Islamismus
Islamischer Fundamentalismus oder 'Politischer Islamismus' bezeichnet eine politisch-religiöse Bewegung innerhalb der islamischen Welt, die eine radikale Interpretation des Islam auf der Basis des Staates durchsetzen will. Das Ziel extrem ausgeprägten Islamischen Fundamentalismus ist zumeist die Errichtung einer islamischen Theokratie, die Einführung der Schari'a (islamisches Recht) und die Besinnung auf die Normen des islamischen Propheten Mohammed und der ersten vier Kalifen (Sunna).
Problemlage
Als erklärtes Ziel von Islamisten wird nach übereinstimmender Lehre die Herrschaft des Islam über die ganze Welt betrachtet. Der Islam ist für Islamisten nicht einfach nur eine Religion; er ist auch eine Form politisch-geistlicher Herrschaft unter der einzigen Autorität des Koran. Diese Auffassung wird auch bei vielen Muslimen geteilt, die nicht im engeren Sinne dem politisch-fundamentalistischen Islam anhängen.
Der Islam lehrt, dass Gott die einzige Autorität sei - der Koran sei sein Wort und enthalte alle nötigen Regelungen für das Zusammenleben. Darum müssten sich politische Systeme auf Gottes Lehren gründen und auf nichts anderes. Islamische Fundamentalisten gründen ihre Weltanschauung auf diese angeblich einzig "richtige" Auslegung des Korans. Deswegen wird von ihnen das Voranschreiten der Säkularisierung (Trennung von Staat und Kirche) im muslimischen Raum als Existenzbedrohung für ihre Kultur wahrgenommen, weil man glaubt, sich der westlichen Idee des Staates anpassen zu müssen. Gemäß Bassam Tibi ist das Ziel der Islamisten die "Entwestlichung" der islamischen Zivilisation. Die Überzeugung der Islamisten stützt sich auf eine besonders rigide Auslegung des Korans (der für alle Muslime die offenbarte göttliche Wahrheit darstellt) und der Hadithen (Überlieferte Sprüche und Handlungen des Propheten Mohammed).
Folgend sind beispielhaft einige Suren aufgelistet, die (so der Vorwurf aus liberalen Kreisen des Islam) meist willkürlich aus dem Koran ausgewählt und gedeutet, von den Islamisten zur Stützung ihrer Argumentation herangezogen werden:
Sure 3:4 "Die Allahs Zeichen leugnen, ihnen wird strenge Strafe; und Allah ist allmächtig, Besitzer der Vergeltungsgewalt."
Sure 8:12,13 "Da dein Herr den Engeln offenbarte: «Ich bin mit euch; so festiget denn die Gläubigen. In die Herzen der Ungläubigen werde Ich Schrecken werfen. Treffet (sie) oberhalb des Nackens und schlagt ihnen die Fingerspitzen ab!»" Dies, weil sie Allah Trotz boten und Seinem Gesandten. Wer aber Allah und Seinem Gesandten Trotz bietet - wahrlich, Allah ist streng im Strafen."
Sure 47:4 "Wenn ihr (in der Schlacht) auf die stoßet, die ungläubig sind, trefft (ihre) Nacken; und wenn ihr sie so überwältigt habt, dann schnüret die Bande fest. Hernach dann entweder Gnade oder Lösegeld, bis der Krieg seine Waffen niederlegt. Das ist so. Und hätte Allah es gewollt, Er hätte sie Selbst strafen können, aber Er wollte die einen von euch durch die andern prüfen. Und diejenigen, die auf Allahs Weg getötet werden - nie wird Er ihre Werke zunichte machen."
Die Islamisten leiten aus diesen und anderen Teilen des Korans Folgendes ab:
Laut den islamischen Fundamentalisten akzeptiert der Islam keine andere Glaubensrichtung außer dem Islam. Andersgläubige seien demnach "ungläubig" und müssten deswegen entweder den Islam als bestimmende gesellschaftliche Ordnung akzeptieren (im Sinne von sich zu ihm bekehren) oder sie würden von Allah selbst oder seinen Anhängern gerichtet. Hieraus leiten einige Fundamentalisten ihre Pflicht zum "Dschihad" (in der Interpretation der Fundamentalisten der Kampf gegen die Ungläubigen mit der Waffe) ab, der von noch radikaleren Gruppe als Terrorismus interpretiert wird. Die Definition von "Ungläubigen" ist nach dem westlichen Rechtsverständnis sehr willkürlich (z. B. werden teilweise auch Moslems, die gegen die islamischen Fundamentalisten sind als "Ungläubige" eingestuft) und unterschlägt z. B. auch die Anerkennung des klassischen Islams für die ebenfalls monotheistischen Religionen der Juden und Christen. Allerdings muss man auch sagen, dass die Auslegung des Korans von Islamistengruppe zu Islamistengruppe teilweise verschieden ist.
Kritiker behaupten, dass das islamistische Menschenbild mit dem Konzept westlicher Freiheit und den Idealen und Werten, die im Zuge von Aufklärung und Französischer Revolution entstanden sind, unvereinbar sei. Toleranz dagegen sei seit der griechischen Antike mit dem Begriff der offenen Wahrheitssuche und dem Respekt vor den unterschiedlichen Stadien und Ergebnissen dieses offenen Prozesses verbunden. Im aufgeklärten, vom Hellenismus beeinflussten Denken früher islamischer Gelehrter im arabisch beherrschten Spanien (u.a. Averroës (Ibn Rushd), Avicenna) sei diese dem westlichen und islamischen Denken gemeinsame Wurzel noch erkennbar. Der radikale Islamismus sei ein extremer Widerpart des den Westen und den Islam ursprünglich gemeinsam umschließenden geistigen Bandes.
Die objektive Trennung zwischen politischen und nicht-politischen Ideen im Islam ist schwierig. Die Trennung von Kirche und Staat ist eine westliche Idee, entstanden in jahrhundertelangen Kämpfen der europäischen Völker gegen den weltlichen Machtanspruch der geistlichen Mächte, insbesondere des vielfach als "verdorben" wahrgenommenen (politischen) Papsttums (vgl. Luthers Anklage gegen Rom und für eine neue theologisch-religiöse Begründung des Christentums). Das islamistische Weltideal beruht dagegen auf einer religiösen Führung, die die Anwendung der islamischen Schari'a beaufsichtigt und sicherstellt.
Beim explizit politischen Islam handelt es sich ursprünglich um eine Melange aus Islam und westlichen Ideen wie den Kommunismus, die jedoch nach dem Fall der Sowjetunion an Bedeutung innerhalb des politischen Islam verloren hat. Daher wird islamistischen Parteien in der islamischen Welt oftmals das Fehlen eines praktikablen Programms bzw. konkreter politischer Reformschritte vorgehalten.
Die oft geäußerte Bezeichnung des Islam als eine "Religion des Friedens" stößt bei vielen Kritikern des sogenannten Islamismus auf erhebliche Vorbehalte; sie wird als eine ideologische Verschleierung des Islamismus gesehen, der hinter einer Maske friedfertiger "Harmlosigkeit" in Wahrheit die westliche Kultur erbittert bekämpfe. Viele Muslime auf der anderen Seite identifizieren sich nicht mit den politischen Forderungen des islamischen Fundamentalismus. Die Vorstellungen über eine "richtige" Anwendung des im Koran, der Sunna und der Hadith enthaltenen Verhaltensregeln gehen außerdem auseinander.
Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 werden Hassprediger und radikale muslimische Gruppen - in Deutschland beispielsweise der "Kalifatstaat" von Metin Kaplan - intensiv von Polizei und Geheimdiensten beobachtet. Ihnen wird vorgeworfen, mit Terroristen zu sympathisieren oder in terroristische Aktivitäten verwickelt zu sein.
Als erklärtes Ziel von Islamisten wird nach übereinstimmender Lehre die Herrschaft des Islam über die ganze Welt betrachtet. Der Islam ist für Islamisten nicht einfach nur eine Religion; er ist auch eine Form politisch-geistlicher Herrschaft unter der einzigen Autorität des Koran. Diese Auffassung wird auch bei vielen Muslimen geteilt, die nicht im engeren Sinne dem politisch-terroristischen Islamismus anhängen.
Der Begriff
Den Islamisten war anfangs der ursprünglich westliche Begriff "Fundamentalisten" fremd; heute bezeichnen sie sich selbst als Fundamentalisten. (arab. الأصولية الإسلامية al-uṣūliyya al-islāmiyya, von أصول uṣūl "Wurzeln", "Fundament"). Den Begriff "Fundamentalist" (usuli) gibt es im Islam schon seit Jahrhunderten, das Wort bezeichnet traditionell jedoch die Gelehrten der ilm al-usul, der Wissenschaft, die sich mit dem Studium der Fundamente des islamischen Rechts befasst.
Der angloamerikanische Islamwissenschaftler Bernard Lewis bezeichnet den Begriff des Fundamentalismus, bezogen auf den Islam, als unglücklich und irreführend, da er ursprünglich auf das Christentum angewendet wurde. Dort bezeichnet er zumeist protestantische Strömungen, die den göttlichen Ursprung und die Unfehlbarkeit der Bibel verfechten. Lewis weist darauf hin, dass es im Islam (bisher) niemanden gäbe, der am göttlichen Ursprung des Koran zweifele, und von daher jeder Muslim, also jeder Anhänger des Islam dem Wortsinne nach ein Fundamentalist sei. Der muslimische Fundamentalismus muss also nicht notwendigerweise radikal, d.h. gewaltbereit sein, auch wenn das in der Praxis dann meist der Fall ist.
Das Phänomen des Islamismus entstand im 20. Jahrhundert. 1928 gründete Hasan al-Banna die Muslimbrüder in Ägypten gegen den als "dekadent" geltenden Einfluss des Westens, dem sie durch "islamische Erziehung" und ein "soziales Netz" entgegenzuwirken suchten. Man nahm den Westen als "Kolonialismus", "Kreuzfahrertum", christliche Mission, ein fremdes Erziehungssystem wahr, kurz: als kulturelle Invasion, und vermutete eine wie auch immer geartete "globale Verschwörung" gegen den Islam. Mitunter galten auch liberale Politiker und Machthaber islamischer Länder islamistischen Gruppen als westliche und östliche Agenten des "Imperialismus".
Eine Debatte um die Frage eines islamischen Staates vor allem zwischen Ali Abdarraziq und Rasid Rida endete - wesentlich bedingt durch die Auswirkungen der "Kolonialherrschaft" - zugunsten der Muslimbrüder.
In den 1960er Jahren gewannen radikale Islamisten (z.B. Saiyid Qutb) Einfluss, die die Gegenwart als "Dschahiliya" (Zeit der Unwissenheit) verstanden, welcher durch den Dschihad zur Gottesherrschaft in den islamischen Staaten verholfen werden müsse.
In den 1980er Jahren versuchten islamistische Gruppen zunehmend, ihre Ziele gewaltsam durch Attentate und Entführungen zu erreichen.
Der Islamismus bedient sich unterschiedlicher Mittel: auch innerhalb der Familie durch ein an islamischen Grundsätzen orientiertes Leben, mittels Werbung für den Islam (da'wa), durch das Streben nach allen rechtlichen Möglichkeiten für den Islam, durch Literaturverbreitung, durch den Unterhalt sozialer Einrichtungen oder den Bau von Moscheen.
Nach dem Niedergang von Sozialismus, Monarchie und des panarabischen Nationalismus entstanden neben den Muslimbrüdern neue islamistische Gruppen.
Der niederländische Schriftsteller Leon de Winter titulierte den Islamismus als den Faschismus des 21. Jahrhunderts, da er dem Totalitarismus der Sowjets und Nazis nahestünde. Solche Thesen, die insbesondere seit den Anschlägen vom 11. September 2001 Verbreitung finden, kommen in dem kontroversen Neologismus Islamfaschismus zum Ausdruck.
Geschichte des islamischen Fundamentalismus
Islamischer Fundamentalismus bezeichnet eine Gesinnung die zu einer strengen Anwendung des Korans und des islamischen Sharia-Gesetzes aufruft. Islamismus entwickelte sich als Konsequenz des Reformprozesses des Islam des 19. und 20. Jahrhundert, ausgelöst durch die Publikationen Jamal ad-din al-Afghani (1837-97), Muhammed Abduh (1849-1905) sowie Rashid Rida (1865-1935). Diese forderten eine Revitalisierung und Rückbesinnung auf koranische Werte und Traditionen, sowie die Stärkung islamischer Traditionen und Lebensweisen, als Antwort auf den größer werdenden Einfluss europäischer Großmächte. Hierbei beriefen sie sich auf das Beispiel der religiösen Vorväter (der al-salaf, AD 610-855). Es ist festzuhalten daß die islamischen Gesellschaften insbesondere in der Zeit des europäischen Mittelalters freiheitlicher und fortschrittlicher waren als die christliche Welt und deshalb keine bürgerliche oder nationalstaatliche Emanzipation angestrebt wurden.
Gemeinsam ist dem christlichen und dem islamischen Monotheismus das Ideal einer Machtkonzentration ohne Unterdrückung, als Gegenentwurf zu den Herrschaftsstrukturen der spätrömischen Antike. Deshalb sollen die Autoritäten in beiden Religionen ihre Schutzbefohlenen nicht gleich, sondern verschieden behandeln (Gnade). Der spätmittelalterliche Nominalismus setzt sich im Islam aus demselben Grunde durch wie in der christlichen Welt: Zentralisierungen und Vereinheitlichungen sind gnadenlos und haben keinen Wirklichkeitsgehalt. Die Vorstellung einer Gleichheit als gemeinsamer "Identität" steht zu dieser Weltsicht erst einmal in krassem Gegensatz. Im europäischen Nationalismus des 19. Jahrhunderts wurden traditionelle Ungleichheiten durch gemeinsame Frontbildung gegen das "Fremde" zu verdecken oder zu überwinden versucht. Auch der islamische Fundamentalismus versucht sich mit einen paradoxen Ausgleich zwischen moderner Identität (als mediengestütztem Bewusstsein der Gleichheit) und hergebrachter Unterwerfung unter die Gnade. So kann sich eine kollektive Entfesselung der Selbstherrlichkeit als Demut legitimieren.
Abduh und Rida verwarfen die vorherrschenden Vorstellungen der konservativen geistlichen Führung (Ulama) und forderten eine Rückkehr zum Islam der religiösen Vorväter, wobei sie jede Veränderung des Islam nach 855 ablehnten, darunter die verschiedenen islamischen Rechtsschulen (madhhabs). 1928 wurden diese Ideen von der neugegründeten Muslimbrüderschaft wiederaufgegriffen. Die Muslimbrüderschaft machte es sich zur Aufgabe, die Rückbesinnung auf die islamischen Werte des salafi-Zeit, in abgeänderter Form, an die breite Bevölkerung zu vermitteln. Der neue Islamismus beinhaltete daher auch Opposition zur westlichen politischen und wirtschaftlichen Dominanz sowie dem westlichen Konzept der Säkularisation.
Eine weitere wichtige Phase für die Entwicklung des Islamismus stellt der Sechstagekrieg von 1967 und die Zeit unmittelbar danach dar; Die bis dahin vorherrschende Ideologie des arabischen Nationalismus erschöpfte sich an dem von den arabischen Staaten als demütigende Niederlage betrachteten Krieg gegen Israel. Islamismus wurde eine akzeptable Alternative für viele, die vom arabischen Nationalismus enttäuscht worden waren. Die iranische Revolution 1979, obgleich ausgelöst von Schiiten, wurde zu einem Symbol und Beispiel eines lebensfähigen islamischen Staates. Die folgenden Golf-Kriege schafften ein weiteres politisches Vakuum in zahlreichen arabischen Ländern, die die meist undemokratischen Regierungen mit keiner eigenen Ideologie ausgleichen konnten.
In den 90er Jahren radikalisierten sich zahlreiche Islamistengruppen zusehends. Während in denn 70ern und 80ern arabischer Terror mehr auf den Konflikt in Israel/Besetzte Gebiete konzentriert war, erwuchs der radikale Islamismus der 90er Jahre zur Ideologie radikaler Gruppen, darunter terroristische Gruppierungen wie Al-Qaida („Die Basis“). Gleichzeitig findet in vielen islamischen Gesellschaften eine graduelle Re-Islamisierung statt, die in Europa zu Disputen wie der Kopftuch-Debatte führte.
Islamischer Fundamentalismus in Deutschland
Eine der bis dahin bekanntesten in Deutschland aktiven radikal-islamischen Vereinigungen war der "Kalifatsstaat", der im Dezember 2001 verboten wurde. Ihr Führer, der selbst ernannte "Kalif von Köln" Metin Kaplan, forderte die Wiedereinführung der islamischen Rechtsordnung in der Türkei. Im Jahr 2000 wurde Metin Kaplan wegen einer (befolgten) Mordanweisung gegen einen Widersacher in Deutschland zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt und am 12. Oktober 2004 nach langer Diskussion in die Türkei abgeschoben, wo er seitdem eine lebenslange Haftstrafe verbüßt. Hätte Deutschland keine besondere Abmachung mit der Türkei bei der Auslieferung abgeschlossen, wäre auch die Todesstrafe für ihn in Frage gekommen.
Nach Expertenschätzungen ist ein Großteil der rund 31.000 islamistischen Extremisten in Deutschland dazu bereit, seine Vorstellungen von einer in seinem Sinne idealen Gesellschaft auch außerhalb des Grundgesetzes durchzusetzen.
Eine öffentliche Diskussion über diese Gefahr ist in Deutschland nur schwer möglich. Häufig halten sich Politiker zurück oder sprechen solche Themen nur sehr indirekt im Kontext an. Viele befürchten die Gefahr durch Kritik am Islamismus als intolerant und rassistisch beschimpft zu werden, ihre Positionen bzw. Ämter zu gefährden oder Opfer von islamistischen Anschlägen zu werden (z.B. der holländische Künstler Theo van Gogh). Oft wird der Begriff "Rassismuskeule" oder "Nazikeule" im Zusammenhang mit "antiislamistischen" Äußerungen angewandt.
Häufig werden die Gefahren die vom übersteigerten nationalreligiösen Verhalten ausgehen verharmlost oder im direkten Vergleich mit rechtsextremer bzw. anders motivierter Gewalt heruntergespielt. Auch fehlt ein generell sachlicher Ton und eine Ausrichtung der Medien auf Kontextualisierung. Zusammenhänge werden wenig erklärt, der Islam selbst wird von Berichten kaum beleuchtet. Darüberhinaus besteht keine klare Abgrenzung zwischen unterschiedlichen Situationen: Gewalt an Frauen von Muslimen wird mit Islamismus genauso in Verbindung gebracht wie politische Aktivitäten, oder Religionsschulen. Eine aktivere Bundesbeauftragte für Muslime in Deutschland, eine ausgewogenere Berichterstattung sowie eine sachliche gesellschaftliche Diskussion wären Möglichkeiten um die Gefahren die vom Islamismus ausgehen aufzuklären. Diese Möglichkeiten zu nutzen scheitert vorallem an den Differenzen der Regierungsparteien sowie mangelnden Interesse der zuständigen Stellen.
Im Verfassungsbericht 2005 nimmt die Gefahr durch den Islamismus viel Raum ein. Effektive Maßnahmen um dem entgegenzutreten blieben weitesgehend erfolglos, zumal rechtsextrem motivierte Straftäter und Vereinigungen mehr Aufmerksamkeit durch den Verfassungschutz genießen als nationalreligiöse Oranisationen.
Viele Politiker fordern auch deshalb ein schärferes Vorgehen gegen Islamistische Straftäter. Obwohl diese Einstellung von einem Großteil der Bevölkerung geteilt wird werden nur selten Maßnahmen wie die Ausweisung bzw. Abschiebung in das Heimatland des Straftäters angewandt. Häufig sind Islamistische Straftäter zwar Nicht-Deutscher Herkunft aber haben dennoch aufgrund geltender Gesetze die deutsche Staasbürgerschaft inne.
Restrikiven Maßnahmen stehen auch häufig Menschenrechtsorganisationen oder bestimmte Auslegungen des Grundgesetzes im Weg. Das einklagbare Grundrecht auf Asyl stellt im zusammenhang mit islamistischen Straftätern die nicht über die deutsche Staatsbürgerschaft verfügen, ein Hinderniss da.
Islamischer Fundamentalismus in Großbritannien
Bei einer Gesamtbevölkerung von 60 Millionen Einwohnern stellte ein muslimischer Anteil von ca. 2 Millionen an sich kein gesellschaftliches Problem dar, wenn nicht der geringere Teil bevorzugt in bestimmten Ballungsgebieten des Nordens (Bradford, Oldham, Burnley) und den Midlands (Birmingham), der bei weitem größte Teil (1,6 Millionen muslimische Einwohner) jedoch in der britischen Hauptstadt London angesiedelt wäre. Die Behörden praktizieren traditionell große Toleranz in Fragen der Freiheit der Meinungsäußerung, auch wenn diese als Aufforderung zu Fanatismus und Hass daherkommt. Der islamistische Radikalismus profitiert davon beständig.
So empfiehlt beispielsweise der Londoner Imam Omar Bakri, Anführer der radikalen Sekte Al Muhajiroum als einzige Auseinandersetzungsart mit nichtmuslimischen Gesellschaften weiterhin den Dschihad. Lange Zeit durfte auch der an der Nord-Finsbury-Park-Moschee predigende Scheich Abu Hamza al-Masri etlichen später als Terroristen und Al-Kaida-Kader entlarvten Islamisten Anweisungen für ihre Missionen geben. Später wurde er auf Druck der USA hin festgenommen.
Islamischer Fundamentalismus in Frankreich
Siehe Hauptartikel: Islam in Frankreich
Frankreich musste ab 2000 vermehrt Erfahrungen mit antisemitischen Übergriffen, Grabschändungen, Bombenanschlägen und terroristischen Verschwörungen machen. In Frankreich leben annähernd sechs Millionen überwiegend aus Nordafrika stammende Moslems, von denen die große Mehrheit sich friedlich verhält und radikal-islamistische Ideen ablehnt. Der französische Verfassungsschutz geht jedoch davon aus, dass in sozial explosiven Ballungsgebieten wie im Großraum Paris radikale Moslems auf dem Vormarsch sind. Besonders gefährdet seien "aus dem Gleichgewicht geratene Jugendliche", die leicht von Extremisten radikalisiert werden könnten.
Ende 2005 bekam die Diskussion um den islamischen Fundamentalismus durch die Unruhen in Frankreich eine neue Brisanz.
Islamischer Fundamentalismus in Italien
Siehe Hauptartikel: Islam in Italien
Italien und der Vatikan gehören nach Ansicht der Geheimdienste seit langem zu den Hauptzielen islamistischer Terroristen. In Italien leben mindestens 800.000 Muslime. Dem aus Libyen stammenden italienischen Journalisten Fahrid Adli zufolge besuchen etwa fünf Prozent davon regelmäßig Moscheen; nur ein Bruchteil dieser Gruppe sei zu religiös motivierter Gewalt bereit. Ex-Innenminister Enzo Bianco berichtete Anfang 2004, dass bereits 1997, 2000 und 2001 moslemische Gruppen ausgehoben worden seien, die in Verbindung mit islamischen Terroristen gestanden hätten. Seit den Madrid-Attentaten vom März 2004 und der Ermordung von zwei italienischen Geiseln im September 2004 im Irak ist ein wachsendes Misstrauen der Bevölkerung gegen die moslemische Minderheit spürbar. Angesichts dieser Entwicklung hat sich Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi besorgt über das antiislamische Klima in Italien geäußert. Innenminister Giuseppe Pisanu hat zum Dialog mit den Moslems Italiens aufgerufen.
Islamischer Fundamentalismus in Spanien
Von den etwa drei Millionen Ausländern in Spanien sind knapp 15 Prozent Marokkaner, weitere fünf Prozent stammen aus Algerien, Tunesien oder anderen moslemischen Ländern Afrikas. Ende 2004 gab es eine Verhaftungswelle und eine Terrorzelle wurde ausgehoben, die einen Anschlag auf Richter Baltasar Garzón verüben wollte. Die spanischen Behörden nehmen das Problem islamistischer Bedrohung sehr ernst. Ende 2004 wurde bekannt gegeben, dass sich mehr als 100 radikale Islamisten im Gefängnis befänden - in keinem anderen EU-Land wurden 2004 so viele Extremisten festgenommen. Die Haftanstalten sind hoffnungslos überfüllt, was Europol-Direktor Mariano Simancas als "Nährboden des Extremismus" bezeichnete. Untersuchungen zeigen, dass gewaltbereite Islamisten ihre Anhänger unter kleinkriminellen Glaubensbrüdern rekrutieren. Nachschubprobleme gibt es dabei nicht, da in Spaniens Haftanstalten etwa 6000 Nordafrikaner einsitzen, zumeist aus Marokko und Algerien.
Islamistische Gruppen und Organisationen
- Hizb-ut-Tahrir
- Milli Görüş
- Muslimbruderschaft (Ägypten, Jordanien...)
Militante islamistische Bewegungen
- Abu Sayyaf (Philippinen)
- Al-Dschama'a al-Islamiyya (Ägypten)
- Al Ittihad al Islamija (Somalia)
- Al-Qaida (Afghanistan)
- Al-Tauhid
- Ansar al-Islam (Kurdische Autonome Region)
- Asbat al-Ansar (Libanon)
- FIS (Algerien)
- Gerakan Aceh Merdeka (indonesische Provinz Aceh)
- GICM (Marokko)
- Groupe Islamique Armé (Algerien)
- GSPC (Algerien)
- Hamas (Palästinensische Autonomiegebiete)
- Harakat ul-Mujahidin (Kaschmir)
- Hilafet Devleti
- Hisbollah (Libanon)
- Hizb al-tahrir al-islami / HuT
- IBDA-C (Türkei)
- IMK (Kurdische Autonome Region)
- IMU (Usbekistan)
- Islamischer Dschihad
- Jaish Ansar al-Sunna (Irak)
- Jaish e-Mohammed (Kaschmir)
- Jemaah Islamiyah (Indonesien)
- Lashkar e-Toiba (Kaschmir)
- Moro Islamic Liberation Front (Philippinen)
- Qaidat al-Dschihad fi Bilad ar-Rafidain (Irak)
- Taliban (Afghanistan)
Siehe auch
Mohammed-Karikaturen, Kampf der Kulturen, Eurabien, Islamistischer Terrorismus, Achse des Bösen, Radikalismus und Extremismus, Islamfaschismus, Christlicher Fundamentalismus, Arabischer Antisemitismus, Terroranschläge am 11. September 2001
Literatur
- Alice Schwarzer: Die Gotteskrieger und die falsche Toleranz. (Autorensammlung) Kiepenheuer & Witsch 2004 ISBN 3-462-03105-8
- Elmar Theveßen: Terroralarm. Deutschland und die islamistische Bedrohung. Berlin: Rowohlt, Oktober 2005. - ISBN 3-87134-548-2
- Gilles Kepel: Die neuen Kreuzzüge. Die arabische Welt und die Zukunft des Westens. München: Piper, September 2005. - ISBN 3-49224-533-1
- Robert Dreyfuss: Devil's Game: How the United States Helped Unleash Fundamentalist Islam. Henry Holt/Metropolitan Books, November 2005. - ISBN 0-80507-652-2
- Berlin, Senatsverwaltung für Inneres, Abteilung Verfassungsschutz: Islamismus - Diskussion eines vielschichtigen Phänomens, Berlin 2005
- Dan Diner: Versiegelte Zeit. Über den Stillstand in der islamischen Welt. Berlin: Propyläen, 2005. - 1. Aufl. - ISBN 3-54907-244-9
- Gisbert J. Gemein, Hartmut Redmer: Islamischer Fundamentalismus. Aschendorff Verlag, März 2005. - 1. Auflage. - ISBN 3-40206-556-8
- Albrecht Metzger: Islamismus. Hamburg: Europäische Verlagsanstalt, 2005. - 1. Aufl. - ISBN 3-43446-238-4
- Bernhard Schmid: Algerien - Frontstaat im globalen Krieg? Neoliberalismus, soziale Bewegungen und islamistische Ideologie in einem nordafrikanischen Land. Münster: Unrast, 2005. - ISBN 3-89771-019-6
- Mark A. Gabriel: Islam und Terrorismus - Was der Koran wirklich über Christentum, Gewalt und die Ziele des Djihad lehrt. Dr. Ingo Resch GmbH, 2004. - ISBN 3-935197-39-X
- Paul Berman: Terror And Liberalism W. W. Norton & Company, New York 2003 - ISBN 0-393-05775-5
- Udo Ulfkotte: Der Krieg in unseren Städten. Wie radikale Islamisten Deutschland unterwandern. Frankfurt a.M.: Eichborn, 2003. - ISBN 3-8218-3978-3 (Leseprobe)
- Hans-Peter Raddatz: Von Allah zum Terror? Der Djihad und die Deformierung des Westens. München: Herbig, 2002. - ISBN 3-77662-289-X
- Gilles Kepel: Das Schwarzbuch des Dschihad. München: Piper, 2002. - ISBN 3-49204-432-8
- Matthias Küntzel: Djihad und Judenhass. Freiburg: Ca Ira, 2002, 2003. - ISBN 3-92462-707-X
- Beverley Milton-Edwards: Islamic fundamentalism since 1945. London: Routledge, 2005. - ISBN 0-41530-172-6
- Bernard Lewis: Die politische Sprache des Islam. Berlin: Rotbuch, 1991; Hamburg: Europ. Verl.-Anst., 2002 (Original: The Political Language of Islam. University of Chicago, 1988). - ISBN 3-43446-103-5
- Martin Riesebrodt: Die Rückkehr der Religionen. Fundamentalismus und der "Kampf der Kulturen". München: C.H.Beck, 2000. - 2. Auflage. - ISBN 3-40645-928-5
- Babette Bonn: Märtyrer und kein Ende? Der religiöse Hintergrund der islamischen Selbstmordattentäter. München: Herbert Utz, 2003. - ISBN 3-83161-100-9
- Jan Goodwin: Der Himmel der Frau ist unter den Füßen ihres Mannes. Bergisch Gladbach: Lübbe, 1995. - ISBN 3-7857-0769-X (Rezension)
- Johannes Grundmann: Islamische Internationalisten. Strukturen und Aktivitäten der Muslimbruderschaft und der islamischen Weltliga. Wiesbaden, 2005, ISBN 3-895-00447-2 (Rezension)
- Bassam Tibi:"Fundamentalismus im Islam.Eine Gefahr für den Weltfrieden."Darmstadt:Wissenschaftliche Buchgesellschaft,2002- 3.erg. Ausg.- ISBN 14299-3
- Bassam Tibi:"Der religiöse Fundamentalismus im Übergang zum 21. Jahrhundert."B.I. Taschenbuchverlag. ISBN: 341110501-1
Weblinks
- Volker S. Stahr, Propaganda: www.ajatollah.com ("Rheinischer Merkur", 9. März 2006 - vgl. [1], [2], [3], [4], [5])
- Aus arabischen TV-Programmen: Kritik an islamischer Identitätspolitik (MEMRI, 7. März 2006 - vgl. [6], [7])
- Militante religiöse und politische Gruppierungen in der islamischen Welt
- Islamkatalog der Uni-Leipzig
- Islam und Islamismus
- Fundamentalismus und religiöser Fanatismus in der Welt von heute - Bund für Geistesfreiheit und Humanistisches Bildungswerk Bayern
- Politik, Glaube und Terror im Zeichen der Apokalypse - Chronik zum religiösen Fundamentalismus
- Berlin, Senatsverwaltung für Inneres, Abteilung Verfassungsschutz: Islamismus - Diskussion eines vielschichtigen Phänomens, Berlin 2005 PDF
- [http://www.berlin.de/sen/inneres/verfassungsschutz/aktuell/am_info_islamismus.html
Berlin, Senatsverwaltung für Inneres, Abteilung Verfassungsschutz:25.01.2006: Neue Publikation "Info Islamismus" erschienen http://www.berlin.de/sen/inneres/verfassungsschutz/e2_publikationen.html#info PDF ]]
Kommentare, Essays, Berichte, Kritiken, Interviews
- Der Islamismus -Konsequenz, Erbe und Konkurrent eines unzufriedenen arabischen Nationalismus (Gruppe "Kritik im Handgemenge", Bremen)
- Abeer Mishkhas, A Young Man’s Struggle with Extremism ("Arab News", Saudi-Arabien, 3. August 2006)
- Demografie als Waffe - Philosoph Sloterdijk: Hohe Geburtenraten bringen radikalen Islamisten Zulauf (Deutschlandradio Kultur, 31. Juli 2006 - vgl. [8], [9]; Peter Sloterdijk)
- Terrorismus ist ein Verbrechen, auch gegen den Islam - Gespräch mit dem schiitischen Theologen, Philosophen und Juraprofessor Ayatollah Seyyed Mohammad Moussawi-Bodjnourdi in Teheran ("Frankfurter Rundschau", 28. März 2006)
- Robert Misik, Wir gegen sie: Das Denken in Identitäten - Zur Anatomie einer Kriegspsychose ("Frankfurter Rundschau", 2. März 2006 - vgl. [10], [11], [12])
- Jochen Hehn, Manifest der 12 - "Gemeinsam gegen den neuen Totalitarismus" ("Die Welt", 02. März 2006 - vgl. [13])
- Salman Rushdie: Sexuelle Angst der Männer vor Frauen ist eine Ursache für islamistischen Terror ("Stern", 18. Januar 2006 - vgl. [14])
- Leon de Winter, Wacht auf, wir sind im Krieg! ("Cicero", August 2004 - vgl. [15], [16])
- "Der Islamismus ist ein totalitäres System" - Interview mit Paul Berman ("Die Welt", 30. Juli 2003 - vgl. [17], [18])
- Yehuda Bauer, Der dritte Totalitarismus ("Die Zeit" Nr. 32/2003, 31. Juli 2003)
- Hal Saunders / Basil Eastwood - Dialog of Civilisations - Kurzes Protokoll eines langen Gesprächs mit politischen Islamisten ("Le Monde diplomatique", Nr. 7991 vom 9.6.2006, 303 Zeilen)