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Philosophie

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Auguste Rodin, „Der Denker“ (1880-82) vor der Ny Carlsberg Glyptotek in Kopenhagen. Überzeitliche Darstellung eines Menschen, der in die Tätigkeit des Denkens vertieft ist, gleichzeitig angespannt wie nach innen gewandt.

Die Philosophie (altgriech. Vorlage:Polytonisch, philosophia, wörtlich „Liebe zur Weisheit“) hat im Gegensatz zu den einzelnen Wissenschaften keinen begrenzten Gegenstandsbereich. Allgemein könnte man sie als den Versuch der kritisch-rationalen Selbstüberprüfung des Denkens bezeichnen, als eine methodische Reflexion. Jeder Versuch, den Begriff „Philosophie“ zu definieren oder den Bereich der Philosophie näher einzugrenzen, ist bereits Gegenstand der Philosophie selbst.

Die Anfänge des philosophischen Denkens im 6. vorchristlichen Jahrhundert markieren den Beginn der europäischen Geistesgeschichte. In Abgrenzung zum irrationalen Weltbild des Mythos entfaltete sich in der antiken Philosophie und Mathematik die systematische und wissenschaftlich orientierte menschliche Denktätigkeit. Im Lauf der Jahrhunderte differenzierten sich die unterschiedlichen Methoden und Disziplinen der Welterschließung und der Wissenschaften direkt oder mittelbar aus der Philosophie.

Als Kerngebiete der Philosophie können die Logik (als die Wissenschaft vom folgerichtigen Denken), die Ethik (als die Wissenschaft vom rechten Handeln) und die Metaphysik (als die Wissenschaft von den ersten Gründen des Seins und der Wirklichkeit) betrachtet werden; weitere Grunddisziplinen sind die Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie, die sich mit den Möglichkeiten des Erkenntnisgewinns im Allgemeinen bzw. speziell mit den Erkenntnisweisen der unterschiedlichen Einzelwissenschaften beschäftigen. Neuere philosophische Fragestellungen werden in der Philosophie des Geistes und in der philosophischen Anthropologie diskutiert.

Einführung

Wie können wir sicher sein, dass all das, was wir erleben, wirklich stattfindet; woher wissen wir, dass wir nicht träumen, in einer virtuellen Welt gefangen sind oder von einem bösen Dämon getäuscht werden? Warum stellt sich uns die Welt genau so dar, wie wir sie vorfinden und nicht anders? Der Augenblick, in dem das bisher fraglos Hingenommene fragwürdig wird, ist der Geburtsmoment der Philosophie. Das Sich-Wundern, das kindliche Staunen oder das Unbehagen an der Welt oder sich selbst: all dies kann der Beginn philosophischen Denkens sein. Der antike Philosoph Platon hielt über diese ursprüngliche Neugierde des Menschen fest:

„Das Staunen ist die Einstellung eines Mannes, der die Weisheit wahrhaft liebt, ja es gibt keinen anderen Anfang der Philosophie als diesen“[1], und auch sein Schüler Aristoteles stellte fest: „Staunen veranlasste zuerst – wie noch heute – die Menschen zum Philosophieren.“[2]

Ein wichtiger Grundzug der Philosophie ist das Fragen, besonders auch das Infragestellen des scheinbar Zweifelsfreien und Selbstverständlichen. Menschen, denen nichts fragwürdig erscheint, finden nicht zur Philosophie.

Was ist Philosophie?

Übersicht über die Hauptwirkungsstätten einiger bedeutender Philosophen in Europa.

Bei der Frage, was Philosophie eigentlich ist, handelt es sich bereits um eine philosophische Frage. „Philosophie“ lässt sich nicht in eine allgemeingültige, starre Definition bringen. Weil jeder, der philosophiert, eine eigene Sicht der Dinge entwickelt, findet sich zumindest keine, der alle Philosophen uneingeschränkt zustimmen könnten. Es gibt daher beinahe so viele Antworten auf diese Frage wie Philosophen. Allen Ansätzen gemeinsam ist jedoch die Bedeutung der kritisch-rationalen Selbstüberprüfung des Denkens. Die Verwendung des Begriffs „Philosophie“ in ihrer Geschichte füllt im Historischen Wörterbuch der Philosophie so viele Spalten, dass dieser Artikel als eigenständiges Buch publiziert wurde. Carl Friedrich von Weizsäcker hat es einmal so formuliert: „Philosophie ist die Wissenschaft, über die man nicht reden kann, ohne sie selbst zu betreiben.“[3]

Die meisten Lehrer, Schüler und Studierenden der Philosophie beschäftigen sich zum einen damit, die Methoden, Prinzipien und Gültigkeit aller Erkenntnis, Argumente und Theorien – und damit auch aller Wissenschaft – zu untersuchen. Zum anderen versuchen sie, die Summe allen menschlichen Wissens zu ordnen und zu einem theoretisch begründeten einheitlichen Weltbild zusammenzuführen. In dieses Weltganze verorten sie den Menschen und überdenken dabei die menschlichen Werte, Rechte und Pflichten. Der Blick der Philosophie richtet sich immer auch auf den Menschen selbst und die ihn umgebende Welt. Sie wird also nicht um ihrer selbst, sondern um des Menschen willen betrieben. Die Auseinandersetzung mit Standpunkten, die bereits in früheren Zeiten entwickelt und vertreten wurden, spielt dabei für gewöhnlich eine grundlegende Rolle. Man kann die Philosophie auch als „Prinzipienwissenschaft“ bezeichnen, da sie weniger die konkreten, empirischen Gegenstände behandelt, sondern vor allem, wie alles zustande kommt.

Philosophie kann als Grundlagenwissenschaft verstanden werden. Philosophisches Nachdenken und In-Frage-Stellen hat die Wissenschaften stets befruchtet und in ihrer Entwicklung gefördert. Die Philosophie stellt Fragen von einer Art, die die Wissenschaften (bisher) nicht beantwortet haben oder die durch Versuche, Berechnungen oder andere Forschungen nicht zu beantworten sind. Derartige Problemstellungen können aber den Gang des Forschens leiten. So können ganz neuartige Forschungsfragen in den einzelnen Wissenschaften auf den Weg gebracht werden: Philosophie leistet einen Beitrag zur Hypothesenbildung. Zudem ist keine Wissenschaft ohne zu Grunde liegende philosophische Grundannahmen denkbar: sei es etwa die These sämtlicher Naturwissenschaften, dass alle Erscheinungen allgemein gültigen Gesetzen unterliegen, sei es die Annahme der Geschichtswissenschaften, dass historische Ereignisse für die Gegenwart bedeutsam sind.

Methoden

Die Methoden der Philosophie umfassen verschiedene geistige Bemühungen. „Geistige Bemühungen“ kann dabei das Nachspüren von Denkrichtungen, Denktraditionen und Denkschulen meinen. Um das Denken geht es beim Philosophieren immer. Denken kann Nach-Denken sein, Analysieren oder Systematisieren. Intuitive Erkenntnisse, Glaubenswahrheiten und rationale Argumente werden auf der Grundlage der Lebenswirklichkeit des philosophierenden Menschen mithilfe der Mittel des vernünftigen, rationalen und kritischen Denkens überprüft.

Zudem vermag die philosophische Geisteshaltung in einem methodischen Zweifel radikal alles in Frage zu stellen – sogar die Philosophie selbst. Dabei beginnt die Philosophie mit jedem Philosophierenden gleichsam wieder bei Null. Es gehört zur Haltung eines Philosophierenden, auch scheinbar grundlegende oder alltägliche Gewissheiten in Frage stellen zu können. Menschen, denen sich die Lebenswirklichkeit nicht auch als Frage oder Problem aufdrängt, erscheint solch fundamentaler Zweifel nicht selten befremdlich. Über lange Zeiträume gesehen stellt die Philosophie in zentralen Bereichen immer wieder dieselben Grundfragen deren Antwortmöglichkeiten sich prinzipiell ähneln (Philosophia perennis). Aufgrund der historischen und sozialen Veränderungen der Lebensumstände und Weltanschauungen werden jeweils neue Formulierungen für die Antworten auf die Grundfragen des Menschen notwendig. Anders als in den einzelnen Wissenschaften häufen weder die Philosophie noch die einzelnen Philosophierenden Wissen an oder verfügen über definitive und allgemein anerkannte Ergebnisse („Skandal der Philosophie“). Sie sammeln historische Antworten, reflektieren diese und können dadurch zeitgebundene Blickwinkelverengungen, wie sie in manchen Spezialwissenschaften anzutreffen sind, vermeiden. Insofern kann der philosophische Diskurs als ein in sich nicht abschließbarer Prozess betrachtet werden  – als ein kontroverses Gespräch über die Jahrhunderte hinweg.

Grundsätzlich lassen sich zwei Ansätze bzw. Bereiche des „professionellen“ Philosophierens unterscheiden: die historische und die systematische Vorgehensweise:

  • Historisch arbeiten Philosophen dann, wenn sie versuchen, die Positionen und Thesen von Denkern wie Platon, Thomas von Aquin oder Immanuel Kant zu rekonstruieren, zu verstehen und zu interpretieren. Auch die Herausarbeitung bestimmter philosophischer Strömungen oder Auseinandersetzungen in der Geschichte gehört hierzu.
  • Systematisch gehen Philosophen vor, wenn sie versuchen, zu einem bestimmten Problemfeld Standpunkte zu vertreten, Fragen innerhalb der verschiedenen philosophischen Disziplinen zu beantworten oder die offenen bzw. unausgesprochenen Voraussetzungen einer bestimmten Frage oder Behauptung zu verstehen; oder wenn sie sich darum bemühen, die in bestimmten Fragen, Thesen oder Positionen verwendeten Begriffe zu klären. Lautet die Frage etwa: „Hat der Mensch einen freien Willen?“, so müssen für eine Antwort zunächst die Begriffe „Willen“, „Freiheit“ und des „Mensch“ – vielleicht sogar die Bedeutung von „haben“ – einer genauen Bedeutungsanalyse unterzogen werden.

Die historischen und die systematischen Herangehensweisen bzw. Bereiche sind dabei prinzipiell durch das jeweilige Ziel der philosophischen Untersuchungen voneinander abgrenzbar. Viele Philosophen arbeiten allerdings mit beiden Ansätzen. Diese ergänzen einander insofern, als die Schriften herausragender philosophischer Autoren auch für das systematische Philosophieren hilfreiche Überlegungen enthalten. Außerdem können in vielen Fällen die heutigen Fragen nur dann präzise gestellt und beantwortet werden, wenn der historische Hintergrund für ihr Aufkommen und die seitdem für die Behandlung des Problems entwickelten Begrifflichkeiten und Lösungsvorschläge verstanden werden.

Sinn

Weisheits-Emblem (1635), Detail: „SAPIENS DOMINABITUR ASTRIS“. Wer wahre Weisheit erlangt, wird Herrscher über Himmel und Erde sein.

Philosophieren vermag schwerlich auf einen direkt verwertbaren Nutzen abzuzielen. Es kann zunächst der Klärung theoretischer Sachverhalte zum Zwecke des Erkenntnisgewinns dienen. Viele Menschen betreiben Philosophie um ihrer selbst willen: um sich selbst und die Welt, in der sie leben, besser zu verstehen; um ihr Handeln, ihr Weltbild auf eine gut begründete Basis zu stellen. Wer ernsthaft philosophiert, stellt kritische Fragen an die ihn umgebende Welt und lässt sich in der Regel schwerer täuschen oder manipulieren. Das konstruktive Potential der Philosophie liegt im Hinterfragen der gesellschaftlichen Verhältnisse und im Herausarbeiten alternativer Modelle ebenso wie in einer Relativierung der Ansprüche von Wissenschaften und Religionen. Ein selbstbestimmtes und vernunftbasiertes Leben auf der Grundlage eigenen Nachdenkens (sapere aude!) ist das Ziel vieler Philosophierender.

Ein großer Gewinn des Philosophierens besteht in der Schulung des Denkens und des Argumentierens, denn sowohl in methodischer Hinsicht als auch im sprachlichen Ausdruck werden strenge Anforderungen an die Philosophierenden gestellt. In der akademischen Ausbildung wird zudem Wert darauf gelegt, dass die Philosophierenden, den Regeln der wissenschaftlich betriebenen Philosophie entsprechend, an den unterschiedlichen philosophischen Diskursen teilnehmen können.

Philosophisch gebildete Menschen unterscheiden sich also von den übrigen nicht darin, dass ihnen mehr (nützliches) Wissen zur Verfügung stünde. Ihnen steht allerdings in der Regel ein besserer Überblick über die Argumente zur Verfügung, die in einer philosophischen Debatte hinsichtlich eines bestimmten Diskussionsgegenstands bereits vorgebracht wurden. So kann es etwa hilfreich sein, bei einem aktuell diskutierten Problem (z. B. Euthanasie) danach zu fragen, welche Antwortmöglichkeiten die Philosophie in den letzten 2500 Jahren dazu angeboten hat und wie die Auseinandersetzungen um diese Vorschläge bisher verlaufen sind. Neben dieser historischen Kenntnis sollte ein ausgebildeter Philosoph eher in der Lage sein, die prinzipiell vertretbaren Positionen zu unterscheiden, deren Folgen vorauszusehen sowie Probleme und Widersprüche zu erkennen.

Weitere sinnvolle Anwendungen und Aufgaben der Philosophie bestehen darin,

  • die grundlegenden Begriffe, Fragen, Thesen und Positionen, die die einzelnen Wissenschaften verwenden, zu thematisieren. So fragt die Philosophie etwa, was den Begriff der „Würde“ ausmacht, den die Rechtswissenschaften oder die Soziologie voraussetzen.
  • die unausgesprochenen Begriffe, Fragen, Thesen und Positionen herauszuarbeiten, die anderen Wissenschaften unerkannt zugrunde liegen. So fragt etwa die Ethik: „Was ist Gerechtigkeit?“ und untersucht dabei auch Begriff, Grundlagen und Bedingungen der Rechtswissenschaften überhaupt.
  • die Fragen nach Denkmustern bzw. Denkgewohnheiten vergangener Zeiten zu beantworten, auf die die überlieferten Artefakte im Museum keine Antworten zu geben vermögen.

Formen des Philosophierens

Grundsätzlich lassen sich drei verschiedene Arten des Philosophierens unterscheiden: die Philosophie als Streben nach Weltweisheit, die Philosophie als Lebensweise und die akademische Philosophie.

Philosophie als Streben nach Weltweisheit

Philosophie als das Streben nach Weltweisheit ist diejenige Philosophie, die sich mit den philosophischen Sachverhalten beschäftigt, die jedermann interessieren. Im Alltag können das verschiedene, für den Einzelnen bedeutsame Gegenstände sein, zum Beispiel „Was ist (für mich) das gute Leben?“. Meist handelt es sich um allgemein diskutierte oder gesellschaftlich relevante Fragen. Die Probleme stammen dabei in der Regel nicht aus dem philosophischen, sondern aus dem öffentlichen Diskurs.

Von anderen Herangehensweisen – wie etwa dem Beantworten dieser Fragen mit gesellschaftlichen oder religiösen Traditionen – unterscheidet sich die Philosophie insofern, als sie sich bei deren Klärung im weitesten Sinne rationaler Methoden bedient, das heißt (allein) auf vernunftgemäßes, logisch und sprachlich klares Denken stützt.

Philosophie als Lebensweise

Jean-Léon Gérôme, „Diogenes“, 1860. Die Kyniker verstanden Philosophie als radikale Lebensform, die sich durch Bedürfnis- und Kompromisslosigkeit auszeichnet; Diogenes soll nackt in einer Tonne gelebt haben. (Phantasiedarstellung)

Immer wieder haben Philosophen sich darum bemüht, ihr Denken und ihr Leben in Übereinstimmung zu bringen (vgl. Wahrhaftigkeit). Besonders in der Antike waren der Einklang von Theorie und Praxis in der Philosophie häufig von großer Bedeutung. Die Auffassung der Alten lässt sich zugespitzt so auf den Punkt bringen: nur wer „richtig“ denkt, der kann auch „richtig“ leben, vermag weise zu handeln.

Die Leitfrage dieser Art von Philosophie lautet: „Worin besteht das gute Leben?“ Um Weisheit und die Verwirklichung eines Ideals vom rechten Leben bemühten sich etwa die Philosophen der Stoa, des Epikureismus und die Kyniker. So definiert Epikur die Philosophie als “Tätigkeit, die durch Argumentation und Diskussion das glückselige Leben verschafft.“ [4] Dass es sich bei allem Philosophieren nicht allein um Bücherschreiben und Bücherlesen handelt, zeigt vor allem das große Vorbild des Sokrates, der nie ein Buch geschrieben, sondern seine Zeit mit Gesprächen verbracht hat. Der Kyniker Diogenes verdeutlichte durch seine radikale Lebensweise der Enthaltsamkeit das Ideal der Übereinstimmung von Denken und Tun. Auch die östliche Philosophie betont die Einheit von Theorie und Praxis.

Zu aller gelebten Philosophie gehören Muße und Ruhe, freie Zeit zur Selbstbesinnung, zum Nachdenken über das Leben der Menschen in der Welt und über den Gang des Denkens selbst. Noch unser Wort „Schule“ geht auf das griechische Wort für Muße (griech.: scholé) zurück. Bei der Philosophie als Lebensform geht es also vor allem auch darum, sich selbst als Mensch zu formen (zu „bilden“) und ein selbstbestimmtes Leben zu führen, das durch selbst gewonnene, vernünftige Einsichten geprägt ist.

Philosophie als Wissenschaft

Ihre Neugier machte die Philosophie zur „Mutter aller Wissenschaften“. Dies gilt sowohl weitestgehendst historisch, da aus ihr fast alle anderen Wissenschaften abgeleitet wurden, als auch systematisch, da sie als Metawissenschaft über die Aufgaben und Möglichkeiten aller Wissenschaften reflektiert.

In der philosophischen Ausbildung an der Universität ist die wissenschaftliche Philosophie heute die einzige der drei Formen, die noch gelehrt wird. Natürlich bietet der akademische Betrieb mit seiner Verwissenschaftlichung nicht den Rahmen, um eine umfassende „Erziehung des Menschen zum Menschen“ zu leisten.

Das akademische Philosophieren unterscheidet sich vom alltäglichen Philosophieren nicht prinzipiell durch die Fragen, sondern eher durch den Rahmen – in der Regel die Universität – und durch bestimmte Formen der Aus- und Abgrenzung philosophischer Tätigkeit. Es gelten verschiedene Übereinkünfte über die Formen des Argumentierens und der wissenschaftlichen Publikation sowie die zugelassene Fachterminologie. Die Tätigkeiten des akademisch Philosophierenden umfassen dabei die oben genannten Methoden.

Begriffs- und Wissenschaftsgeschichte

Zum Begriff

Der Begriff „Philosophie“, zusammengesetzt aus altgriech. φίλος (philos) „Freund“ und σοφία (sophía) „Weisheit“, bedeutet wörtlich „Liebe zur Weisheit“ bzw. einfach „zum Wissen“ – denn sophía bezeichnete ursprünglich jede Fertigkeit oder Sachkunde, auch handwerkliche und technische. Das Verb philosophieren taucht erstmals beim griechischen Historiker Herodot (484-425 v. Chr.) auf (I,30,2), wo es zur Beschreibung des Wissensdurstes des Athener Staatmannes Solon (ca. 640-559 v. Chr.) dient. Dass Heraklit schon den Begriff philosophos verwendete[5], ist nicht anzunehmen. In der Antike pflegte man die Einführung des Begriffs Philosophie Pythagoras von Samos zuzuschreiben. Der Platoniker Herakleides Pontikos überlieferte eine Erzählung, wonach Pythagoras gesagt haben soll, nur ein Gott besitze wahre sophía, der Mensch könne nur nach ihr streben. Hier ist mit sophía bereits metaphysisches Wissen gemeint. Die Glaubwürdigkeit dieses (nur indirekt und fragmentarisch überlieferten) Berichts des Herakleides ist in der Forschung umstritten. Erst bei Platon tauchen die Begriffe Philosoph und philosophieren eindeutig in diesem von Herakleides gemeinten Sinne auf, insbesondere in Platons Dialog Phaidros (278d), wo festgestellt wird, dass das Streben nach Weisheit (das Philosophieren) und Besitz der Weisheit sich ausschließen und letzterer nur Gott zukomme.

Philosophie wurde im Laufe ihrer Geschichte als Streben nach dem Guten, Wahren und Schönen (Platon) oder nach Weisheit, Wahrheit und Erkenntnis (Hobbes, Locke, Berkeley) definiert. Sie forsche nach den obersten Prinzipien (Aristoteles) und ziele auf den Erwerb wahren Wissens (Platon). Sie ringe um die Erkenntnis aller Dinge, auch der unsichtbaren (Paracelsus), sei Wissenschaft aller Möglichkeit (Wolff) und vom Absoluten (Fichte, Schelling, Hegel). Sie ordne und verbinde alle Wissenschaft (Kant, Mach, Wundt), stelle die „Wissenschaft aller Wissenschaften“ dar (Fechner). Die Analyse, Bearbeitung und exakte Bestimmung von Begriffen stehe in ihrem Mittelpunkt (Sokrates, Kant, Herbart). Philosophie sei jedoch zugleich auch die Kunst, Sterben zu lernen (Platon), normative Wertlehre (Windelband), das vernunftgemäße Streben nach Glückseligkeit (Epikur, Shaftesbury) bzw. das Streben nach Tugend und Tüchtigkeit (Aristoteles, Stoa).

Aus europäischer Sicht verbindet sich der Begriff Philosophie mit den Ursprüngen im antiken Griechenland. Die gleichfalls jahrtausendealten asiatischen Denktraditionen (östliche Philosophie) werden oftmals übersehen oder unterschätzt. Auch religiöse Weltanschauungen gehören zur Philosophie, insoweit ihre Vertreter nicht theologisch, sondern philosophisch argumentieren. Daneben wird der Begriff zunehmend, dem englischem Sprachgebrauch folgend, in einem sehr weiten Sinn verwendet. Er bedeutet dann „Einstellung“ oder „grundsätzliche Haltung“. In verschiedenen Jargons dient er als Synonym für Strategie oder Gesamtkonzept, so spricht man etwa von „Unternehmens-“ oder „Designphilosophie“.

Fachwissenschaft und Selbstverständnis

Das Selbstverständnis der Philosophie als Wissenschaft hat sich im Laufe ihrer Geschichte immer wieder gewandelt. Die ersten griechischen Philosophen bis etwa zur Zeit von Sokrates und Platon verstanden ihre Tätigkeit als vernunftgelenktes Erkenntnisstreben im Unterschied zum bloßen Übernehmen eines mythischen Weltbilds und religiöser Traditionen. Einerseits emanzipierte sich so das Denken vom Mythos, andererseits wurden die Mythen in der Regel nicht grundsätzlich verworfen. Die Philosophen bedienten sich ihrer gern und nutzten dichterische Ausdrucksmittel, um ihre Lehren zu verbreiten.

Während Sokrates und seine Schüler das Erkenntnisstreben als Selbstzweck betrachteten, boten die Sophisten ihren Unterricht gegen Entgelt an. Für manche Sophisten ging es dabei vor allem um die Kunst, in einer Debatte mit rhetorischen Mitteln und logischen Kunstgriffen einen Gegner zu besiegen. Ihr Ziel war es, notfalls auch mit Tricks (Sophismen), „die schwächere Seite zur stärkeren zu machen“ (vgl. Eristik).

Datei:Septem-artes-liberales Herrad-von-Landsberg Hortus-delicarium 1180.jpg
„Die Philosophie thront inmitten der Sieben Freien Künste“ – Darstellung aus dem Hortus deliciarum der Herrad von Landsberg (12. Jh.)

Nachdem sich das Christentum in der Spätantike durchgesetzt hatte, war Philosophie für viele Jahrhunderte nur noch auf der Basis des damaligen religiösen Weltbilds möglich; sie durfte nicht mit den Grundannahmen der christlichen Theologie in Konflikt geraten. Eine analoge Begrenzung bestand auch in der islamischen Welt. In Westeuropa dominierte daher lange Zeit das Bild der Philosophie als einer „Magd der Theologie“ (ancilla theologiae), also einer Hilfswissenschaft, die die göttlichen Offenbarungen mit rationalen Argumenten stützen sollte.

An den im Mittelalter neu entstehenden Universitäten wurde die Philosophie zu einem grundlegenden („propädeutischen“) Lehrfach. Der Kern der Studiums war durch die so genannten Artes liberales bestimmt, zu denen „Grammatik“, „Dialektik“, „Rhetorik“ sowie „Geometrie“, „Arithmetik“, „Astronomie“ und „Musik“ gehörten. Ein erster Abschluss in diesem studium generale an der so genannten Artistenfakultät war notwendig, um die „höheren“ Studien in Medizin, Recht und Theologie aufnehmen zu können. Aus dieser Tradition stammen noch heute die Bezeichnungen der akademischen Grade des B.A., M.A., Ph.D. bzw. Dr. phil.).

Im 13. Jahrhundert führte die verstärkte Auseinandersetzung mit der Philosophie des Aristoteles zu einer Aufwertung der Philosophie. Thomas von Aquin versuchte die Philosophie des Aristoteles mit den Lehren der katholischen Kirche zu einer in sich geschlossenen Gesamtdeutung der Wirklichkeit zusammenzuführen (Summa theologica). Unabhängig davon kam es schon seit dem 12. Jahrhundert zu einer neuen Hochschätzung des Erfahrungswissens, die eine Voraussetzung für die Entstehung des neuzeitlichen naturwissenschaftlichen Denkens und der experimentellen Vorgehensweise bildete.

Seit der Renaissance überschritt die Philosophie zunehmend die Grenzen, die die Theologie ihr gesetzt hatte. Die Philosophen scheuten sich nicht mehr, Ansichten zu vertreten, die mit kirchlichen Lehren oder sogar dem Christentum unvereinbar waren. Seit den Zeiten des Renaissance-Humanismus und der Aufklärung setzte sich die Philosophie bis in die Gegenwart hinein kritisch mit der Religion auseinander, grenzte sich von ihr ab und betrachtete sich ihr oft als überlegen. Es gab aber auch stets viele Philosophen, die großen Wert darauf legten, dass ihre Positionen mit ihren religiösen Überzeugungen in vollem Einklang stehen.

Vor allem in bestimmten Phasen der Neuzeit wurde die Philosophie als eine allen Einzelwissenschaften übergeordnete Universalwissenschaft begriffen, die, um die Wirklichkeit als Ganzes zu erfassen und zu den letzten Ursachen und Prinzipien vorzudringen, ewiggültige, allgemeine Wahrheiten aufdeckt und zugänglich macht (Philosophia perennis). Noch bis ins 18. Jahrhundert hinein blieb die Philosophie eine der klassischen vier Fakultäten. Weiterhin war eine grundlegende Ausbildung in Philosophie erforderlich, bevor sich die Studenten z. B. naturwissenschaftlichen Fragen und Forschungen zuwenden durften. An einigen traditionsbewussten Universitäten ist ein „Philosophicum“ im Grundstudium bis heute für alle Studenten Pflicht.

Im 19. Jahrhundert begann dann immer mehr die Verselbstständigung zunächst der Naturwissenschaften und später auch der philologischen und der gesellschaftswissenschaftlichen Fächer. Die philosophischen Lehrstühle gerieten in der Folge in ihrer inhaltlichen Ausrichtung zunehmend unter den Spezialisierungsdruck der sich verselbständigenden Fachwissenschaften. In der Moderne verblieb der Philosophie zeitweise nur die Aufgabe der Reflexion der Fachwissenschaften und die Diskussion über deren Voraussetzungen.

Die moderne Fachwissenschaft Philosophie zieht ihre Rechtfertigung aus dem Anspruch, philosophische Methoden könnten auch für andere Wissens- und Praxisgebiete hilfreich sein. Darüber hinaus betrachten die Philosophen die Erörterung ethischer Themen und Grundsatzfragen als ihr ureigenes Gebiet. Die Universitäten sind in ihrem Selbstverständnis gegenwärtig durch die Vermittlung der traditionellen philosophischen Disziplinen Logik, Ethik, Erkenntnistheorie, Wissenschaftstheorie und Philosophiegeschichte im Rahmen der Lehrerausbildung geprägt. So findet der Diskurs der Philosophie an den Universitäten häufig nicht nur von der Religion, sondern auch von den Sozialwissenschaften, von Literatur und Kunst weitgehend abgetrennt als theoretische Philosophie mit einer starken Betonung von Wissenschaftstheorie, Sprachanalyse und Logik statt. Dennoch gibt es auch in der „Fachwissenschaft Philosophie“ immer wieder Impulse, am öffentlichen Diskurs der Gegenwart teilzunehmen wie z.B. in ethischen Fragen zur Technik, zur Ökologie, zur Genetik, in der Medizin oder in der interkulturellen Philosophie.

Neben der universitären Philosophie gab es jedoch auch immer eigenständige Denker außerhalb der Institutionen. Seitdem die Aufklärer Voltaire, Rousseau und Diderot (als Impulsgeber der Enzyklopädie mit dem Ziel der Aufklärung durch Wissen) in Frankreich philosophes genannt wurden, verstand man darunter in der Tradition von Montaigne allgemein auch gelehrte Schriftsteller, die sich über populäre, also über Themen von allgemeinem öffentlichen Interesse äußerten – so auch Universalgelehrte wie Goethe und Schiller. Denkern des 18. und 19. Jahrhunderts wie Adam Smith, Abraham Lincoln, Jean Paul, Friedrich Nietzsche, Emile Zola, Leo Tolstoj, Karl Marx, Sigmund Freud oder Søren Kierkegaard war gemeinsam, dass sie allesamt nicht an eine Universität angebunden waren und keine akademische Schul-Philosophie betrieben. Dennoch gingen von ihnen in der Öffentlichkeit viel beachtete philosophische Impulse aus und sie reflektierten die Philosophiegeschichte eigenständig – vergleichbar mit den in der Gegenwart viel gelesenen, aber sehr unterschiedlichen Denkern wie Paul Watzlawick, Umberto Eco oder Peter Sloterdijk.

Eine recht junge Entwicklung ist die Einrichtung von Philosophischen Praxen, die eine Alternative zu anderen gesellschaftlichen Beratungs- und Orientierungsmöglichkeiten anbieten wollen.

Gegenstände der Philosophie

Systematische Gegenstände

Übersicht über die Disziplinen der Philosophie nach einer üblichen Einteilung.

Die Philosophie wird üblicherweise in einen theoretischen und einen praktischen Gegenstandsbereich unterteilt. Die theoretische Philosophie untersucht dabei die Möglichkeiten und Grenzen des menschlichen Erkenntnisvermögens und die allgemeinen Strukturen des menschlichen Bewusstseins. Außerdem sind allgemeingültige Aussagen über das Sein Gegenstand des philosophischen Denkens. Disziplinen sind u. a. Ontologie, Metaphysik, Logik, Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie. Die praktische Philosophie beschäftigt sich hingegen mit dem Bereich menschlichen Handelns. Disziplinen sind u. a. Ethik, Rechtsphilosophie, politische Philosophie und Sozialphilosophie.

Auch wenn sich der Bereich, den die Philosophie insgesamt umfasst, in gewissem Sinne nicht eingrenzen lässt (da sie „alles“ behandelt), gibt es doch bestimmte Domänen, in denen sie hauptsächlich tätig ist. Der Philosoph Immanuel Kant hat diese einmal in den folgenden Fragen zusammengefasst:[6]

  1. Was kann ich wissen?
  2. Was soll ich tun?
  3. Was darf ich hoffen?
  4. Was ist der Mensch?

Etwas weniger allgemein gestellt, können diese Fragen ungefähr so lauten:

  1. Wie können wir zu Erkenntnis gelangen und wie sind diese Erkenntnisse einzuschätzen? (Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie, Logik)
  2. Wie sollen wir handeln? (Ethik)
  3. Was ist die Welt? Warum gibt es überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts? Gibt es einen Gott? Steuert die Geschichte auf ein Ziel zu und wenn ja auf welches? (Metaphysik, Religions- und Geschichtsphilosophie)
  4. Was sind wir für Wesen? In welchem Verhältnis stehen wir zu der Welt, die wir vorfinden? (Philosophische Anthropologie, Kultur- und Sozialphilosophie, Ästhetik)

Im Folgenden werden einige der wichtigsten philosophischen Disziplinen vorgestellt, die sich dieser Fragen annehmen. Die vorgestellte Reihenfolge orientiert sich dabei an der traditionellen Unterscheidung zwischen der theoretischen und praktischen Philosophie, ergänzt durch die wissenschaftsübergreifenden Entwicklungen der letzten Jahrzehnte.

Theoretische Philosophie

Logik, Erkenntnistheorie und Metaphysik streiten gleichermaßen um die Krone der obersten philosophischen Disziplin. Alle drei beanspruchen mehr oder weniger, die letzten und unhintergehbaren Grundlagen allen Denkens und aller Wahrheit, d. h. die fundamentalsten Gesetze und Strukturen der Wirklichkeit darstellen zu können.

Logik

Die Logik beschäftigt sich nicht mit konkreten Inhalten, sondern mit den Gesetzmäßigkeiten der Folgerichtigkeit. Sie fragt, auf Grundlage welcher Regeln aus bestimmten Voraussetzungen („Prämissen“) bestimmte Schlussfolgerungen („Konklusionen“) gezogen oder nicht gezogen werden könnnen (vgl. Fehlschlüsse). Insofern thematisiert sie die Grundlage aller auf Argumenten basierenden Arten von Wissenschaft.

In früheren Zeiten wurde der Ausdruck „Logik“ weitreichender verwendet als heute. Typisch ist das Beispiel der Logik der Stoa. Diese umfasste auch den Bereich, der heute Erkenntnistheorie genannt wird, sprachphilosophische Probleme sowie die Rhetorik. In der modernen Philosophie bezeichnet Logik als Wissenschaft des korrekten Folgerns nur noch die formale Logik, die auch Teilgebiete von Mathematik und Informatik schneidet. Inwieweit sich Logik auch auf nicht-mathematische Gebiete ausdehnt (z. B. Argumentationstheorie, Sprechakttheorie) ist hingegen umstritten.

Zu den wichtigsten Logikern der Philosophiegeschichte zählen Aristoteles, Chrysipp, Gottlob Frege, Charles Sanders Peirce, Bertrand Russell mit Alfred N. Whitehead, Kurt Gödel und Alfred Tarski.

Erkenntniskritik und Erkenntnistheorie

Seit der „Kopernikanischen Wende“ in der Philosophie durch Immanuel Kant stellt die Erkenntniskritik für viele Philosophen deren fundamentale Disziplin dar. Sie untersucht die grundsätzlichen Voraussetzungen, Möglichkeiten und Grenzen der menschlichen Erkenntnis. Anders als die Erkenntnistheorie, die auch das Zustandekommen und den Verlauf der menschlichen Erkenntnistätigkeit untersucht, behandelt die Erkenntniskritik nur die „Bedingungen der Möglichkeit der Erkenntnis“.

Figürlich dargestelltes System der Kenntnisse des Menschen (deutsche Übersetzung des „Stammbaums menschlichen Wissens“ zu Beginn von Band 1 der Encyclopédie von D'Alembert und Diderot (1751).

Die Erkenntnistheorie insgesamt fragt allgemein nach der Möglichkeit, Wissen zu erlangen und zu sichern. So befasst sie sich etwa mit den Problemen, wie sich die Wahrheit oder Falschheit von Theorien überprüfen lassen. Die Wahrnehmung der Wirklichkeit stellt sie ebenso auf den Prüfstand, wie den Einfluss von Sprache und Denken auf den Erkenntnisvorgang. Außerdem versucht sie, die Grenzen der Erkenntnis abzustecken und zu definieren, was prinzipiell als „wissenschaftlich“ bezeichnet werden kann.

Wichtige Erkenntistheoretiker waren u. a. Platon, Aristoteles, René Descartes, John Locke, David Hume, Immanuel Kant, Auguste Comte, Edmund Husserl und Ludwig Wittgenstein.

Wissenschaftstheorie

Die Wissenschaftstheorie ist eng verbunden mit der Erkenntnistheorie und analysiert bzw. postuliert die Voraussetzungen, Methoden und Ziele von Wissenschaft. Sie legt vor allem die Kriterien für die Begriffe „Wissenschaft“ und „wissenschaftlich“ fest und grenzt sie damit von Para- und Pseudowissenschaften ab. Dazu gehören grundlegende, selbst nicht auf wissenschaftliche Weise zu rechtfertigende methodische Vorgaben. Die Notwendigkeit der Wiederholbarkeit von Experimenten, das Ökonomieprinzip („Ockhams Rasiermesser“) und das Prinzip der Falsifizierbarkeit als Voraussetzung für sinnvolle wissenschaftliche Aussagen gehören zu diesen Grundaxiomen.

Weiterhin beschäftigt sich die Wissenschaftstheorie mit dem Verhältnis zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und den Konzepten von Wahrheit bzw. Wirklichkeit. Auch die mögliche Einteilung und Ordnung des menschlichen Wissens in Gebiete und ihre Hierarchisierung, sowie die Untersuchungen der Prinzipien des wissenschaftlichen Fortschreitens (vgl. Paradigmenwechsel) gehören zu ihrem Aufgabenbereich.

Wichtige Vertreter der Wissenschaftstheorie sind z. B. Aristoteles, Francis Bacon, Rudolf Carnap, Karl Popper, Thomas Kuhn und Paul Feyerabend.

Metaphysik und Ontologie

Die Metaphysik bildete fast die vollständige Geschichte der Philosophie hindurch ihren eigentlichen Kern. Sie versucht die gesamte Wirklichkeit, wie sie uns erscheint, in einen sinnvollen Zusammenhang - oft auch in ein universelles System - zu bringen. Sie untersucht die Fundamente und allgemeinen Strukturen der Welt und stellt die „letzten Fragen“ nach dem Sinn und Zweck allen Seins.

Traditionell wird die Metaphysik in einen generellen und einen speziellen Zweig geteilt. Die generelle Metaphysik ist die Ontologie, welche die Frage nach den Grundstrukturen alles Seienden und dem Sein fragt. Die spezielle Metaphysik teilt sich in drei Disziplinen auf, die folgende Fragen stellen:

  1. nach der Existenz Gottes und seinen möglichen Eigenschaften (rationale bzw. natürliche Theologie);
  2. nach der Möglichkeit einer unsterblichen Seele und eines freien Willens sowie nach Unterschieden zwischen Geist und Materie und der Möglichkeit eines freien Willens (rationale Psychologie);
  3. nach der Ursache, Verfasstheit und dem Zweck des Universums (rationale Kosmologie);

Diese Fragen können und wollen die Naturwissenschaften mit ihrem Instrumentarium aus prinzipiellen Gründen nicht mehr behandeln, da die Gegenstände der Metaphysik prinzipiell jeder (sinnlichen) menschlichen Erfahrungsmöglichkeit entzogen sind. Wird die Existenz empirisch nicht untersuchbarer Bereiche der Wirklichkeit bestritten oder für nicht relevant erklärt, so erübrigen sich die Fragen der Metaphysik. Die traditionelle Metaphysik wurde auf zwei verschiedene Weisen kritisiert. Während der Positivismus und Analytische Philosophie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts tendenziell auf eine Abschaffung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache drängten, versuchte Martin Heidegger in einer Überwindung der Metaphysikgeschichte und in einer radikalen Wende der Fragestellung auf die Analyse des menschlichen Daseins einen Neuansatz für eine alternative Metaphysik zu schaffen (Fundamentalontologie, Existenzphilosophie). Mittlerweile finden traditionelle metaphysische, insbesondere ontologische Fragen und Probleme wieder breitere Beachtung in der philosophischen Diskussion – auch in viel debattierten Disziplinen wie der Philosophie des Geistes.

Weitere wichtige Metaphysiker waren u. a. Platon, Aristoteles, Thomas von Aquin, Gottfried Wilhelm Leibniz, René Descartes, sowie die Vertreter des Deutschen Idealismus und der Neuscholastik.

Sprachphilosophie

Die Sprachphilosophie untersucht die Beziehung zwischen Sprache, Denken und Wirklichkeit. Die Analyse von Sprache, z. B. mittels der genauen Zerlegung von Begriffen, ist in der Philosophie von jeher betrieben worden. Von Anfang an war damit die überragende Bedeutung der Sprache für kommunikative Prozesse, Wahrheitsfindung, Erkenntnismöglichkeiten und die Beschreibung und Wahrnehmung der Welt ein zentrales Thema der Philosophie.

So wurde beispielsweise bereits in der Antike die Frage erörtert, ob einem Ding eine bestimmte Bezeichnung „von Natur aus“ oder nur durch willkürliche Festlegung durch den Menschen zukomme. Auch das sich hieran anschließende wichtige Thema der mittelalterlichen Philosophie - der Universalienstreit - kann in großen Teilen als ein Problem dieses Bereichs begriffen werden.

Die moderne Sprachphilosophie befasst sich u. a. mit der Abhängigkeit der Wirklichkeitserfassung von den individuellen sprachlichen Möglichkeiten (vgl. Sapir-Whorf-Hypothese), mit der Herstellung von Wahrheit, Erkenntnis und Wissen durch Kommunikation (vgl. Sprachspiel), mit dem Handeln allein durch Sprache (Pragmatik), dem verzerrende Einfluss der Sprache auf die Realität (z. B. in der Feministischen Linguistik) sowie der Frage, was „Bedeutung“ ist.

Zu den wichtigsten Sprachphilosophen zählen Gottlob Frege, Charles S. Peirce, George Edward Moore, Bertrand Russell, W.v.O. Quine und Ludwig Wittgenstein. Wichtige Beiträge haben auch die Schüler Ferdinand De Saussures (Strukturalismus), Martin Heidegger (Etymologie und Neologismen), Michel Foucault (Diskursanalyse) und Jacques Derrida (Poststrukturalismus) geliefert.

Praktische Philosophie

Ethik und Metaethik

Die philosophische Ethik erstellt auf Basis der Vernunft Kriterien für die Beurteilung von Handlungen und bewertet diese hinsichtlich ihrer Motive und Konsequenzen. Dabei unterscheidet sie sich von der Moral, die bestimmte Handlungen traditionell oder konventionell vorschreibt, obgleich das Ziel der normativen Ethik in der Begründung von allgemein gültigen Normen und Werten gesehen werden kann. So hat Kant die weltweit verbreitete moralische Goldene Regel als allgemeines ethisches Prinzip im kategorischen Imperativ begründet:

Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.[7] bzw. „Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst.[8]

Die deskriptive Ethik hingegen beschäftigt sich mit den verschiedenen vorhandenen Moralvorstellungen und versucht diese genau zu fassen und zu beschreiben. Basis der allgemeinen Ethik ist die Metaethik, die das Sprechen über Ethik und ethische Begriffe („gut“, „böse“, „Handlung“) analysiert.

Die Ethik gehört zu den wenigen Disziplinen der Philosophie, die bisher nur in geringem Maße von anderen Wissenschaften in Frage gestellt wurden. Ganz im Gegensatz zur manchmal geäußerten Auffassung, dass der Relativismus die Ethik überflüssig machen würde, zeigt sich ihre zunehmende Bedeutung in den sich immer stärker entfaltenden Bereichsethiken wie der Medizin-, Tier- oder Wissenschaftsethik bis hin zur Hacker- und Informationsethik aber auch in der Schaffung von Institutionen wie dem Nationalen Ethikrat.

Einflussreiche Ethiker sind unter anderem Aristoteles, die Stoiker und Epikureer, Immanuel Kant, Jeremy Bentham und John Stuart Mill, Max Scheler und Hans Jonas.

Rechtsphilosophie
Titelbild von Hobbes' Leviathan (1651). Der Körper des Souverän, mit den Insignien weltlicher und geistlicher Macht ausgestattet, setzt sich aus den vielen Einzelkörpern der Untertanen zusammen.

Eine direkte Anwendung der Ethik findet sich in der Rechtsphilosophie, die zugleich eine der Grundlagen der Rechtswissenschaften bildet. Basierend auf der Beurteilung von Handlungen in „gut“ und „schlecht“ wird die Frage nach Recht und Gerechtigkeit und der Folge der Verletzung von moralischen und ethischen Normen gestellt. Natürlich fragt die Rechtsphilosophie auch nach der Entstehung, Einsetzung und Legitimation des Rechts, dem Verhältnis von „natürlichem Recht“ (vgl. Menschenrechte) und „gesetztem Recht“ („positives Recht“), nach der Reihenfolge der Wichtigkeit von Rechtsnormen und ihrer Außerkraftsetzung. Hier beginnt sie sich mit der politischen Philosophie zu überschneiden.

Bekannte Rechtsphilosophen sind Hugo Grotius, Niccolò Machiavelli, Thomas Hobbes, Hans Kelsen, Niklas Luhmann, Jürgen Habermas und Karl-Otto Apel sowie John Rawls.

Politische Philosophie

Die politische Philosophie ist ähnlich wie die Rechtsphilosophie in großen Teilen von den benachbarten Wissenschaften vereinnahmt worden. So finden große Teile der philosophischen Diskussion in den Rechts- bzw. Politikwissenschaften statt. Die Entstehung, Rechtmäßigkeit und Verfasstheit eines Staates wird von der Staatstheorie untersucht. Die politische Theorie fragt nach der besten Herrschaftsform, dem Verhältnis zwischen Bürger und Staat, nach Machtverteilung, Gesetz, Eigentum, Sicherheit und Freiheit.

Wichtige Beiträge hierzu haben u. a. die politischen Denker Platon, Aristoteles, Augustinus, Marsilius von Padua, Niccolò Machiavelli, Thomas Hobbes, John Locke, Jean-Jacques Rousseau, Immanuel Kant, Karl Marx, Michail Bakunin, Carl Schmitt, Hannah Arendt, Karl Popper und Michel Foucault geliefert.

Neuere Disziplinen

Philosophie des Geistes und des Bewusstseins

Obgleich sie sehr alte Fragestellungen behandeln, sind die Philosophie des Geistes bzw. die Philosophie des Bewusstseins noch junge, interdisziplinär angelegte Disziplinen, die an die Kognitions- und Neurowissenschaften angrenzen. Im Mittelpunkt stehen Fragen nach dem Wesen von Geist bzw. Bewusstsein, nach dem Verhältnis von Leib und Seele, Materie und Geist. Aber auch die Möglichkeit eines freien Willens, sowie das Wesen mentaler Zustände, von Bewusstseinsinhalten und Emotionen (Qualia) wird hier untersucht. Weiterhin befasst sich dieses Gebiet mit der Beurteilung verschiedener Bewusstseinzustände, Überlegungen zu künstlicher Intelligenz, mit der Identität des Selbst und mit dem Problem eines möglichen Weiterlebens nach dem physischen Tod.

Bekannte Vertreter dieser Problemfelder sind Gottfried Wilhelm Leibniz, Baruch de Spinoza, Alan Turing, Hilary Putnam, John Searle und Donald Davidson. Von großer philosophischer Bedeutung ist hier auch die Perspektive des Buddhismus.

Moderne philosophische Anthropologie

Die moderne philosophische Anthropologie befasst sich mit dem abstrakten und allgemeinen Wesen des Menschen. Da sie von Menschen selbst betrieben wird, ist sie eine (dialektische) Selbstreflexion, die gleichzeitig eine Innen- und eine Außenperspektive aufweist. Die Situation des menschlichen Lebens wird unter Einbeziehung aller wichtigen einzelwissenschaftlichen Erkenntnisse untersucht.

Das Wesen des Menschen gibt viele Rätsel auf. Seine Stellung im Kosmos, das Verhältnis von Kultur zu Natur, Vereinzelung und Vergemeinschaftung, die Probleme der Geschlechtlichkeit, die Rolle von Liebe und Tod sind einige der Grundfragen der philosophischen Anthropologie. Ob der Mensch von Natur aus gut oder böse sei, ob Gewalt und Leid zwingend zur menschlichen Existenz gehören, ob das Leben überhaupt einen Sinn hat: all dies sind weitere Probleme dieser Disziplin. Sie untersucht aber auch grundsätzliche menschliche Bedürfnisse und Fähigkeiten wie Selbstverwirklichung, Kreativität, Neugier und Wissensdurst, Machtstreben und Altruismus, das Phänomen der Freiheit und die Wahrnehmung des Anderen.

Wichtige Philosophen, die zu anthropologische Probleme gearbeitet haben, sind Thomas von Aquin, Immanuel Kant, Arthur Schopenhauer, Friedrich Nietzsche, Søren Kierkegaard, Max Scheler, Arnold Gehlen, Ernst Cassirer und die Vertreter der Existenzphilosophie.

Rationalitäts-, Handlungs- und Spieltheorie

Zu den aktuellen Problemen der philosophischen Forschung gehört die Analyse des menschlichen Handelns unter dem Gesichtpunkt der Vernünftigkeit. Dabei werden weniger die ethischen Motive berücksichtigt, sondern vielmehr rein mathematische Kosten-Nutzen-Abwägungen oder das logische Kalkül unter der Voraussetzung, dass der Mensch gewöhnlich rational handele.

Die Philosophie verwendet die Spieltheorie, um Modelle für ethische Probleme zu entwickeln. Sowohl individuelle (z. B. das Gefangenendilemma), als auch gesellschaftliche Paradoxa (z. B. die Tragik der Allmende) lassen sich, wenn schon nicht lösen, so doch verstehen. Auf die Handlungstheorie wird zurückgegriffen, um motivierte Handlungen zu erklären, so etwa, ob und wie es möglich ist, bei zwei alternativen Handlungen, frei und absichtlich die selbst für schlechter gehaltene zu wählen (Akrasia). Inzwischen ist sogar der Begriff „Rationalität“ fragwürdig geworden, so dass die gegenwärtige Philosophie vor der Aufgabe steht, ihre eigene Minimalbestimmung kritisch zu hinterfragen.

Philosophische Mystik

Obwohl mystische Elemente in der europäischen Philosophie oft präsent waren, ist der Begriff der „Philosophischen Mystik“ noch jung. Sie hält zum einen – ähnlich der Philosophia perennis – daran fest, dass es ewige, unveränderliche und universal gültige Wahrheiten bezüglich der Wirklichkeit und des Menschen zu erkennen gibt. Zum anderen betont sie, wie alle mystische Strömungen, den Vorrang des gegenwärtigen Hier-und-Jetzt-Daseins, die Wichtigkeit der zweckfreien Kontemplation, die Würde der Schöpfung und die zentrale Bedeutung des Eingebettetseins der individuellen Existenz in das Ganze des Weltgefüges.

In ihrer Arbeitsweise überschreitet sie die Grenzen von Vernunft und Verstand und betont auch erfahrbare, aber dennoch intersubjektiv mitteilbare und philosophisch behandelbare Gewissheiten. Zentrale Themen der philosophischen Mystik sind u. a. die Erfahrung der Aufhebung der Subjekt-Objekt-Spaltung, der Zusammenfall aller Gegensätze in Gott (coincidentia oppositorum), die mögliche Einheit des Menschen mit dem All-Ganzen (unio mystica) und die Spur des Göttlichen im menschlichen Wesen (scintilla animae).

Einige westliche Philosophen, in deren Lehren sich mystische Elemente finden, sind Plotin, Meister Eckhart, Nikolaus von Kues, Jakob Böhme, Gottfried Wilhelm Leibniz, Blaise Pascal, Baruch de Spinoza, Martin Heidegger, Simone Weil und Ken Wilber. In der außereuropäischen, besonders der östlichen Philosophie, spielt die Mystik traditionell eine große Rolle. Typischerweise überwindet sie nicht nur die Grenzen der Philosophie, sondern auch die der Religion, so etwa im Zen, im Yoga, im Sufismus, in der Kabbala und in der christlichen Mystik.

Historische Gegenstände

Die Geschichte der westlichen Philosophie beginnt im 6. Jahrhundert v. Chr. im antiken Griechenland und setzt sich bis in die Gegenwart fort. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass immer wieder neue Antworten auf die philosophischen Grundfragen gefunden, begründet und diskutiert wurden. Dies lässt sich teils auf veränderte Bedürfnisse des jeweils herrschenden Zeitgeists, teils auf die fortdauernde Weiterentwicklung der übrigen Wissenschaften zurückführen. „Fortschritte“ im Sinne eines endgültigen Widerlegens oder Beweisens von Lehren macht die Philosophie aus Sicht der meisten Philosophen allerdings kaum:

Das philosophische Denken hat auch nicht den Charakter eines Fortschrittprozesses. Wir sind gewiss weiter als Hippokrates, wir sind aber kaum weiter als Platon.“ - Karl Jaspers[9]

Der Philosoph Alfred North Whitehead charakterisierte die Geschichte der europäischen Philosophie seit Aristoteles einmal als bloße „Fußnoten zu Platon“.[10] Da philosophische Ideen und Begriffe nicht veralten, hat für die Philosophie die Untersuchung ihrer eigenen Geschichte eine weitaus größere Bedeutung als für alle anderen Wissenschaften – ihre Vergangenheit ist zugleich auch immer ihre Gegenwart. Gute Kenntnisse der Einsichten und Begrifflichkeiten der zweieinhalbtausendjährigen Geschichte des Denkens sind erforderlich, um längst erkannte Fehler umschiffen und überhaupt neue Gedanken und Deutungen entwickeln zu können.

In der Philosophie kann es aus prinzipiellen Gründen niemals einen vollkommen neutralen Standpunkt geben – selbst die Behauptung, es gebe überhaupt eine neutrale Perspektive, ist nicht neutral (vgl. Standpunkttheorie). Jede Darstellung der Philosophiegeschichte ist daher zwingend von persönlichen Sichtweisen und Vorlieben beeinflusst. Dies gilt auch für die folgende Auswahl und Gewichtung von Strömungen und Ansichten.

Antike

Im antiken Griechenland beginnt infolge der Kulturrevolution der Schriftlichkeit und des zunehmenden Kontaktes mit anderen Kulturen eine wachsende Kritik an dem traditionellem Weltbild des Mythos. In diesem geistigen Klima beginnt mit den Vorsokratikern die Geschichte der westlichen Philosophie (Philosophie der Antike). Ihre erste Blütezeit erlebt sie in der klassischen Philosophie Athens, in der die meisten grundlegenden Fragen und Probleme des abendländischen Denkens formuliert und wichtige Begriffe geprägt werden (vgl. Achsenzeit)

Als Vorsokratiker werden die griechischen Philosophen bezeichnet, die vor Sokrates oder zu seinen Lebzeiten tätig waren. Diese ersten – uns nur aus bruchstückhafter Überlieferung bekannten – Denker stellten die Frage nach den Grundlagen der Welt. Sie beschäftigten sich vor allem mit der Naturphilosophie, wobei sie sich bemühten, mittels einer Mischung aus Spekulation und empirischer Beobachtung die Natur und die Vorgänge in ihr zu begreifen. Sie wollten alle Dinge auf einen ursprüngliches Prinzip (griechisch arché), und zwar einen „Urstoff“ zurückführen. So hielt der erste bekannte Philosoph Thales das Wasser für diesen „Urstoff“ und Anaximenes die Luft. Empedokles begründete die bis zum 18. Jahrhundert in der Naturphilosophie herrschende Lehre von den vier Elementen Wasser, Feuer, Erde und Luft, aus denen alle Dinge zusammengesetzt seien.

Neben den naturphilosophischen Ansätzen gab es noch andere Modelle der Welterklärung. Pythagoras und seine Schule hielten die Zahl für das alles bestimmende Prinzip und nahmen damit einen wichtigen Grundsatz der modernen Naturwissenschaften vorweg. Heraklit betonte das Werden und Vergehen und sah als Grundlage der Wirklichkeit den Logos, ein einheitsstiftendes Prinzip der Gegensätze. Die Philosophie von Parmenides, der im Gegensatz dazu die Einheit und Unvergänglichkeit des Seins annahm, wird als Beginn der Ontologie aufgefasst.

Mit dem Auftreten der Sophisten Mitte des 5. Jahrhunderts trat der der in den Mittelpunkt philosophischer Betrachtung (Protagoras: „Der Mensch ist das Maß aller Dinge“)[11]. Sie beschäftigten sich besonders mit ethischen und politischen Fragen, zum Beispiel mit der Frage, ob Normen und Werte naturgegeben oder von Menschen festgelegt sind.

Mit seiner Lehr- und Lebensweise wurde Sokrates zu einem Leitbild der europäischen Philosophie. Da er selber nichts schriftlich festhielt, ist sein Bild maßgeblich von seinem Schüler Platon bestimmt worden. Sokrates entwickelte in seiner Was-ist-Frage (nach der Tapferkeit, Tugend, etc.) die Ansätze einer Definitionslehre. Seine Mitbürger irritierte er mit diesem grundsätzlichen Fragen und zeigte mit geschicktem Nachfragen auf, dass sie das für sicher geglaubte Wissen über einen Gegenstand nicht hatten, wobei er selbst versicherte, nicht zu wissen. Da die jungen Athener hierbei regen Anteil nahme, brachte kam es zu dem Vorwurf, dass er die Jugend verderbe, der zu seiner Verurteilung zum Tode führte (Apologie).

Raffael, „Die Schule von Athen“ (1510-11), Fresco in der Stanza della Segnatura (Vatikan). Dargestellt sind u. a. Zenon von Kition, Epikur, Averroes, Pythagoras, Alkibiades, Xenophon, Sokrates, Heraklit, Platon, Aristoteles, Diogenes, Euklid, Zarathustra und Ptolemäus. (Phantasieportraits)

Das in Dialogen geschriebene Werk seines Schülers Platon ist ein zentraler Ausgangspunkt der abendländischen Philosophie. Indem er von der sokratischen Was-ist-Frage (beispielsweise nach dem Guten) ausgeht, nimmt er eine zweigeteilten Wirklichkeit, in der es ein unveränderliches, unsichtbares und nur intellektuell zugängliches Objekt geben muss (das Gute selbst), das bewirkt, das alle guten Dinge gut sind (Ideenlehre). Das Wissen von den Ideen führt nach Platons Überzeugung somit zu einem umfassenden Wissen über die gesamte Wirklichkeit. Er gründete die nach ihm benannte Akademie, die bis 529 n. Chr. bestand hatte.

Platons Schüler Aristoteles verwarf die Ideenlehre als eine unnötige Verdopplung der Welt. Für ihn existierte das Wesen eines Dinges nicht in einer Idee außerhalb, sondern bestand in der dem Ding innewohnenden Form. Er und seine Schüler begannen die gesamte erfahrbare Wirklichkeit von Natur und menschlicher Gesellschaft in verschiedenen Wissenschaften umfassend zu analysieren und wissenschaftlich zu ordnen. Aristoteles begründete die klassische Logik mit ihrer Syllogistik, die Wissenschaftssystematik und die Wissenschaftstheorie. Auch führte er philosophische Grundbegriffe ein, die bis in die Neuzeit maßgeblich blieben, sowie die Lehre von den vier Ursachen. Die auf ihn zurückgehende Schule wurde Peripatos genannt. Seine Philosophie wirkt bis heute nach.

Allen Schulen im Hellenismus war das individuelle Glück als Ziel gemeinsam. Platon hatte die Ansicht vertreten, dass ein moralisch gutes, tugendhaftes zugleich auch ein glückliches Leben (eudaimonia) ist. Für Aristoteles war dabei die intellektuelle Einsicht nicht hinreichend für die Erlangung der Tugend ((aretê); vielmehr müsse der einzelne Mensch auch seine Charaktereigenschaften entsprechend ausbilden.

Epikur fasste Tugend als ein Instrument für das Glück. Dies Instrument ist notwendig um falsche Meinungen zu vermeiden, damit die Begierden zu vermeiden und die Wünsche sinnvoll zu auf das Erreichbare begrenzen. Er empfahl ein beschauliches, zurückgezogenes Leben im Kreis der Freunde. Nach Ansicht der Stoa bedeutet die Tugend zu besitzen zugleich glücklich zu sein. Tugendhaft zu sein, heißt dabei in Übereinstimmung mit der (als vernünftig aufgefassten) Natur zu leben. Damit überwindet der stoische Weise die „Versklavung der Seele“, da er keinerlei (schlechte) Emotionen wie Begierde, Furcht, Schmerz und Lust mehr besitzt. Die Stoiker sahen das Individuum als Teil einer menschlichen Gemeinschaft, der gegenüber Pflichten – z. B. in politischer Betätigung – bestehen.

Stoische Ideale wurden vom Christentum und im Laufe der europäischen Geschichte immer wieder aufgegriffen. Der Epikureismus hingegen, der ein gemäßigtes und wohlüberlegtes Streben nach Lustgewinn bejahte, galt aufgrund von Missverständnissen und Verfälschungen lange Zeit – vor allem im Mittelalter – als moralisch minderwertig.

Eine weitere bedeutende hellenistische Richtung war der Skeptizismus. Der Ansatz der pyrrhonischen Skepsis sieht nicht nur – wie bei Epikur – eine Vermeidung falscher Meinungen vor, sondern jegliche Enthaltung von Urteilen. Somit soll ein Streben, was möglicherweise enttäuscht werden könnte, vermieden werden. Hiermit ist die Seelenruhe (ataraxia) verbunden. Die Skeptiker insgesamt wandten sich – an das „Nichtwissen“ des Sokrates anknüpfend – gegen angeblich sichere Urteile und gegen die Verwechslung von Meinungen („Dogmen“) mit Wissen. Sie bestritten grundsätzlich die Möglichkeit von unzweifelhaft sicherem Wissen.

Starken Widerhall fand auch der Kynismus des Diogenes von Sinope, vor allem in ärmeren Bevölkerungsschichten und bei den Sklaven. Die Kyniker traten für eine wahrhaftige und konsequente Lebensweise (Authentizität) und den freiwilligen Verzicht auf unnötige Annehmlichkeiten ein. Mit radikalen Provokationen wandten sie sich gegen gesellschaftliche Wertvorstellungen und Konventionen.

Im 3. Jahrhundert n. Chr. plädierte Plotin für eine Rückkehr zu Platon und formte dessen Ideenlehre um (Neuplatonismus). Seine Lehre von der Abstufung des Seins (vom „Einen“ bis hinab zur Materie) bot dem Christentum mannigfaltige Anknüpfungsmöglichkeiten und war die vorherrschende Philosophie der Spätantike.

Mittelalter

Die Philosophie des Mittelalters war von ihrer Bindung an die Grundannahmen der Theologie geprägt. Ihr Fundament bildeten die Lehren, die die Kirchenväter in der Epoche der Patristik geschaffen hatten. Maßgeblich waren bis zum Beginn des Spätmittelalters vor allem die vom Neuplatonismus beeinflussten Ansichten des Augustinus von Hippo. Er fasste die Weltgeschichte als unablässigen Kampf des Reichs des Bösen gegen das Reich des Guten auf und betonte die Unzulässigkeit von Zweifeln an Entscheidungen der Kirche. Bis heute aktuell sind seine Überlegungen zum Wesen der Zeit.

Während im Osten das griechischsprachige byzantinische Reich wichtige Teile des antiken Wissens bewahrte, beschränkte sich die bruchstückhafte Erhaltung des antiken Erbes im Westen bis zum Beginn des Spätmittelalters weitgehend auf die Kloster- und Kathedralschulen (Domschulen). Im Zeitraum bis 1100 traten nur wenige prominente Philosophen hervor, darunter vor allem der Neuplatoniker Johannes Eriugena, dessen Hauptwerk von der Kirche verworfen wurde, und Anselm von Canterbury. Anselm formulierte einen rein philosophischen Gottesbeweis, dem eine anhaltende Nachwirkung beschieden war. Auch wenn Kant alle Gottesbeweise als nicht zwingend erwies, wird Anselms Gedankengang weiterhin als philosophischer Ansatz in verschiedenen Varianten diskutiert.

Benozzo Gozzoli, „Triumph des Hl. Thomas von Aquin über Averroes“ (1468/84), Detail. Thomas thront zwischen Aristoteles und Platon, deren Lehren er miteinander zu verbinden versuchte, vor ihm liegt niedergestreckt der spanisch-arabische Philosoph Averroes. (Phantasieportraits)

Seit dem späten 11. Jahrhundert erlebte die westliche Philosophie einen Aufschwung. Dabei spielte die Verbreitung von übersetzten Werken arabischsprachiger Philosophen, die ihrerseits an antike Traditionen anknüpften, eine wesentliche Rolle. Eines der Hauptthemen war schon im Hochmittelalter der Universalienstreit. Dabei ging es um die Frage, ob Allgemeinbegriffe bloße gedankliche Abstraktionen und Konventionen zum Zweck der Verständigung sind oder ob sie eine eigenständige objektive Realität bezeichnen, wie die platonische Tradition mit ihrer Ideenlehre behauptet. Im Zusammenhang mit dem Universalienstreit setzten sich die Denker auch intensiv mit der Sprachlogik auseinander; es entstand die „spekulative Grammatik“, die nach der Verbindung zwischen einer Theorie der Grammatik und einer Theorie der Wirklichkeit fragt. Viele Philosophen nahmen im Universalienstreit gemäßigte, vermittelnde Positionen ein, darunter Petrus Abaelardus. Dieser trug viel zur Herausbildung der scholastischen Methode der Gegenüberstellung und Abwägung gegensätzlicher Lehrmeinungen bei.

Im 13. Jahrhundert wurden zahlreiche bisher im Westen unbekannte Werke des Aristoteles in neuen Übersetzungen zugänglich; hinzu kamen die Schriften der arabischsprachigen Aristoteleskommentatoren. Sie wurden zur Grundlage des Unterrichtsbetriebs an den Universitäten. So setzte sich der Aristotelismus gegenüber dem bisher vorherrschenden Platonismus bzw. Augustinismus auf breiter Front durch; doch auch die platonische Tradition blieb lebendig. Eine radikale Strömung des Aristotelismus war der Averroismus, der die individuelle Unsterblichkeit leugnete und dadurch in Konflikt mit der Kirche geriet. Besonders Albertus Magnus und sein Schüler Thomas von Aquin sorgten für die Verbreitung des Aristotelismus, der bis tief in die Frühe Neuzeit in der Universitätswissenschaft die maßgebliche philosophische Richtung blieb. Thomas begründete den Thomismus, einen großangelegten Versuch der Zusammenführung aristotelischer Philosophie mit den Lehren der katholischen Kirche.

Roger Bacon forderte eine Erfahrungswissenschaft (im Gegensatz zur Autoritätsgläubigkeit) und war ein Vorläufer neuzeitlichen naturwissenschaftlichen Denkens. Meister Eckhart sah sich als „Lebensmeister“ und betonte die Bedeutung der praktischen Umsetzung philosophischer Erkenntnis im eigenen Lebensvollzug. Im frühen 14. Jahrhundert schlug Wilhelm von Ockham, der prominenteste Vorkämpfer des Nominalismus, in der Erkenntnistheorie, Wissenschaftstheorie und Metaphysik einen neuen Weg („via moderna“) ein. Marsilius von Padua begründete eine neue Staatstheorie, in der sich wichtige Ideen der Neuzeit (Gesellschaftsvertrag, Trennung von Kirche und Staat) ankündigen.

Als Höhepunkt der spätmittelalterlichen Philosophie und zugleich als Übergang zum neuzeitlichen Denken kann die Philosophie des Nikolaus von Kues angesehen werden. Dieser nahm viele Entwicklungen der folgenden Jahrhunderte vorweg: seine Ideen, die von der Unerkennbarkeit Gottes bis zu den Gesetzen und Grenzen der Physik und des menschlichen Wissens reichten, weisen auf spätere Denker wie Immanuel Kant, Isaac Newton oder Albert Einstein voraus.

Frühe Neuzeit

Der Übergang zur Neuzeit wird von der Renaissance und dem Humanismus markiert. Neben der „progressiven“ Philosophie der Renaissance und des Humanismus existierte im 15. und 16. Jahrhundert jedoch weiterhin eine breite Strömung der traditionellen Scholastik.

Albrecht Dürer, Selbstbildnis (1500). Ein Individuum stellt sich selbst in der Pose Christi, des Erlösers, eines Gottes dar: Dies kennzeichnet den fundamentalen Wechsel der Blickrichtung von Gott zum einzelnen Menschen an der Zeitenwende zwischen Mittelalter und Renaissance.

Pico della Mirandola versuchte eine grundsätzliche Übereinstimmung aller philosophischen Traditionen zu erweisen. Johannes Kepler wollte Prinzipien des Platonismus mit neuzeitlicher Naturwissenschaft verbinden. Beeinflusst von Nikolaus von Kues und Kepler lehrte Giordano Bruno die Unendlichkeit des Universums, die Präsenz Gottes in allen Dingen (Pantheismus) und die Existenz der Realität nur in unserer Vorstellung. Diese Lehren führten 1600 zu seiner Hinrichtung durch die Inquisition. Eine neuplatonisch geprägte Naturphilosophie, kombiniert mit unkonventioneller Theologie, vertrat der Arzt Paracelsus. Jakob Böhme begründete eine neuartige Metaphysik. Besonders die politische Philosophie geriet in der Renaissance in Bewegung: Niccolò Machiavellis These, die Ausübung politischer Herrschaft sei nicht unter moralischem, sondern allein unter dem Nützlichkeitsaspekt zu beurteilen, erregt noch heute Anstoß. Eine ganz andere Richtung schlug Thomas Morus ein, der in seiner Utopie (Utopia, 1516) einen Staat mit Bildung für alle, mit Religionsfreiheit und ohne Privateigentum entwarf, womit er einige staatsphilosophische Ideen der Moderne vorwegnahm.

Die Philosophie der Neuzeit war im 17. und 18. Jahrhundert sowohl vom neuen naturwissenschaftlichen Weltbild und den Methoden der Mathematik bestimmt als auch von dem nahezu unerschütterlichen Glauben an die Kraft der Vernunft. Außerdem nahm sie in der Theorie bereits die politischen Umbrüche vorweg, die in der Französischen Revolution gipfeln sollten.

Eine einflussreiche Richtung des Rationalismus, den Cartesianismus, begründete René Descartes. Sein Satz „Ich denke, also bin ich[12], mit dem er den unbezweifelbaren Ursprung aller Gewissheiten gefunden zu haben glaubte, gehört zu den bekanntesten philosophischen Thesen. Der rationalistischen Welterklärung liegen „vernünftige Schlussfolgerungen“ zugrunde. Denker wie Baruch de Spinoza und Gottfried Wilhelm Leibniz entwickelten den cartesianischen Rationalismus in großen metaphysischen Systementwürfen (vgl. Monade) weiter. Diese erkenntnistheoretische Vorgehensweise wurde auf alle Teilgebiete der Philosophie angewendet; man versuchte, selbst die elementaren Grundsätze menschlicher Moral aus „vernünftigen“ Überlegungen abzuleiten, die so zwingend seien wie geometrische Beweise (Ethica, ordine geometrico demonstrata, 1677).

Dem Empirismus verpflichtet waren u. a. Thomas Hobbes, John Locke und David Hume. Bei dem Theorietyp des Empirismus werden nur solche Hypothesen anerkannt, die sich auf „sinnliche Wahrnehmung“ zurückführen lassen. Das Prinzip der Ableitung aller Erkenntnis aus Sinneserfahrungen hat als Grundlage des naturwissenschaftlichen Arbeitens eine überragende Bedeutung bis in die Gegenwart. So ist auch die analytische Philosophie in dieser Denktradition verwurzelt.

In der emanzipatorisch-bürgerlichen Bewegung der Aufklärung wurde die Vernunft zur Grundlage aller Erkenntnis und zum Maßstab allen menschlichen Handelns. Die Aufklärung forderte die Menschenrechte ein und dachte über die Wiederherstellung einer „unverfälschten natürlichen Lebensweise“ nach. Sie trat für staatliche Gewaltenteilung und Mitspracherechte insbesondere des Bürgertums ein. Theoretische Basis dafür war die Idee eines Gesellschaftsvertrags; Verfassungen sollten diese Rechte absichern (z. B. bei Jean-Jacques Rousseau).

Schließlich erarbeitete einer der wichtigsten Philosophen der Neuzeit, Immanuel Kant, seine von vielen Zeitgenossen als revolutionär empfundene Erkenntniskritik. Sie besagt, dass wir nicht die Dinge selbst erkennen können, sondern immer nur deren Erscheinungen, die von dem Instrumentarium, das uns unser Verstand und unsere Sinne immer schon zur Verfügung stellen, geformt werden. Dies bedeute, dass jede Erkenntnis nicht nur von den Sinnen, sondern auch immer zugleich vom Subjekt abhängig sei. Auch Kants weitere Arbeiten u. a. zur Ethik („kategorischer Imperativ“), Ästhetik und zum Völkerrecht (Zum ewigen Frieden, 1795/96), hatten erhebliche Bedeutung für die nachfolgenden Jahrhunderte.

19. Jahrhundert

Ein Teil der Philosophie des 19. Jahrhunderts war in der ersten Jahrhunderthälfte von dem Streben geprägt, die Erkenntnisse Kants zu „vollenden“, zu „verbessern“ oder zu übertreffen. Kennzeichnend für die drei Philosophen des Deutschen Idealismus Johann Gottlieb Fichte, Friedrich Wilhelm Schelling und Georg Wilhelm Friedrich Hegel sind die allumfassenden spekulativen metaphysischen Systeme, in denen das „Ich“, das „Absolute“ bzw. der „Geist“ die Grundlagen der Welt bestimmen.

Adolph von Menzel, „Das Eisenwalzwerk“ (1872/75). Die soziale Katastrophe, die die Industrialisierung für die Lohnarbeiter bedeutete, führte zur Entwicklung philosophischer Theorien, die die Weltgeschichte für 150 Jahre bestimmen sollten.

Eine andere Richtung schlugen empiristisch geprägte Strömungen wie der Positivismus ein, der die Welt allein mit Hilfe der empirischen Wissenschaften, d.h. ohne Metaphysik erklären wollte (Auguste Comte, Ernst Mach). In England erarbeiteten Jeremy Bentham und John Stuart Mill den Utilitarismus, der der Ökonomie und der Ethik durch ein konsequentes Kosten-Nutzen-Konzept und mit der Idee einer Art „Wohlstand für alle“ (das Prinzip des größten Glücks der größten Zahl) wichtige Impulse gab. Die Ökonomie steht neben der Geschichtsphilosophie auch im Mittelpunkt der Philosophie von Karl Marx, der im Anschluss an Hegel und die Materialisten den Kommunismus begründete. Marx forderte, die Umgestaltung der konkreten sozialen Verhältnisse theoretischen Reflexionen vorzuziehen:

Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kommt aber darauf an, sie zu verändern.[13]

Prominente Denker, die neue Wege einschlugen, waren Arthur Schopenhauer, Sören Kierkegaard und Friedrich Nietzsche. Schopenhauer bezog sich noch auf Kant, doch betonte er im Anschluss an die indische Philosophie die Priorität und Übermacht des Willens gegenüber der Vernunft. Seine pessimistische Weltsicht, die von der Erfahrung des Leidens bestimmt ist, geht auch von buddhistischen Vorstellungen aus. Der Ausnahmephilosoph Friedrich Nietzsche, der wie Schopenhauer großen Einfluss auf die Künste hatte, bezeichnete sich selbst als Immoralisten. Für ihn waren die Werte der überkommenen christlichen Moral Ausdruck von Schwäche und Dekadenz. In seinem Spätwerk thematisierte er die Ideen des Nihilismus, des Übermenschen und der „Ewigen Wiederkehr“, der endlosen Wiederholung der Geschichte. Der religiöse Denker Sören Kierkegaard war in mancher Hinsicht ein Vorläufer des Existenzialismus. Er vertrat einen radikalen Individualismus, in dem kein Systemdenken Platz finden kann. Er fragte nicht danach, wie man grundsätzlich richtig handeln könne, sondern wie man sich als Individuum in der jeweils konkreten Situation zu verhalten habe.

20. Jahrhundert

Die Philosophie des 20. Jahrhunderts zeichnet sich durch ein großes Spektrum von Positionen und Strömungen aus, von denen hier nur einige der wichtigsten vorgestellt werden.

Wahrheit und Wissenschaft

Die Moderne ist von einer starken Fortschritts- und Wissenschaftsgläubigkeit geprägt, die erst in der zweiten Hälte des 20. Jahrhunderts erschüttert wird. Die enormen Erfolge der Technik in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts führten zu einem Erstarken positivistischer Positionen. Zum Neopositivismus (Wiener Kreis) wird Rudolf Carnap gerechnet, der einer der Hauptvertreter des logischen Empirismus war. Beeinflusst von Otto Neurath plädierte er dafür, die Philosophie gänzlich durch eine „Wissenschaftslogik“ – d. h. durch die logische Analyse der Wissenschaftssprache – zu ersetzen. Für den Pragmatismus hingegen, als dessen Begründer Charles Sanders Peirce gilt, müssen Theorien unter dem Gesichtspunkt ihrer Brauchbarkeit und Anwendbarkeit in der Praxis beurteilt werden.

Der kritische Rationalist Karl Popper argumentierte, dass wissenschaftlicher Fortschritt vor allem durch Widerlegung einzelner Theorien durch Experimente („Falsifizierung“) geschieht. Seiner Ansicht nach setzen sich in einem evolutionsartigen Selektionsprozess diejenigen wissenschaftlichen Theorien durch, die der Wahrheit am nächsten kommen.

Existenz und Leben
Franz von Stuck, Sisyphus (1920). Der Mythos von Sisyphus ist von Albert Camus verwendet worden, um die vom modernen Menschen empfundene Sinnlosigkeit des Lebens zu versinnbildlichen. Sisyphus nimmt das Absurde seiner Existenz an.

Als Reaktion auf die zunehmende Verwissenschaftlichung aller Lebensbereiche können verschiedene Strömungen der modernen Philosophie verstanden werden, die sich dem Einzelnen und dem Leben zuwenden. So war das Grundverständnis der Lebensphilosophie, dass sich das Werden des Lebens, die Ganzheitlichkeit, nicht allein durch Wissenschaft, durch Begriffe und Logik beschreiben lässt. Henri Bergson etwa sah einen fundamentalen Unterschied zwischen der individuell erlebten Zeit und der analytischen Zeit der Naturwissenschaft. Ähnlich kritisch forderte auch Edmund Husserl, der Begründer der Phänomenologie, dazu auf, sich bei der analytischen Betrachtung der Dinge zunächst an das zu halten, was dem Bewusstsein unmittelbar erscheint, um eine vorschnelle Weltdeutung zu vermeiden. Von großem Einfluss war die Existenzphilosophie seines Schülers Martin Heidegger, dessen Werk von der Frage nach dem Sinn von Sein bestimmt war. Sein Ausgangspunkt war die Analyse der allgemeinen menschlichen Befindlichkeit.

Es gibt nur ein wirklich ernstes philosophisches Problem: den Selbstmord. Sich entscheiden, ob das Leben es wert ist, gelebt zu werden oder nicht, heißt, auf die Grundfrage der Philosophie antworten. Alles andere – ob die Welt drei Dimensionen und der Geist neun oder zwölf Kategorien hat – kommt später. Das sind Spielereien; erst muss man antworten.“ - Albert Camus[14]

Im Anschluss an Heidegger vertrat der Existenzialismus, insbesondere repräsentiert durch Jean-Paul Sartre, die These, dass der Mensch „zur Freiheit verurteilt“ sei. Er müsse mit jeder seiner Handlungen eine Wahl treffen, für die er selbst verantwortlich sei. Für Albert Camus schließlich stand die Sinnlosigkeit einer von Zufall beherrschten, chaotischen Welt fest.

Gesellschaft und Politik

Das 20. Jahrhundert war ein Jahrhundert der sozialen Umwälzungen, der zunehmenden Globalisierung, des kalten Kriegs und des Konflikts der politischen Systeme und Ideologien. Geschichts- und sozialphilosophische Fragestellungen nahmen bis zum vorläufigen Ende des Kommunismus einen breiten Raum in der philosophischen Debatte ein. Ernst Bloch war ein neomarxistischer Philosoph, der sich mit konkreten Utopien und dem Prinzip der Hoffnungen beschäftigte. Im Zentrum seines Denkens stand der über sich hinausdenkende Mensch; der Mensch, die Gesellschaft seien „noch nicht bei sich angekommen“. Seine Philosophie hatte starke Einflüsse auf die deutsche Befreiungstheologie. Herbert Marcuse kritisierte in der Nachfolge von Marx den Kapitalismus als ultimative Krise des menschlichen Wesens, hier sei der Mensch sich selbst entfremdet und erhalte keine Möglichkeit, sich frei zu entfalten. Ebenfalls in marxscher Tradition steht die Kritische Theorie von Theodor W. Adorno und Max Horkheimer, die die gesellschaftlichen Verhältnisse nicht nur hinterfragen, sondern auch gestalten und verändern will.

Epochen und Strömungen der Philosophiegeschichte im chronologischen Überblick

Gegenwart

Die Philosophie der Gegenwart steht vor dem Problem, ihren Gegenstand überhaupt zu erfassen, da eine rückblickende Bewertung der Bedeutung der verschiedenen Ansätze noch nicht vorzunehmen ist.

Seit Ende des 19. Jahrhunderts wird der Sprache eine zunehmend zentrale Stellung in der Philosophie eingeräumt. Ludwig Wittgenstein entwarf ein völlig neues Verständnis von Sprache, die sich als ein unüberschaubares Konglomerat einzelner „Sprachspiele“ erweise. Dabei behandele die Philosophie nur „Scheinprobleme“, d. h. sie heile lediglich „Sprachverwirrungen“. Philosophieren sei also keine „erklärende“ sondern eine „therapeutische“ Tätigkeit:

Die Philosophie ist ein Kampf gegen die Verhexung unseres Verstandes durch die Mittel unserer Sprache.“ - Ludwig Wittgenstein[15]

Die sprachphilosophisch orientierte analytische Philosophie dominiert methodisch an den Universitäten, an denen jedoch trotz allem ein ausgeprägter Pluralismus bezüglich Themen und Strömungen in der Lehre herrscht.

Die Postmoderne (z. B. Gilles Deleuze, Jean-François Lyotard, Jean Baudrillard) ist eine Gegenbewegung zu den Ideen der Moderne und empfindet die Welt als pluralistisch, zufällig und chaotisch. Auch die menschliche Identität schätzt sie als äußerst unstabil ein. Die der Postmoderne nahestehende feministische Philosophie (Judith Butler, Julia Kristeva) arbeitet die Abhängigkeit der Weltinterpretation vom Geschlecht heraus.

In den deutschsprachigen Ländern eher wenig beachtet, stellt auch die Neuscholastik, vor allem der Neuthomismus, weltweit eine wichtige Strömung der Gegenwartsphilosophie dar, seitdem die katholische Kirche diese zum offziellen Lehrinhalt u. a. der Priesterausbildung erhoben hat.

Siehe auch

Gesprochene Wikipedia

  • Teil 1: Begriffsgeschichte, Was ist Philosophie?, Formen des Philosophierens (ältere Artikelversion)
  • Teil 2: Gegenstände der Philosophie, Sinn und Nutzen der Philosophie (ältere Artikelversion)


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Quellen

  1. Platon, Theaitetos 155 D
  2. Aristoteles, Metaphysik I 2, 982 b 12
  3. Carl Friedrich von Weizsäcker, Die Einheit der Natur (1971)
  4. Epikur, Usener Fr. 219
  5. Fragment 35 DK, http://de.wikisource.org/wiki/Fragmente_(Heraklit)
  6. Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft, II 2 2
  7. Vgl. Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Akademie-Ausgabe Kant Werke IV, S. 421, 6.
  8. Vgl. Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Akademie-Ausgabe Kant Werke IV, S. 429, 10-12
  9. Karl Jaspers, Einführung in die Philosophie (1950)
  10. Alfred N. Whitehead, Prozess und Realität (1929), S. 91
  11. Protagoras wird wie folgt von Platon im Theaitetos (152a) zitiert: „Der Mensch ist das Maß aller Dinge. Derjenigen, die sind, so wie sie sind. Derjenigen, die nicht sind, so wie sie nicht sind.
  12. René Descartes, Discours de la méthode (1637) bzw. Meditationes de prima philosophia (1641)
  13. Karl Marx, Thesen über Feuerbach, MEW Bd. 3, S. 535 (1845)
  14. Albert Camus, Der Mythos des Sisyphos, Kap. „Das Absurde und der Selbstmord“ (1942)
  15. Ludwig Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen, S. 109 (1953)

Literatur

Einführungen

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  • Thomas Nagel: Was bedeutet das alles? Eine ganz kurze Einführung in die Philosophie. Nachdruck. Reclam, Stuttgart 2002, ISBN 3-15-008637-X (Kurze, dichte Einführung anhand philosophischer Alltagsprobleme: Sinn des Lebens, Gerechtigkeit usw.)
  • Arno Anzenbacher: Einführung in die Philosophie. 10. Aufl. Herder, Freiburg i.Br. u. a. 2004, ISBN 3-451-27851-0 (Solide, altbewährte Einführung, die historische und systematische Aspekte verbindet)
  • David Papineau (Hrsg.): Philosophie. Eine illustrierte Reise durch das Denken. WBG, Darmstadt 2006, eRef (Wundervoll ausgestattete Einführung eines englischen Professorenteams auf aktuellstem Forschungsstand)
  • Reinhard Brandt: Philosophie. Eine Einführung. Reclam, Stuttgart 2001, ISBN 3-15-018137-2 (Philosophisches Selberdenken auf Grundlage historischer Texte)
  • Rafael Ferber: Philosophische Grundbegriffe. 2 Bde. Beck, München 2003, ISBN 3-406-45654-5 (Einführung in die zentralen Begriffe der Philosophie wie z. B. Wahrheit, Sein)
  • Jay F. Rosenberg: Philosophieren. Ein Handbuch für Anfänger. Klostermann, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-465-01718-8 (Eine „professionelle“ Anleitung zum Philosophieren)
  • Wilhelm Weischedel: Die philosophische Hintertreppe. 34 große Philosophen im Alltag und Denken. 24. Aufl. Nymphenburger (u. a.), München 2003, ISBN 3-485-00863-X (Leicht lesbarer Klassiker der Hinführung zur Philosophie in Anekdoten)
  • Ted Honderich (Hrsg.): The Oxford Companion to Philosophy. 2. Aufl. Oxford University Press, Oxford 2005. (Kompaktes Handbuch aus dem Hause Oxford)

Hilfsmittel/Nachschlagewerke

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Kompakte Lexika
  • Arnim Regenbogen, Uwe Meyer (Hrsg.): Wörterbuch der Philosophischen Begriffe. Meiner, Hamburg 2005, ISBN 3-7873-1738-4 (Preiswerte Sonderausgabe aus Fachverlag)
  • Anton Hügli, Poul Lübcke (Hrsg.): Philosophielexikon. Personen und Begriffe der abendländischen Philosophie von der Antike bis zur Gegenwart. 5. Aufl. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2003, ISBN 3-499-55453-4 (Preiswert, zum schnellen Nachschlagen)
  • Georgi Schischkoff: Philosophisches Wörterbuch. 22. Aufl. Kröner, Stuttgart 1991, ISBN 3-520-01322-3 (Handlich, zuverlässig, aber etwas in die Jahre gekommen)
  • Walter Brugger S.J.: Philosophisches Wörterbuch. 23. Aufl. Herder, Freiburg i. Br. 1998, ISBN 3-451-13638-4 (Klassiker mit christlicher Sicht)
  • Franco Volpi, Julian Nida-Rümelin: Lexikon der philosophischen Werke. Kröner, Stuttgart 1988, ISBN 3-520-48601-6 (Handlich, mit informativen Erstinformationen)
Umfängliche Nachschlagewerke
  • Joachim Ritter, Karlfried Gründer (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie. 12 Bde. Schwabe, Basel u. a. 1971-2004. (Das erschöpfendste Werk seiner Art; 2005 abgeschlossen)
  • Jürgen Mittelstraß (Hrsg.): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Grundwerk in acht Bänden. 2. Aufl. Metzler, Stuttgart 2005, ISBN 3-476-02108-4 (Wissenschaftsorientiert, stark im Bereich Logik und Mathematik; die 2. Aufl. ist bisher in 2 Bänden erschienen)
  • Hans Jörg Sandkühler (Hrsg.): Enzyklopädie Philosophie. 2 Bände, Meiner, Hamburg 1999, ISBN 3-7873-1452-0 (Nur umfassende Artikel)
  • Edward Craig (Hrsg.): The Routledge Encyclopedia of Philosophy. 10 Bde. Routeledge, London 1998. (Das vielleicht beste Nachschlagewerk; auch als einbändige, allerdings sehr knappe Kurzfassung erschienen; außerdem auf CD-ROM erhältlich)
  • Hermann Krings, Michael Baumgartner, Christoph Wild: Handbuch Philosophischer Grundbegriffe. 6 Bde. Kösel, München 1973-74. (Mehrbändiges Handbuch mit umfassenden Artikeln; auch als CD-ROM in 2. Aufl. von 2003 erhältl., ISBN 3-936532-22-2)
Sonstiges

Siehe auch die Literaturangaben im Artikel Geschichte der Philosophie.

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