Indigenen in Ecuador.
  • Guatemala: Landreformen von 1944–1954 unter den Präsidenten Juan José Arévalo und Jacobo Arbenz, welche jedoch nach dem Sturz von Arbenz durch die CIA (Operation PBSUCCESS) weitgehend rückgängig gemacht wurde. Die „Landfrage“ in Guatemala bleibt Anlass für Menschenrechtsverletzungen v.a. an indigenen Kleinbauern[23].
  • Haiti: Nach dem Sklavenaufstand unter Toussaint Louverture 1791 wurden die Großplantagen unter den ehemaligen schwarzen Sklaven aufgeteilt und in kleinbäuerliche Parzellen umgewandelt. In der Folge kam die Produktion von Agrarexportgütern zum Erliegen; nach Ansicht mancher ist diese Landreform einer der Gründe für die heutige Armut Haitis.
  • Kolumbien: 1936 erließ Alfonso López Pumarejo ein Gesetz, das es ermöglicht, Privatbesitz im „sozialen Interesse“ zu enteignen. Danach sank das Interesse zunächst, bis 1958–1974 die Partei „Nationale Front“ an die Macht kam. Unter Carlos Lleras Restrepo wurde das Kolumbianische Institut für Agrarreform (INCORA) gegründet, das allein 1968 und 1969 60.000 Landtitel an Bauern und Arbeiter vergab. Danach kam der Landreformprozess zum Erliegen und begann sich von selbst rückgängig zu machen, da der bewaffnete Konflikt in Kolumbien zur Vertreibung von Millionen Kleinbauern und zu einer erneuten Konzentration des Landbesitzes in den Händen von Großgrundbesitzern führte. Pläne der kolumbianischen Regierung zu Beginn des 21. Jahrhunderts, legal enteignetes Land von Drogenbaronen und von demobilisierten paramilitärischen Gruppierungen zurückgegebenes Land zu nutzen, haben noch zu keinen praktischen Ergebnissen geführt.
  • Kuba: Die Landreform war ein zentrales Anliegen der Revolution 1959. Große Landgüter wurden durch das Nationale Agrarreforminstitut (INRA) beschlagnahmt. Für die Größe von Grundbesitz wurde eine Obergrenze von 67 Hektaren festgesetzt, und Pächter erhielten die vollen Eigentumsrechte.
  • Mexiko: Ein gewisses Maß an Landreform fand im Rahmen der Mexikanischen Revolution statt, aus der die bekannte Landreformparole Tierra y Libertad („Land und Freiheit“) stammt. Heute kämpfen die nach dem Revolutionsführer und Landreformer Emiliano Zapata benannten Zapatistas für Landreformen.
  • Nicaragua: Landreform unter den Sandinistas; Großgrundbesitz wurde verstaatlicht oder an Kleinbauern vergeben. Nach dem Contra-Krieg weitgehend rückgängig gemacht.
  • Peru: Die Landreform in den 1950er Jahren führte zur weitgehenden Beendigung des jahrhundertealten Systems der peonaje (Schuldknechtschaft). Weitere Landreformen wurden nach 1968 durchgeführt, und nochmals 1988–1995 als Maßnahme gegen den Leuchtenden Pfad unter Hernando de Soto und in den frühen Jahren der Regierung Alberto Fujimoris.
  • Venezuela: Als Teil der „Bolivarischen Revolution“ des Präsidenten Hugo Chávez wird im Rahmen der Mission Zamora Staatsland und ungenutztes Privatland an arme Campesinos verteilt.

Mittlerer Osten und Nordafrika

  • Ägypten: Nach der Revolution 1952 wurde unter Nasser eine Landreform durchgeführt. Diese beinhaltete die Festlegung von Obergrenzen für die Größe von Landbesitz, die Enteignung von Landbesitz, der diese Grenze überschritt und dessen Verteilung an Bauern und Landarbeiter. Bauernkooperativen wurden gegründet, Mindestlöhne für Landarbeiter und eine Mindestlänge für Pachtverträge festgelegt. Heute wird diese Landreform allmählich rückgängig gemacht[24].
  • Syrien: (1963, seither weitgehend rückgängig gemacht)[25]
  • Irak: (1970)
  • Iran: Eine signifikante Landreform war Teil der „Weißen Revolution“ unter Mohammad Reza Pahlavi 1963. Etwa 90 % der iranischen Teilpächter wurden Landeigentümer.

Nordamerika

  • Kanada: Als die Prinz-Edward-Insel 1873 Teil Kanadas wurde, gehörte das meiste Land der Insel englischen absentee landlords; Kanada kaufte alles Land und übertrug es den Bauern.
  • USA:
    • In den USA wurden die ursprünglichen Einwohner des Landes, die Indianer, im Laufe der Landnahme weißer europäischer Siedler immer mehr von ihrem ursprünglichen Land abgedrängt. Seit 1871 wurden sie von der Regierung in die Indianerreservationen gezwungen, welche meist auf kargem und daher für die Siedler unbedeutendem Boden lagen. 1887 wurde durch den General Allotment Act (Dawes Act) das Land in den Indianerreservationen parzelliert und privatisiert. Den Indianern war Privateigentum an Boden jedoch unbekannt. Aus Unkenntnis oder wirtschaftlicher Not verkauften viele ihr Land an Siedler oder Spekulanten, sodass sich als Auswirkung des Dawes Act die Fläche der Reservationen von 138 Mio. auf 48 Mio. Acres verringerte. 1934 erlaubte der Indian Reorganization Act den Indianerstämmen wieder den gemeinschaftlichen Landbesitz.
      Immer wieder stellt sich die Frage nach der Rückgabe von ehemaligem Indianerland bzw. Entschädigungen an die Indianer[26].
    • Nach dem Sezessionskrieg und der darauf folgenden Befreiung der schwarzen Sklaven in den USA wollten radikale Republikaner (siehe auch: Free Soil Party) jedem ehemaligen Sklaven vierzig Morgen Land und ein Maultier zuteilen, um eine wirtschaftliche Grundlage nach der Befreiung zu schaffen. Dieses Ansinnen wurde jedoch von moderateren Kräften als „sozialistisch“ zurückgewiesen und nie verwirklicht, was nach Ansicht mancher ein Grund für die noch lange andauernde Segregation in der US-amerikanischen Gesellschaft ist.

Quellen

  1. WTO transparent, Dokumentation der Erklärung von Bern, 2005
  2. ebenda
  3. FIAN: Wirtschaft global - Hunger egal?, 2005, ISBN 3-89965-111-1
  4. FIAN: Honduras: Harassment of peasant women who are fighting for land to feed themselves
  5. Countrystudies.us: Land Reform (Ethiopia)
  6. Jean Ziegler: Wie kommt der Hunger in die Welt?, ISBN 3570300595
  7. BBC News: Pledge to redistribute Kenya Land
  8. FIAN: Die Gemeinschaft der Gumbu-Mutale bekommt Land zurück, das sie während des Apartheidsregimes verlor
  9. IRINnews.org: South Africa: Deadline for land transfer negotiations set
  10. Die Erde - Unser Lebensraum (Schweizer Geografieschulbuch), S. 111, ISBN 3906720500
  11. Weltbank: Agricultural Reform in Postwar Japan: Experiences and Issues
  12. Countrystudies.us: The Emergence of a Modern Society
  13. Nordkorea#Bevölkerung
  14. en:History of Laos since 1945#Communist Laos
  15. Countrystudies.us: Land Reform (Nepal)
  16. FIAN: Kleinbauernführer wird Opfer eines Attentats in Panabo City, Davao del Norte, Mindanao
  17. Villager Attitudes durig the Final Decade of the Vietnam War
  18. Encyclopaedia Britannica Online: Land reform
  19. Geschichte Jugoslawiens#Titos Jugoslawien
  20. Portugal#Nelkenrevolution bis EU-Beitritt
  21. The Emigrants from Småland, Sweden. The American Dream (PDF) (S. 3–4)
  22. BBC News: Bolivia head starts land handout
  23. Amnesty International: Landkonflikte in Guatemala
  24. Human Rights Watch: Egypt: Attacks by Security Forces in Sarando
  25. www.country-data.com: Syria Land reform
  26. Tages-Anzeiger Online: Indianer blitzen vor Oberstem Gericht ab