Islamfeindlichkeit
Islamophobie bezeichnet eine pauschalisierende, feindselige und von Vorurteilen geprägte Einstellung gegenüber Muslimen, die im Unterschied zu relgionskritischen Ansätzen den Islam als das ganz Andere der [[Westliche Welt|westlichen Welt] oder des christlichen Abendlands behandelt und daher nicht selten mit Forderungen nach Diskriminierung oder Ausschluss verbunden ist.
Etymologie
Der Wort, welches Ende des 20. Jahrhunderts in Analogie zu Begriffen wie Xenophobie und Homophobie geprägt wurde, ist ein Determinativkompositum aus Islam und Phobie (Griechisch φόβος „Furcht“) mit dem Fugenelement o.
Merkmale
Eine islamophobe Einstellung kommt nach einer Definition des britischen „Runnymede Trust“ in unterschiedlichen Meinungen zum Ausdruck:[1]
- Der Islam wird als ein monolithischer Block angesehen, statisch und für Veränderung unempfänglich.
- Der Islam wird als separat und „anders“ angesehen, der keine gemeinsamen Werte mit anderen Kulturen habe; weder werde er von ihnen beeinflusst noch beeinflusse er sie.
- Der Islam wird als dem Westen unterlegen angesehen; barbarisch, irrational, primitiv und sexistisch.
- Der Islam wird als gewalttätig angesehen; aggressiv, bedrohlich, den Terrorismus unterstützend und in einem Kulturkampf verstrickt.
- Der Islam wird als eine politische Ideologie angesehen, die für politische oder militärische Vorteile genutzt werde.
- Kritik des Islam am Westen wird hastig und abwinkend verworfen.
- Feindschaft dem Islam gegenüber wird benutzt, um diskriminierende Praktiken gegen Muslime und Ausgrenzung der Muslime zu rechtfertigen.
Beziehung zu anderen Begriffen
Gemeinhin wird Islamophobie als eine Unterform der [[Xenophobie] (Fremdenfeindlichkeit) oder des [Rassismus] betrachtet und oft mit dem Antisemitismus analogisiert, da sich dieser, als Antijudaismus, ursprünglich ebenfalls auf eine Religionsgemeinschaft bezog und aus Gerüchten, Kollektivanschuldigungen und generalisierten Vorurteilen speiste. Weiterhin wird Islamophobie häufig im Zusammenhang mit der Kritik am Orientalismus diskutiert, bei der es sich um eine exotisierende und durch künstliche Vereinheitlichung geprägte Darstellung des kolonialisierten "Ostens" und insbesondere der islamischen Welt handelt.
Kritik am Begriff
Kritiker weisen darauf hin, dass Phobie in der Psychologie eine Störung im Sinne einer unbegründeten, anhaltenden Angst vor Situationen, Gegenständen, Tätigkeiten oder Personen handelt. Daraus schließen sie, dass der Begriff der Islamophobie den Versuch einer Psychiatriesierung von Islamkritikern darstelle. Dieser Vorwurf wird jedoch meist unter Verweis auf analoge Begriffsbildungen wie Xenophobie und Homophobie zurückgewiesen, bei denen es sich ebenfalls nicht um Diagnosen im psychologischen oder gar psychiatrischen Sinne handeln würde. Wie bei diesen gehe es auch beim Begriff der Islamophobie nicht darum, eine "irrationale Furcht", sondern vielmehr eine durch Vorurteile und Diffamierungen geprägte feindselige Einstellung zu kennzeichnen.
C. Fourest und F. Venner sind der Ansicht, daß der Begriff ursprünglich Ende der siebziger Jahre durch iranische Mullahs geprägt wurde, um damit Frauen, die sich weigerten, den Hidschab zu tragen, zu verunglimpfen und später auch auf Autoren wie Salman Rushdie und Taslima Nasreen angewandt wurde. Die Verwendung des Begriffs führe zur „desaströse[n] Konsequenz einer Amalgamierung liberaler Moslems mit den extremistischen Moslems“ und erwecke den Eindruck, „dass die Probleme des gesellschaftlichen Ausschlusses einzig über den Umweg der religiösen Integration zu lösen seien“. Auch manipuliere er die öffentliche Debatte und diene der Diffamierung von „Antirassist[en] und Gegner[n] der sexistischen Interpretationen des Koran“. Christlichen Fundamentalisten helfe die Wortschöpfung, gegen jede Religionskritik zu kämpfen. Sie leiste „ausgezeichnete Dienste im Kampf gegen die Blasphemie“ und entleere die „Frage des Rassismus“ ihrer „Substanz“.[2]
Diese Darstellung entspricht jedoch nicht den historischen Tatsachen. So existiert das Wort "islamophob", das mit seinen griechischen Wurzeln eine typisch europäische Prägung ist, im Persischen überhaupt nicht. Das Regime des Ayatollah Khomenei bezeichnete unverschleierte Frauen vielmehr als zed-e eslam (gegen den Islam) oder als zed-e enqelab (gegen die Revolution).[3] Allerdings ist es richtig, dass der Begriff auch von |islamistischen Gruppen wie Hizb ut-Tahrir gebraucht wird und daher von vielen verdächtigt wird, Kritik am politischen Islam unter den Generalverdacht des Rassismus zu stellen.
So urteilt Eric Conan vom L'Express, der Begriff erlaube es, die sekuläre Gesellschaftsordnung als rassistisch zu diffamieren und vom Antisemitismus der maghrebinischen Immigranten in Frankreich abzulenken. In diesem Zusammenhang erinnert er an die Listen missliebiger jüdischer Journalisten, die Tariq Ramadan, der den Begriff 1998 in Frankreich einführte, angelegt hatte: Ein Vergehen, für das Jean-Marie Le Pen noch gerichtlich verurteilt wurde. Er verweist auch auf die Mahnung des Hohen Rates für Integration im französischen Ministerium des Premierministers, dass jede Kritik an der Religion, wie jeder Weltanschaung, als Bestandteil der Meinungsfreiheit verfassungsrechtlich garantiert sei, und dem Rassismus sowie der Xenophobie nicht gleichgestellt werden solle.[4]
Das ATTAC Mitglied Bernard Cassen wirft T. Ramadan vor, den Begriff zu instrumentalisieren, um nicht nur jede Kritik, sondern auch schon jedes Infragestellen seiner Positionen zu unterbinden.[5]
Der Philosoph Piers Benn sieht die Verwendung als „intellektuell und moralisch ungesund“ an. Er unterstellt den Verfechtern Angst vor der kritischen Analyse islamischer Ansprüche und seiner Praxis, da die Ergebnisse ihnen nicht zusagen könnten. Analog zur Wortbildung Homophobie sieht er den Begriff als negativ konnotiertes Schlagwort und einer notwendigen Differenzierung im öffentlichen Dikurs hinderlich, er stellt die inhaltliche Berechtigung des Begriffs deswegen in Frage. [6]
Siehe auch
- Neologismus
- Politisches Schlagwort
- Politische Korrektheit
- Intoleranz
- Xenophobie
- Judenfeindlichkeit
- Islamfaschismus
Literatur
- Kai Hafez: Die politische Dimension der Auslandsberichterstattung. Band 2: „Das Nahost- und Islambild der deutschen überregionalen Presse.“ Nomos-Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2002, ISBN 3789077380
- Volkhard Windfuhr und Georg Stein: Ein Tag im September. Palmyra-Verlag, Heidelberg 2002, ISBN 393037840X
- Leibold, Jürgen und Kühnel, Steffen M.(2003): Sensible Aufmerksamkeit für spannungsreiche Anzeichen, in: Heitmeyer, W. (Hrsg.): Deutsche Zustände, Folge 2, Frankfurt/M. S. 100-119. ISBN: 3518123882
- Leibold, Jürgen und Kühnel, Steffen M. (2005): Islamophobie. Differenzierung tut Not, in: Heitmeyer, W. (Hrsg.): Deutsche Zustände, Folge 4, Frankfurt/M. S. 135-155. ISBN: 3518124544
Quellen
- ↑ Islamophobia: A challenge for us all, Definition des „Runnymede Trust“ (PDF, Englisch)
- ↑ Caroline Fourest und Fiammetta Venner, Tirs croisés. La laïcité à l’épreuve des intégrismes juif, chrétien et musulman, Calmann-Lévy, 2003 Einführung durch die Autorinnen (französisch, Islamophobie? Über die Karriere eines Begriffs, redaktionell bearbeitete Fassung des Textes von Fourest/Venner in der Jungle World, Nr. 51, 10. Dezember 2003
- ↑ Wer hat Angst vor Differenz?, Bernard Schmid, Jungle World, 17. Dezember 2003
- ↑ Qui parle d'islamophobie?, Artikel des Express, Eric Conan, 12. April 2003
- ↑ Ces altermondialistes en perte de repères..., Bernard Cassen, Politis, 20. Januar 2005, autorisierte Wiedergabe auf communautarisme.net
- ↑ On Islamophobia-phobia, Piers Benn, rationalist.org.uk
Weblinks
- Islamophobie nach Anschlägen in Madrid Telepolis, 27. April 2004
- Der Opferbonus. Fördert Aufklärung über Antisemitismus „Islamophobie“? Die Zeit 50/2003
- Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich: Islamophobie. Gedanken zu einem Phänomen. 24. November 2003
- Aufgeklärte Islamphobie. Studie über die Nahostberichterstattung deutscher Blätter NZZ, 6. September 2002
- Grubben, Landesbüro zur Bekämpfung von Rassendiskriminierung, Rotterdam Islamophobie in den Niederlanden – Entwicklungen nach dem 11. September 2001
- Wider die Islamophobie – Terror hat keine Religion. Offener Brief des Jüdischen Kulturvereins Berlin e.V.
- Ihr Sieg ist auch ein Sieg Bin Ladens - Das Bild vom gewaltbereiten Muslim setzt sich durch Telepolis
- Islamophobia Watch englischsprachiger Blog zur Beobachtung und Dokumentation von Islamophobie