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Geschichte der Juden in Ostfriesland

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Die Synagoge in Emden

Die Geschichte der Juden in Ostfriesland umfasst einen Zeitraum von ca. 400 Jahren von ihren Anfängen im 15. Jahrhundert bis zu ihrem Ende 1942.


Geschichte der Juden in Ostfriesland

Der Legende nach sollen die ersten Juden von Ocko I. tom Brok in Ostfriesland angesiedelt worden sein. Dieser hielt 1370er Jahren in Italien auf und wurde dort nach Ableistung von Kriegs- und Hofdiensten durch Königin Johanna I. von Neapel zum Ritter geschlagen. Dort soll er mit den Juden in Kontakt getreten sein, damit diese sich in Ostfriesland niederließen, um die wirtschaftliche Entwicklung der Region vorranzutreiben. Obwohl dies bis dato nicht Belegbar ist, gibt es hinweise auf eine Verbindung der ostfriesischen Juden nach Italien. So nutze die jüdische Gemeinde Aurich lange Zeit ein jüdisches Gebetsbuch (Machsor), welches um 1600 in Venedig erschien. Wann genau sich die ersten Juden in Ostfriesland niederließen ist unbekannt. Wahrscheinlich haben die Vertreibungen der jüdischen Gemeinden aus dem Rheinland die Ansiedlung in Ostfriesland begünstigt. Die dauerhafte neuzeitliche Ansiedlung von Juden begann Mitte des 16. Jh.s in den Hafenstädten Ostfrieslands.

16. Jahrhundert bis 1618

Die Grafschaft Ostfriesland um 1500

Seit dem Mittelalter lebten Juden im Weser-Ems-Gebiet und bereits vor 1550 ließen sich die ersten Juden in Emden nieder. In der Grafschaft Ostfriesland besaß zunächst die Stadt Emden das Recht, Judenschutzbriefe auszustellen. Anschließend wurden in allen ostfriesischen Städten und einigen Flecken Synagogengemeinden gegründet, wie Aurich (1636), Bunde (1670), Dornum (1717), Emden (1571, erste indirekte Hinweise auf 1530), Esens (1637), Jemgum (1604), Leer (1611), Neustadtgödens (1639), Norden (1577), Weener (1645) und Wittmund (1637). Ab 1833 gab es dann auch eine Synagogengemeinde auf Norderney. Während des Mittelalters und der frühen Neuzeit war Ostfriesland das einzige Gebiet in Nordwestdeutschland, welches Juden duldete. Oldenburg mussten sie infolge der Pestepidemie von 1349/50 verlassen und Wildeshausen 1350, nachdem sie der Brunnenvergiftung beschuldigt wurden. Erst Ende des 17. Jahrhunderts durften sie sich dort wieder niederlassen.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Juden in Ostfriesland wurden durch „Schutzbriefe“ oder „Generalprivilegien“ geregelt, welche von den ostfriesischen Fürsten für die verschiedenen Bezirke (Ämter) des Landes ausgestellt wurden. Sie hatten eine Laufzeit von 10, 15 oder 20 Jahren und wurden dann verlängert. In den Schutzbriefen sind die in Ostfriesland lebenden Juden namentlich aufgeführt. Nachweisbar sind solche Schutzbriefe für die Jahre 1635 (Verlängerung 1647), 1651, 1660, 1671, 1690, 1708 bis zum Generalpriviled des letzten Cirksena-Fürsten Carl Edzard aus dem Jahre 1734. Im wesentlichen regelten die Generalprivilegien:

1. Schutz der Wohnung und Persönlichkeit
2. Sicherung ungestörter ritueller Lebensführung, Religionsausübung und Totenbestattung
3. Die Organisation der Gemeinde unter dem Rabbi und dem Judengericht
4. Handelserlaubnis mit Begrenzung des Wuchers, dem Recht der Pfandnahme und Verwertung
5. Den Zu- und Wegzug, Spezialschutzbriefe für Niederlassung, Heirat und Traugeld
6. Geleitzusicherung und Schutzbefehl an alle Behörden des Landes.

Geleitet wurden die jüdischen Gemeinden in Ostfriesland zunächst vom Hofjuden, später dann durch das Landesrabbinat in Emden, welches auch für Osnabrück zuständig war. Geistliches Oberhaupt war der Landesrabbiner. In den einzelnen Gemeinden verwalteten gewählte Vorsteher alle Angelegenheiten des Synagogen-, Schul- und Armenwesens. Das religiöse Leben wurde in den kleineren Gemeinden in der Regel vom jüdischen Lehrer geprägt. Er war beim Gottesdienst in der Synagoge auch als Vorbeter tätig und sorgte als Schächter für koscheres Fleisch. Den Juden in Ostfriesland war es verboten, als Handwerker oder Bauern zu arbeiten, weshalb sie in der Regel als Händler oder Schlachter tätig waren. Dies führte dazu, dass Märkte ohne jüdische Händler, Schlachter und Viehhändler undenkbar waren, obwohl der Anteil der Juden an der ostfriesischen Bevölkerung nur 1% betrug. Die meisten Juden in Ostfriesland lebten in einfachen und durchschnittlichen Verhältnissen.

30-jähriger Krieg

Der Dreißigjährige Krieg sicherte kapitalkräftigen Juden durch den ständig wachsenden Geldbedarf der Kriegsparteien zwar einerseits ein Bleiberecht, belastete sie andererseits aber auch in einem bis dahin unbekannten Ausmaß. Die Liste ihrer finanziellen Verpflichtungen war lang. 1629 zahlten die Emder Juden (als Vertreter der jüdischen Gemeinden Ostfrieslands) 180 Gulden Schutzgeld im Jahr, 200 Gulden Torfgeld sowie etwa 2000 Gulden an diversen Verbrauchssteuern, insgesamt also 2580 Gulden. Hinzu kamen noch Mietzins, Heiratsgelder, außerordentliche Abgaben an den Landesherrn: 4 Gulden Schutzgeld pro Haushalt plus 150 Reichstaler Antrittsgeld. Insgesamt war die Lage in Ostfriesland aber bis 1744 im Vergleich zu anderen Gebieten relativ komfortabel. So gestattete man der jüdischen Gemeinde von Emden sogar, ihren Friedhof innerhalb der Stadtmauern anzulegen (1700), was auf eine relative Anerkennung hinweist, auch wenn sie bis ins 19. Jahrhundert ohne Bürgerrechte leben mussten und unter Sondergesetzen litten.

1645 bis 1744

Der von Graf Ulrich II. 1645 ausgestellte Generalgeleitsbrief gestattete den Juden Ostfrieslands, nach eigener »jüdischer Ordnung« leben zu dürfen. 1670 ließ die Fürstin Christine Charlotte einen Generalgeleitsbrief verfassen, der den Juden die Abhaltung von Gottesdiensten in ihren Wohnungen oder in eigenen Synagogen erlaubte. Weiterhin legte er fest, dass sie ihre Toten nach jüdischer Gewohnheit bestatten durften.

1744 bis 1806

Die liberale Haltung gegenüber den Juden änderte sich mit der Machtübernahme durch Preußen im Jahre 1744. Dies führte zu einer deutlichen Verschlechterung auch der Lage der Juden; denn die restriktive preußische Gesetzgebung gegenüber Juden galt nun auch in Ostfriesland. Erklärtes Ziel der preußischen Administration war die Senkung des jüdischen Bevölkerungsanteils in Ostfriesland und somit auch in Emden. Die von Juden zu leistenden Abgaben wurden deutlich erhöht, Immobilienbesitz wurde ihnen verboten und den jüdischen Gewerbetreibenden wurden zahlreiche Einschränkungen und Verbote auferlegt. Die gewünschte Senkung des jüdischen Bevölkerungsanteils wurde damit zwar nicht erreicht, doch verarmten viele Juden, so dass schon im Jahre 1765 zwei Drittel der jüdischen Bevölkerung unter erbärmlichsten Bedingungen lebte. Dem stand eine kleine Oberschicht gegenüber, welche hauptsächlich aus Großkaufleuten und Bankiers bestand. Insgesamt gehörten die Judengemeinden Ostfrieslands zu den ärmeren Deutschlands.

Antisemitische Äußerungen und Handlungen waren bis Anfang der dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts selten. Nur die Calvinistische Kirche protestierte gegen die Duldung der Juden, was jedoch beim Landesherrn kein Gehör fand. 1761 und 1762 kam es in Zusammenhang mit den Wirren des Siebenjährigen Krieges erstmals zu größeren Ausschreitungen gegen Juden. Mehrere Häuser wurden geplündert, weil die Bevölkerung Juden für die schlechte Versorgungslage verantwortlich machte. Bis zur Zeit der nationalsozialistischen Machtergreifung lassen sich aber nur vereinzelte Übergriffe gegen Juden in Ostfriesland belegen.

1806 bis 1901

Nach der Schlacht bei Jena und Auerstedt wurde Ostfriesland in das Königreich Holland und damit in den französischen Machtbereich eingegliedert. 1810 kam es als Departement "Ems-Oriental" ("Osterems") unmittelbar zum französischen Kaiserreich. Für die Juden bedeutete dies eine deutliche Verbesserung ihrer Lage. In zwei Dekreten vom 4. Juni 1808 und vom 23. Januar 1811 wurden ihnen die Bürgerrechte und die völlige Gleichberechtigung zugestanden.

Nach der Niederlage Napoleons und dem Zusammenbruch seines Reiches kam Ostfriesland in den Jahren 1813 bis 1815 erneut unter preußische Herrschaft. Infolgedessen erlangte auch das preußische Judenedikt vom 11. März 1812 in Ostfriesland Geltung. Juden, bis dahin im preußischen Staat als “Judenknechte” angesehen, wurden nun vollberechtigte Staatsbürger, sofern sie bereit waren, bleibende Familiennamen anzunehmen und sich der Wehrpflicht zu unterwerfen. Nach dem Wiener Kongress (1814/15) musste Preußen Ostfriesland jedoch an das Königreich Hannover abtreten. Durch mangelnde Anweisungen der neuen Machthaber stellte sich die Rechtslage für Juden nun äußerst verworren da. Insbesondere die Administration agierte auf diesem Gebiet zunächst nach preußischem Recht unter Berücksichtigung des Juden-Ediktes. Noch 1829 plädierte die Landdrostei Aurich in Hannover für eine judenfreundliche Auslegung, erhielt jedoch anderslautende Anweisungen. 1819 wurden die Zünfte wieder eingeführt, was die Juden weitgehend vom Handwerk ausschloss. Im Unterschied zum übrigen Königreich Hannover wurde der Schutzjudenstatus in Ostfriesland nicht wieder eingeführt. An dessen Stelle war seit 1824 der "oberlandespolizeiliche Erlaubnisschein" getreten. Ohne diesen war Juden in Emden eine Niederlassung und Heirat nicht mehr möglich. Auch blieb Juden das Wahlrecht und die Übernahme städtischer Ämter untersagt. Die Erlaubnis zur Niederlassung konnte nur dann an einen Sohn, und auch dann nur an einen einzigen Sohn übertragen werden, wenn der Vater sein Geschäft aufgegeben hatte oder verstorben war. 1827 wurde Emden Sitz des Landesrabbinats.

Wie schon vorher die Preußen versuchten nun die Hannoveraner die Anzahl der Juden in Ostfriesland zu vermindern, hatte damit aber nur mäßigen Erfolg

Nach der Annexion des Königreiches Hannover durch Preußen 1866 wurde Emden erneut preußisch und das Judenedikt fand wieder Anwendung. Bis 1870 brachten neue Gesetze schließlich die Bürgerrechte auch für Juden in Ostfriesland. Die letzten (rechtlichen) Diskriminierungen wurden bis zum Ende des Ersten Weltkrieges abgebaut. Nun konnten die Ostfriesischen Juden in die Stadträte gewählt oder Mitglied eines Vereins werden. So wurden Juden Stadträte oder Mitglieder des vom gehobenen Emder Bürgertum getragenen Vereins "Maatschappy to't Nut van't Allgemeen" (Gesellschaft zum Nutzen der Allgemeinheit) und der Handelskammern Ostfrieslands. Der Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde Emdens, Jacob Pels, wurde 1890 sogar Mitglied des Bürgervorsteherkollegiums.

Zionismus

Der Zionismus erstmals Anfang des 20. Jahrhunderts in Emden in Erscheinung. 1901 gründeten 35 jüdische Bürger die Ortsgruppe "Lemaan Zion" der Zionistischen Vereinigung für Deutschland. Wie im übrigen Reich fand diese Bewegung nur bei einem sehr geringen Teil der jüdischen Bevölkerung Anklang. Die Gemeindeleitung um Rabbiner Dr. Löb und Lehrer Selig stand dem Zionismus skeptisch bis ablehnend gegenüber und bezeichnete die Anhänger des Zionismus in Gemeindeversammlungen als "vaterlandslose Gesellen". [1]

Weimarer Republik

In den 20er Jahren stachelte Pastor Ludwig Münchmeyer aus Borkum mit antisemitischen Hasstiraden das Publikum auf; weitere aus der Arbeiterschaft bzw. dem Handwerk stammenden Agitatoren fanden aufgrund ihrer beruflichen wie sozialen Nähe zum Proletariat vor allem in den größeren Orten gute Resonanz. Ab jetzt häuften sich antisemitische Vorfälle. Im August 1926 kam es auf dem Leeraner Viehmarkt zu Handgreiflichkeiten zwischen Studenten, die ein großes Hakenkreuz offen an der Jacke trugen und jüdischen Leeraner Viehhändlern. Die Völkische Freiheitsbewegung verteilte kurz vor Weihnachten 1927 Handzettel , die sich mit eindeutig rassistischem Hintergrund gegen die jüdischen Geschäftsleute richteten. Im Laufe der Weltwirtschaftskrise Jahre verstärkte sich der Antisemitismus, der sich unter anderem am jüdischen Viehhandel festmachte, dem manche in der Zeit der damaligen Agrarkrise mit Vorurteilen und Mißtrauen begegneten.

1933 bis 1938

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Max Windmüller

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahre 1933 hatten die Juden in Ostfriesland unter Repressionen staatlicher Organe zu leiden. Zwei Monate nach der Machtergreifung und vier Tage früher als in anderen Teilen des deutschen Reiches begann in Ostfriesland der Boykott jüdischer Geschäfte. Am 28. März 1933 postierte sich die SA vor den Geschäften. In der Nacht wurden 26 Schaufensterscheiben eingeworfen, was die Nationalsozialisten später den Kommunisten anlasten wollten. Der Boykott wurde zwar nach einigen Tagen offiziell beendet, die Diskriminierung wurde jedoch mittels Propaganda, Verordnungen und Gesetzen weiter betrieben. In Norden gab es Übergriffe der SA gegen einen jungen Juden und seine „arische“ Freundin wegen sog. "Rasseschändung", bei denen Zuschauer Beifall klatschen. Dies veranlasste viele der ansässigen Juden zur Flucht. Unter den schon 1933 geflohenen Juden befand sich auch Max Windmüller, der sich in den Niederlanden unter seinem Decknamen Cor später dem Widerstand der Gruppe Westerweel anschloss und viele jüdische Kinder und Jugendliche rettete.

Im Jahre 1935 wurden Kunden jüdischer Geschäfte fotografiert und angeprangert. Dadurch verschlechterte sich die ökonomische Lage der Geschäftsinhaber, so dass ein Geschäft nach dem anderen aufgegeben werden musste und auf diese Weise „arisiert“ wurde. Wer weiterhin mit Juden handelte oder sich mit ihnen abgab, mußte mit Beschimpfungen, Nachteilen und Anzeigen seitens der Nationalsozialisten rechnen. Mindestens ein Fall einer Anzeige gegen einen Oldersumer Händler ist bekannt.

Die städtische Badeanstalt an der Kesselschleuse in Emden verwehrte Juden im selben Jahr den Eintritt, weil die Bevölkerung sich angeblich belästigt gefühlt habe. Dennoch sah nur eine Minderheit der ostfriesischen Juden im Verkauf ihres Besitzes und der Emigration einen Ausweg. Daran konnten auch die Zionisten, welche regelmäßig Veranstaltungen abhielten, wenig ändern. Die meisten ostfriesischen Juden schwankten noch zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Eine exakte und gesicherte Statistik der Aus- und Abwanderung ist wegen der sich teilweise widersprechenden Quellen nicht möglich.

Die jüdische Gemeinde in Ostfriesland sah sich veranlasst, Vorkehrungen für eine Unterbringung der älteren Gemeindemitglieder zu treffen. Zusätzlich zum Altenheim in der Schoonhovenstraße (Emden) errichtete man dafür einen Anbau am Waisenhaus in der Klaas-Tholen-Straße.

“Reichskristallnacht“ 1938

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Brennende Synagoge in Emden am 9. November 1938

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 kam es auch in Ostfriesland zu den von Reichsleitung der Nationalsozialisten befohlenen Ausschreitungen gegen die Juden, die später als "Reichskristallnacht" oder Novemberpogrome 1938 bezeichnet wurden. Die Ostfriesischen Kreisleiter wurden von der Gauleitung in Oldenburg um 22:30 Uhr telefonisch instruiert, dass in dieser Nacht Vergeltungsmaßnahmen gegen die Juden in ganz Deutschland durchgeführt würden. Um 1 Uhr nachts sollten sämtliche Synagogen im deutschen Reich brennen. So wurden auch die Synagogen in Ostfriesland niedergebrannt. Erhalten ist heute nur noch die Synagoge von Dornum, welche am 7. November 1938 an einen Tischler verkauft wurde. Alle Juden wurden zusammengetrieben und verhaftet, Frauen und Kinder jedoch bald wieder entlassen. Die männlichen Juden mussten unter Schikanen Ihrer Bewacher Arbeiten verrichten, ehe sie nach Oldenburg überführt wurden. In Oldenburg wurden sie in einer Kaserne zusammengetrieben. Ca. 1.000 jüdische Ostfriesen, Oldenburger und Bremer wurden dann mit einem Zug in das Konzentrationslager Sachsenhausen nördlich von Berlin gebracht.

In Emden starb ein Jude an den Folgen eines Lungendurchschusses, den ihm die SA in der Pogromnacht beigebracht hatte. Die Juden blieben bis Dezember 1938 oder Anfang 1939 in den Lagern inhaftiert. Nach und nach wurden sie wieder freigelassen.

Exodus, Vertreibung und Ermordung

Die jüdischen Gemeinden waren nun nicht mehr Körperschaften öffentlichen Rechts, sondern wurden nun als “jüdische Kultusvereinigungen e.V.” in das Vereinsregister eingetragen. Eine Initiative ostfriesischer Landräte und des Magistrats der Stadt Emden führt Ende Januar 1940 zu der Weisung der Gestapo-Leitstelle Wilhelmshaven, wonach Juden Ostfriesland bis zum bis zum 1. April 1940 verlassen sollten. Lediglich Personen über 70 Jahre war ein Aufenthalt im jüdischen Altenheim in Emden gestattet. Im April 1940 meldeten die ostfriesischen Städte und Landgemeinden dem Regierungspräsidenten, früher als anderswo im Reich, daß sie „judenfrei“ seien. Die ostfriesischen Juden mussten sich andere Wohnungen innerhalb des deutschen Reiches (mit Ausnahme Hamburgs und der Linksrheinischen Gebiete) suchen. Ostfriesland wurde für judenfrei erklärt und war es de facto auch. Reste der jüdischen Bevölkerung konnten im jüdischen Altersheim in Emden ihr Leben fristen. 1941 gehörte Emden zu den ersten 12 Städten im Reich, aus denen Juden in den Osten deportiert wurden. 6 Tage nach dem Beginn der Deportationen am 25. Oktober wurden 122 Emder Juden in das Ghetto Łódź eingeliefert. Bis 1942 wurden die anderen deportiert. Nur einige wenige Juden, die in sogenannter Mischehe lebten, blieben während des Krieges in Ostfriesland wohnen.

Ein sehr großer Teil der Juden des Weser-Ems-Gebietes wurde am 18. November 1941 nach Minsk deportiert und dort fast ausnahmslos bis Juli 1942 „durch Arbeit vernichtet“ oder ermordet. In Minsk-Stadt sind am 28. und 29. Juli 1942 rund 10.000 Juden (davon ca. 6.500 russische Juden) liquidiert worden, darunter vermutlich auch Juden aus Ostfriesland.

Insgesamt sind ca. 1.000 ostfriesische Juden in den Konzentrations- und Vernichtungslagern der Nazis ermordet worden.

nach 1945

Viele Juden aus Ostfriesland waren bis zum Ende des zweiten Weltkrieges emigriert, der Großteil wurde aber von den Nationalsozialisten und ihren Helfershelfern umgebracht. Eine genaue Zahl der Ermordeten ist nicht zu ermitteln, man kann aber von einer Zahl von 1000 getöteten Juden in Ostfriesland ausgehen, was etwa die Hälfte der 1925 in Ostfriesland gezählten Juden (2146) bedeutet. Die jüdische Bevölkerung (und mit ihnen die jüdische Kultur) ist jedoch mit dem Jahre 1942 zu Ende. 13 Juden kehrten bis 1947 nach Emden zurück. Sie gründeten 1949 eine neue Synagogengemeinde als Verein. Dieser löste sich im Jahre 1984 auf, da er nur noch aus einem Mitglied bestand. Die letzte Beerdigung auf dem jüdischen Friedhof in Emden fand im Jahre 1963 statt. Heute leben kaum noch Menschen jüdischen Glaubens in Ostfriesland, die Religion wird daher auch nicht öffentlich praktiziert. Die ostfriesischen Juden sind Teil der jüdischen Gemeinde in Oldenburg.

Gedenkstätten

Gedenken an die jüdischen Gemeinden Ostfrieslands in Jad waSchem

Aurich

  • Gedenkstein für die niedergebrannte Synagoge auf dem Hohen Wall.
  • Gedenktafel zur Erinnerung an die ehemalige jüdische Schule am Haus der Ärztekammer in der Kirchstraße.
  • Die Stadt Aurich hat eine Straße nach dem letzten jüdischen Gemeindevorsteher Abraham Wolffs benannt.

Emden

  • Gedenkstein an der Stelle des alten Friedhofes in Tholenswehr.
  • Gedenkstein für die niedergebrannte Synagoge in der Bollwerkstraße.
  • Denkmal mit den Namen von 465 ermordeten Emder Juden auf dem Friedhof an der Bollwerkstraße.
  • Modell der Emder Synagoge, seit 1994 im Ostfriesischen Landesmuseum.

Esens

  • Gedenkstein an der Stelle des alten Friedhofes am Mühlenweg.
  • Gedenkstein für die niedergebrannte Synagoge in der Burgstraße.
  • Gedenkstätte mit Dauerausstellung zur Geschichte der ostfriesischen Juden im „August-Gottschalk-Haus“, dem ehemaligen jüdischen Gemeindehaus.
  • Die Stadt Esens hat zwei Straßen nach ehemaligen jüdischen Familien bzw. Persönlichkeiten benannt, die „Weinthalslohne“ und die „Siegfried-Herz-Lohne“.

Max Windmüller

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Die Judenstraße in Emden, von 1933 - 1998 Webergildestraße, heute Max-Windmüller-Straße
  • 1946 erhält Windmüller posthum die Medaille der Résistance Francaise.
  • An Leben und Taten Windmüllers wird heute in Yad Vashem erinnert.
  • Im Westerweel-Gedächtniswald, in der Nähe von Haifa, steht ein Denkmal für Joop Westerweel, Max Windmüller und ihre Mitstreiter aus der jüdischen Widerstandsbewegung.
  • Im Museum der Ghetto-Kämpfer Beit Lochamei ha Ghettaot (Israel) wird er als Widerstandskämpfer geehrt.
  • Die Stadt Emden hat die ehemalige Webergildestraße am 8. November 1998 in Max-Windmüller-Straße umbenannt.
  • Im Konzentrationslager Flossenbürg befindet sich eine Gedenkstätte.


Siehe auch

Literatur

  • Herbert Reyer, Martin Tielke (Hrsg): Frisia Judaica. Beiträge zur Geschichte der Juden in Ostfriesland (Aurich 1988) [ISBN 3-925365-40-0]
  • Werner Teuber: Jüdische Viehhändler in Ostfriesland und im nördlichen Emsland 1871-1942. Eine vergleichende Studie zu einer jüdischen Berufsgruppe in zwei wirtschaftlich und konfessionell unterschiedlichen Regionen(Cloppenburg 1995)
  • Ostfriesisches Kultur- und Bildungszentrum der Ostfriesischen Landschaft (Hrsg): Aus der Geschichte der Auricher Judengemeinde 1592 - 1940, Bde 1 und 2 (Aurich 1982 / 4. Aufl.)
  • Horst Reichwein: Die Juden in der ostfriesischen Herrlichkeit Dornum (1662-1940), (Dornum 1995) [ISBN 3-931641-03-1]
  • Horst Reichwein: Steinerne Zeugen jüdischen Lebens in Dornum (Dornum 1994)
  • Marianne Claudi, Reinhard Claudi: Die wir verloren haben. Lebensgeschichten Emder Juden (Aurich 1988), [ISBN 3-925365-31-1]
  • Lina Gödeken: Rund um die Synagoge in Norden (Aurich 2000), [ISBN 3-932206-18-5]
  • Herbert Obenaus (Hrsg.), Historisches Handbuch der Jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen [ISBN 3-89244-753-5]
  • Das Ende der Juden in Ostfriesland, Katalog zur Ausstellung der Ostfriesischen Landschaft aus Anlaß des 50. Jahrestages der Kristallnacht, Verlag Ostfriesische Landschaft, Aurich 1988 [ISBN 3-925365-41-9]
  1. Herbert Obenaus (Hrsg.), Historisches Handbuch der Jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen ISBN 3-89244-753-5