Turiner Grabtuch

Das Turiner Grabtuch ist ein altes Leinentuch, 4,36 Meter lang und 1,10 Meter breit, das ein Ganzkörper-Bildnis der Vorder- und Rückseite eines Menschen zeigt. Angeblich handelt es sich um das Antlitz und den Körper Jesu Christi nach dessen Kreuzigung. Falls es sich um eine Fälschung handelt, ist diese Deutung beabsichtigt.
Singularität
Unumstritten ist, dass es sich bei dem Tuch um eine Singularität handelt, und zwar v. a. durch folgende Eigenschaften:
- Die Abbildung ist verzerrungsfrei nach Art einer fotografischen Projektion auf eine plane Fläche, also kein Kontaktabdruck. Trotzdem zeigt sie Vorder- und Rückseite der abgebildeten Person in voller und identischer Größe.
- Die Abbildung ist nach Helligkeitsparametern ein Negativ. Erst neuzeitliche fotografische Technik erlaubt die Umkehrung, die ein stufenlos abgeschattetes, vollkommen realitätsechtes "Schwarzweißfoto" ergibt. Die Entstehung durch Malerei ist damit kaum denkbar.
- Die Abbildung zeigt bzw. fingiert einen nach Art Jesu gekreuzigten Mann mit Spuren von Geißelung, Dornenkrönung, Annagelung und Brustöffnung. Auffällig ist jedoch, dass die Details, von der christlichen Ikonografie abweichend, mit den Ergebnissen moderner archäologischer Forschung übereinstimmen: die Spuren der Dornenkrone ergeben keinen Kranz, sondern eine Haube; die Hände erscheinen nicht in der Fläche, sondern in der Wurzel durchbohrt; die Beine müssten am Kreuz seitlich angewinkelt, nicht ausgestreckt gewesen sein.
Deutungen
Viele Gläubige verehren das Tuch als Reliquie, da es sich nach deren Ansicht um das originale Leichentuch Christi handelt. Die Abbildungen auf dem Tuch entsprächen dem Körper Jesu Christi.
Wissenschaftlich orientierte Beobachter hingegen vertreten in der Mehrzahl die Meinung, dass das Tuch mittelalterlichen Ursprungs ist. Es sei das Werk eines Fälschers, der sowohl über ein hohes naturkundliches Wissen als auch über große künstlerische Fähigkeiten verfügt haben musste. Auf der Suche nach der wissenschaftlichen und künstlerischen Kapazität, welche als Fälscher mit entsprechender Kompetenz in Frage kommt, fällt vereinzelt der Name Leonardo da Vinci. Gegen diese Annahme spricht indessen, dass sich die Existenz des Grabtuchs eindeutig bis in das 14. Jahrhundert zurück verfolgen läßt, während Leonardo da Vinci erst später geboren wurde (1452).
Daneben gibt es besonders in der historischen Literatur noch verschiedene andere Zugänge mit unterschiedlichem Verifikationsgehalt über die Entstehungsgeschichte des Tuches. So besteht beispielsweise die Hypothese, der Tuch-Abdruck stamme von dem nach Folterung auf dem Scheiterhaufen verbrannten 23. Großmeister der Tempelritter, Jakob von Molay.
Nachweise
Die ersten gesicherten und unumstrittenen Nachweise des Tuches reichen ins Mittelalter bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts zurück. Bei weiter zurückliegenden Berichten von Tüchern mit dem Bildnis Christi ist nicht gesichert, ob diese mit dem Turiner Grabtuch identisch sind. Die Schwierigkeit ist dabei, dass zu früheren Zeiten sehr viele gefälschte Reliquien in Umlauf waren und es schwer ist, Berichte über mögliche echte Reliquien von Berichten über Fälschungen zu unterscheiden.
Im sechsten Jahrhundert wird erstmals konkret aus Edessa, in der heutigen Osttürkei, von einem Tuchbildnis mit einem Gesichtsabdruck berichtet, das nicht von Menschenhand geschaffen worden sei, ein sogenanntes Abgar-Bild. 944 wird nach Augenzeugenberichten ein Tuch mit einem Körperabdruck Christi von Edessa nach Konstantinopel überführt. 1203 erwähnt der Geschichtsschreiber Robert de Clari, er habe ein Tuch mit dem Abdruck des Herrn in Konstantinopel gesehen. Als während des 4. Kreuzzuges 1204 die Kreuzritter Konstantinopel plünderten, verschwand es. Der Burgunder Othon de la Roche, Chef von Athen, bemächtigte sich mit seinen Rittern des neuen Blachernen-Palastes, den der Kaiser kurz zuvor bezogen hatte und in dessen Marienkirche hinter Bronze- und Silbertüren das Grabtuch aufbewahrt wurde. Im Jahr darauf fordert ein Verwandter des byzantinischen Kaisers von Papst Innozenz III. die Rückgabe des Tuches, welches sich seiner Ansicht nach jetzt in Athen befände: Die Gallier erhielten die Heiligenreliquien, dessen allerheiligster Teil das Tuch ist, in das unser Herr Jesus Christus nach seinem Tod und vor seiner Auferstehung gewickelt wurde. Wir wissen, ... dass das heilige Tuch in Athen verwahrt wird (Codex Chartularium Culisanense, fol. CXXVI, Nationalbibliothek Palermo, zum Jahre 1205). Im September 1241 soll es angeblich in die Sainte Chapelle von Paris überführt worden sein.
1353 erhält der französische Ritter Geoffroy de Charny vom König Johann dem Guten den Auftrag, eine Stiftskirche in Lirey bei Troyes in der Champagne zu bauen. Dort wurde das Grabtuch erstmals – dokumentarisch durch ein Pilgermedaillon verbürgt – 1357 der Öffentlichkeit präsentiert. Viele Historiker glauben, ein Vorfahre von Geoffroy, ein Ritter des Templerordens, habe das Tuch in Konstantinopel erworben. König Karl VI. von Frankreich erhob später vergeblich Anspruch darauf. 1390 erkannte der Gegenpapst Clemens VII. das Grabtuch an und forderte die Gläubigen auf, dieser Reliquie die gebührende Ehre zu erweisen, trotz des Widerstandes des amtierenden Bischofs von Troyes, Pierre d’Arcis, der das Grabtuch 1389 in einem Brief an den Gegenpapst Clemens VII. eine Fälschung nannte. Pierre d'Arcis bezieht sich bei dieser Feststellung auf seinen Vorgänger, den Bischof Henri de Poitiers, der vom Hörensagen – ohne selbst das Tuch gesehen zu haben – dieses angeblich als eine Malerei entlarvte, und dass der Fälscher dieser ihm gegenüber gestanden hätte (eine Abschrift dieses Briefes siehe unten im Weblink „Diplomarbeit Turiner Grabtuch“). Der Name des Fälschers wird jedoch nicht genannt. Die Authentizität des Grabtuches wurde also bereits zu dieser Zeit von einigen angezweifelt, und das Tuch hat wohl auch eine Rolle bei der Auseinandersetzung zwischen dem Papst Urban VI in Rom und dem Gegenpapst Clemens VII. in Avignon gespielt. In der Zeit zwischen 1378 und 1417 hatte sich die Kirche gespalten (Großes Abendländisches Schisma). Die Folge war, dass Irrlehren und Aberglauben in Europa stark zunahmen und Clemens VII. das Grabtuch wohl auch benutzte, um seine Autorität gegenüber seinem Konkurrenten in Rom zu stärken. Auch das sonstige historische Umfeld ist interessant und könnte mögliche Gründe für das Auftauchen des Tuches bieten. So herrschte von 1347 bis 1353 – also kurz vor der erstmaligen gesicherten Erwähnung des Grabtuches – die große Pestepidemie, bei der etwa ein Drittel der Bevölkerung Europas starb. Bereits zu dieser Zeit hatten religiöse Bewegungen und Bigotterie, welche die Autorität der Kirchen in Frage stellten, sehr stark zugenommen. Das Grabtuch könnte hier gerade recht gekommen sein, um Autorität zurückzugewinnen.

1418 wurde das Tuch aus Lirey in eine Festung bei Monfort en Anoix gebracht, danach zu Saint-Hippolyte-sur-Doubs. 1453 erlangte es Ludwig, der Herzog von Savoyen. Am 14. September 1578 überführte man das Grabtuch nach Turin, wo es bis heute in der Katedrale von Turin, dem Duomo di San Giovanni aufbewahrt wird. Es blieb im Besitz des Hauses Savoyen bis zum Ende ihres Königtums in Italien im Jahre 1946. Das Grabtuch wurde daraufhin 1983 dem Heiligen Stuhl vererbt. Das Tuch ist seit dem 15. Jahrhundert an vielen Orten aufbewahrt worden. Von Zeit zu Zeit wurde es auch öffentlich gezeigt. Seit 1506 wird am 4. Mai eine Messe und ein Ritual zu Ehren des Tuches abgehalten.
Eine Brandkatastrophe der Schlosskapelle von Chambéry im Jahre 1532 überstand das Tuch gefaltet in einer Silberkiste, was am Rand symmetrische Brandflecken und Löschwasserflecken hinterließ. Die Brandlöcher wurden zwei Jahre später von Nonnen vernäht. Diese 30 Flicken sind 2002 von einer Textilexpertin entfernt worden, so dass das Turiner Grabtuch am Rand anders aussieht als noch auf sämtlichen älteren Fotos.
Bei einem weiterem Feuer in der Turiner Kathedrale am 12. April im Jahre 1997 wurde es durch den Feuerwehrmann Mario Trematore unversehrt gerettet, indem er in letzter Minute das die Reliquie umgebende Panzerglas zertrümmerte.
Wissenschaftliche Untersuchungen
Geschichte der Sindonologie
Die Wissenschaft des Grabtuchs nennt sich Sindonologie (aus dem Griechischen sindón, das für Leichentuch und auch für eine Bekleidung im Markusevangelium verwendet wird). Die erste wissenschaftliche Untersuchung zur Möglichkeit der Entstehung der Abbildung und deren Authentizität wurden ab 1900 durch den Biologen Paul Vignon und den Anatomieprofessor Yves Delage durchgeführt, mit einem ihrer Meinung nach positiven Ergebnis bezüglich der Authentizität. Ausgelöst wurden diese Untersuchungen durch die erste fotografische Aufnahme des Tuches im Jahr 1898 durch Secondo Pia, welcher feststellte, dass das Bildnis im Negativ viel detailreicher wirkte als im Original. Der Mediziner Pierre Barbet führte in den 1930ern weitere Untersuchungen, hauptsächlich zu den Umständen eines Todes durch Kreuzigung, durch. 1969 wurde durch den Erzbischof von Turin eine Kommission gebildet, welche das Tuch fotografierte, aber keine Tests durchführte. Eine 1973 aus Serologen und Forensikern gebildete italienische Kommission, welche das Grabtuch überprüfte, kam zu einem negativen Ergebnis bezüglich des Vorhandenseins von Blutrückständen auf dem Tuch. Eine weitere umfangreiche wissenschaftliche Untersuchung fand 1978 durch das Shroud of Turin Research Project (STURP) statt, welche im Abschlussbericht das Vorhandensein von Blut feststellte. 1988 wurde eine Radiokohlenstoffdatierung durchgeführt. Weitere Untersuchungen wurden seitdem teilweise an Proben und Materialien durchgeführt, die noch aus dem STURP-Projekt stammen.
Die Sindonologie ist eine sehr kontroverse Wissenschaft, in der sich Authentizitätsbefürworter und Gegner teilweise unversöhnlich gegenüberstehen. Auch sind im Umfeld dieser Wissenschaft viele populärwissenschaftliche oder schlichtweg pseudowissenschaftliche Publikationen entstanden, in denen fragwürdige Theorien verbreitet werden, welche zum Teil auf angeblich heimlichen und unautorisierten Probenentnahmen und entsprechenden Messungen beruhen und deswegen wissenschaftlich nicht überprüfbar sind. Ein besonderes Problem der Sindonologie dürfte auch sein, dass Wissenschaftler nur eingeschränkt und selektiv Zugang zum Grabtuch haben, was Verschwörungstheorien begünstigt und unabhängige Forschung erschwert. So wird etwa dem STURP-Projekt von Kritikern vorgeworfen, dass viele Mitglieder mehr religiös als wissenschaftlich motiviert sind und einige gleichzeitig Mitglied einer „Gilde des Heiligen Grabtuches“ (engl. Holy Shroud Guild) sind, einer katholischen Organisation, welche es sich zur Aufgabe gemacht hat, die „Sache“ des Grabtuches zu fördern. Manche Skeptiker betrachten gar die gesamte Sindonologie als Pseudowissenschaft. Zusätzlich hat das Tuch für viele gläubige Christen auch eine große religiöse Bedeutung, so dass wissenschaftliche Argumente es gelegentlich schwer haben, sich durchzusetzen, wobei allerdings derselbe Vorwurf, nämlich der der Voreingenommenheit, auch den Skeptikern gemacht wird.
Möglichkeiten zur Entstehung des Bildes
Überblick über Erklärungsversuche
Es muss zwischen der eigentlichen Abbildung eines Gekreuzigten und den Abbildungen der Blutflecken unterschieden werden. Während der Wissenschaftler Walter C. McCrone Pigmente von Ockerfarbe auf Teilen des Tuches entdeckt haben will und beide Strukturen als Malerei deutet, wird die Gekreuzigten-Abbildung heute überwiegend durch Dehydration und damit Verfärbung der obersten Faserschicht erklärt. Die Substanz der Blutabbildungen hat das Tuch durchdrungen. Über die Zusammensetzung der Substanz gibt es mehrere widersprüchliche und kontroverse wissenschaftliche Berichte. Das STURP-Projekt schloss sich in seinem Abschlussbericht Anfang der 1980er J. Heller und A. Adler an, die diese Substanz für Blut halten.
Wie das Bild auf dem Tuch entstanden ist, ist bis heute ungeklärt. Eine Fälschung eines mittelalterlichen Künstlers hätte aufgrund der Qualität der Abbildung und ihrer Eigenschaften sehr große Kunstfertigkeiten verlangt. Es gibt viele Erklärungsversuche für die Bildung des Bildes:
- Kontaktabdruck: Körper/Vorlage war in Tuch gehüllt. An Stellen mit direktem Kontakt entstand eine Verfärbung, ausgelöst beispielsweise durch Wärme, chemische Reaktionen, auf Körper/Vorlage aufgebrachtes Pulver oder Farbpigmente.
- Distanzwirkung: Körper/Vorlage war in Tuch gehüllt. Verfärbung tritt nicht nur an Stellen mit direktem Kontakt ein, sondern kann noch in einer gewissen Distanz von einigen Zentimetern zwischen Tuch und Körper beziehungsweise Vorlage eintreten. Als Verfärbungsmechanismen wurden beispielsweise Elektromagnetische Wellen oder Radioaktivität, Diffusion, elektrostatische Entladung vorgeschlagen.
- Malerei durch einen Künstler.
- Hybrid-Mechanismen: Mischung aus mehreren der obigen Mechanismen (Beispiel: Flachreliefabdruck, bei dem das Tuch nicht direkt mit der eigentlichen Vorlage in Kontakt kommt, sondern nur mit einem nach dieser Vorlage gestaltetem Flachrelief).
Die Entstehungsmöglichkeiten wurden von J. P. Jackson et al. untersucht und 1984 in Applied Optics veröffentlicht. Kriterien, nach denen sie die unterschiedlichen Methoden beurteilten, waren hauptsächlich die Schärfe der Abbildung und eine von ihnen beobachtete Dreidimensionalität der Grabtuchabbildung. Diese letzte Forderung wurde aufgestellt, da aus der Umsetzung der örtlichen Stärke des Grabtuchbildes in ein Höhenrelief ein recht realistisch aussehendes Körperrelief erzeugt werden konnte. Nach diesen Untersuchungen kann keine dieser obigen Methoden die Eigenschaften der Grabtuchabbildung befriedigend beschreiben. Distanzwirkungstheorien können zwar die dreidimensionale Informationen gut erklären, da die örtliche Stärke der produzierten Abbildungen mit der erwarteten Entfernung eines Leintuches vom Körper an der jeweiligen Stelle korreliert, wenn dieses Leintuch den Körper umhüllt. Allerdings produzieren Distanzwirkungmethoden generell nur unscharfe Bilder. Kontaktabdruck-Methoden und Malerei wären zwar in der Lage, scharfe Abbildungen zu produzieren, können aber die dreidimensionale Information nicht erklären. Auch Hybrid-Mechanismen konnten nicht alle geforderten Kriterien erfüllen, obwohl Flachreliefabdrucke im Vergleich zu den anderen Methoden den geforderten Kriterien noch am nächsten kamen.
Ein weiterer wichtiger Einwand gegen eine Abbildung (in sämtlichen Details) eines realen menschlichen Körpers durch direkten Kontakt ist die Tatsache, dass das Abbild in keiner Weise verzerrt ist, obwohl eine Verzerrung aufgrund der Topologie eines menschlichen Kopfes in jedem Fall zu erwarten wäre; ähnlich wie eine zweidimensionale Karte auch nur ein verzerrtes Bild der Erde liefert. Vielmehr stellt die Abbildung eine Projektion dar, was die These einer künstlerischen Fälschung mittels fotografischer Techniken vermuten lässt. Ein „Lichtblitz“ bei der Auferstehung kann die unverzerrte und scharfe Projektion nur schwer oder überhaupt nicht erklären. Je nachdem, ob man sich den Lichtblitz von einer Punktquelle innerhalb des Körpers oder ausgedehnt diffus von der Körperoberfläche ausgehend vorstellt, sollten entweder die weiter von der Punktquelle wegliegenden Körperteile verzerrt sein, oder, bei ausgedehnter Quelle, die Abbildung eher unscharf und verschwommen sein.
Ein alternativer Erklärungsversuch: Fotografische Methode
Ein neuerer Erklärungsversuch stammt von Dr. Nicolas Allen. In einer Testreihe mit einem lichtdichten Raum (eine Art Camera Obscura – nach der die heutigen Kameras benannt sind, da sie im Grundaufbau ähnlich sind – wobei in der Apertur in dem Experiment eine einfache neuzeitliche Linse aus Quarz optischer Qualität angebracht war) und mit Silbernitrat-Lösung getränkten Leinentüchern konnte er bei mehrtägiger Belichtungszeit Bilder von Statuen auf Leinentüchern erzeugen, die dem Bildnis auf dem Turiner Grabtuch ähneln und wie bei diesem durch Ausbleichung der äußeren Faserschichten zustande kommen. Diese so erzeugten Bilder haben die nötige Schärfe, um das Grabtuchbild zu erklären und beinhalten auch die von J. P. Jackson et al. (1984) geforderten dreidimensionalen Informationen. Wesentlich für das Entstehen dieser Dreidimensionalität ist die mehrtägige Belichtungsdauer, wodurch die Belichtungsverhältnisse durch die Sonne sich während der Belichtung stark verändern. Ursprünglich hatte J. P. Jackson eine fotografische Methode aufgrund eines Experimentes ausgeschlossen, wobei er allerdings eine moderne Kamera benutzte. Der Unterschied ist, dass sich die Belichtungsverhältnisse während der kurzen Belichtungszeit einer modernen Kamera nicht ändern.
Das Prinzip der Camera Obscura war zu dieser Zeit längst bekannt, und ebenso war Silbernitrat (früher oft Höllenstein genannt und medizinisch verwendet) erhältlich. So wurde genau im 14. Jahrhundert eine Methode entwickelt, um Glas mittels Silbernitrat gelb zu färben. Spätestens den damaligen „Experimentatoren“ könnte aufgefallen sein, dass sich Silbernitratlösung bei Sonnenbestrahlung verfärbt. Quarz (wird benötigt, da Silbernitrat für ultraviolettes Licht (UV) empfindlich und Glas im UV-Bereich nicht transparent ist) kommt in ausreichender Qualität als Bergkristall, der noch heute zur Herstellung optischer Bauteile verwendet wird, in der Natur vor. Aus Bergkristall geschliffene Linsen wurden zu dieser Zeit beispielsweise als Lesesteine verwendet, und das Prinzip der Linse wurde auch spätestens seit dem 13. Jahrhundert für Brillen benutzt. Da das Turiner Grabtuch aber aus zwei Strukturen (einer Blut- oder Farbschicht und einer Körperabbildung, welche nach heutigem Stand der Forschung durch Ausbleichung der äußeren Faserschichten verursacht wird) besteht, müsste ein Fälscher eventuell zuerst die Farb- bzw. Blutschicht, welche das Gewebe durchdringt, und dann erst in einem zweiten Arbeitsschritt die Körperabbildung aufgebracht haben, was aber sehr schwierig wäre. Denn es wurde wissenschaftlich gezeigt, dass unterhalb der Blut-Abbildung keine Verfärbung der Fasern und damit keine Körperabbildung vorhanden ist, so dass an diesen Stellen diese bekannte Körperabbildung erst auf das Tuch kam, nachdem das Blut (oder Farbe) bereits in das Tuch eingeflossen war. Was immer dieses Bild verursacht hat, es befindet sich als zweite Schicht darüber. Dabei wurde die Blutschicht nicht beschädigt. Diese Blut- oder Farbschicht kann also nicht nachträglich angebracht worden sein.
Auch eine 2004 wiederentdeckte, mit der Vorderabbildung deckungsgleiche schwache Abbildung auf der Rückseite des Grabtuches wäre eventuell mit dieser fotografischen Methode vereinbar und sogar zu erwarten, wenn das Tuch während der Belichtung, wie anzunehmen, direkt auf oder vor einer ebenen Fläche aufgespannt war. Da kein reines Leinentuch absolut lichtdicht ist und immer etwas Licht durch die Poren eines Leinentuches dringen kann, würde Licht von der ebenen Fläche reflektiert und auf das Tuch von hinten an derselben Stelle, an der es das Tuch durchdrungen hat, zurückgeworfen. Je nachdem wie weit das Tuch von der Wand entfernt war, kann nach den Gesetzen der Optik eine mehr oder weniger scharfe bzw. unscharfe und mit der Abbildung auf der Vorderseite deckungsgleiche Abbildung auf der Rückseite entstehen, was der Fall ist. Auch wurden bei dem Experiment Statuen verwendet, da die Experimentatoren vermuten, dass für eine eventuelle Fälschung des Turiner Grabtuches Statuen verwendet wurden. Tote Körper würden sich bei einwöchiger Belichtungszeit unter der Hitze der Sonne verändern. Sonst existieren keine anderen „Fotos“ aus dem Mittelalter, allerdings dürften andere eventuell entstandene Abbildungen auch nicht so „behütet“ worden sein, wie das Turiner Grabtuch, das selbst dreimal beinahe zerstört worden wäre, und sind eventuell verloren gegangen.
Was spricht gegen eine Fälschung im Mittelalter?
Für eine Fälschung im Mittelalter kann man zwar als Argument anführen, dass es damals (wie heute) mehrfach Fälschungen gegeben hat. Aber die bisher bekannt gewordenen Fälschungen aller Zeiten wurden mittels Methoden hergestellt, die auch sonst für jene Zeit belegt waren und nachweislich erfolgreich zu Anwendung kamen. Außerdem ist das Motiv der Fälschung, etwas der Zeit entsprechend echt wirken zu lassen. Deshalb wurde meist ein Objekt gefälscht, wozu ein durch die Fälschung nachgeahmtes, wenngleich oft absichtlich entstelltes Original in der betreffenden Zeit bekannt war. Eine Urkunde zu fälschen bedeutet, die in einer Zeit üblichen Urkunden so nachzuahmen, dass dieses Produkt von den Zeitgenossen als echt akzeptiert werden kann. So ist zwar die Motivation, ein Schweißtuch Jesu mit seinem Abbild zu fälschen, rational nachvollziehbar – aber ein Grabtuch mit dem Abbild Jesu (das biblisch gesehen gar nicht nötig gewesen wäre) hätte sich bestenfalls an kursierenden Schweißtüchern orientiert und nicht völlig neue Gestaltungswege eingeschlagen, weil zu erwarten gewesen wäre, dass damit die Echtheit zu jener Zeit eher bezweifelt als geglaubt würde. Eine parallele Verwendung jener Methoden, die für eine solche Fälschung notwendig wäre, ist außerdem im Mittelalter gemäß dem gegenwärtigen Wissensstand gänzlich unbekannt. Erst in unserem hochtechnisierten und wissenschaftlich spezialisierten Zeitalter kann man, wenngleich auch nicht mit Sicherheit, angeben, mit welchen Methoden eine solche Darstellung hergestellt werden könnte. Was die Anatomie des Menschen betrifft, war diese im Mittelalter noch viel zu wenig bekannt, das Grabtuch zeigt aber die präzise Anatomie eines vermutlich gegeißelten und gekreuzigten Mannes. Erst die Renaissance hat der heutigen Zeit ähnliche anatomische Kenntnisse, aber selbst damals noch nicht mit jener Präzision, welche eine Darstellung dieser Art möglich gemacht hätte. Nicht einmal aus der Renaissancezeit ist eine ähnlich gediegene und ungewöhnliche Produktion überliefert, auch nicht aus schriftlichen Beschreibungen oder Hinweisen. Dies trifft auch für die technische Fähigkeit zur Herstellung zu, etwa durch fototechnische Mittel. Gegen eine Fälschung im Mittelalter, noch dazu vor der Renaissance, spricht daher mit großer Wahrscheinlichkeit, dass es keine einzige mittels solcher Techniken hergestellte vergleichbare Schöpfung aus jener Zeit gibt, auch keine Berichte von erfolgreich angewandten Verfahren, die zu dieser Fälschung notwendig gewesen wären. Die geistesgeschichtliche Entwicklung für solche absichtliche Produktionen war damals offenbar noch gar nicht gegeben. Wenn schon die erfolgreiche Anwendung der einzelnen Verfahren für jene Zeit sehr zweifelhaft ist, umso mehr die Kombination von solchen für damalige Zeit zweifellos ungewöhnlicher Verfahren in einem Werk. Falls ein solches ungewöhnliches Werk absichtlich zum Zweck der Fälschung geschaffen wurde, wäre dazu jedenfalls eine ganz hervorragende Werkstatt nötig gewesen, in der mehrere Menschen mit ungewöhnlichen Kenntnissen und Fertigkeiten, welche schon einzeln sowohl vorher, als auch danach sonst bisher nicht bekannt sind, zusammengewirkt hätten. Schon die Hypothese der Existenz solcher genialer Einzelpersonen für jede einzelne der zu solcher Fälschung nötigen Kenntnisse und Fertigkeiten zu jener Zeit ist durchaus zweifelhaft, umso unwahrscheinlicher ist, dass deren mehrere an einem Platz vereinigt gewesen wären. Eine solche Werkstatt wäre offenbar nur für dieses einzelne Werk zusammengetreten, hätte sich danach aber gleich wieder aufgelöst, ohne sonstige Spuren in der Geschichte hinterlassen zu haben, was aller bisherigen Erfahrung und der Wahrscheinlichkeit widerspricht. Dem geläufigen Geschichtsbild gemäß bestand im Mittelalter außerdem die Ansicht, dass Jesus als Gottessohn weniger im Körper als im Geiste wirksam war, was auch in den für die Kunstwerke der Zeit typischen - aus heutiger Sicht verzerrten - Proportionen der dargestellten Körper zum Ausdruck kam, weswegen eine eher körperbewusste Darstellung bei Verwendung einer jener Zeit vorauseilenden Wissenschaftlichkeit bei einer Fälschung wohl kaum für notwendig erachtet worden wäre. Zwar gab es im Mittelalter Fälschungen, aber eine solche Darstellung Christi, wenngleich diese heute als äußerst präzise angesehen wird, hätte dem Anspruch des damaligen Denkens nicht einmal entsprochen und der Fälschungszweck wäre somit nicht erreicht, ja möglicherweise sogar verfehlt gewesen. Das heißt, die Motivation, diese - noch dazu so ungewöhnliche - Leistung zu erbringen hätte damals wohl kaum bestanden. Aus rationaler Sicht ist es nicht sinnvoll, anzunehmen, dass die Menschheit einer Zeitepoche nur in einem einzigen Werk eine so weit und in so vielen Aspekten die bis dahin bekannte geistesgeschichtliche Entwicklung überschreitende Produktion, nämlich eine solche Darstellung eines über die damals üblichen Kenntnisse hinausgehend exakt darzustellenden Körpers, erfolgreich hervorgebracht hätte. Solange keine annähernd ähnliche Hervorbringung jener Zeit überliefert ist, ist eine Fälschung im Mittelalter hochgradig unwahrscheinlich.
Details des Bildes
Art der Kreuzigung
Oft wird argumentiert, dass die auf dem Grabtuch auftretenden vielen akkuraten Details einer Kreuzigung einem Künstler des Mittelalters absolut unbekannt waren. So wurden nicht, wie in fast sämtlichen bildlichen Darstellungen zu sehen, die Handflächen durchschlagen, sondern vermutlich die Handgelenke. Diese Erkenntnis geht auf den französischen Mediziner Pierre Barbet zurück, welcher in den 1930er Jahren entsprechende Versuche mit Leichen und Berechnungen durchgeführt hat. Der Pathologe F. T. Zugibe publizierte allerdings 1995 eine Arbeit, in der er einige Irrtümer in P. Barbets Arbeit aufzeigte und zu dem Schluss kam, dass die Nägel wahrscheinlich doch durch die obere Hälfte der Handfläche getrieben wurden, und nicht durch den Destot-Raum in der Handwurzel, wie von Barbet behauptet. Die Daumenseite der Handwurzel kann nach Zugibe aber nicht ganz ausgeschlossen werden. In einer archäologischen Ausgrabung in Jerusalem wurde 1968 das Grab eines Gekreuzigten gefunden, in dessen Fußknochen noch ein Nagel steckte. In der Handwurzel wurde kein Nagel gefunden, sondern es wurden Kratzer, die darauf hindeuten, dass der Nagel an dieser Stelle durch die Handwurzel getrieben worden war, nachgewiesen. Da Konstantin der Große die Kreuzigung im Jahre 314 verboten hatte, sollten solche Kenntnisse im Mittelalter in Europa nicht mehr vorhanden gewesen sein. Im Gegensatz dazu wurden in islamischen Gebieten auch im Mittelalter gelegentlich noch Kreuzigungen gemäß der Schari'a, die dies z. B. für Straßenraub vorsieht, durchgeführt. „Praktisches Wissen“ darüber könnte somit durch die Kreuzfahrer nach Europa gelangt sein. Es gibt auch schon – vor den neuzeitlichen Erkenntnissen durch P. Barbet und anderen – vereinzelt frühe Darstellungen der Kreuzigung, bei denen die Nägel durch die Handwurzeln getrieben dargestellt sind. So etwa bei einigen vom deutschen Künstler Georg Petel zu Beginn des 17. Jahrhundert gefertigten Kruzifixen in jansenistischer Darstellung.
Bild auf der Rückseite
Im April 2004 verkündeten Forscher von der Universität Padua die neue Entdeckung eines sehr schwachen und viel weniger ausführlich dargestellten Bildes auf der Rückseite des Turiner Grabtuches, bestehend nur aus dem etwas unschärferen Gesicht und den Händen. Keine anderen Details sind sichtbar. Wie das Bild auf der Vorderseite ist das eben entdeckte Bild gleichfalls das Resultat der Einfärbung nur der äußersten Fasern des Gewebes, und seine Darstellung ist akkurat mit der vorderen Seite abgeglichen. Die Entdeckung kam als Resultat der Auswertung von Fotografien ans Licht, die 2002 aufgenommen wurden, als bei der Restaurierung des Turiner Grabtuches nicht nur die 30 Stoffflicken, welche die Brandlöcher überdeckten, sondern auch das die Rückseite bedeckende, aufgenähte, so genannte Holland-Leinentuch, nach fast 500 Jahren entfernt wurde.
Computeranalysen
1997 wurde durch die Wissenschaftler André Marion und Anne-Laure Courage mit modernen Methoden der Computeranalyse, unter anderem einer digitalen Verstärkung von Farbvariationen auf der Grabtuchoberfläche, angeblich Inschriften neben dem Antlitz sichtbar gemacht. Es handelt sich hierbei um etwa einen Zentimeter große griechische und lateinische Buchstaben aus den ersten Jahrhunderten nach Christus. An der rechten Kopfhälfte steht "ΨΣ ΚΙΑ". Dieses wird als ΟΨ ΣΚΙΑ (ops = Kopf; skia = Schatten) interpretiert. An der linken INSCE (inscendat = er mag hinaufgestiegen sein) oder IN NECE (in necem ibis = du wirst in den Tod gehen) und ΝΝΑΖΑΡΕΝΝΟΣ (nnazarennus, ein stark falsch geschriebenes "der Nazarener" auf Griechisch), an der unteren HSOY, der Genitiv von „Jesus“, doch der erste Buchstabe fehlt.
Münzen auf den Augen?
Eine der Münzen, die dem Toten nach Ansicht des Sindonologen Alan Wanger auf die Augen gelegt waren, identifizierte dieser als römische Bronzemünze, die in den Jahren 29 und 30 in Jerusalem unter Pontius Pilatus geprägt wurde. Allerdings ist die Münze mit bloßem Auge auf den Fotografien praktisch nicht zu erkennen, und deshalb wurde von A. Wanger auf eine Technik zurückgegriffen, in der das Bild der angeblichen Münze mit Vorlagen zur Übereinstimmung gebracht wird, um diese zu vergleichen. Fraglich ist hier aber, wie so feine Details wie die Münzbeschriftung bei dem grobem Webmuster des Grabtuches erkennbar sein sollen, technisch ausgedrückt widerspricht das dem Nyquist-Shannon Abtasttheorem. Auch wird eingewandt, dass Gegentests mit anderen Vorlagen nicht gemacht wurden, um auszuschließen, dass eine andere oder gar jede beliebige Vorlage mit dieser Methode zu einem positiven Ergebnis führt. Prinzipiell ist bei Techniken der Bildverarbeitung zu beachten, dass keine heutige Technik annähernd in der Lage ist, das menschliche Auge und die „Bildverarbeitung“ des menschlichen Gehirns zu übertreffen. Bestenfalls können solche Techniken das menschliche visuelle System unterstützen, wobei sich aber umso mehr die Frage stellt, warum mit dem Auge die Münze nicht eindeutig zu erkennen ist. Es fällt aber trotzdem auf, dass bei dieser seltenen Fehlprägung – ein Buchstabe ist falsch geschrieben – erst Jahre später entsprechende Exemplare mit derselben Fehlprägung gefunden wurden. Nach Meinung des Historikers A. Lombatti sind diese Exemplare angeblich so stark korrodiert, dass die Interpretation des entsprechenden Buchstabens der Münzinschrift als "K" oder "C" selbst wieder fragwürdig ist. Diese Aussage stellt wiederum einen Beweis für die Glaubwürdigkeit einiger Wissenschaftler dar, denn jedermann kann sich heutzutage mit eigenen Augen überzeugen, dass die Fehlprägung des ersten Buchstabens "C" (CAICAPOC anstatt richtig KAICAPOC) absolut eindeutig auf der Originalmünze des Pontius Pilatus erkennbar ist (Figure 32: above, a coin of Pontius Pilate with the staff surmounted by the letters CAICAPOC, with a Latin C instead of the Greek K, in: http://www.british-israel.ca/shroud.htm ).
Nach Angaben des Direktors des Jerusalem Museums, L. Y. Rahamni, war es im 1. Jahrhundert kein jüdischer Brauch, Münzen in den Augen der Toten zu platzieren, und bisher seien keine Münzen des entsprechenden Zeitraumes in einem jüdischen Grab aus dieser Zeit gefunden worden.
Pollenuntersuchungen
Die Pollenuntersuchungen wurden erstmals durch Dr. Max Frei-Sulzer vorgenommen. Er war Gründer und von 1950 bis zu seinem Rücktritt 1971, welcher im Zusammenhang mit zweifelhaften Gutachten stand, an denen er mitwirkte, Leiter des ansonsten europaweit angesehenen Wissenschaftlichen Dienstes der Stadtpolizei Zürich, und danach als freiberuflicher Gutachter tätig. Später wurden weitere Arbeiten hauptsächlich durch Avinoam Danin und Uri Baruch durchgeführt. Dr. Max Frei-Sulzer, Avinoam Danin und Uri Baruch schlossen, dass auf dem Tuch unter anderem Pflanzenspuren vorkommen, die aus Palästina, ihrer Meinung nach eindeutig aus der Gegend bei Jerusalem, stammen, von Pflanzen, die dort im Frühjahr blühen. Die Arbeiten beruhen auf Pollenproben, welche M. Frei-Sulzer in den 1970ern mittels Klebebändern vom Grabtuch genommen hatte und von angeblichen Abbildungen von Blütenblättern und anderen Pflanzenteilen auf dem Tuch. Diese kontroversen botanischen Untersuchungen sollen Hinweise auf den Ursprungsort und die Jahreszeit der Entstehung des Bildes geben. Sie beantworten aber nicht direkt die Frage der Entstehungszeit (Mittelalter oder 1. Jahrhundert n. Chr.) und der Authentizität des Tuches. Da das Grabtuch erstmals im Mittelalter – möglicherweise im Umfeld des in Jerusalem entstandenen Templerordens – auftauchte, wäre es beispielsweise auch denkbar, dass das Tuch zu dieser Zeit in Jerusalem entstanden ist und durch die Tempelritter nach Europa gebracht wurde. Aber das von den Skeptikern oft vorgebrachte Argument, eine spätere Kontamination des Tuches durch Pollen aus Jerusalem wäre möglich, etwa durch Reisende aus dieser Gegend, ist nach Meinung von Authentizitätsbefürwortern genauso abwegig wie jenes, ein starker Wind hätte Pollen von Jerusalem nach Lirey herübergeweht, da bei monatelangen Reisen nur wenig Pollen haften bleiben würden. Im Widerspruch dazu müssten die Pollen im Grabtuch mehrere Jahrhunderte oder, bei Authentizität, sogar zwei Jahrtausende haften geblieben sein. Zudem bleiben Pollen an Kleidung kurzfristig sehr gut haften, was z. B. oftmals ein zusätzliches Problem für Pollenallergiker bedeutet. Bei größeren Stürmen wird auch manchmal Saharasand über das Mittelmeer nach Europa geweht und Satellitenaufnahmen zeigen sogar, dass gelegentlich große Mengen Sandkörner über den Atlantik nach Südamerika transportiert werden. Da Pflanzenpollen leichter vom Wind mittransportiert werden als Sandkörner, ist ein Transport durch starke Stürme über solche Entfernungen nicht auszuschließen; schon bei normalen Wetterverhältnissen werden Pollen mehrere hundert Kilometer weit transportiert. Biologisch richtiger aber ist, dass Pollen schwerer als Sporen, beispielsweise von Pilzen, sind und vom Wind nicht in gleicher Weite verbreitet werden. 95 Prozent der Pollen einer Pflanze verbleiben in nächster Nähe zu ihrem Standort. Problematisch wäre wohl eher das Häufigkeitsverhältnis von Pollen nahöstlicher Herkunft zu Pollen aus Europa, so wie sie von M. Frei-Sulzer angeblich gefunden wurden.
Die botanischen Untersuchungen werden vielfach sehr stark angezweifelt. Speziell an der Seriosität der Arbeiten Dr. Max Frei-Sulzers entzündete sich Kritik. Dies beruht darauf, dass Frei-Sulzer Anfangs der 1970er in Zusammenhang mit dem Ergebnis einer Untersuchungskommission, welche die Zürcher Regierung 1971 einsetzte, um die Tätigkeit Frei-Sulzers zu prüfen, von seinem Posten als Leiter des Wissenschaftlichen Dienstes der Stadtpolizei zurücktrat. Grund waren zahlreiche fehlerhafte Gutachten, an denen Frei-Sulzer mitwirkte und die teilweise zur Verurteilung von Personen führten. Die Untersuchungskommission bemängelte schwerwiegende Fehler und kam z. B. in einem Fall zu dem Schluss: „Dr. Frei-Sulzer war in der Bewertung der Ergebnisse seiner Untersuchungen und in den daraus gezogenen Schlüssen zu wenig kritisch. Das Gutachten könnte den Eindruck erwecken, es habe unbedingt jemand der Tat überführt werden sollen.“ Später war Frei-Sulzer mitverantwortlich für das Gutachten, als Anfang der 1980er in New York auch die angeblichen Hitler-Tagebücher von mehreren Gutachtern fälschlich für echt befunden wurden, was seinem Ansehen weiteren Schaden hinzufügte. So vermutete etwa Stephen Schafersman öffentlich eine Fälschung der Untersuchungen durch M. Frei-Sulzer, indem die Proben z. B. durch Pollen künstlich angereichert worden sein sollen. Da auch die späteren Pollenuntersuchungen durch A. Danin auf den Proben von M. Frei-Sulzer basieren, wären somit auch diese betroffen. Genährt wurde der Verdacht dadurch, dass Pflanzenpollen durch M. Frei-Sulzer einzelnen Arten anstelle von übergeordneten Gattungen zugewiesen wurden, da Pollen verwandter Arten oft schwer zu unterscheiden sind. Solches beweist aber eher die Sachkenntnis des Prüfers. Dass die Pollen an Frei-Sulzers Proben hauptsächlich aus den Gebieten der Türkei und von Palästina stammen, aber nur sehr wenige aus Frankreich oder Italien, zog den Verdacht von Skeptikern auf sich, kann aber auch damit erklärt werde, dass das Grabtuch dokumentarisch gesichert die letzten Jahrhunderte in geschlossenen Räumen sowie in einem Schrein verbrachte. Der Mikrobiologe Joe Nickell vermutete eine Kontamination durch fehlerhafte Probenentnahme mit Hilfe der Klebebänder, da die Klebebänder nur sehr wenig Pollen enthalten und nur ein Klebeband sehr viel Pollen enthält, diese aber an einer Stelle, welche mit dem Tuch nicht in Berührung gekommen ist. Diese Probenentnahme fand allerdings im Beisein von Zeugen statt und wurde mit Fotos dokumentiert, so dass wohl nur eine unbeabsichtigte und schwer zu erkennende subtile Fehlerquelle in Frage käme. Auch die angeblichen Abbildungen von Pflanzenteilen auf dem Tuch wurden kritisiert. Sie sind, wenn überhaupt, nur schwer zu erkennen, und dann vermutlich eher eine Illusion, ähnlich z. B. den früher oft behaupteten Marskanälen, welche durch die Wahrnehmungspsychologie erklärt werden können. Universitätsprofessoren aber, die sich jahrelang mit dieser Problematik beschäftigt haben, bewerten dies anders.
Webart des Tuches
Die Webmethode des 4,36 Meter x 1,10 Meter großen Tuches war Fischgrätmuster und zur Zeit Christi im syrischen Raum üblich, obwohl einfachere preiswertere Webtechniken damals verbreiteter waren. Die Schweizer Spezialistin Mechthild Flury-Lemberg, die im Sommer 2002 Konservierungsarbeiten an dem Tuch durchführte, meint, dass die Webart und die fein gearbeiteten Nähte der Qualität anderer Textilien entsprechen, die auf der antiken Festung Masada im südöstlichen Israel gefunden wurden und auf das Jahr 73 n. Chr. datiert werden, und dass auch andere, in der Region am Roten Meer gefundene Stoffe aus dem ersten Jahrhundert dem Turiner Grabtuch ähnliche Webmuster aufwiesen.
Ein ähnliches Fischgrätmuster, aber nicht diese Technik aus der Antike, war aber auch zur Wikingerzeit im frühen Mittelalter sehr verbreitet, wie beispielsweise Funde in Haithabu, die im Wikinger-Museum-Haithabu ausgestellt sind, zeigen. Die Fäden des Grabtuches sind handgesponnen, was bis zur Erfindung der Spinnmaschine im Jahre 1764 durch James Hargraves die übliche Methode war.
Sogar die Zusammensetzung des Leinentuches ist schon lange untersucht worden. Eine Reihe von Entdeckungen basiert auf zwei kleinen Gewebefragmenten und einigen Fasern, die 1973 dem Tuch entnommen und einem international bekannten Textilexperten, Professor Gilbert Raes von der Universität Gent in Belgien, übermittelt worden waren. Prof. Raes fand in dem hauptsächlich aus Leinen bestehenden Tuch Spuren von Baumwolle aus dem nahen Osten. Diese Baumwolle (Gossypium herbaceum) war bis ins 14. Jahrhundert in Europa unbekannt. Dieses Argument würde den Zeitraum für eine eventuelle Fälschung des Tuches zusätzlich zu den historischen gesicherten Daten und Radiokarbon-Daten auf einen Zeitraum zu Beginn des 14. Jahrhunderts bis zur erstmaligen Ausstellung des Tuches in der Mitte des 14. Jahrhunderts einschränken. Einzelne Leinentücher könnten aber auch durch Kreuz- oder Tempelritter aus dem nahen Osten nach Europa mitgebracht worden sein.
Untersuchungen von Blutspuren
Die Blutabbildungen auf dem Grabtuch wurden durch eine 1973 eingesetzte Kommission aus Serologen auf Blutrückstände untersucht, und man kam dabei zu einem negativen Ergebnis. Auch eine Untersuchung im Rahmen des STURP-Projektes durch Walter C. McCrone kam zu dem Ergebnis, dass kein Blut, sondern hauptsächlich Ockerpartikel und andere im Mittelalter verwendete Pigmente in den Blutabbildungen des Tuches zu finden sind. John Heller und Alan Adler kamen durch chemische Test an denselben Proben, die auch McCrone für seine Untersuchungen verwendete, zu einem positiven Ergebnis und das STURP-Projekt schloss sich in seinem Abschlussbericht dieser Meinung an. Der Forensiker John E. Fischer vertrat auf einer Konferenz 1983 die Meinung, dass die Resultate von John Heller und Alan Adler mit deren Methoden auch durch Temperafarbe verursacht werden können.
Zudem bewies eine Untersuchung der Blutspuren auf dem Grabtuch angeblich, dass sie aus der seltenen Blutgruppe AB bestehen, was von Skeptikern allerdings angezweifelt wird. Es existiert nicht der geringste Zweifel darüber, dass es heutzutage technisch möglich ist, anorganisches Material wie Farbe von organischem wie Blut zu unterscheiden. Die Schwierigkeit scheint aber darin zu liegen, dass es sich hier nicht um eingetrocknetes Blut, sondern nur um Blutbestandteile handelt. Neue Probeentnahmen zwecks weiterer Untersuchungen wären deshalb angebracht. Neuere Behauptungen von angeblichen DNA-Spuren in den Blutrückständen beruhen auf nicht autorisierten fragwürdigen Proben und werden auch von Alan Adler, welcher ansonsten die Authentizität der Blutrückstände vertritt, als unglaubwürdig abgelehnt. Zudem hätte praktisch jeder, der in der Vergangenheit mit dem Tuch in Berührung kam, DNA-Spuren hinterlassen.
Vergleich mit dem Schweißtuch von Oviedo und dem Schleier von Manoppello
Zwar ist auf dem Schweißtuch von Oviedo, einer anderen umstrittenen Reliquie, keine Abbildung zu sehen, aus einem Vergleich der vorhandenen Blutspuren auf dem Schweißtuch mit denjenigen des Grabtuchs schließen Authentizitätsbeführworter, dass die Tücher denselben Kopf bedeckten. Die zahlreichen punktförmigen Wunden werden der Dornenkrone beim Tod Christi zugeschrieben. Auf einer weiteren noch relativ unbekannten Reliquie, dem Schleier von Manoppello in den italientischen Abruzzen, findet sich das Bild eines Mannes mit geöffneten Augen, dessen Gesichtsverletzungen sich mit denen der Tücher von Turin und Oviedo decken. Nach neueren Theorien war das Volto Santo zusammen mit dem Turiner Grabtuch und dem Schweißtuch von Oviedo ursprünglich im gleichen Grab in Jerusalem.
Radiokohlenstoffdatierung
Die Radiokohlenstoffdatierung wurde 1988 zur Ermittlung des Alters herangezogen. Am linken Eckrand des Grabtuches, in unmittelbarer Nähe eines 7,5 cm breiten, angenähten Seitenstreifens, wurde eine 10 mm x 70 mm kleine Probe entnommen. Die geteilte Probe wurde von drei unabhängigen Instituten mit 95 Prozent Konfidenz auf ein Alter zwischen 1260 und 1390 n. Chr. datiert, wobei der Mittelwert 1325 n. Chr. als wahrscheinlichster Wert angegeben wurde. In diesen Zeitbereich fällt die erstmalige gesicherte Erwähnung des Grabtuches im Jahr 1357.
Probe | Oxford | Zürich | Arizona |
---|---|---|---|
Turiner Grabtuch | 750 | 676 | 646 |
Kontrollprobe (Fäden, 1290–1310 n. Chr) | 755 | 685 | 722 |
Kontrollprobe (Leintuch, 11./12. Jhd. n. Chr) | 940 | 941 | 927 |
Kontrollprobe (Leintuch, 1. Jhd. v. Chr–1. Jhd. n. Chr) | 1980 | 1940 | 1995 |
Radiokarbonalter in yr BP (Jahre vor 1950), wie sie von den drei Laboratorien gemessen wurden. Jedes Labor erhielt auch drei Kontrollproben bekannten Alters. (P. E. Damon et al. 1988, Radiocarbon Dating of the Shroud of Turin, Nature, Vol. 337) |
Einige Befürworter der Christusthese behaupten, dass das Feuer von 1532 die Ergebnisse der Datierung verfälscht hat. Demnach könnten unerforschte Stoffe beim Brand oder bei der Reinigung in das Tuch eingedrungen sein. Laut einer im Jahr 2002 verbreiteten Meldung fanden russische Forscher um A. V. Gelyakov angeblich heraus, dass das in die Fasern des Stoffes evtl. eingedrungene Pflanzenreinigungsöl das Tuch bei den Messungen der drei Institute um 1300 Jahre jünger habe erscheinen lassen. Allerdings ist keine Quelle in einem reviewten wissenschaftlichen Journal, in dem diese Forschung von Gelyakov detailliert beschrieben wird, bekannt. Zudem sind diese Behauptungen praktisch identisch mit früheren Behauptungen in Artikeln des angeblichen russischen Forschers D. Kouznetsov, dessen Forschungsarbeiten sich inzwischen als Fälschungen erwiesen haben. So fand M. Polidoro bei Nachforschungen in den Arbeiten Kouznetsovs eine große Anzahl von Zitaten auf wissenschaftliche Artikel, welche nicht existieren, zusätzlich existieren Museen nicht, von denen Kouznetsov die angeblichen Proben für seine Forschungen erhalten haben will, und vieles mehr. Selbst das Forschungsinstitut, dessen Direktor Kouznetsov angibt zu sein, existiert nicht, und seine Forschungen sind vermutlich frei erfunden, zumindest aber sicher verfälscht.
Aus der Grundgleichung der Radiokarbonmethode – dem radioaktiven Zerfallsgesetz – kann leicht hergeleitet werden, dass eine Verfälschung um 1300 Jahre durch eine Verschmutzung aus dem Jahr 1532 eine Kontamination zu 88 Prozent mit Kohlenstoff, der aus Verunreinigungen wie Ruß, Pflanzenöl oder ähnlichem stammt, benötigen würde. Der Kohlenstoff der Proben müsste also zu neun Anteilen aus dem Kohlenstoff der Verunreinigungen und nur zu einem Teil aus dem Kohlenstoff des Grabtuches bestanden haben, was wohl mit Sicherheit bei der Probenpräparation aufgefallen wäre. Da die Leinenfasern bereits zu einem Großteil aus Kohlenstoff bestehen, müsste das Tuch durch eine so starke Verschmutzung mindestens ein Vielfaches an Gewicht zugenommen haben. Die einzelnen Proben sind von den drei Instituten auf Verschmutzungen inspiziert und verschiedenen chemischen und mechanischen Reinigungsprozeduren unterworfen worden. Wenn durch die eine oder andere Prozedur eine Verschmutzung nicht oder nur unvollständig gereinigt wird, würde sich das sehr wahrscheinlich in unterschiedlichen Radiokarbonaltern für die Proben bemerkbar machen, was nicht der Fall ist. Andere behaupten, dass die Auferstehung eine große Zahl von Neutronen erzeugt hätte, die den C-14-Anteil im Tuch erhöht hätten. Hier muss allerdings eingewendet werden, dass hier ein Wunder vorausgesetzt wird und die Theorie damit nicht mehr wissenschaftlich ist. Trotzdem wären die Konsequenzen interessant, da dann auch andere Radionuklide im Tuch entstanden sein müssten, welche heute noch nachweisbar wären.
Wieder andere glauben, dass Bakterien und Pilze, die z. B. laut L. A. Garza-Valdes durch eine Schutzschicht den Verfall des Tuches verhindern, die Verteilung der Isotope beeinflusst hätten. Gemäß Garza-Valdes wurde dies bei Einwicklungsbändern von zwei ägyptischen Mumien nachgewiesen, deren durch die Radiokohlenstoffdatierung ermitteltes angebliches Alter Jahrhunderte von der der Mumie abwich. In einem Fall, einer Ibis-Mumie, wäre das wahre Alter (2625 Jahre) demnach um etwa 20 Prozent höher als das gemessene Radiokarbonalter der Einwickelbänder (2225 Jahre) und bei der Mumie eines dreizehnjährigen Mädchens wäre das wahre Alter (3161 Jahre) 80 Prozent höher als das gemessene Alter (1758 Jahre), wofür also viel weniger Verunreinigung nötig ist, als es nötig wäre, einen relativen Fehler von 200 Prozent zu erklären, wenn das wahre Alter des Grabtuches etwa 2000 Jahre sein sollte, anstatt des Alters von 663 Jahren gemäß der Radiokohlenstoffdatierung. Zudem wurde vom Labor des Britischen Museums, welches die Datierung der Mädchen-Mumie durchführte, ein Fehler während der Messung eingeräumt, die das Radiokarbonalter verfälscht haben könnte. Im Fall der Ibis-Mumie ist es wahrscheinlich, dass nicht die Umwicklung zu jung datiert wurde, sondern der Ibis zu alt, da Ibisse gern in der Nähe von Gewässern leben und sich zum Großteil von Fischen ernähren. Hier müssten dann Reservoireffekte von Gewässern zur korrekten Radiokohlenstoffdatierung berücksichtigt werden.
Die benötigte Kontamination, um einen so großen Fehler von 1300 Jahren durch Verunreinigung gemäß Garza-Valdes zu erzeugen, liegt selbst im günstigsten Fall, wenn die Kontamination durch Mikroorganismen erst im 20. Jahrhundert entstanden wäre und nur aus phototrophen Bakterien bestehen würde (also Bakterien, die ihren Kohlenstoffbedarf durch Photosynthese aus dem Kohlendioxid der Luft decken würden), bei 66 Prozent und ist damit wohl unwahrscheinlich. Nach L. A. Garza-Valdes sind die Bakterien und Pilze aber auch für das Zustandekommen des Bildes verantwortlich, demnach müssen diese schon im 14. Jahrhundert vorhanden gewesen sein, und die benötigte Kontamination müsste dementsprechend viel höher sein. Wichtig wäre hier auch der Stoffwechsel der Mikroorganismen. Nur wenn diese Photosynthese betreiben (zum Beispiel fototrophe Bakterien) – wozu aber Licht nötig ist und was damit nicht möglich war, solange das Tuch in einem Behälter aufbewahrt wurde – nehmen sie Kohlendioxid aus der Luft auf und verfälschen das Radikarbonalter des Tuches. Die meisten Bakterien und alle Pilze sind allerdings chemotroph; deswegen ist es wahrscheinlicher, dass sich die Mikroorganismen von ihrem Substrat ernähren, also dem Grabtuch selbst. In diesem Fall ist der Kohlenstoff der Mikroorganismen mit dem Kohlenstoff des Tuches identisch und das Radiokarbonalter wird überhaupt nicht verfälscht. Hinzu kommt, dass auch eine absichtliche Vertauschung der Proben vor der Datierung durch interessierte Kreise von einigen für möglich gehalten wird, was aber schwierig gewesen sein dürfte, da die Probenentnahme unter anderem durch Videoaufnahmen dokumentiert wurde, die Verteilung der Proben aber nicht. Ebenso könnte der 7,5 cm breite Seitenstreifen am Längsrand nahe der Probenentnahmestelle erst 1389 aufgenäht worden sein, als Schutz vor Beschädigungen beim Hochhalten: „Das Tuch wird nämlich durch zwei Priester gezeigt, mit brennenden Fackeln auf einer erhöhten Bühne ...“ (Brief des Bischofs von Troyes, Pierre d'Arcis, an den Papst Ende 1389). Teile dieses Seitenstreifens sind evtl. mit in die Radiokarbonuntersuchung eingeflossen. Um einen Fehler des Radiocarbonalters um 1300 Jahre zu bewirken, müssten allerdings die Proben zu mindestens 96 Prozent mit dem Material aus dem Seitenstreifen bestehen. Es sollten also nicht nur einige Teile eingeflossen sein, sondern die Proben müssten größtenteils aus dem Seitenstreifen bestehen, was sehr unwahrscheinlich ist. Der Vatikan hat aber bis heute keine Erlaubnis zur neuerlichen Überprüfung erteilt.
Die Radiokohlenstoffdatierung ist heute eine Standardmethode, die, obwohl nicht unfehlbar, viele tausend Male mit Erfolg eingesetzt wurde. Der überwiegende Anteil an Fehlern, die bei dieser Methode auftreten und zu Fehldatierungen führen, ist nicht etwa verursacht durch unerkannte Verunreinigungen oder Problemen mit der Kalibrierung oder der Methode an sich, sondern durch Fehler im Labor (Kontaminierung bei der Probenzubereitung, Fehler bei der Durchführung der Messungen, Vertauschung der Proben etc.). Gerade diese Fehlerquellen sind aber bei der Datierung des Grabtuches praktisch ausgeschlossen, da hier drei Institute unabhängig gearbeitet haben und die Datierung wegen der öffentlichen Aufmerksamkeit für die beteiligten Institute sicher auch entsprechende Priorität gehabt hat, so dass sicher das erfahrenste Personal zur Arbeit eingesetzt wurde.
Datierung durch Lignin-Vanillin-Zerfall
Dr. Ray Rogers gelang es im Dezember 2003 von L. Gonella, welcher 1988 bei der Probenentnahme für die Radiokarbondatierung zugegen war, kleine Proben zu erhalten, die laut Gonella von dem zur Radiokohlenstoffdatierung verwendeten Probenstück stammen, deren Entnahme allerdings undokumentiert ist (http://www.shroud.com). Seine Untersuchungen führten R. Rogers, der bereits Mitglied des STURP-Teams von 1978 war, zu dem Ergebnis, dass in der Radiokarbonprobe im Gegensatz zu den 1978 bei den STURP-Untersuchungen genommenen Proben der Stoff Vanillin, ein Zerfallsprodukt des im Flachs enthaltenen Lignins, enthalten ist. Zusätzlich enthalten demnach die Radiokarbonproben Gummiarabikum, was auf einen erst ab dem Mittelalter verwendeten Farbstoff schließen lässt. Ferner zeigt Rogers, dass die 1973 von Prof. Raes für textilische Untersuchungen an der praktisch gleichen Stelle wie die Radiokohlenstoffdatierung entnommenen Proben ebenfalls Vanillin und Gummiarabikum enthalten.
Da das Gummiarabikum chemisch leicht entfernbar ist, schließt er, dass die Reinigungsprozeduren bei der 1988 durchgeführten Radiokohlenstoffdatierung diese beseitigt haben müssen. Das Vanillin ist sowieso ein Zerfallprodukt des Stoffes und beeinflusst eine Radiokohlenstoffdatierung nicht. Deswegen sei eine Verfälschung der Radiokohlenstoffdatierung an sich auszuschließen, allerdings glaubt Rogers zeigen zu können, dass der Probenort nicht repräsentativ für das Grabtuch ist. Zu diesem Schluss kommt er durch Berechnung der Zeit, die benötigt wird, bis die Vanillin-Konzentration, welche mit der Zeit abnimmt, unter der Nachweisgrenze liegt, so dass er ein minimales Alter für die STURP-Proben erhält. Diese minimalen Alter hängen stark von der angenommenen Umgebungstemperatur ab, bei einer Temperatur eine 25 °C kommt R. Rogers auf ein minimales Alter von 1.300 Jahren, bei 20 °C bereits auf ein minimales Alter von 3.000 Jahren. Demnach müsste also der überwiegende Teil des Grabtuches, von dem die STURP-Proben stammen, älter sein als der Ort, von dem die Radiokarbonproben stammen. Rogers schließt daraus, dass im Mittelalter kunstvoll ein Flicken in das Originaltuch eingewebt wurde, der bei der Entnahme der Proben als solcher nicht erkannt wurde, und daher versehentlich das Alter einer gestopften Stelle gemessen wurde.
Allerdings hat die neue Datierung einige Schwächen (siehe hierzu eine Meldung unter http://www.anomalistik.de/aktuell/news-2005-01-30a.shtml): Das mit dieser Methode datierte minimale Alter hängt stark von der Umgebungstemperatur ab (deshalb der sehr große Bereich von 1300 bis 3000 Jahren), insbesondere können kurze Zeiten mit hohen Temperaturen das gemessene Alter sehr stark erhöhen. Zum anderen ist diese neue chemische Datierungsmethode noch nicht mit Hilfe von anderen Proben bekannten Alters validiert, sondern wurde bisher nur im Zusammenhang mit dem Grabtuch verwendet. Aus der Erfahrung mit anderen chemischen Datierungsmethoden ist aber bekannt, dass man zunächst genau testen muss, ob das Ergebnis auch durch andere Faktoren beeinflusst wird, etwa die Zusammensetzung des Ausgangsstoffes, Anwesenheit anderer Substanzen und auch die Art der Probenentnahme und Lagerung. Vanillin kann prinzipiell durch viele Faktoren zerstört werden, was ein künstlich hohes Alter vortäuschen würde. Die Aussagekraft dieser Datierung (bzw. ob eine Datierung auf diese Art überhaupt möglich ist) lässt sich erst dann beurteilen, wenn diese Methode systematisch mit anderen Proben validiert wurde.
Ist ein Leichnam oder ein lebender Mensch abgebildet?
Seit etwa 1950 gibt es vereinzelte Stimmen, die behaupten, dass der Mensch unter dem Grabtuch noch gelebt haben könnte. Als Grund für diese Behauptung wird die viele blutähnliche Flüssigkeit auf dem Tuch angeführt, insbesonders aus der Seitenwunde. Denn Leichen bluten nicht wie Lebende, allerdings folgt auch das Blut von Toten bis zu seiner Gerinnung, wie jede andere Flüssigkeit auch, der Schwerkraft, kann also einen toten Körper auch durch eine klaffende Öffnung verlassen. Auch handelt es sich im Tuch nachweisbar nur um Blutbestandteile, was ebenfalls gegen die These, dass eine lebender Mensch abgebildet ist, spricht. Weiterhin ist nachweislich das Blut vor der Abbildung auf das Tuch gelangt (s. o.), was dafür spricht, dass ein (noch) mit Blut überströmter Leichnam in das Tuch eingewickelt wurde.
Nach vereinzelter, äußerst umstrittener Ansicht zeigt das Abbild indessen keine Anzeichen von Leichenstarre, denn der Körper scheine mit etwas angewinkelten Beinen wie vom Kreuz abgenommen im Tuch gelegen zu haben. Die Entstehung des Bildes ist nach dieser Ansicht durch Körperwärme hervorgerufen worden, da sie angeblich die einzige natürliche Energiequelle sei, die das Abbild erzeugen könne. Die Gleichmäßigkeit des Abbildes setze nämlich die gleichmäßige Körpertemperatur eines lebenden Körpers voraus. Ein Abdruck durch Dämpfe wäre aber nachweisbar verschwommen und nicht gestochen scharf wie bei einem Foto (siehe oben), was wiederum deutlich gegen diese These spricht. Laut Johannesevangelium (Joh. 19,39 und 40) lässt Nikodemus 30 Liter Salböl aus Aloe und Myrrhe zum Grab Jesus schicken – Substanzen, die in der Antike zum Einbalsamieren von Leichen, aber auch zur Wundheilung genutzt wurden.
Insgesamt gab es drei populärwissenschaftliche Bücher mit dieser These, die mit reißerischen Titeln wie "Skandal in Turin" oder "Fundamentalirrtümer des Christentums" angepriesen wurden. Sie folgern u. a. aus dem Grabtuch, dass Jesus nicht übernatürlich auferstanden sei, sondern die Kreuzigung überlebt habe. Dem widerspricht jedoch die Erfahrung römischer Schergen, welche ihren Vorgesetzten gegenüber in der strengen Pflicht standen, dass ein Hingerichteter auch tatsächlich zu Tode kam. Nicht zuletzt berichtet das Johannesevangelium von einer solchen Prüfung, bei der ein Soldat in die Seite des Gekreuzigten stieß, wobei „Blut und Wasser herausfloss“.
Wäre bei dieser Prüfung tatsächlich Blut geflossen, könnte man daraus nach vereinzelter Ansicht schließen, dass Jesus die Kreuzigung bis zu diesem Zeitpunkt überlebt haben könnte. Andererseits spricht vieles dafür, dass dieser Bericht durch den Wunsch des Verfassers motiviert war, hierdurch die (auch) menschliche - und nicht nur göttliche - Existenz von Jesus zu belegen, weil nach damaliger Auffassung ein Gott nicht bluten konnte.
Siehe auch
- Abgar-Bilder - Kopien des Jesus-Gesichtes vom Turiner Grabtuch?
- Schleier von Manoppello - Bildnis mit hoher Übereinstimmung von Gesicht und Wunden
- Acheiropoieton - Bilder, die nicht von Menschen geschaffen wurden?
- Schweißtuch der Veronika - eine weitere Jesus-Reliquie?
- Bestattungsriten der Israeliten
Literatur
Bücher
- Joseph Sauer: Die ältesten Christusbilder. Wasmuth, Berlin 1920
- Hans Belting: Bild und Kult : eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst. Beck, München 1990, ISBN 3-406-37768-8
- Bulst, Werner S.J.: Betrug am Turiner Grabtuch. Der manipulierte Carbontest. Knecht, Frankfurt/Main 1990 (m. kirchl. Druckerl.), ISBN 3-7820-0609-7
- Lynn Picknett, Clive Prince: Die Jesus-Fälschung : Leonardo da Vinci und das Turiner Grabtuch. Lübbe, Bergisch Gladbach 1995, ISBN 3-785-70773-8
- Maria Grazia Siliato: Und das Grabtuch ist doch echt : die neuen Beweise. Heyne Verlag, Augsburg 1998, ISBN 3-453-16501-2
- Blandina P. Schlömer: Der Schleier von Manoppello und das Grabtuch von Turin. Resch, Innsbruck 1999, ISBN 3-85382-068-9
- Christopher Knight, Robert Lomas: Das Grabtuch von Turin, die Templer und das Geheimnis der Freimaurer. Scherz Verlag, Bern, München, Wien 1999, ISBN 3-502-15378-7
- Nello Balossino: Das Bild auf dem Turiner Grabtuch : Photographische Untersuchung und Informationsstudie. Schnell & Steiner, Regensburg 2000, ISBN 3-7954-1334-6
- Roman Laussermayer: Meta-Physik der Radiokarbon-Datierung des Turiner Grabtuches. VWF Verlag für Wissenschaft und Forschung, Berlin 2000, ISBN 3-89700-263-9
- Helmut Felzmann: Müssen Christen anders glauben? : das Grabtuch von Turin enthüllt fundamentale Irrtümer im Christentum. Triga Verlag, Gelnhausen 2005, ISBN 3-89774-403-1 (siehe auch: [1])
- Gerhard Kuhnke: Rom und das Grabtuch. Skandal in Turin. Tenea Verlag, Berlin 2004, ISBN 3-86504-090-X (Auszüge unter [2])
- Paul Badde: Das Muschelseidentuch. Auf der Suche nach dem wahren Antlitz Jesu. Ullstein, Berlin 2005, ISBN 3-55007853-6
Aufsätze
- P. E. Damon et al.: Radiocarbon dating of the Shroud of Turin. In: Nature, 1989, vol. 337, S. 611 - 615.
- M. Warner: The Shroud of Turin. In: Annalen der Chemie, 1989, vol. 61, 2, 101A
- Amardeo Sarma: Ein Tuch mit sieben Siegeln? Das Turiner Grabtuch als Forschungsgegenstand. 2000. In: Skeptiker, Heft 00-2.
- Stephan Matthiesen: Zweifel am Alter des Turiner Grabtuchs. - Meldung der Gesellschaft für Anomalistik, 30.1.2005. Nachdruck in Skeptiker, Heft 05-4, S. 164 - 165.
- Jacques Evin: La datation radiocarbone du Linceul de Turin. In: Dossiers d'Archéologie[3], n° 306, Septembre 2005, Seiten 60 bis 65, ISSN 1141-7137
- Daniel Raffard de Brienne: La désinformation autour du Linceul de Turin. Éditions de Paris, Paris 2004. ISBN 2851621491.
Roman
- Alexander Lohner: Das Jesustuch. Aufbau Taschenbuch, Berlin 2005, ISBN 3-7466-2122-4
- Julia Navarro: Die stumme Bruderschaft. Limes, München 2005, ISBN 3-8090-2499-6
- Jacques Neirynck: Die letzten Tage des Vatikan. Rowohlt, Reinbek 2006, ISBN 3-499-24122-6
Weblinks
- Forschungsstand zum Turiner Grabtuch bis 2004 (deutsch)
- Aktueller Forschungsstand zum Turiner Grabtuch (bis 2006): Wissenschaftliche Artikel, Tagungsergebnisse (Dallas 2005) etc. (englisch)
- The Shroud of Turin Website: Umfangreiche Datenbank mit wiss. Artikeln zum Grabtuch (englisch)
- Speech by Pope John Paul II about the Shroud, 1998 (englisch)
- Turiner Grabtuch – Echtheitsdiskussion und Forschungsergebnisse im historischen Überblick - Diplomarbeit (2000) von Arabella Martínez Miranda
- Das Rätsel des Turiner Grabtuchs
- Kritische Zusammenfassung des Artikels von Rogers von der Gesellschaft für Anomalistik e.V.
- Radiokarbon-Datierung des Turiner Grabtuches - kurze allgemeinverständliche Darstellung (2002) von Dr. Stephan Matthiesen