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Gotthardbahn

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Karte der Gotthardbahn

Die Gotthardbahn (GB) war eine private Eisenbahngesellschaft in der Schweiz, die eine Eisenbahnlinie von Immensee (Kanton Schwyz) durch das Gotthardmassiv nach Chiasso (Kanton Tessin) baute und betrieb. Zugleich bezeichnet man diese Linie als Gotthardbahn. Die Gesellschaft hatte ihren Sitz im Gotthardgebäude in Luzern.

Bau

Nach der Semmering-Bahn (1854), der Brennerbahn (1867) und der Mont-Cenis-Strecke (1871) war die Gotthard-Bahn (GB) die vierte, aber zugleich auch die kühnste Alpenquerung. Mit ihrem Bau wurde 1872 nach lange währenden Diskussionen über die richtige Linienführung und einem schliesslich 1869 mit dem Königreich Italien und 1871 dem Deutschen Reich abgeschlossenen Staatsvertrag durch die Gotthard-Bahn begonnen. Bereits 1874 konnten die südlichen Talstrecken Biasca-Giubiasco-Locarno und Lugano-Chiasso eröffnet werden.

Das Denkmal für die beim Bau umgekommenen Arbeiter in Airolo

Vom 21. Mai bis zum 25. Mai 1882 fanden die Einweihungsfeierlichkeiten in Luzern und Mailand statt. Am 1. Juni 1882 wurde die Gotthardbahn fahrplanmäßig in Betrieb genommen. Zu diesem Zeitpunkt war der 15.003 m lange Gotthard-Scheiteltunnel der längste Eisenbahntunnel der Welt und wurde erst 1906 vom Simplon-Tunnel übertroffen. Schon bald nach der Eröffnung der Strecke wurde sie durch Festungsanlagen militärisch gesichert, zu denen auch eine künstliche Lawine aus Steinen gehörte, die den Südausgang des Tunnels bei Airolo im Konfliktfall verschütten sollte. Weitere Forts zum Schutz der Strecke wurden beispielsweise oberhalb von Airolo und in der Nähe von Biasca errichtet.

Ein Denkmal für die Opfer des Eisenbahntunnelbaus, geschaffen vom Künstler Vincenzo Vela, ist am Bahnhof von Airolo direkt an der Südausfahrt des Tunnels zu finden.

Gleichzeitig eröffnete die Aargauische Südbahn mit dem Teilstück Rotkreuz-Immensee die Zufahrtsverbindung von Aarau nach Arth-Goldau. Die Zufahrtslinien von Zürich und Luzern zur Gotthardbahn wurden erst 1887 fertiggestellt.

1909 ist die GB im Zuge der Privatbahn-Verstaatlichungen von den SBB übernommen worden. Die Elektrifizierung der schon bald nach ihrer Eröffnung überwiegend doppelspurig ausgebauten Strecke wurde 1922 abgeschlossen.

Strecke

Die Linie besteht von Norden her hauptsächlich aus den fünf Abschnitten Talbahn (Nord), Nordrampe, Gotthardtunnel, Südrampe und Talbahn (Süd)

Talbahn (Nord), Immensee-Erstfeld

Krokodil Ce 6/8 in Erstfeld

Von Immensee führt die Linie dem Südufer des Zugersees und dem Fusse der Rigi entlang zum Knotenpunkt Arth-Goldau (510 m ü. M.). Hier stösst man auf die aus Zürich-Zug kommende Linie, die Schweizerische Südostbahn AG, welche Richtung Biberbrugg-Rapperswil/Einsiedeln fährt, und die Rigi-Bahnen für einen Abstecher hinauf auf die Rigi. Weiter geht es am kleinen Lauerzersee vorbei zum Kantonshauptort Schwyz (455 m ü.M.). In Brunnen gelangt man an den Vierwaldstättersee und dessen oberen Teil, den Urnersee. Hinter der Station teilt sich die beim Ausbau auf Doppelspur über 12 km getrennt laufende Strecke und führt durch verschiedene Tunnel und Galerien das Axen oder Axenberg genannte Steilufer des Sees entlang. Bei Sisikon überquert man die Grenze zum Kanton Uri und erreicht bei Flüelen den Anfang des Vierwaldstättersees. Über Altdorf erreicht man bald Erstfeld (472 m ü.M.), den Beginn der Gotthard-Nordrampe.

Nordrampe, Erstfeld-Göschenen

In Erstfeld befindet sich das Lokomotiv-Depot der SBB und die Züge wurden und werden hier bei Bedarf (heute vor allem noch Güterzüge) durch Beistellung von zusätzlichen Lokomotiven für die Steilstrecke verstärkt. Zur Erinnerung an die legendären Gotthard-Lokomotiven "Krokodil" der Reihe Ce 6/8 wurde beim Depot die Lok 14270 aus dem Jahr 1921 als Denkmal aufgestellt.

Ein Fernverkehrszug überquert bei Wassen die Mittlere Meienreuss-Brücke
Intschireuss-Brücke

Die Strecke wird nun mit bis zu 28 ‰ Steigung merklich steiler. Hinter Amsteg führt die Linie über die eindrucksvolle Chärstelenbach-Brücke und wechselt über die moderne Intschireuss-Brücke, die mit 77 m die höchste Brücke der SBB ist, auf die westliche Seite des enger werdenden Reuss-Tales. Hinter Gurtnellen (738 m ü.M.) liegt der 1476 m lange Pfaffensprung-Kehrtunnel und bald folgt die berühmte Doppelschleife von Wassen (928 m ü.M.) mit ihren beiden grossen Kehrtunnels. Dabei überqueren die Geleise drei Mal die Meienreuss, die erste Brücke liegt noch unterhalb der als Orientierungspunkt bekannten Dorfkirche, die oberste etwa 200 m höher. Aus drei unterschiedlichen Richtungen hat man so einen Ausblick auf "sChileli vo Wasse" (die Kirche von Wassen).

Kehren bei Wassen
Datei:Kirche wassen.jpg
Kirche von Wassen mit Oberer Meienreuss-Brücke (vorn) und Mittlerer Meienreuss-Brücke

Hinter dem 1570 m langen letzten Tunnel der Nordrampe erreicht man den Bahnhof von Göschenen auf 1'106 m ü.M. Vor dem Bahnhof wartet die schmalspurige Zahnradbahn der Matterhorn-Gotthard-Bahn (vormals Schöllenenbahn/Furka-Oberalp-Bahn) auf die Reisenden, welche nach Andermatt und dann weiter über den Gotthard-, Furka-, Nufenen- oder Oberalppass reisen möchten.

Gotthard-Scheiteltunnel, Göschenen-Airolo

Nun folgt der 15.003 m lange, doppelspurige und einröhrig gebaute Gotthardtunnel. Im Innern des Tunnels, nach 9 km, erreicht man den höchsten Punkt der Gotthardbahn, den Scheitelpunkt auf 1'151 m ü.M. Zugleich wechselt man in den Kanton Tessin. Nach einer 11-minütigen Fahrt tritt der Zug in Airolo (1'142 m ü.M.) wieder ans Tageslicht.

Nördliche Einfahrt in den Gotthardtunnel bei Göschenen, die linke Tunnelhälfte wurde erst um 1960 erbaut und vereinigt sich nach etwa 80m mit der Hauptröhre.

Südrampe, Airolo-Biasca

Biaschina

Nach dem Verlassen von Airolo überquert man den Fluss Ticino und fährt hinunter durch das Valle Leventina. In Piotta sieht man links die 87,8% steile Standseilbahn, die hinauf zum Ritom-Stausee führt. Hinter Rodi-Fiesso (942 m ü.M.) beginnt der eindruckvollste Abschnitt der Südrampe. Das Tal verengt sich zur Piottino-Schlucht, und man durchfährt zunächst den auf der linken Talseite liegenden Freggio-Kehrtunnel und dann gegenüber auf der anderen Talseite den Prato-Kehrtunnel. So erreicht man den 200 m tiefer liegenden Bahnhof von Faido. Hinter Lavorgo (615 m ü.M.) passiert man abermals zwei Kehrtunnel, unter Eisenbahnfreunde als Biaschina-Schlaufen bekannt, und erreicht das nur noch 391 m ü.M. liegende Giornico. Durch das sich weitende Tal gelangt man schliesslich hinunter nach Biasca (293 m ü.M.).

Talbahn (Süd), Biasca-Chiasso

Ab Biasca fährt die Gotthardbahn dem Ticino entlang abwärts bis nach Bellinzona (241 m ü.M.), der Hauptstadt des Kantons Tessin. In Giubiasco zweigt die nach Locarno und Luino führende Linie ab. Jetzt steigt die Strecke mit schönen Ausblicken auf die Tessiner Alpen und den Lago Maggiore zum Monte Ceneri hin wieder deutlich an und führt durch zwei parallele, einspurige Tunnels zum Scheitelpunkt Rivera-Bironico (472 m ü.M.). Talabwärts geht es dann weiter nach Lugano (335 m ü.M.).

Am Westufer des Lago di Lugano entlang geht es weiter nach Melide. Hier findet man das Swissminiatur, eine Modellanlage der wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Schweiz im Maßstab 1:25. Über den 817 m langen Seedamm von Melide wechselt darauf die Gotthardbahn die Seeseite und führt am Ostufer entlang nach Capolago und Mendrisio. Nach über 200 km Fahrt trifft man schliesslich im Grenzort Chiasso (238 m ü.M.) ein, dem Endpunkt der Gotthardbahn mit internationalem Rangierbahnhof.

Rollmaterial

Sämtliche Lokomotivtypen wurden in erster Linie für die Gotthardbahn gebaut und wurden daher auch Gotthardlokomotiven genannt: A 3/5, C 5/6, Be 4/6, Be 4/7, Ce 6/8, Be 6/8, Ae 8/14, Ae 4/6 (sehr störungsanfällig), Ae 6/6 und Re 6/6 und Re 4/4 III. Als "Einzelstück" war auch eine umgebaute E 42 der DR (Deutsche Reichsbahn) im Einsatz; welche mit der Bezeichnung Ae 477 (Gurtnellen) unterwegs war. Mit den Universallokomotiven Ae 6/6 wurde am Gotthard eine neue Ära eingeläutet. Zwischen 1952 und 1966 beschafften sich die SBB 120 Lokomotiven dieser Baureihe, um damit den gesamten Verkehr am Gotthard zu bewältigen. 1952-55 folgte die Prototypphase. Die ab 1955 abgelieferten Serienloks wurden alle nach einem Baukastensystem erstellt. Die Hauptwerkstätte in Bellinzona enthielt ein grosses Ersatzteillager, so dass die Maschinen innert Kürze instandgestellt werden konnten. Später wurden sie durch die Baureihen Re 4/4 II, Re 4/4 III und Re 6/6 überholt und weitgehend vom Gotthard abgezogen.

Der "Gottardo" war ein Trans-Europ-Express (TEE), für den die Vierstrom-Triebzüge RAe TEE II eingesetzt wurden. Heute verkehrt auch der italienische Hochgeschwindigkeitszug "Pendolino" auf der Gotthardstrecke. Zwischen Arth-Goldau und Luzern wird die Bahnlinie vom Voralpen-Express mitbenutzt. Die Gotthardbahn dient auch als Hauptachse für den Güterverkehr. Die Güterzüge sind grösstenteils mit einer Re 420 und einer Re 620 in Vielfachsteuerung bespannt. Sie verkehren nach Immensee meist durch das aargauische Freiamt, das untere Aaretal und das Fricktal in die Rangierbahnhöfe Muttenz und Weil am Rhein.

Zukunft

Als Ersatz der Gotthardbahn wird momentan am neuen Gotthard-Basistunnel gebaut, der im Jahr 2015 eröffnet werden soll. Dieser ist ein Bestandteil der Neuen Eisenbahn-Alpentransversalen (NEAT). Der Basistunnel wird dann eine Länge von 57 km haben und der längste Tunnel der Welt sein. Dadurch ist die Gotthard-Bergstrecke gefährdet, nach der Eröffnung des Basistunnels vollständig stillgelegt zu werden, also auch nicht mehr als Ausweichstrecke im Falle von Betriebsstörungen vorgehalten zu werden. Allerdings wird derzeit ein Konzept erarbeitet, ob und wie die Gotthard-Bergstrecke künftig für touristische Zwecke genutzt werden könnte. Außerdem plant man zum Schutz die Bewerbung der Strecke als UNESCO-Weltkulturerbe.