Physikalische Größe
Eine physikalische Größe ist eine messbare Eigenschaft eines physikalischen Objektes und dient dazu, jene Eigenschaft quantitativ zu beschreiben. Physikalische Größen werden über physikalische Gesetze miteinander verknüpft und sind über Messverfahren definiert.
Die Objekte – Dinge, Vorgänge oder Zustände – selbst, wie auch nicht messbare Merkmale wie z. B. Schönheit oder Geschmack, sind keine physikalischen Größen.
Grundlagen
Größenart und Größenwert

Die Größenart ist ein Oberbegriff für gleichartige physikalische Größen. Alle Größen, von denen physikalisch sinnvoll Summen oder Differenzen gebildet werden können, sind gleichartig. Beispielsweise sind Breite, Höhe und Länge eines Quaders, Durchmesser eines Rohres, Spannweite eines Vogels u. s. w. alles Größen der Größenart „Länge“. Wie in diesem Beispiel ist die Bezeichnung der Größenart meist identisch mit der einer repräsentativen Größe.
Das Unterscheidungsmerkmal zwischen Größen der gleichen Größenart ist ihr Größenwert. Dieser beschreibt eine bestimmte Eigenschaft eines Objektes quantitativ und erlaubt somit die Vergleichbarkeit zu Objekten mit der gleichen Eigenschaft. Anhand des Größenwertes können Aussagen wie „... ist x-mal größer als ...“ getroffen werden. Man bezeichnet einen Unterschied um den Faktor 10 als eine Größenordnung – N Größenordnungen entsprechen einem Faktor von 10N.
Einheit und Zahlenwert
Messen einer physikalischen Größe bedeutet, diesen mit etwas Bekanntem zu vergleichen. Genaugenommen bestimmt man den Größenwert als ein Vielfaches eines Vergleichsgegenstandes. Dessen Größenwert bezeichnet man als Einheit, den Faktor als Zahlenwert oder Maßzahl. Die gemesse Größe wird als Produkt aus Zahlenwert und Einheit angegeben.
Die Definition einer Einheit unterliegt der menschlichen Willkür. Theoretisch ist es ausreichend eine einzige Einheit für eine Größenart zu definieren. Historisch bedingt haben sich aber häufig eine Vielzahl verschiedener Einheiten für die gleiche Größenart gebildet. Diese unterscheiden sich lediglich um einen reinen Zahlenfaktor, erschweren aber aufgrund der nötigen Umrechnung die Vergleichbarkeit.
Dimension
Die Dimension einer physikalischen Größe beschreibt deren Bezug zu den Basisgrößen eines Größensystems (siehe unten), in dem sie sie als Potenzprodukt aus den Dimensionen der Basisgrößen zusammensetzt. Alle Größen einer Größenart haben stets die gleiche Dimension. Der Umkehrschluss gilt jedoch nicht, zwei Größen mit der gleichen Dimension sind nicht zwangsläufig von der gleichen Größenart.
Größen, welche die Dimension 1 haben, nennt man dimensionslose Größen. Solche Größen können ohne Maßeinheit als reine Zahlen angegeben werden, aber zwecks Anschaulichkeit werden hier häufig so genannte Hilfsmaßeinheiten verwendet. Auch in zusammengesetzten Maßeinheiten empfiehlt es sich oft im Interesse der Deutlichkeit, Benennungen mitzuführen, zu denen keine Dimension gehört, wie beispielsweise U/min (Umdrehungen pro Minute) statt min-1 für eine Drehzahl.
Skalare, Vektoren und höherstufige Tensoren
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Größen verschiedener Stufen. |
Alle physikalischen Größen stellen Tensoren einer bestimmten Stufe dar. Eine Größe, deren einzige Variable ihr Größenwert ist, ist ein Tensor 0-ter Stufe, auch Skalar genannt. Tensoren 1-ter Stufe, Vektoren, sind Größen, die zusätzlich durch eine Richtung charakterisiert werden. Es gibt noch höherstufige Größen.
Eine physikalische Größe ist invariant unter Koordinatentransformationen. So wie ihr Größenwert unabhängig von der Einheit ist, so ist ihre Richtung unabhängig von der Wahl des Koordinationsystems. Eine Besonderheit spielt dabei die Händigkeit des Koordinationsystems. Größen, die unter Raumspiegelungen in ihr Negatives übergehen, nennt man Pseudogrößen. Konkret bedeutet das, dass Pseudoskalare ihr Vorzeichen und Pseudovektoren ihre Orientierung bei Änderung der Händigkeit wechseln − normale Größen tun dies nicht.
Schreibweise
Einer physikalischen Größe wird in mathematischen Gleichungen ein Kürzel zugewiesen, dass man Formelzeichen nennt. Dieses ist grundsätzlich willkürlich, jedoch existieren eine Reihe von Konventionen (z. B. DIN 1304) zur Benennung bestimmter Größen. Häufig wird als Formelzeichen der Anfangsbuchstabe der lateinischen Bezeichnung einer Größe genommen.
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Angabe einer Spannung von 20 Volt. |
Die Angabe des Größenwerts erfolgt immer als Produkt aus Zahlenwert und Einheit. Will man nur den Zahlenwert angeben, so setzt man das Formelzeichen in geschweifte Klammern. Gibt man nur die Einheit an, so steht das Formelzeichen in eckigen Klammern. Allgemein lässt sich schreiben:
Die Formatierung ist durch DIN 1338 geregelt. Demnach wird das Formelzeichen kursiv gedruckt, beispielsweise m für eine Masse. Für viele Einheiten gibt es Kürzel, diese werden Einheitenzeichen genannt. Das Einheitenzeichen wird immer mit aufrechter Schrift geschrieben, um es von Formelzeichen zu unterscheiden, beispielsweise m für Meter.
Zwischen dem Zahlenwert und dem Einheitenzeichen ist immer ein Leerzeichen zu lassen, außer bei den Winkeleinheiten Grad, Minute und Sekunde. Im Schriftsatz empfiehlt sich hierfür ein geschütztes Leerzeichen.
Formelzeichen für Vektoren werden meist durch Fettdruck gekennzeichnet, üblich ist auch die Verwendung von Vektorpfeilen über oder seltener Strichen unter dem Formelzeichen. Für Tensoren werden manchmal Frakturbuchstaben verwendet.
l = (10,0072±0,0023) m
l = 10,0072(23) m |
Angabe einer fehlerbehafteten Messgröße. |
Bei fehlerbehafteten Größenwerten wird der Zahlenwert mit seiner Unsicherheit angegeben, meist in Form des mittleren Fehlers oder manchmal – falls bekannt – des Maximalfehlers. Das Kenntlichmachen geschieht meist durch ein „±“ zwischen Fehler und Unsicherheit, aber auch Kurzformen wie eine geklammerte Fehlerangabe oder Fettgedruck der unsicheren Ziffer des Zahlenwerts sind üblich. Die Anzahl der anzugebenden unsicheren Dezimalstellen des Zahlenwerts richten sich nach dem Fehlerwert. Beginnt dieser mit einer 1 oder 2, so werden zwei unsichere Stellen notiert, ansonsten nur eine. Gegebenenfalls ist der Zahlenwert zu runden wie üblich, der Fehler wird hingegen immer aufgerundet.
Verknüpfung zwischen physikalischen Größen
Größengleichungen
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Größengleichung, die die Gesetzmäßigkeit zwischen Kraft, Masse und Beschleunigung darstellt. |
Die Darstellung von Naturgesetzen und technischen Zusammenhängen in mathematischen Gleichungen nennt man Größengleichungen. Formelzeichen einer Größengleichung haben die Bedeutung physikalischer Größen, sofern sie nicht als Symbole für mathematische Funktionen oder Operatoren gemeint sind. Größengleichungen gelten unabhängig von der Wahl der Einheiten.
Größengleichungen verknüpfen verschiedene physikalische Größen und deren Größenwerte miteiander. Zur Auswertung muss man die Formelzeichen durch das Produkt aus Zahlenwert und Einheit ersetzen. Die verwendeten Einheiten sind dabei unerheblich.
Zahlenwertgleichungen
In Zahlenwertgleichungen haben die Formelzeichen ausschließlich die Bedeutung von Zahlenwerten. Sie sind daher abhängig von der Wahl der Einheiten und nur brauchbar, wenn diese auch bekannt sind. Das Benutzen von Größenwerten in anderen Einheiten führt meist zwangsläufig zu Fehlern. Es empfiehlt sich daher, Berechnung grundsätzlich mit Größengleichungen durchzuführen und diese erst im letzten Schritt auszuwerten.
„Faustformeln“, die auf einfachem Weg eine Schätzung erlauben, sind meist in der Form von Zahlenwertgleichungen angegeben.
Die manchmal anzutreffende Verwendung von eckigen Klammern am Einheitenzeichen, wie etwa [V] anstatt V, ist sinnlos und nach DIN 1338 nicht korrekt.
Rechenregeln
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Unsinnige Rechenoperationen. |
Für physikalische Größen sind nicht alle Rechenoperationen, die mit reinen Zahlen möglich wären, sinnvoll. Es hat sich erwiesen, dass eine geringe Anzahl Rechenregeln ausreicht, um alle bekannten Naturgeschehen zu beschreiben.
- Addition und Subtraktion ist nur zwischen Größen der gleichen Größenart möglich.
- Multiplikation und Division sowohl von verschiedenen Größen als auch mit reinen Zahlen sind uneingeschränkt möglich. Häufig ist das Produkt bzw. der Quotient eine neue physikalische Größe. Damit sind auch Potenzen mit ganzzahligen Exponenten erlaubt.
- Das Ziehen der Quadratwurzel aus einer Größe ist nur dann möglich, wenn die Größe sich als Produkt zweier gleichartiger Größen bilden lässt. Entsprechendes gilt für Potenzen mit anderen gebrochenrationalen Zahlen.
- Transzendente Funktionen wie , u. s. w. sind nur für reine Zahlen definiert und damit nur bei dimensionslosen Größen möglich.
- Das Differential einer Größe ist von der gleichen Größenart wie die Größe selbst. Differential- und Integralrechnung ist uneingeschränkt möglich.
Anhand dieser Regeln lässt sich die Gültigkeit einer Größengleichung überprüfen. Treten unmögliche Rechenoperationen auf, so ist dies ein sicheres Zeichen für die physikalisch falsche Darstellung eines Sachverhaltes. Dieses Mittel wird in der Dimensionsanalyse angewandt, um die mögliche Existenz einer noch unbekannten Gesetzmäßigkeit zu überprüfen.
Größen- und Einheitensysteme
Größensysteme
Jedes Wissensgebiet der Technik und Naturwissenschaften wird durch einen beschränkten Satz an physikalischen Größen beschrieben, die über Naturgesetze miteinander verknüpft sind. Die zugrundeliegenden Größenarten bilden ein Größensystem. Man teilt die Größenarten dieses Systems in Basisgrößen- und abgeleitete Größenarten. Der Unterschied liegt darin, dass die Basisgrößenarten voneinander unabhängig sind, während sich die abgeleiteten Größenarten als Potenzprodukte der Basisgrößenarten darstellen lassen. Diese Einteilung ist weitgehend willkürlich und geschieht meist aus praktischen Gründen. Auch die Anzahl der nötigen Basisgrößenarten, welche den Grad des Größensystems definiert, ist nicht unbedingt festgelegt.
Die Potenzprodukte, mit denen die abgeleiteten Größenarten gebildet werden, bezeichnet man als Dimensionsprodukte. Zwei Größen, die auf die gleiche Weise mit den Basisgrößenarten zusammenhängen, sind von gleicher Dimension, aber nicht notwendigerweise von der gleichen Größenart.
Einheitensysteme
Man benötigt für jede Größenart eine Einheit, um den Größenwert angeben zu können. Daher entspricht jedem Größensystem ein Einheitensystem von gleichem Grad. Auch letzteres teilt sich in unabhängige Basiseinheiten und abgeleitete Einheiten. Die Basiseinheiten sind Einheiten von voneinander unabhängigen Größenarten des Größensystems, jedoch nicht zwangsweise die Einheiten der Basisgrößenarten. Vielmehr ist eine präzise Messbarkeit einer Basiseinheit wichtig.
Ein Einheitensystem umfasst nur die Basiseinheiten und die abgeleiteten Einheiten – dezimale oder nichtdezimale Teile dieser Einheiten, wie sie z. B. durch einen Vorsatz vor das Einheitenzeichen gebildet werden, gehören nicht dazu. Die abgeleiteten Einheiten setzen sich aus den Basiseinheiten zusammen. Häufig erhalten sie darüberhinaus einen eigenständigen Namen.
Wie bei einem Größensystem werden in einem Einheitensystem die abgeleiteten Einheiten aus den Basiseinheiten durch Potenzprodukte dargestellt, eventuell ergänzt durch einen Zahlenfaktor. Können alle Einheiten ohne zusätzliche Zahlenfaktoren gebildet werden, bezeichnet man das Einheitensystem als zusammenhängend bzw. kohärent. In solchen Systemen können alle Größengleichungen als Zahlenwertgleichungen aufgefasst und dementsprechend schnell ausgewertet werden.
Das internationale Einheitensystem
Das heute international anerkannte und in Deutschland nach DIN 1301 vorgeschriebene Einheitensystem ist das internationale Einheitensystem oder kurz SI. Es legt ein Größensystem siebten Grades zugrunde und eignet sich für alle heutigen Bereiche der Physik. Das Einheitensystem ist kohärent und benutzt die Basiseinheiten „Meter“, „Sekunde“, „Kilogramm“, „Ampere“, „Kelvin“, „Mol“ und „Candela“.
In Teilbereichen der Physik werden häufig speziell angepasste Einheitensysteme verwendet. Die Einheiten werden dadurch für Außenstehende meist sehr gewöhnungsbedürftig.
Siehe auch: Kategorie:Größen- und Einheitensystem
Besondere Größen
Quotienten- und Verhältnisgrößen
Der Quotient zweier Größen ist eine neue Größe. Eine solche Größe bezeichnet man als Verhältnisgröße, wenn die Ausgangsgrößen von der gleichen Größenart sind, und ansonsten als Quotientengröße.
Problematisch bei einer Quotientengröße ist, dass sie umgangssprachlich häufig falsch umschrieben wird. Beispielsweise ist eine Bezeichnung der Fahrtgeschwindigkeit als „zurückgelegter Weg je Zeiteinheit“ sachlich nicht korrekt, da die Definition einer Größe von möglichen Einheiten unabhängig ist. Nähme man solche Bezeichnungen wörtlich, führte dies unweigerlich zu verschiedenen Größenwerten je nach benutzter Einheit. Korrekt müsste man daher „zurückgelegter Weg je vergangener Zeit“ oder einfach „Weg je Zeit“ sagen.
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Benennung von bezogenen Größen. |
Falls zwei Größen sich auf eine Eigenschaft des gleichen Objektes beziehen, nennt man die Quotientengröße auch bezogene Größe. Hierbei ist die Nennergröße die Bezugsgröße, während die Zählergröße den Schwerpunkt in der Namensgebung setzt. Insbesondere bezeichnet man eine bezogene Größen als …
- … spezifisch, wenn sie sich auf die Masse bezieht.
- … molar, wenn sie sich auf die Stoffmenge bezieht.
- … -dichte, wenn sie sich auf das Volumen bezieht.
Verhältnisgrößen sind grundsätzlich dimensionslos. Sie können nach obigen Rechenregeln als Argumente von transzendenten Funktionen auftreten. Der Name einer Verhältnisgröße beinhaltet meist ein Adjektiv wie relativ oder normiert oder er endet auf -zahl.
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Spezielle Verhältniseinheiten. |
Verschiedene Verhältnisgrößen gehören nur in seltenen Fällen zur gleichen Größenart, manchmal werden daher zur besseren Trennung bei der Angabe ihres Größenwerts die Einheitenzeichen nicht gekürzt. Häufig werden Verhältnisgrößen in den Einheiten %, ‰ oder ppm angegeben. Eine besondere Stellung haben Verhältniseinheiten, wenn sie das Verhältnis gleicher Einheiten sind. Diese sind immer 1 und damit idempotent, d. h. sie können beliebig oft mit sich selbst multipliziert werden, ohne ihren Wert zu ändern. Einige idempotente Verhältniseinheiten tragen besondere Namen, wie beispielsweise die Winkeleinheit Radiant (rad). Kohärente Einheitensysteme umfassen ausschließlich idempotente Verhältniseinheiten.
Zustands- und Prozessgrößen
Physikalische Größen, welche eine Eigenschaft eines Systemzustands repräsentieren, nennt man Zustandsgrößen. Solche Größen werden vorrangig in der Thermodynamik benutzt. Man unterscheidet weiterhin zwischen extensiven und intensiven Größen. Erstere verdoppeln ihren Größenwert bei Systemverdopplung, letztere bleiben dabei konstant.
Das Gegenteil von Zustandsgrößen sind Prozessgrößen. Diese beschreiben einen Vorgang, nämlich den Übergang zwischen Systemzuständen.
Feld- und Energiegrößen
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Zusammenhang zwischen Feldgrößen und Energiegrößen . |
Feldgrößen dienen der Beschreibung von physikalischen Feldern. Das Quadrat einer Feldgröße ist in linearen Systemen proportional zu dessen energetischem Zustand, der über eine Energiegröße erfasst wird. Ohne die genaue Gesetzmäßigkeit kennen zu müssen, folgt daraus unmittelbar, dass das Verhältnis zweier Energiegrößen gleich dem quadratischen Verhältnis der zugehörigen Feldgrößen ist. Dabei ist unerheblich ob die Energiegrößen zu Größen der Größenart Energie oder bezogenen Größen, wie Leistung (Energie pro Zeit) und Intensität (Energie pro Zeit und Fläche), gehören. Energiegrößen werden deshalb auch als Leistungsgrößen bezeichnet.
In vielen technischen Bereichen sind die logarithmierten Verhältnisse von besonderem Interesse. Derartige Größen nennt man Pegel oder sie enden auf -maß. Wird bei der Bildung der natürliche Logarithmus verwendet, so kennzeichnet man dies durch die Einheit Neper (Np), ist es der dekadische Logarithmus, so nutzt man die Einheit Bel bzw. häufiger sein Zehntel, das Dezibel.
Siehe auch
Literatur
- Hans Dieter Baehr: Physikalische Größen und ihre Einheiten – Eine Einführung für Studenten, Naturwissenschaftler und Ingenieure. Band 19 der Reihe Studienbücher Naturwissenschaft und Technik, Bertelsmann Universitätsverlag, Düsseldorf 1974. ISBN 3-571-19233-8