Max Bewer
Max Bewer
(* 19.1.1861 in Düsseldorf, † 13.10.1921 in Meißen) völkisch- antisemitischer Schriftsteller und Dichter.
Leben
Der Spross einer angesehenen rheinischen Künstlerfamilie arbeitete nach vorzeitigem Schulabbruch als Korrespondent für mehrere Hamburger Zeitungen, u.a. in Kopenhagen. Seine literarischen Versuche, so das Drama Danton (1883), blieben wenig beachtet. 1890 ließ sich Bewer als freier Schriftsteller in Laubegast bei Dresden nieder und schloss sich der lokalen völkisch- antisemitischen Szene an. Was ihn dazu veranlasste ist unklar. Möglicherweise äußerte sich darin Frustration über seinen mangelnden literarischen Erfolg, vielleicht geriet er in Hamburg in den Kreis um Wilhelm Marr. Zum Zeitpunkt des Streits mit dem jüdischen Literaturkritiker Georg Brandes Cohen (1890) war er wohl bereits Antisemit. Bewers zahlreiche Gedichte und Schriften sind Variationen von drei immer gleichen Themen: Die Verehrung der deutschen Klassiker, die Glorifizierung des "Reichsgründers" Bismarck und ein fanatischer Judenhass. Dennoch erfreute er sich nun plötzlich einer breiten, wohlmeinenden Leserschaft, bis hin zum sächsischen Königshaus, das am radikalen Antisemitismus des Schriftstellers keinen Anstoß nahm. Für seine Gedichte erhielt Max Bewer mehrere Auszeichnungen, 1889 sogar den Goethe- Preis der "judenliberalen" Frankfurter Zeitung. Bewer, der seine Werke über einen Strohmann eingereicht hatte, nutzte die Gelegenheit zur Demütigung der Frankfurter Zeitung, indem er einen Teil des Preisgeldes in die kostenlose Versendung judenfeindlicher Karikaturen investierte. An der Karikaturenserie Politische Bilderbogen (1892- 1901, 33 Nummern) war Bewer maßgeblich beteiligt. Er lieferte die Begleittexte, in denen z.T. unverhohlen zum Judenpogrom aufgerufen wurde. In weiten Teilen der Öffentlichkeit wurde Bewer dennoch als respektabler Schriftsteller angesehen, denn er verfasste auch antisemitismusfreie Dichtungen, z.B. zahlreiche Stadthymnen, Landschafts- und Volksdichtung ("Lieder aus Norwegen", "Lieder aus der kleinsten Hütte") und kitschige patriotische Heldenbeweihräucherung. ("Der deutsche Himmel") 1906 soll er für den Literatur- Nobelpreis vorgeschlagen worden sein. Die liberale Presse verriss hingegen die Schriften des völkischen Autors, der ein Meister der "unfreiwilligen Komik" sei und "mit der Miene des Philosophen den haarsträubendsten Blödsinn" verzapfe. (Mitteilungen aus dem Verein zur Abwehr des Antisemitismus 1893, S. 267, 1899, S. 46.) Öffentliches Aufsehen erregten Anfang der 1890er Jahre Bewers Bismarck- Schriften, die mit populistischer Schärfe Kaiser Wilhelm II., die Politik des "Neuen Kurses" unter Bismarcks Nachfolger Leo von Caprivi, sowie die inneren "Reichsfeinde" attackierten. Der Tenor lautete stets ähnlich: Noch nie sei die deutsche Politik nach innen und außen so schwächlich und unsicher gewesen. Bismarcks Sturz sei das Ergebnis eines jüdisch- jesuitischen Komplotts, Caprivis Politik sei "judenliberal" und spiele den inneren und äußeren "Reichsfeinden" in die Hände, während der Kaiser in byzantinischer Eitelkeit und Unfähigkeit gefangen und dem Volk entfremdet sei. Demgegenüber feierte Bewer Bismarck als "Volkstribun" und Galionsfigur der "nationalen Opposition" gegen Hof, Regierung und innere "Reichsfeinde", die allesamt unter jüdischem Einfluss stünden. Verleger dieser und anderer Schriften Bewers war ab 1890 der Dresdner Verlag Glöß, eine in den 1890er Jahren führende Adresse im völkisch- antisemitischen Verlagswesen. Hier publizierten "Stars" der "völkischen Bewegung" wie Julius Langbehn ("Rembrandt als Erzieher" 1890) und der Radauantisemit Hermann Ahlwardt ("Der Verzweiflungskampf der arischen Völker gegen das Judentum" 1890-91, "Judenflinten" 1892), mit denen Bewer persönlich verkehrte. Bewers Abrechnungen mit dem "Neuen Kurs" entsprachen dem Zeitgeist und verkauften sich gut. Ebenso traf der Autor mit der Inanspruchnahme Bismarcks für eine Politik der "nationale Opposition" bei den Parteien, Verbänden und Vereinen des "nationalen Lagers" (auch bei den nicht antisemitischen) auf offene Türen und offene Ohren. Bewer war einer der begehrtesten Festredner auf Bismarck- Feiern und Einweihungen von Bismarck- Denkmälern. 1891 gab Bismarck seinem fanatischen Bewunderer eine Audienz. Danach wahrte man in Friedrichsruh allerdings Distanz zu dem "ordinären Charakter" und "taktlosen, wenn auch wohlmeinenden Kleinstädter" (Herbert von Bismarck). Bismarck- Verehrung und Antisemitismus betrieb Max Bewer nicht nur gleichermaßen fanatisch, er verknüpfte auch das eine mit dem anderen. Er hatte weder Zweifel, noch Skrupel, Bismarck die wildesten judenfeindlichen Parolen in den Mund zu legen. (z.B. Politischer Bilderbogen Nr.10) Zwar war Bismarck von den üblichen Vorurteilen des ostelbischen Junkertums gegenüber den Juden nicht frei, Sympathien für die antisemitische Bewegung brachte er aber allenfalls aus taktischen Gründen auf, nicht aus Überzeugung oder ideologischen Erwägungen. Der zweite Kronzeuge, mit dem Max Bewer gegen die Juden zu Felde zog war kein geringerer als Jesus Christus. Die dahinter stehende Ideologie zielte auf die Synthese von Deutschtum und Christentum als Überwindung der konfessionellen Spaltung auf der Basis des "Juden" als gemeinsamer Feind aller Deutschen und aller Christen. In seiner Schrift "Der deutsche Christus" (1907) versuchte Bewer, den ernst gemeinten ethnologischen Nachweis zu führen, dass Jesus Arier gewesen sei. Vorbild für diese völkisch- religiösen Phantasien dürften wohl die Schriften Paul de Lagardes gewesen sein. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass Bewer einer der ganz wenigen Katholiken war, die in der völkisch- antisemitischen Szene agierten. Zwar blitzten in Bewers Judenfeindschaft gelegentlich katholische Elemente auf (Appelle an Kirche und Zentrumspartei, Antitalmudismus, Ritualmordlegende usw.). Seine Persönlichkeit und sein Rasse und Religion vermischender Antisemitismus waren aber mit dem katholischen Milieu inkompatibel. Nicht umsonst trieb Bewer im erzprotestantischen Sachsen sein Unwesen. Das im Langbehnschen Stil verfasste Werk "Gedanken" (1892) befasst sich u.a. mit der durch den Fall Xanten ins öffentliche Bewusstsein gerückten Ritualmordlegende. Hier vertrat Bewer die These, Juden würden Christenkinder töten, um mit ihrem Blut eine Art homöopathische Therapie zur Reinhaltung ihrer Rasse durchzuführen. (So auch Bilderbogen Nr.13) Neben seinen eigenständigen Werken, veröffentlichte Max Bewer zahlreiche Beiträge in der "Antisemitischen Correspondenz" (später "Deutsch- soziale Blätter") und in Theodor Fritschs "Hammer". Damit zählte er ohne Zweifel zu den produktivsten Autoren der völkisch- antisemitischen Szene, was der Geschichts- und Literaturwissenschaft bislang noch weitgehend entgangen ist. Für seine Vielschreiberei erntete Bewer in der völkischen Bewegung nicht nur Applaus. Man denunzierte ihn (unzutreffend) als Halbjuden und spottete über seinen anbiedernden Stil. Im Krieg verfasste Bewer unzählige patriotische Gedichte und verherrlichte den einige Jahre zuvor noch scharf kritisierten Kaiser Wilhelm II. in geradezu groteskem Widerspruch zur wahren Stimmung an der Front und in der Heimat. Im völkischen Milieu der Weimarer Republik fasste Max Bewer nicht mehr Fuß. Nach seinem Tod 1921 wurde ihm im Hain des Krematoriums Tolkewitz bei Dresden 1923 ein Denkmal gesetzt.
Werke
Danton (Drama) 1883; Bismarck wird alt! (1889), Grunow, Leipzig; Bismarck, Moltke und Goethe (1890), Bagel, Düsseldorf; Ein Goethepreis 1890, Glöß, Dresden; Gedanken über Bismarck. Politische Aphorismen 1890, Glöß, Dresden; Bei Bismarck (1891), Glöß, Dresden; Bismarck im Reichstage (1891), Glöß, Dresden; Bismarck und Rotschild (1891), Glöß, Dresden; Rembrandt und Bismarck (1891), Glöß, Dresden; Der Untergang Österreichs (1891), Glöß, Dresden; Bismarck und Rothschild (1891), Glöß, Dresden; Politische Bilderbogen 1892- 1901, 33 Nummern, Glöß, Dresden; Grabschriften auf Bismarck (1892), Glöß, Dresden; Bismarck und der Hof (1892), Glöß, Dresden; Gedanken (1892), Glöß, Dresden; Bismarck und der Kaiser (1895), Glöß, Dresden; Der Papst in Friedrichsruh (1897), Glöß, Dresden; Xenien (1899), Glöß, Dresden; Künstlerspiegel (1904), Goethe Verlag, Dresden; Bismarck (1905), Schuster & Löffler, Berlin; Der deutsche Christus (1907), Goethe Verlag, Dresden; Sparsold. Ein Vorschlag für Armee und Volk (1909), Goethe Verlag, Dresden; Wie man glücklich wird (1910), Goethe Verlag, Dresden; Lieder aus der kleinsten Hütte (1911), Goethe Verlag, Leipzig; Der deutsche Himmel (1912), Goethe Verlag, Leipzig; Kriegslieder und Kriegshumor (1915), Hausemann, Penig in Sachsen; Deutsches Kriegs- Gebetsbuch (1915), Goethe Verlag, Leipzig; Der Kaiser im Schützengraben und andere Kriegslieder (1915), Goethe Verlag, Leipzig; Humor ins Feld! (1915), Goethe Verlag, Leipzig; Der Kaiser im Feld. 50 Kriegslieder (1916), Goethe Verlag, Leipzig; 200 Kriegslieder (1916), Goethe Verlag, Leipzig; Eiserner Friede (1916): Goethe Verlag, Leipzig; Flottenkriegslieder (1916), Goethe Verlag, Leipzig; Bei Kaiser und Hinderburg im großen Hauptquartier (1917): Remert, Dresden; Trommeln und Posaunen. 70 neue Kriegsgedichte (1918): Schultze, Leipzig; Trostgedanken für Hinterbliebene (1919): Goethe Verlag, Leipzig; Die Spatzen- Republik (1920): Goethe Verlag, Leipzig.
Literatur
- Rudolf Bewer: Familie Bewer vom Niederrhein (Beiträge zur Familiengeschichte 10, Zentralstelle für deutsche Personen- und Familiengeschichte), Leipzig 1930, S. 128- 159.
- Thomas Gräfe: Antisemitismus in Gesellschaft und Karikatur des Kaiserreichs. Glöß' Politische Bilderbogen 1892- 1901, Norderstedt 2005.
- Rainer Lächle, Germanisierung des Christentums – Heroisierung Christi. Arthur Bonus, Max Bewer, Julius Bode, in: Stefanie von Schnurbein/ Justus H. Ulbricht (Hg.): Völkische Religion und Krisen der Moderne. Entwürfe "arteigener" Glaubenssysteme seit der Jahrhundertwende. Würzburg 2001, S. 165- 183.
- Barbara Suchy: Antisemitismus in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg, in: Jutta Bohnke-Kollwitz u.a. (Hg.): Köln und das rheinische Judentum. Festschrift der Germania Judaica 1959-1984, Köln 1984, S. 252- 285.
- Justus H. Ulbricht: Das völkische Verlagswesen im Kaiserreich, in: Puschner u.a. (Hg.), Handbuch zur "Völkischen Bewegung", S. 277- 301.