Zum Inhalt springen

Hannah Arendt

Dies ist ein als lesenswert ausgezeichneter Artikel.
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 23. Mai 2006 um 00:23 Uhr durch Anima (Diskussion | Beiträge) (Abgrenzung und Charakterisierung der totalen Herrschaft). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Hannah Arendt (* 14. Oktober 1906 in Linden, heute Stadtteil von Hannover; † 4. Dezember 1975 in New York) war eine deutsch-jüdische Publizistin und Gelehrte, die seit 1933 in der Emigration lebte und 1951 die Staatsbürgerschaft der USA annahm. Sie war unter anderem als Journalistin und Hochschullehrerin tätig und veröffentlichte wichtige Beiträge zur politischen Philosophie. Gleichwohl lehnte sie es stets ab, als „Philosophin” bezeichnet zu werden, auch der Begriff „politische Philosophie” gefiel ihr nicht, sie bevorzugte „politische Theorie”.

Im Rückblick darf sie dennoch – nicht zuletzt auf Grund ihrer reichen theoretischen Bezüge zu Philosophen wie Sokrates, Platon, Aristoteles, Augustinus, Johannes Duns Scotus, Kant, Kierkegaard, Jaspers und Heidegger sowie den maßgeblichen Vertretern der neuzeitlichen politischen Philosophie wie Macchiavelli, Hobbes, Locke und Montesquieu - als Philosophin gelten. Auch und gerade wegen ihres eigenständigen Denkens, der von ihr entwickelten Theorie zum Totalitarismus, ihrer existenzphilosophischen Arbeiten und ihrer Forderung nach einem sich im „politischen Raum“ entfaltenden freiheitlich und plural grundierten „Handelns“ nimmt sie in der Diskussion der Gegenwart eine bedeutende Rolle ein.

Datei:Hannah Arendt by Fred Stein 2.jpeg
Hannah Arendt

Leben und Werk

Kindheit und Jugend

Hannah Arendt war Tochter säkularer jüdischer Eltern. Sie war tiefer als in ihrer Geburtsstadt Linden in Königsberg verwurzelt: Nicht nur, dass ihre unmittelbaren Vorfahren zu Königsberger Familien gehörten – auch kehrten der schwer erkrankte Vater und die Mutter (geb. Cohn) in die ostpreußische Metropole zurück, als Johanna kaum drei Jahre alt war. Nach dem frühen Tod ihres Vaters (1913) wurde sie von ihrer sozialdemokratisch orientierten Mutter liberal erzogen. Religion stand für sie ganz im Hintergrund, auch wenn Arendt durch die Großeltern noch jüdische Traditionen kennenlernte. Bereits im Alter von 14 Jahren las sie Kants Kritik der reinen Vernunft und Jaspers Psychologie der Weltanschauungen. Sie musste die Schule wegen Differenzen mit einem Lehrer nach einem Schulverweis verlassen, ging anschließend nach Berlin, wo sie ohne formalen Schulabschluss unter anderem die Guardini-Vorlesung zur christlichen Theologie besuchte. In diesem Rahmen beschäftigte sie sich u.a. mit Kierkegaard. Zurück in Königberg, bestand sie nach intensiver Vorbereitung durch Verwandte und Bekannte als externer Prüfling vorzeitig das Abitur.

Studienzeit

Angeregt durch ihren Schulfreund Ernst Grummach nahm sie 1924 in Marburg ihr Studium auf und hörte für ein Jahr Philosophie bei Martin Heidegger und Nicolai Hartmann, Theologie bei dem evangelischen Theologen Rudolf Bultmann, außerdem Griechisch.

Der zwei­fache Familienvater Heidegger und die 17 Jahre jüngere Studentin verliebten sich ineinander; sie wechselte auf sein Zuraten im darauffolgenden Jahr den Studienort und ging für ein Semester zu Edmund Husserl nach Frei­burg im Breisgau. In Hei­delberg schließlich studierte sie ab 1926 Philosophie und promovierte 1928 über den „Liebesbegriff bei Augustin” – ebenfalls auf Heideggers Anregung hin. Ihr Doktorvater indessen war Karl Jaspers, dem sie bis zu dessen Tod besonders freundschaftlich verbunden blieb.

Während Arendt in Marburg wegen ihrer Beziehung zu Heidegger sehr zurückgehalten lebte und lediglich zu ihrem Kommilitonen Hans Jonas, mit dem sie sich angefreundet hatte und viel über Heideggers Philosophie diskutierte, sowie ihren Königsberger Freunden Kontakte hatte, weitete sich ihr Freundeskreis in Heidelberg aus. Dazu gehörten der Psychologe Karl Frankenstein, der Jungianer Erich Neumann und Erwin Loewenson, ein expressionistischer Essayist, zu dem sie auch eine kurze Beziehung hatte.

Ein anderer Kreis und das Thema der Romantik erschloss sich ihr durch die Bekanntschaft und Freundschaft mit Benno von Wiese und die von Jaspers empfohlenen Vorlesungen von Friedrich Gundolf. Für ihre Dissertation wichtig war der ebenfalls zu Jaspers Freundeskreis zählende Neutestamentler Martin Dibelius. Große Bedeutung für Arendt aus der Heidelberger Zeit hatte auch Kurt Blumenfeld, der Geschäftsführer und Hauptsprecher der deutschen Zionistenorganisation, dessen Thema die Erforschung der Judenfrage und der Assimilation war. Auch Hans Jonas fand sich in Heidelberg ein, während er an seinem erstem Buch mit dem Titel Augustinus und das paulinische Problem der Freiheit arbeitete, also einem zur Dissertation von Arendt eng verwandtem Gebiet. Mit Jonas und Blumenfeld verband Arendt eine intensive, langjährige Freundschaft.

Heirat und Beginn der Naziherrschaft

1929 arbeitete Arendt in Berlin an der Veröffentlichung ihrer Dissertation. Dort traf sie Günther Stern, der sich später Günther Anders nannte und zog mit ihm nach wenigen Wochen zusammen, für damalige Verhältnisse ungewöhnlich für eine Frau. Nach neun Monaten heirateten beide in Nowawes bei Berlin. Nach einem kurzen Aufenthalt in Heidelberg zog das Ehepaar für ein Jahr nach Frankfurt. Während Stern an seiner Habilitation arbeitete, schrieb Arendt für die Frankfurter Zeitung und besuchte Seminare bei Paul Tillich und Karl Mannheim, über dessen Buch Ideologie und Utopie sie eine Rezension verfasste. Dabei wandte sie sich gegen Mannheims These, dass das Denken allein im Dienste des Handelns steht. Zugleich begann sie sich mit dem Thema der Berliner Romantik und mit Rahel Varnhagen zu befassen.

Nachdem sich abzeichnete, dass Sterns Arbeit vor dem Hintergrund der marxistisch geprägten musiksoziologischen Auffassung Adornos keine Anerkennung fand, zogen beide wieder nach Berlin. Dort nahm Arendt unterstützt von ihrem Mann die konkrete Arbeit über die deutsche Romantik und insbesondere das Leben Rahel Varnhagens auf. Nach positiven Gutachten von Heidegger, Jaspers und Dibelius wurde die Arbeit unterstützt durch ein Stipendium der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft. In der Auseinandersetzung mit der Frage der Assimilation der Juden und der dennoch bestehenden Ausgrenzung entwickelte sie eine Beziehung zur Judenfrage, der sie anhand des von Max Weber übernommenen Begriffs des Paria weiter nachging. Sie stellte diesem angeregt durch die Schriften von Bernard Lazare den entgegengesetzten Terminus des Parvenu gegenüber.

In Berlin begann sie sich intensiver für Politik zu interessieren, las Marx und Trotzki und knüpfte neue Kontakte an der Hochschule für Politik. Vor dem Hintergrund ihrer Arbeit über Varnhagen schrieb sie eine Rezension über Die Entstehung des deutschen Bildungsprinzips von Hans Weil, veröffentlichte den Artikel zu Aufklärung und Judenfrage und eine weitere Rezension über Das Frauenproblem in der Gegenwart von Alice Rühle-Gerstel, in der sie insbesondere die Doppelbelastung der berufstätigen Frau thematisierte.

Schon 1932 sah sie die Notwendigkeit der Emigration auf sich zukommen, blieb aber zunächst in Deutschland als ihr Mann im März 1933 nach Paris emigierte. Nach dem Reichstagsbrand und den einsetzenden Verfolgungen wurde sie erstmals politisch aktiv.

Vermittelt durch ihren Freund Kurt Blumenfeld war sie für eine zionistische Organisation tätig, um die beginnende Judenverfolgung zu recherchieren. Ihre Wohnung diente Flüchtlingen als Zwischenstation. Sie kam im Juli 1933 kurz in Gestapo-Haft. 1964 sagte sie im Interview mit Günter Gaus dazu: „Wenn man als Jude angegriffen wird, muss man sich als Jude verteidigen.”

Diese Ansicht hatte Arendt bereits 1933 vertreten. Sie stand damit im Gegensatz zu vielen Deutschen mit jüdischem Hintergrund, die sich mit dem Nationalsozialismus arrangieren wollten, die neuen Herrscher manchmal sogar lobten oder die Diktatur zunächst unterschätzten. Als sie las, dass der deutsch-jüdische Germanist Eugen Rosenstock-Huessy Hitler mit Hölderlin verglich, war Arendt davon abgestoßen und wollte mit dieser Art von affirmativen, opportunistischen oder sogar begeisterten Intellektuellen nichts gemein haben. Hieraus resultierte auch der Streit mit Leo Strauss, dessen konservative Auffassungen sie strikt ablehnte, und der bis zur gemeinsamen Zeit als Professoren in Chicago reichte. Ebenso war sie von Heidegger enttäuscht, der bereits 1933 der NSDAP beitrat. Daraufhin hatte sie bis 1950 keinen Kontakt mit Heidegger. Auch die Freundschaft mit Benno von Wiese beendete sie, als er sich frühzeitig dem Nationalsozialismus zuwandte und ebenfalls 1933 Parteimitglied wurde. Diese Erfahrung der tiefen Entfremdung von Freunden beschrieb sie mehrmals in ihren Werken und in ihrer Korrespondenz. Sie ging davon aus, dass es sich um Willensentscheidungen gehandelt hatte, für die der Einzelne verantwortlich war. Noch kurz vor ihrem Tod konstatierte sie, dass gerade viele professionellen Denker bezüglich des Nationalsozialismus nicht in der Lage waren zu denken, zu sprechen, zu urteilen und zu handeln.

Flucht ins Exil und zweite Ehe

Über das tschechische Karlsbad, Genua und Genf emigrierte sie 1933 zunächst nach Frank­reich: in Paris war sie in einer jüdischen Flüchtlingsorganisation aktiv. Hannah Arendt und ihr Mann hatten schon in Berlin unterschiedliche Interessen und Freundeskreise. Er mehr im kommunistischen Umfeld, befreundet mit Bert Brecht, sie immer mehr im Kontakt zu zionistischen und anderen jüdischen Persönlichkeiten. Arendt zog zwar zu Günter Stern, sie unternahmen auch einiges zusammen, wie den Besuch der Seminare von Alexandre Kojève oder Treffen mit anderen Intellektuellen im Exil, doch die Ehe funktionierte nicht mehr und wurde 1937 geschieden.

Ebenfalls 1937 wurde Arendt die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. 1939 glückte es ihr gerade noch, ihre 65-jährige Mutter aus Königsberg in Sicherheit zu bringen. Im Januar 1940 heiratete sie den ehemaligen Kommunisten Heinrich Blücher, der sich zum Kritiker des orthodoxen Marxismus gewandelt hatte. Vom Mai bis Juli 1940 wurde sie im südfranzösischen Lager Gurs interniert. Sie galt als „feindliche Ausländerin”. Nach fünf Wochen gelang ihr mit anderen die Flucht, als die französische Lagerverwaltung die Aufsicht vorübergehend lockerte, nachdem die Wehrmacht Paris besetzt hatte und nach Süden vorrückte. Im französischen Exil verband sie eine enge Freundschaft mit Walter Benjamin.

Immigration in die USA

Im Mai 1941 erreichten Arendt, ihr zweiter Ehemann und ihre Mutter über Lissabon New York. Arendt schrieb seit Oktober 1941 Beiträge für das deutsch-jüdische Magazin Aufbau in New York. Sie wollte das politische Bewusstsein der jüdischen Öffentlichkeit in aller Welt wecken und forderte eine selbständige jüdische Armee als Mitwirkende der Alliierten. Mit diesem Verlangen, das sie bereits vor Beginn der Massenmorde in den den Konzentrationslagern formulierte, konnten sie und ihre Mitstreiter sich nicht durchsetzen.

1944-1946 war sie als Forschungsleiterin der Conference on Jewish Relations tätig. Anschließend arbeitete sie bis 1949 als Lektorin für den Salman Schocken Verlag. Von 1948 bis 1952 leitete sie die Organisation zur Rettung jüdischen Kulturguts, in deren Auftrag sie 1949 und 1950 die Bundesrepublik Deutschland besuchte.

Stellungnahme zu Palästina und Israel

Hannah Arendt schrieb Ende 1948 den Artikel Frieden oder Waffenstillstand im Nahen Osten? (veröffentlicht im Januar 1950). Darin setzt sie sich mit der Geschichte Palästinas und der Gründung des Staates Israel auseinander. Frieden kann demnach nur durch eine Verständigung und faire Vereinbarungen zwischen Arabern und Juden erreicht werden. Sie beschreibt die Einwanderungsgeschichte seit 1907 und betont, dass sich bisher beide Gruppen feindselig gegenüberstanden und sich - auch wegen der Besetzung durch die Türken und später Briten - niemals als gleichberechtigte Partner oder auch nur als Menschen angesehen haben. Während sie die „Heimatlosigkeit“ als größtes Problem der Juden beschreibt, kritisiert sie die meisten zionistischen Führer, die die Probleme der arabischen Bevölkerung übersehen hätten.

Ihre Vision ist ein binationales Palästina auf der Grundlage nicht-nationalistischer Politik, eine Föderation, die möglicherweise sogar andere Staaten des Nahen Ostens umfassen könnte. Die Einwanderung und die Vertreibung eines Teils der arabischstämmigen Bevölkerung stellt demnach eine moralische Hypothek dar, während die auf Gleichheit und Gerechtigkeit beruhenden Kollektivsiedlungen (Kibbuzim) und die Hebräische Universität sowie die Industrialisierung auf der Habenseite stehen. Israel konnte sich von den Gesetzen des Kapitalismus befreien, da es durch Spendengelder aus den USA finanziert wird und daher nicht dem Gesetz der Profitmaximierung unterliegt. Ihre Sorge nach dem gewonnenen Krieg, der Unglück über Juden und Araber gebracht habe und alle jüdisch-arabischen Wirtschaftssektoren zerstört habe, besteht darin, dass Israel eine aggressive expansionistische Politik betreiben könnte. Doch hofft sie auf den universalistischen Geist im Judentum und auf verständigungsbereite Kräfte in den arabischen Staaten. (Israel, Palästina und der Antisemitismus, 1991, S. 39ff). In diesem Kontext zitiert sie sowohl den ersten Präsidenten der Hebräischen Universität Juda Leib Magnes und Vorsitzenden der Gruppe Ihud (Vereinigung) und den libanesischen Politiker und Philosophieprofessor Charles Malik, die beide für eine jüdisch-arabische Übereinkunft zur Lösung des Palästinaproblems eintraten, Magnes 1946 und Malik vor dem Weltsicherheitsrat im Mai 1948. (IuP, 1991, S. 60ff)

Als im Dezember 1948 der ehemalige Führer der anti-britischen Terror-Organisation Irgun Zwi Leumi Menachem Begin New York besuchte, um Spenden für seine neugegründete Cherut-Partei zu sammeln, verfassten 26 Intellektuelle, darunter viele mit jüdischem Hintergrund, einen scharf formulierten Leserbrief, der am 4. Dezember 1948 in der New York Times veröffentlicht wurde. (IuP, 1991, S.117ff). Zu den Unterzeichnern gehörten neben Hannah Arendt u.a. Isidore Abramowitz, Albert Einstein , Sidney Hook und Stefan Wolpe. Sie warnten eindringlich vor dieser Partei und bezeichneten sie als „rechtsradikal“ und „rassistisch“.

An Mary McCarthy schrieb Arendt am 17.Oktober 1969 Israel sei ein eindrucksvolles Beispiel für die Gleichheit der Menschen. Für noch wichtiger hielt sie die „Überlebens-Leidenschaft“ des jüdischen Volkes seit der Antike. Sie äußert die Angst, dass sich der Holocaust wiederholen könnte. Als Rückzugsort und wegen des unausrottbaren Antisemitismus ist Israel notwendig. Arendt betont, dass jede wirkliche Katastrophe in Israel sie mehr berühren würde als fast alles andere.

Formen totalitärer Herrschaft

Direkt nach dem Krieg begann Arendt ein umfassendes Werk über die Ursprünge und Besonderheiten des Nationalsozialismus, 1948 und 1949 ergänzt durch den Stalinismus. Ihre Studien standen zunächst unter dem Arbeitstitel Elemente der Schande: Antisemitismus – Imperialismus – Rassismus. Weitere in Erwägung gezogene Titel waren Die drei Säulen der Hölle oder Eine Geschichte der totalen Herrschaft.

Arendt vertrat die Auffassung, dass die Historiker die Antwort auf die Frage, warum gerade die Juden in das Sturmzentrum der Ereignisse getrieben wurden, bisher erstaunlicherweise schuldig geblieben seien. (1986. S. 31) Ihr Werk beruhte insbesondere auf einer Kritik der Ideologien des 19. Jahrhunders, die die bisherige Geschichtsschreibung hinterfragte und dabei der neuen Qualität, die der „Bruch der Geschichte“ durch die totalitären Bewegungen des Nationalsozialismus und Stalinismus darstellte, näher kam, als bislang gekannte Arbeiten dazu. Das Buch war weder reine Geschichtsschreibung, denn sie kritisierte ausdrücklich das Kausalitätsdenken der meisten Historiker. Ihr Ziel war es vielmehr, eine Analyse der Ursachen und Hauptelemene des Nationalsozialismus vorzulegen unter Berücksichtigung der zugrunde liegenden politischen Verflechtungen.

Das Werk enhielt nach mehreren Zwischenentwürfen die drei Teile Antisemitismus, Imperialismus und Totale Herrschaft. Während Arendt für die beiden ersten Teile in hohem Maße auf vorhandenes historisches und literarisches Quellenmaterial zurückgreifen konnte, musste sie sich den Hintergrund für den dritten Teil neu erarbeiten. „Den muss ich ganz neu schreiben, weil mir dazu wesentliche Dinge, vor allem auch der Zusammenhang mit Rußland, erst jetzt aufgegangen sind.“ (4.9.47 Arendt an Jaspers, 134). 1951 wurde das umfngreiche Buch schließlich unter dem Titel The Origins of Totalitarism veröffentlicht. Die von ihr bearbeitete deutsche Fassung (1955) nannte sie Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft.

Sie stellt die herausragende und vieldiskutierte These auf, dass sich totalitäre Bewegungen jeder Weltanschauung und Ideologie bemächtigen können und sie durch Terror in eine neue Staatsform überführen können. Geschichtlich realisieren konnten dies ihrer Ansicht nach bis 1966 (Edition der dritten und letzten Auflage) der Nationalsozialismus (Rassismus, Antisemitismus) einerseits und der Stalinismus („klassen- und nationslose Gesellschaft“. 1986. S. 706) andererseits.

Anders als andere Autoren, sieht Arendt ausschließlich diese beiden Systeme als totalitär an, nicht aber „Einparteiendiktaturen“ wie den italienischen Faschismus oder das Nachkriegsregime in der DDR. Arendt stellt die neue Qualität der „totalen Herrschaft“ gegenüber den oft mit ihr verwechselten gewöhnlichen Diktaturen heraus. Erstere beziehe sich auf alle Bereiche des menschlichen Lebens, nicht nur auf die politischen. Im Nationalsozialismus habe eine völlige Verkehrung der Rechtsordnung geherrscht. Verbrechen, Massenmorde seien nicht die Ausnahme, sondern die Regel gewesen. „Der Kampf um totale Herrschaft im Weltmaßstab und die Zerstörung aller anderen Staats- und Herrschaftsformen ist jedem totalitären Regime eigen...“ (Elemente... 1962, S.579)

Sie arbeitet heraus, wie vor dem Hintergrund der Massengesellschaft und dem Zerfall der Nationalstaaten durch den Imperialismus traditionelle Politikformen, insbesondere die Parteien, den totalitären Bewegungen unterlegen waren. Ihr Nährboden war bereits vorhanden:

„Totalitäre Propaganda vervollkommnet die Techniken der Massenpropaganda; sie hat sie nicht erfunden, und sie gibt ihr nicht die Themen vor. Diese lagen bereits, sorgsam präpariert in jenen fünf Jahrzehnten, da der Imperialismus den Untergang des Nationalstaates vorbereitete; und der Mob, der in dem gleichen Zeitraum auf der Bildfläche europäischer Politik erscheint, hatte sie bereits vielfach aufgegriffen und genutzt.“ (S. 558)

Laut Arendt neigt neben dem Kommunismus auch der „Antikommunismus“ als „offizielle Gegenideologie“ in der Ära des Kalten Krieges dazu, einen Anspruch auf Weltherrschaft zu entwickeln. (EuE 2005, S.635) Weltmächte hat es bereits mehrmals im Verlauf der Geschichte gegeben, z.B. das Römische Reich. Sie haben nicht immer totalitäre Züge.

US-Staatsbürgerschaft und Stellungnahme zu politischen Ereignissen

1951 erhielt Arendt die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Dies war für sie von ganz besonderer Bedeutung. Unter dem Status der Staatenlosigkeit hatte sie sehr gelitten, weil sie ihn als einen Ausschluss aus der menschlichen Gesellschaft ansah. Die Staatsbürgerschaft bedeutete für sie „das Recht, Rechte zu haben“, und so forderte sie eine Ergänzung zur amerikanischen Verfassung, dass niemand seine Staatsangehörigkeit verlieren dürfe, wenn er dadurch staatenlos werde.

1953 trat sie eine Professur am Brooklyn College (New York) an. In New York wirkte sie 1955 neben Martin Buber u.a. bei der Gründung des Leo Baeck Institute, einer wichtigen Dokumentations- und Forschungsstätte für die Geschichte der deutschsprachigen Juden mit. Die Bestände sind in elektronischer Form im Jüdischen Museum Berlin einsehbar.

In den fünfziger Jahren plante Arendt im Anschluss an die Analyse des Totalitarismus eine Arbeit über den Marxismus. Aus den Vorarbeiten entstanden einige Essays und Vorlesungen. Das Buch wurde jedoch nicht fertig gestellt, weil Arendt in der Auseinandersetzung mit dem Thema die umfassende Berücksichtigung der politischen Philosophie für erforderlich hielt und im Verlaufe der Zeit ihre Aufmerksamkeit auf andere Themenbereiche richtete.

Große Sorge bereitete ihr in dieser Zeit die Verfolgung ehemaliger Kommunisten, Intellektueller und Künstler durch McCarthy und seine Anhänger, während sie den Volksaufstand in Ungarn 1956 äußerst positiv aufnahm. Später verurteilte sie den Vietnamkrieg.

1958 brachte sie ihre große philosophisch grundierte Arbeit:The Human Condition (dt.: Vita activa, 1960) heraus. Im selben Jahr erschien Die ungarische Revolution und der totalitäre Imperialismus (engl.: als Teil der 2. Auflage von The Origins of Totalitarism) und die mit einem aktuellen Vorwort versehene Biographie über Rahel Varnhagen sowie 1961 Between Past and Future (Sechs Essays über das politische Denken) und 1963 Über die Revolution (engl.: On Revolution 1965).

Eichmann-Prozess

Prozessberichterstattung und nachfolgende Kontroversen

1961 nahm sie von April bis Juni als Reporterin der Zeitschrift The New Yorker an dem Prozess gegen Adolf Eichmann in Jerusalem teil. Daraus ging eines ihrer bekanntesten und damals sehr umstrittenen Bücher Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen hervor, welches 1963 veröffentlicht wurde. Adolf Eichmann wurde 1960 in Argentinien vom israelischen Geheimdienst gefasst und nach Jerusalem entführt. Ihre vieldiskutierte Wendung im Hinblick auf Eichmann – die „Banalität des Bösen” – wurde zu einem geflügelten Wort.

„In diesen letzten Minuten war es, als zöge Eichmann selbst das Fazit der langen Lektion in Sachen menschlicher Verruchtheit, der wir beigewohnt hatten – das Fazit von der furchtbaren »Banalität des Bösen«, vor der das Wort versagt und an der das Denken scheitert.” (Eichmann in Jerusalem, 2004, S. 371)

Um das Werk wurden heftige Kontroversen geführt. Insbesondere der Ausdruck Banalität in Bezug auf einen Massenmörder wurde von verschiedenen Seiten, darunter auch von Hans Jonas, angegriffen.

In ihrer Einleitung zur deutschen Ausgabe 1964 erläutert Arendt den Terminus. „...in dem Bericht kommt die mögliche Banalität des Bösen nur auf der Ebene des Tatsächlichen zur Sprache, als ein Phänomen, das zu übersehen unmöglich war. Eichmann war nicht ... Macbeth ... Außer einer ganz ungewöhnlichen Beflissenheit, alles zu tun, was seinem Fortkommen dienlich sein konnte, hatte er überhaupt keine Motive.” (Ausg. 1976, S. 15f.) Niemals hätte er seinen Vorgesetzten umgebracht, er sei nicht dumm gewesen, sondern „schier gedankenlos”. Dies habe ihn prädestiniert, zu einem der größten Verbrecher seiner Zeit zu werden. Dies sei „banal”, vielleicht sogar „komisch“. Man könne ihm beim besten Willen keine teuflisch-dämonische Tiefe abgewinnen. Trotzdem sei er nicht alltäglich. „Daß eine solche Realitätsferne und Gedankenlosigkeit in einem mehr Unheil anrichten können als alle die dem Menschen innewohnenden bösen Triebe zusammengenommen, das war in der Tat die Lektion, die man in Jerusalem lernen konnte. Aber es war eine Lektion und weder eine Erklärung des Phänomens noch eine Theorie darüber.”

In einem Brief an Mary McCarthy (20. September 1969) weist Arendt darauf hin, dass „die Wendung »Banalität des Bösen« als solche steht im Gegensatz zu der vom »radikal Bösen«, die ich [Arendt] im Totalitarismus-Buch benutze.“ (S. 234)

Hinzu kam die Art des Verbrechens, die nicht einfach kategorisierbar wäre. Was in Auschwitz geschah, sei beispiellos gewesen, der vom englischen Imperialismus herkommende Ausdruck „Verwaltungsmassenmord” sei der Sache angemessener als der Begriff „Genozid”.

Debatte über die Rolle der Judenräte

Darüber hinaus wurde Arendt vorgeworfen, die Rolle der Judenräte zu kritisch betrachtet zu haben. Eichmann habe „Kooperation” von den Juden verlangt und sie in „wahrhaft erstaunlichem Maße” erhalten. Auf dem Weg in den Tod hätten die Juden nur wenige Deutsche gesehen. Die Mitglieder der Judenräte hätten von den Nazis eine „enorme Macht über Leben und Tod” bekommen, „so lange, bis sie selbst auch deportiert wurden.” So seien beispielsweise die Transportlisten für Theresienstadt vom Judenrat zusammengestellt worden. „Diese Rolle der jüdischen Führer bei der Zerstörung ihres eigenen Volkes ist für Juden zweifellos das dunkelste Kapitel in der ganzen dunklen Geschichte.” (S.153). Der ehemalige Oberrabiner von Berlin, Leo Baeck, einer der wichtigsten Vertreter der Juden in Deutschland, hatte geäußert, es sei besser für die Juden, über ihr „Schicksal” nicht Bescheid gewusst zu haben, da diese Erwartung des Todes nur noch belastender gewesen wäre. (S. 155)

Diese kurze Passage wurde von vielen jüdischen Organisationen besonders heftig kritisiert. In einem Brief an Mary McCarthy vom 16. September 1963 schreibt Arendt, sie habe gehört, dass die Anti-Defamation League einen Rundbrief an alle New Yorker Rabbiner geschickt habe, am Neujahrstag (Rosh ha Shana, 04.Oktober) gegen sie zu predigen. Bei der erfolgreichen politischen Kampagne gehe es darum, ein „Image“ zu schaffen, dass das wirkliche Buch zudecken werde. Sie fühlte sich machtlos gegenüber der großen Zahl der Kritiker mit Geld, Personal und Verbindungen. (Brief an McCarthy 20. September 1963)

Hannah Arendt sah es als eine „Wohltat” an, vor Gericht den „ehemaligen jüdischen Widerstandskämpfern” zu begegnen. „Ihr Auftreten verjagte das Gespenst einer allseitigen Gefügigkeit ...” (S. 159) In den „Todeslagern” wurden „die direkten Handreichungen zur Vernichtung der Opfer im allgemeinen von jüdischen Kommandos verrichtet” ... „Das alles war zwar grauenhaft, aber ein moralisches Problem war es nicht. Die Selektion .. der Arbeiter in den Lagern wurde von der SS getroffen, die eine ausgeprägte Vorliebe für kriminelle Elemente hatte.” Das moralische Problem sei das „Gran” (kleines Gewicht) Zusammenarbeit bei der Endlösung gewesen. (S. 159f)

Gershom Scholem äußerte sich einige Monate nach Erscheinen des Buches, er vermisste ein abgewogenes Urteil. „In den Lagern wurden Menschen entwürdigt und, wie Sie selber sagen, dazu gebracht, an ihrem eigenen Untergang mitzuarbeiten, bei der Hinrichtung ihrer Mitgefangenen zu assistieren und dergleichen. Und deswegen soll die Grenze zwischen Opfern und Verfolgern verwischt sein? Welche Perversität! Und wir sollen da kommen und sagen, die Juden selber hätten ihren ,Anteil’ an dem Judenmord.” (Der Zeitgeist. Halbmonats-Beilage des Aufbau, No. 208, New York, December 20, 1963, S.17f).

Persönliche Verantwortung versus Kollektivschuld

In ihrem Vortrag: Persönliche Verantwortung in der Diktatur, den sie 1964 und 1965 in der BRD gehalten hat, betonte Arendt erneut, dass die Veröffentlichung lediglich ein „Tatsachenbericht“ war. Ihre Kritiker und Apologeten hätten dagegen Probleme der „Moralphilosophie“ diskutiert. Mit Entsetzen habe sie u.a. vernommen: „Jetzt wissen wir, dass in jedem von uns ein Eichmann steckt.“ Der Mensch sei jedoch ein frei handelndes, für seine Taten verantwortliches Wesen. Schuld haben demnach bestimmte Personen auf sich geladen. Die Idee einer Kollektivschuld lehnte sie entschieden ab. „Wo alle schuldig sind, da ist es niemand... Ich habe es immer für den Inbegriff moralischer Verwirrung gehalten, daß sich im Deutschland der Nachkriegszeit diejenigen, die völlig frei von Schuld waren, gegenseitig und aller Welt versicherten, wie schuldig sie sich fühlten, wohingegen nur wenige der Verbrecher bereit waren, auch nur die geringste Spur von Reue zu zeigen.“

Sie stellte heraus, der Prozess gegen Eichmann sei korrekt abgelaufen. Seine Einlassung, er sei nur ein Rädchen im großen bürokratischen Apparat gewesen, ist für das juristische Urteilen irrelevant, und er wurde mit Recht hingerichtet. Im Nationalsozialismus waren alle Schichten der offiziellen Gesellschaft an den Verbrechen beteiligt. Als Beispiel gibt sie an, dass dem Massenmord eine Reihe antijüdischer Maßnahmen vorangingen, die im Einzelfall gebilligt wurden, „bis eine Stufe erreicht war, daß Schlimmeres überhaupt nicht mehr passieren konnte.“ Die Taten wurden nicht von „Gangstern, Monstern oder rasenden Sadisten begangen, sondern von den angesehensten Mitgliedern der ehrenwerten Gesellschaft“. Folglich sollten diejenigen, die mitmachten und Befehlen gehorchten, nie gefragt werden: „Warum hast du gehorcht?“ sondern: „Warum hast du Unterstützung geleistet?“

Hannah Arendt wies selbst darauf hin, dass sie diese Anforderungen eventuell nicht erfüllt hätte: „Wer hat je behauptet, daß ich, indem ich ein Unrecht beurteile, unterstelle, selbst unfähig zu sein, es zu begehen?“ (Israel, Palästina und der Antisemitismus)

Arabischer Antisemitismus

Weitsichtig sah Arendt den kommenden arabischen Antisemitismus als Fortsetzung nationalsozialistischer Ideen und Taten. „Die Zeitungen in Damaskus und Beirut, in Kairo und Jordanien verhehlten weder ihre Sympathie für Eichmann noch ihr Bedauern, daß er »sein Geschäft nicht zu Ende geführt« habe; eine Rundfunksendung aus Kairo am Tag des Prozessbeginns enthielt sogar einen kleinen Seitenhieb auf die Deutschen, denen jetzt noch vorgeworfen wurde, dass »im letzten Krieg nicht ein deutsches Flugzeug je eine jüdische Siedlung überflogen und bombardiert« hätte.“ (Eichmann, 1986, S. 81)

Späte hebräische Ausgabe

Als im Sommer 2000 endlich in Tel Aviv eine hebräische Ausgabe von Eichmann in Jerusalem als erstes Werk Arendts veröffentlicht wurde, flammte die Diskussion noch einmal auf. Es ging einmal um die Prozessführung, die von Hannah Arendt kritisiert worden war. Ihr wurde in diesem Zusammenhang grundsätzlicher Antizionismus vorgeworfen.[1]

Darüber hinaus wurde, wie schon seit Erscheinen des Buches, ihre Auffassung über die Rolle der Judenräte und der Begriff der „Banalität des Bösen“ abgelehnt.

Berufung an die Universität Chicago und Auszeichnungen

Von 1963 bis 1967 war Hannah Arendt Professorin an der University of Chicago und von 1967 bis 1975 an der Graduate Faculty der New School for Social Research in New York.

In den USA wurde Hannah Arendt mit zahlreichen Ehrendoktoraten ausgezeichnet. Im westlichen Nachkriegs-Deutschland wurden ihr bedeutende Auszeichnungen zuteil: so 1959 der Lessing-Preis der Freien und Hansestadt Hamburg und 1967 der Sigmund-Freud-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt. 1975 erhielt sie den Sonnig-Preis für Beiträge zur europäischen Kultur der dänischen Regierung.

Entfaltung ihres Denkens in den Reden anlässlich der Preisverleihungen

Anlässlich der Verleihung des Lessing-Preises äußerte sich Hannah Arendt in ihrer Rede über Lessing Von der Menschlichkeit in finsteren Zeiten zu ihrer Gesinnung. Im Sinne Lessings sei Kritik stets das Begreifen und Beurteilen im Interesse der Welt, woraus niemals eine Weltanschauung werden könne, „die sich auf eine mögliche Perspektive festgelegt hat.” Nicht das Misstrauen gegen Aufklärung oder Humanitätsglauben des 18. Jahrhunderts erschwere das Lernen von Lessing, sondern das 19. Jahrhundert mit seiner Geschichtsbesessenheit und Ideologieverschworenheit steht zwischen uns und Lessing. Ziel ist das freie Denken „ohne das Gebäude der Tradition” mit Intelligenz, Tiefsinn und Mut. Eine absolute Wahrheit existiert nicht, da sie sich im Austausch mit anderen sofort in eine „Meinung unter Meinungen“ verwandelt und Teil des unendlichen Gesprächs der Menschen ist, in einem Raum, wo es viele Stimmen gibt. Jede einseitige Wahrheit, die auf nur einer Meinung beruht, ist unmenschlich.

1975 betonte sie in ihrer Rede zur Preisverleihung des Sonnig-Preises, wie sehr sie die USA als Rechtsstaat schätze, es handele sich dabei um die Herrschaft der Gesetze (Verfassung der USA) und nicht um diejenige der Menschen. Als amerikanische Staatsbürgerin halte sie dennoch an der deutschen Sprache fest. Sie unterstrich, wie wichtig die Rolle Dänemarks im Zweiten Weltkrieg gewesen sei, als es gelang, durch politischen Druck (auch durch den König) und Druck der öffentlichen Meinung die Juden, die sich in Dänemark aufhielten, vor der Deportation durch die Nazis zu bewahren. „Nirgendwo sonst war das passiert.”

Politisch sprach sich Arendt auf dem Hintergrund des Ungarn-Aufstands für einen Rätegedanken auf der Grundlage der Freiheit des Einzelnen aus, ein staatliches Ideal, wie es auch ihr zweiter Ehemann, ein ehemaliger Kommunist vertreten hatte. Sie ging davon aus, dass jeder Mensch zum Denken und damit zur Politik befähigt ist und der politische Raum nicht für Spezialisten reserviert werden darf.

Zu Fragen der Ethik

Arendt postuliert, dass die Menschen von Natur aus weder gut noch böse sind. Allein das Individuum trägt ihrer Auffassung nach die Verantwortung für seine Taten. Daher müssen Verbrechen aber auch politische „Lügen“ sanktioniert werden. In Staaten mit einer Verfasung, die das politische Leben regelt, ist es für den Einzelnen leichter, sich nach „moralischen Maßstäben“ zu verhalten als in „finsteren Zeiten“. Umso schwerwiegender ist das Denken, Urteilen und Handeln gerade in nichtdemokratischen Herrschaftsformen.

Menschen, die sich politisch interaktiv auf der Grundlage persönlicher Wahrhaftigkeit bewähren, handeln nicht unbedingt moralisch in Bezug auf den privaten Bereich. Sie lehnt den Rückgriff auf Transzendenz oder Gewissen zur Begründung von Moral ab, da sie davon überzeugt ist, dass auf diesen Wegen erzeugte Werte manipulierbar sind. Für sie ist die totale Herrschaft ein System, in dem der bisherige Moralkodex umgedeutet wird.

Denn so wie Hitlers <<Endlösung>> in Wirklichkeit bedeutete, dass die Elite der Nazipartei auf das Gebot <<Du sollst töten>> verpflichtet wurde, so erklärte Stalins Verlautbarung das <<Du sollst falsches Zeugnis reden>> zur Verhaltensregel für alle Mitglieder der bolschewistischen Partei. (EuU 1986, S. 645)

Sie zitiert Kants Kategorischen Imperativ und stellt den Egoismus den Anforderungen des Gemeinwesens gegenüber. Dabei entwickelt sie die Vorstellung einer gemeinschaftlichen Ethik, die immer wieder neu ausgehandelt werden muss. Auch nach der Zeit des Totalitarismus sieht sie eine Hoffnung für die Welt durch jeden Menschen, der geboren wird und einen Neuanfang machen kann.

In ihrer posthum veröffentlichten 1965 gehaltenen Vorlesung: Über das Böse beschäftigt sich Arendt mit einer facettenreichen Definition des Bösen, die das Besondere des Nationalsozialismus mit seinen Vernichtungslagern wie auch das universal Böse umfasst.

Veröffentlichungen und Auftritte in der Öffentlichkeit

Arendts Bücher und Aufsätze sind teilweise in unterschiedlichen Fassungen in englischer und in deutscher Sprache erschienen. Dies trifft beispielsweise auf Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft (1955) und auf Macht und Gewalt (1970) zu. Arendt hat einige ihrer Texte selbst übersetzt und dabei verbessert, andere sind von professionellen Übersetzern übertragen und danach von Arendt korrigiert worden. Einige ihrer Werke hat ihre Freundin Mary McCarthy gegengelesen. Teilweise gab es vor dem Erscheinen der Bücher vorbereitende Artikel in Zeitschriften, vor allem in den USA, der Bundesrepublik Deutschland und in Frankreich. Auch in ihren Vorlesungen hat sie die Themen ihrer Werke aufgegriffen und Passagen vor der Veröffentlichung mit ihren Studenten besprochen, ebenso im Briefwechsel mit ihrem Partner und ihren Freunden. Vorträge, Interviews, die Teilnahme an Tagungen und Diskussionsveranstaltungen, insbesondere in den USA und der Bundesrepublik Deutschland, dienten der Verbreitung ihrer Gedanken.

Die Ausdrucksweise Hannah Arendts ist rational und nüchtern. Häufig werden Begriffe mit anderer als in der Umgangs- oder Wissenschaftssprache üblicher Bedeutung benutzt. Dies erläutert sie einfach und direkt.

Hannah Arendt scheute dennoch Zeit ihres Lebens persönliche Auftritte in der Öffentlichkeit. Dies äußerte sie zuletzt in ihrer Rede zur Verleihung des Sonnig-Preises in Dänemark kurz vor ihrem Tod. Im Brief an ihren Mann Heinrich Blücher vom 8.03.1955 schreibt sie dazu: „Kein Erfolg hilft mir über das Unglück »im öffentlichen Leben« zu stehen, hinweg... Was ich nicht schaffen kann, ist das auf dem Präsentierteller stehen und auf ihm dauernd verbleiben.“ Sie machte einen radikalen Unterschied zwischen „Privat und Öffentlich“ (25.5.1958 ebenda). Ihre Briefwechsel mit verschiedenen Partnern, in denen sie häufig harte Urteile über bekannte Persönlichkeiten fällte, zählte sie wohl zum Privatleben. Vor der Laudatio auf Karl Jaspers, als dieser 1958 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhielt, hatte Arendt zunächst Skrupel die Festrede zu halten, da sie mit Jaspers eng befreundet war.

In dieser Rede in der Frankfurter Paulskirche setzte sie sich mit den Vorstellungen Öffentlichkeit, Person und Werk auseinander: Nach Cicero werde mit einer Laudatio die Würde eines Menschen, die mehr ist als die Summe seiner Werke, gefeiert und zwar nicht nur von Fachkollegen und Experten, sondern von der Öffentlichkeit. Zwar sei in der modernen Zeit das Vorurteil verbreitet, dass nur das von der Person abgelöste Werk das Objektive sei und in die Öffentlichkeit gehöre. Alles Private könne leicht pathetisch wirken. Daher sei es angemessen, nicht das Subjektive und das Objektive, sondern das Subjektive und das Personhafte zu unterscheiden. Das Subjektive an einem Werk, wie beispielsweise der Arbeitsprozess, gehe die Öffentlichkeit nichts an. In Werken, die nicht rein akademisch sind, sondern Resultate lebendigen Handelns und Sprechens, werde eine zwar erkannte aber über das eigene Bewusstsein hinausgehende Personhaftigkeit erscheinen, die römische humanitas, die Kant und Jaspers Humanität nennen. Diese Humanität könne nur erreichen, wer sein Leben, seine Person und das damit verbundene Werk dem Wagnis der Öffentlichkeit auszusetzen bereit sei.

Jaspers habe häufig den akademischen Raum verlassen und sich in der Öffentlichkeit nicht nur philosophisch, sondern auch politisch geäußert. Er habe jedoch nie im Namen einer Gruppe gesprochen. Er suchte den freien Austausch mit anderen, denn nur so sei es möglich vernünftig zu sein. Jaspers habe zur Existenzerhellung auch in Zeiten der Gewaltherrschaft beigetragen, nicht als Vertreter Deutschlands, sondern der Vernunft, die nur zerstört werden könne, wenn der letzte Vernünftige „totgeschlagen“ sei. Arendt vertritt eine Version der geistig - freiheitlichen Person, wenn sie abschließend sagt: „Es ist das Reich der humanitas, zu dem ein jeder kommen kann aus dem ihm eigenen Ursprung. Diejenigen, die in es eintreten, erkennen sich...“

Hannah Arendt hat sich niemals als Marxistin bezeichntet, obwohl sie Marx, anders als den anderen „Ideologen“ des 19.Jahrhunderts „Mut“ bescheinigte und seine Analysen schätzte. Die „Fiktion“ des Kommunismus lehnte sie ausdrücklich ab. Arendt hatte lebenslang keinerlei Bezug zu utopischem Denken. Die Begriffe links und rechts als politische Katergorien kommen in ihrem Werk nicht vor. Sie legte den Schwerpunkt hingegen auf politische Weltanschauungen bzw. Ideologien als Grundlagen für Staaten, die sie danach beurteilt, wieviel politische Freiheit und Rechtsstaatlichkeit dem Einzelnen in der Öffentlichkeit und insbesondere in der Politik zugestanden wird, bzw. er sich mit anderen erkämpfen kann. Dabei unterscheidet sie lediglich drei Herrschaftsformen: Demokratie, Republik, Räterepublik u.ä. als unterschiedlich freiheitliche Systeme, Diktatur bzw. „Tyrannis“ als „normale“ Unterdrückungsregimes und die Totale Herrschaft.

Beziehungen und Freundschaften

Neben ihrer sehr engen Partnerschaft mit ihrem Ehemann, der 1970 verstarb, pflegte sie geistig intensive Freundschaften u.a. mit Mary McCarthy, Karl Jaspers und auch bis zuletzt mit Martin Heidegger. Jedoch hatte letztere einen besonderen Charakter. Während sie sich mehrmals abfällig über Heidegger als Menschen äußerte (beispielsweise in den Briefen an Blücher vom 3.01.1950 und vom 26.10.1959), schätzte sie sein philosophisches Werk ungemein. In den Jahren zwischen 1933 und 1951 hatte sie keinerlei Verbindung zu Heidegger, der der NSDAP angehört hatte. 1951 hat Arendt die Beziehung zu ihm wieder belebt, allerdings blieb sie zeitlebens ambivalent.

Hauptwerke

Arendts Denk- und ihr Lebensweg weisen ein hohes Maß an Übereinstimmung auf. Nach der eher noch traditionell philosophisch orientierten Dissertation über die Liebe bei Augustinus, die sie unter dem Einfluss von Heidegger und Jaspers aus existenzphilosophischer Perspektive schrieb, begann sie mit der biographischen Studie Rahel Varnhagens eine Arbeit, die sich mit dem Versuch der Assimilation der Juden im 19. Jahrhundert auseinandersetzt. Die Erfahrung des Nationalsozialismus führte zur Analyse des Antisemitismus und totalitärer Herrschaft. Das Erleben der politischen Freiheit und der selbstverantwortlichen aktiven Mitwirkung der Bürger am öffentlichen Leben in den USA ließ sie die Theorie des politischen Handelns in Vita activa entwickeln. Ähnlich wie Karl Jaspers hatte sie dabei schon früh die Probleme der Massengesellschaft und des Imperialismus als eine weltweite Ausdehnung des Kapitals im Blick. In ihrem gesamten Werk steht die Verantwortung des Individuums im Zentrum ihrer Überlegungen, im Alterswerk insbesondere sein Denken, Wollen und Urteilen.

Rahel Varnhagen

Hannah Arendt über ihr Buch

Das Manuskript für ihr großes Jugendwerk Rahel Varnhagen Lebensgeschichte einer deutschen Jüdin aus der Romantik hatte Arendt 1929 bis 1933 geschrieben und in Frankreich 1938 die zwei letzten Kapitel hinzugefügt. In einem Brief an Jaspers 1952 bezeichnet sie ihre Arbeit als „Frauenbuch“ (Briefwechsel 1985, S. 332).

Das Werk erschien erst 1958 in englischer Sprache, aus dem Deutschen übersetzt, herausgegeben vom Leo Baeck - Institut. Die deutsche Fassung kam 1959 auf den Markt. Es stützt sich auf veröffentlichte und unveröffentlichte Briefe und Tagebuchaufzeichnungen Rahel Varnhagens, geb. Levi, die Arendt z.T. erstmals auswertete.

In ihrem Vorwort von 1958 wirft sie dem Ehemann Karl August Varnhagen vor, er habe das Material korrigiert, z.T. verstümmelt und Namen geändert, so dass Rahels Umgang weniger „jüdisch“ und mehr „aristokratisch“ erschien.

Arendt betont, sie wolle Personen und Literatur aus der Perspektive Rahels beschreiben, eine „Nacherzählung der Lebensgeschichte“ vorlegen. Sie sah sich als „reflektierendes Sprachrohr des Geschehens“. Die Kritik an der Protagonistin entspricht demnach deren Selbstkritik. Falls sie von einer höheren Warte über Rahel geurteilt habe, so sei ihre Arbeit eigentlich misslungen.

Arendt bezeichnet ihr Werk als einen Beitrag zur Geschichte der deutschen Juden und zwar desjenigen Ausschnitts, der die Problematik der Assimilation (Anpassung) behandelt. Am Beispiel Rahels zeigt sie die Art und Weise, in der die gesellschaftliche und geistige Umwelt sich unmittelbar auf ein persönliches Schicksal auswirkt. Rahels Haltung zur Judenfrage war typisch für einen Teil des gebildeten deutschen Judentums.

Arendt will ihrer Arbeit nicht die Sichtweise der Moderne zu Grunde legen. „Pseudowissenschaftliche“ Methoden wie „Tiefenpsychologie“, „Psychoanalyse“, „Graphologie“ usw. lehnt sie ab. Neben der Biografie enthält das Werk Auszüge aus Rahels Briefen und Tagebüchern. Sie dankt Lotte Köhler für ihre Kontrolle der Zitate und die Zusammenstellung der Bibliographie.

Kampf um Anerkennung

Rahel Levi, geb. 1771, wuchs in Berlin als Tocher reicher Eltern auf, die Teile ihres Vermögens verloren. Als zunächst wenig gebildete, nicht schöne, jüdische Frau hatte sie wenig Chancen, eine soziale Existenz in der Gesellschaft zu erlangen.

In ihrer Jugendzeit forderten viele Vertreter der Aufklärung gleiche Rechte für die seit Jahrhunderten unterdrückten und verfolgten Juden. Von Lessing übernahm Rahel die Auffassung: Auf das Selbstdenken kommt es an.(RV 1981,S.23) Die Vernunft befreit aber nur das Individuum, hat jedoch keinen Einfluss auf historisch gewachsene <Vorurteile> gegen Juden. So fühlte sich Rahel von Geburt an benachteiligt und unglücklich ohne Tradition und Vorbild. Sie konnte auf dieser Grundlage kein Realitätsbewusstsein entwickeln und blieb, so Arendt, bis kurz vor ihrem Tod abhängig von der Bestätigung durch andere.

Arendt beschäftigt sich hauptsächlich mit Rahels Denken und ihrer Stellung in der deutschen Gesellschaft des frühen 19. Jahrhunderts als jüdische kluge Frau mit Witz, die auf unterschiedliche Weise versucht, ihr Judentum abzulegen. Rahels Leben versteht Arendt als Suche nach Heimat, Freundschaft und Liebe in einer selbst ge-schaffenen Welt, die nicht der Wirklichkeit entsprach. Aufgeklärt und auf Vernunft gestützt, war es Rahel gelungen, gleichberechtigten Umgang mit Literaten, Wissenschaftlern und Philosophen zu pflegen, nicht aber Eingang in die deutsche Standesgesellschaft zu finden.

Das Zurückziehen auf die Innerlichkeit, „Schamlosigkeit“ und das Verwischen der Grenzen zwischen „intim“ und „öffentlich“ sind, laut Arendt, Phänomene der Romantik, die die Wirklichkeit der Welt ausblenden und Rahels Haltung verstärkten, durch Verstellung und Umdeutung der Wahrheit zu Ansehen zu gelangen.

In Rahel Levis erstem Berliner Kreis verkehrten viele Geistesgrößen der damaligen Gesellschaft aber auch Louis Ferdinand von Preußen mit seiner Geliebten sowie Schauspieler, die - wie Juden - von der Gesellschaft nicht anerkannt wurden. In den wenigen Stunden der Begegnung fühlte sich Rahel mit allen gleichberechtigt. Standesunterschiede, Religion und Geschlecht spielten hier, so schien es, keine Rolle. Während sich die jüdischen Männer ihren Geschäften widmeten – Rahel bedauert in einem Brief, dass Frauen dieser Bereich nicht zugänglich sei (RV, 1981, S. 287) - , vollzogen die eigentliche gesellschaftliche Assimilation die jüdischen Frauen, die kurzzeitig in der Zeit zwischen den Ghettos und antisemitischen Entwicklungen literarische Salons begründeten. „Gerade weil Juden außerhalb der Gesellschaft standen, wurden sie für kurze Zeit eine Art neutraler Boden, auf dem sich die Gebildeten trafen.“ RV,1981, S.72)

Goethe, wie auch ihre Freunde, stellten Rahel Levis <große Originalität> heraus. Dies wurde jedoch nicht von allen positiv, sondern eher als Stillosigkeit und Unordnung betrachtet. Sie orientierte sich später an Goethe, ohne sich, wie sie schreibt, blindlings von einem Menschen einnehmen zu lassen. „Weil sie Goethe versteht und erst von ihm aus sich versteht, kann er ihr fast die Tradition ersetzen...Goethe vermittelt ihr die Sprache, die sie sprechen kann.“ RV, 1981, S.125f)

Durch Zufall lernte Rahel Levi 1795 den Grafen Karl von Finkenstein kennen. Beide verliebten sich ineinander und verlobten sich. Durch den Aufstieg in den preußischen Adel hoffte Rahel aus dem Judentum herauszukommen. Sie führte Finkelstein in ihren Salon ein, wo ein Adelstitel nichts galt und er wenig Anerkennung fand. Sich auf seine Familie beziehend, die keine jüdische Schwiegertochter akzeptieren wollte, löste Finkenstein die Verlobung. Rahel litt lange unter dieser Niederlage, hatte sie doch gehofft, als Individuum akzeptiert zu werden.

1800 ging Rahel nach Paris, um das Unglück und die Schande hinter sich zu lassen. Sie fiel zunächst in eine Melancholie, lernte aber durch die Liebe den Genuss kennen. Zurück in Berlin, suchte sie Halt in einer deistischen Form der Religion, die weder dem Judentum noch dem Christentum ähnelte.

Eine weitere Liebesgeschichte mit Friedrich Gentz scheiterte an dessen Verrat wegen ihrer jüdischen Herkunft. Auch eine zweite Verlobung mit einem spanischen Adligen, den sie leidenschaftlich liebte, ging in die Brüche, da dieser zwar an ihrem Judentum keinen Anstoß nahm, jedoch ganz bestimmte Vorstellungen über die Unterordnung der Frau unter den Mann hatte. (VS, 1981, S.107)

Aus ihren Erfahrungen zog Rahel den Schluss, die Kunst zu erlernen, nicht die Wahrheit zu sagen, sondern das eigene Leben als Schauspiel darzustellen. Sie beschloss, wie vor ihr schon ihr Bruder, sich fortan Rahel Robert zu nennen, um sich von der jüdischen Identität auch äußerlich zu trennen.

Anfang des Jahrhunderts erschien die erste moderne „Hetzbroschüre“ Wider die Juden, der eine Welle von Antisemitismus folgte. Hannah Arendt vergleicht die Anstrengung von Juden, einzeln in die Gesellschaft aufgenommen zu werden mit den Antisemiten, die jeweils einen „Ausnahmejuden“ kennen. (RV, 1981, S.97)

1806 wurde der Salon infolge des Einmarsches Napoleons geschlossen. Die neuen Berliner Salons, eher politisch-literarische Zirkel, ab 1809 waren exklusiver, vom Adel dominiert, patriotisch und von der Romantik geprägt und hatten wie z. B. die Christlich-deutsche Tischgesellschaft Statuten, die Frauen, Franzosen, Philistern und Juden den Zutritt verboten. „Worauf es ankam war, dass man sich geistig gegen die Aufklärung, politisch gegen Frankreich und gesellschaftlich gegen den Salon zusammenfand. Als direkter Protest gegen den jüdischen Salon der Zeit muss der Ausschluss der Frauen verstanden werden.“ (RV, 1981, S. 136)

Rahel versuchte zunächst, sich Napoleon als Sieger und Vertreter der Aufklärung anzuschließen, während ihre früheren Freunde wachsendem Chauvinismus verfielen und sie immer isolierter dastand. In dieser verzweifelten Situation begegnete sie Fichte und übernahm von ihm eine philosophische Form des Nationalismus. Träger der neuen Welt sei nicht Geschichte oder Stand, sondern die Nation. Dies gab Rahel die Chance dazuzugehören, wenn sie ihre individuelle vorherige Existenz „vernichtete“. Gelingen konnte ihr das nicht, „denn der patriotische Antisemitismus, dem auch Fichte nicht fernstand, vergiftete alle Beziehungen zwischen Juden und Nichtjuden.“ (RV, 1981, S.143)

Gelungene Assimilation?

1908 lernte Rahel den 14 Jahre jüngeren August Varnhagen kennen, einen abgebrochenen Medizinstudenten, der sich mit Philosophie und Literatur beschäftigte, kleinere Werke herausgebracht hatte und freisinnig dachte. Arendt charakterisiert ihn ambivalent als „unoriginell“, „geschmacklos“ und „banal“, jedoch andererseits „bildsam aus Einsicht; er bemüht sich zu verstehen, weil er Vernunft hat“. (RV, 1981, S. 158) Er wird zum „Propheten“ und „Priester“ Rahels, verwaltet ihre Tagebücher und Briefe und möchte ihr dienen und sie begleiten, wird ihr lebenslanger Freund und Geliebter. Wegen der Heirat mit Varnhagen 1814 ließ sie sich auf die Namen Antonie Friederike taufen. Offizielles unterschrieb sie mit diesem Namen, behielt aber ansonsten ihren Vornamen Rahel bei. (RV, 1981, S. 299) Über ihre Ehe schrieb sie 1815, sie sei völlig frei und wahrhaftig bei Varnhagen, sonst hätte sie ihn nie heiraten können. (RV, 1981, S. 280)

Durch die späte Heirat kam sie endlich der ersehnte Assimilation näher und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem sich ihre finanzielle Lage erheblich verschlechtert hatte. Während sie zunächst von ihrer Mutter unterstützt wurde und eine Rente bezog, war sie nunmehr auf freiwillige Zuwendungen ihrer Brüder angewiesen. Varnhagen war zum Zeitpunkt der Eheschließung arm, ohne Namen und ohne Stand. Jedoch hatte er durch die Erfahrungen im Militär 1809 und wiederum 1813/14 Aussichten auf eine kleine diplomatische Position im Dienste Österreichs.

Während des Krieges 1813/14 konnte Rahel sich erstmals praktisch als Deutsche bewähren und ihre neu erworbene Vaterlandsbegeisterung zeigen. Sie kümmerte sich um Verwundete und sammelte Geld. Doch sie lehnte Krieg im Gegensatz zu den meisten ihrer Zeitenossen ab.

Schon 1815 etablierte sich erneut der Antisemitismus offen und stark, 1819 gab es Pogrome in Preußen.

Nunmehr strebte Rahel die Aufnahme in den Adelsstand an. August recherchierte seine Herkunft aus der adeligen Familie von Ense und ließ auf ihre Veranlassung diesen Stand vom Kaiser bestätigen. (RV, 1981, S.196f) Er war zunächst Sekretär auf dem Wiener Kongress, anschließend preußischer Geschäftsträger in Baden, wurde eine Art politischer Schriftsteller und verkehrte in der Funktion Geheimer Legationsrat mit den Honoratioren der Gesellschaft. Seine finanzielle Situation war gut. Trotzdem fühlte sich Rahel weiterhin maskiert und fremd in einer judenfeindlichen Gesellschaft.

In einem Brief an ihre Schwester 1919 spach sie eine weitere Thematik an: sie stellte fest, dass die Frauen ganz von des Mannes und des Sohnes Stand geprägt sind, vielfach nicht als Menschen mit Geist betrachtet werden und die Ehe als höchsten menschlichen Zustand ansehen sollen. „Jeder Versuch,... den unnatürlichen Zustand zu lösen, wird Frivolität genannt.“ (RV, 1981, S. 287f)

Von 1821 bis 1832 führte sie ihren zweiten Salon mit wiederum illustren Gästen wie Heinrich Heine, Hegel, Leopold von Ranke oder Bettina von Arnim. Doch der Salon blieb eine Illusion der Gemeinsamkeit und der Integration. Außerhalb dessen blieben die Varnhagens isoliert und erhielten keine Einladungen zu den angestrebten Kreisen.

Ihren inneren Konflikt drückte Rahel sehr drastisch aus: Was ist es garstig, sich immer erst legitimieren zu müssen! Darum ist es ja nur so widerwärtig, eine Jüdin zu sein!! (RV, 1981, S. 229). Arendt schlussfolgerte:

„Es gibt keine Assimilation, wenn man nur seine eigene Vergangenheit aufgibt, aber die fremde ignoriert. In einer im großen Ganzen judenfeindlichen Gesellschaft – und das waren bis in unser Jahrhundert hinein alle Länder, in denen Juden lebten – kann man sich nur assimilieren, wenn man sich an den Antisemitismus assimiliert.“ (RV, 1981, S. 233).

Juden in Europa waren, auch wenn sie sich assimiliert hatten, Außenseiter, Parias, geblieben, weil sie meistens von großen Teilen des Adels und vor allem vom Bürgertum nicht anerkannt wurden. Zwar konnten die, deren Familien zu Geld gekommen waren, in die Rolle der Parvenus, d.h. Aufsteiger wechseln. Dies war jedoch mit Lüge, Untertanengeist und Heuchelei erkauft. Der Status des unbeliebten Außenseiters wurde auch dadurch nicht überwunden. Einige der Parias wurden zu Rebellen und behielten ihre Identität bei.

Rahel strebte ehrgeizig bis kurz vor ihrem Tod die vollständige Eingliederung in den Gesellschaft als Person an, blieb jedoch in einem Raum zwischen „Paria“ und „Parvenu“ und wurde immer wieder mit der Vergeblichkeit ihrer Wünsche konfrontiert. Sie kannte den Unterschied zwischen Lüge und Wahrheit und litt daran, sich immer wieder verstellen zu müssen.

Erst am Lebensende war Rahel wieder Jüdin und „Paria“ geworden. Sie hatte im Alter die Chance ergriffen, sich mit ihrem Judentum zu versöhnen und die Realität des Antisemitismus, z.B. die Mähr von den Juden, die Brunnen vergiften, klar zu sehen. Als Anhängerin Saint-Simons forderte sie Gleichheit und Rechte ohne Berücksichtigung der Herkunft.

Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft

In ihrem umfangreichsten, vielfach als Hauptwerk bezeichneten, Buch Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft beschäftigt sich Hannah Arendt mit dem Zustandekommen und den Wesensmerkmalen des Nationalsozialismus und des Stalinismus. In der ersten 1951 erschienenen englischen Fassung, sind die Ausführungen über den Stalinismus aber auch die ausführlichere Analyse des Nationalsozialismus noch nicht vollständig. Hannah Arendt hat dieses, auf vielen historischen und literarischen Quellen beruhende Werk, im Laufe der Zeit fortgeschrieben. Die deutsche Fassung 1955 enthielt neuere Quellen. 1958 erschien eine von der Autorin bearbeitete und erweiterte Neuauflage, 1966 schließlich die umfangreichste letzte Edition. Sie schreibt dazu 1966, das ursprüngliche Manuskript sei im Herbst 1949 fertiggestellt worden. (EuU 1986, S.629) Das Werk ist untergliedert in drei Teile: Antisemitismus, Imperialismus und Totale Herrschaft.

Dazu rekonstruiert sie im ersten Teil ihres Buches die Entwicklung des Antisemitismus im 18. und 19. Jahrhundert, im zweiten Teil den Verlauf und die Funktionsweise des Rassismus und des Imperialismus im 19. und frühen 20. Jahrhunderts bis zum Nationalsozialismus und im dritten Teil die beiden Formen totaler Herrschaft auf dem Hintergrund ihrer These der wachsenden Zerstörung des politischen Raums durch die Entfremdung des Individuums in der Massengesellschaft.

Antisemitismus, Imperialismus und Totale Herrschaft

Arendt zeichnet den Zusammenhang des modernen Antisemitismus mit der Entwicklung der Nationalstaaten nach. Eine besondere Rolle in der Entstehung des modernenn Antisemitismus spielt dabei der Rationalismus. Kritisch sieht sie die bürgerliche Wissenschaftsgläubigkeit des 19. Jahrhunderts, z.B. den Darwinismus. Aber auch den Idealismus lehnt sie als Ursprung des nationalsozialistischen „Gesetzes der Natur” ab.

„Wenn es das Gesetz der Natur ist, Schädliches und Lebensuntaugliches zu eliminieren, so wäre es das Ende der Natur überhaupt, wenn neue Kategorien von Schädlichem und Lebensuntauglichem nicht gefunden würden; wenn es das Gesetz der Geschichte ist, dass in einem Kampf der Klassen bestimmte Klassen 'absterben', so wäre das Ende menschlicher Geschichte gekommen, wenn nicht neue Klassen sich ansatzweise bildeten, um dann von den totalitären Machthabern zum 'Absterben' gebracht zu werden. Mit anderen Worten, das Gesetz des Tötens, wonach totalitäre Bewegungen die Macht antreten, bleibt bestehen als ein Gesetz der Bewegung, selbst wenn es ihnen je gelingen sollte, die ganze Menschheit unter ihre Herrschaft zu zwingen.“ (EuU, 1991, S. 709f)

Der Antisemitismus wird hierbei im 18. und 19. Jahrhundert zu einer an den Nationalismus gebundenen irrationalen Ideologie. „Man könnte sagen, daß es das Wesen der Ideologie ist, aus einer Idee eine Prämisse zu machen, aus einer Einsicht in das, was ist, eine Voraussetzung für das, was sich zwangsmäßig einsichtig ereignen soll. Jedoch haben die Verwandlung der den Ideologien zugrunde liegenden Ideen in solche Prämissen erst die totalitären Gewalthaber wirklich vollzogen.“ (EuU S.721)

Eine besondere Bedeutung für die Entwicklung dieser national-völkischen Ideologie sieht Arendt im Imperialismus, den sie mit Bezug auf die Imperialismustheorie Rosa Luxemburgs (EuU, 2005, S. 334) als Grundlage für die weitere Entwicklung des Antisemitismus und des Rassismus untersucht. Während der „nationale“ Antisemitismus den Ausschluss der Juden aus der Nation fordert, geht es dem „imperialistischen“ Antisemitismus nationenübergreifend um die Vernichtung der Juden. Daraus formuliert sie ihre zentrale These zum Verhältnis von Bourgeoisie, Imperialismus und nationalsozialistischer Bewegung:

„Überall widerstanden die Nationalstaatlichen Institutionen der Brutalität und dem Größenwahn imperialistischer Aspirationen, und die Versuche der Bourgeoisie, den Staat und seine Gewaltmittel als Instrumente für die eigenen wirtschaftliche Ziele zu benutzen, waren immer nur halb erfolgreich. Dies änderte sich erst, als die deutsche Bourgeoisie alle ihre Karten auf die Hitlerbewegung setzte in der Hoffnung, dass der Mob ihr die Herrschaft verschaffen werde. Aber da war es bereits zu spät. Zwar gelang es der Bourgeoisie, mit Hilfe der Nazibewegung den Nationalstaat zu zerstören; aber dies war ein Pyrrhussieg, denn der Mob bewies sehr schnell, dass er willens und fähig war, selbst zu regieren, und entmachtete die Bourgeoisie zusammen mit allen anderen Klassen und staatlichen Institutionen.“ (1986. S. 218)

Vor dem Hintergrund der Bedeutung des Imperialismus für den Antisemitismus beschäftigt sich der zweite Teil intensiv mit den Formen des Imperialismus im 19. Jahrhundert. Arendt zeichnet die Zwänge und Funktionsweisen der kapitalistischen Produktion nach und erklärt die Notwendigkeit des Imperialismus für die Nationalstaaten. „Und so kam es, daß zum ersten Mal die politischen Machtmittel des Staates den Weg gingen, der ihnen vom Kapital vorgewiesen war.“ (EuU 1955, S. 225)

Neben der Notwendigkeit zur Expansion führt der Imperialismus gleichzeitig dazu, dass sich das Kapital seiner staatlichen Bindung entzieht. Arendt beschreibt , wie der Imperialismus die politischen Räume der Gesellschaft zersetzt. Sowohl in der Außenpolitik als auch in der Innenpolitik werden Hindernisse, die die Expansion des Kapitals stören, beseitigt. Sie stellt die These auf, dass das Poltische in dem Maße zerstört wird, wie dem Imperialismus keine Grenzens gesetzt werden. „Insgesamt aber ist von dem Element des Antisemitismus im Aufbau der totalitären Herrschafts- und Bewegungsformen zu sagen, dass es sich voll erst im Zersetzungsprozeß des Nationalstaates entwickelte, zu einer Zeit also, als der Imperialismus bereits im Vordergrund des politischen Geschehens stand.“ (EuU 1986, S. 34)

Arendt erweitert den marxistischen Imperialismusbegriff um die Dimension des Rassismus und kritisiert die Reduzierung der Auseinandersetzungen mit dem Kapitalismus auf die rein ökonomischen Fragen: „Die frühzeitige Entdeckung der rein ökonomischen Veranlassungen und Triebfedern des Imperialismus (...) hat die eigentliche politische Struktur, den Versuch nämlich, die Menschheit in Herren- und Sklavenrassen, in <higher and lower breeds>, in Schwarze und Weiße (...) einzuteilen, eher verdeckt als aufgeklärt.“ (EuU, 1955, S. 209)

Sie unterscheidet hier zwei Ausformungen des Imperialismus, den überseeischen und den kontinentalen Imperialismus. Am Beispiel der „Rassengesellschaft“ in Südafrika und des Despotismus im Kolonialismus eines Carl Peters ("Ich hatte es satt, unter die Parias gerechnet zu werden, und wollte einem Herrenvolk angehören.") verdeutlicht sie das Zusammenwirken von Rassismus und Kapitalismus im überseeischen Imperialismus. (EuU, 1986, S. 307f. Rasse und Bürokratie)

Der kontinentale Imperialismus findet seinen Ausdruck im völkischen Nationalismus der „verspäteten Nation“. Besonders die Nationen in Ost- und Mitteleuropa konnten noch auf keine nationale Geschichte zurückblicken. Hier finden nach Arendt diejenigen politischen Kräfte ihre Anliegen wieder, denen es nicht gelang, sich bisher national zu emanzipieren. Sie erläutert in diesem Zusammenhang wie der demokratische Volksbegriff der Aufklärung seitens der völkischen Bewegung abgelehnt und romantisch aufgeladen wird und zeigt auf, wie dieser völkische Nationalismus den Antisemitismus biologistisch, rassistisch werden lässt, den Rassismus antisemitisch und in einem Antisemitismus der Vernichtung mündet. Aus dem Völkischen Nationalismus konnte sich die Ideologie der „Volksgemeinschaft“ entwickeln. (EuU, 1986, S. 277 f. „Völkische Verbundenheit als Ersatz für nationale Emanzipation“, S. 366 f. Der völkische Nationalismus, u.a.)

Totalitäre Regierungen, die im Zuge ihrer Welteroberungspolitik ohnehin trachten mußten, die Nationalstaaten zu zerstören, haben sich ganz bewusst darum bemüht, die staatenlosen Gruppen zu vermehren, um die Nationalstaaten von innen her zu zersetzen." (EuU,1986, S. 426) Die Situation der Flüchtlinge und Staatenlosen, die Zerstörung ihrer rechtlichen und anschließend moralischen Position, wie sie sich den Flüchtlingen in Internierungslager in der Zwischenkriegszeit bis hin zum Vernichtungslager im Nationalsozialismus voll entwickelt zeigt, wird entscheidend für Arendts Analyse totalitärer Politik:

„Denaturalisierung und Entzug der Staatsbürgerschaft gehörten zu den wirksamsten Waffen in der internationalen Politik totalitärer Regierungen, weil sie hierdurch dem Ausland, das innerhalb seiner eigenen Verfassungen unfähig war, den Verfolgten die elementarsten Menschenrechte zu sichern, ihre eigenen Maßstäbe aufzwingen konnten. Wen immer die Verfolger als Auswurf der Menschheit aus dem Lande jagten – Juden, Trotzkisten und so weiter –, wurde überall auch als Auswurf der Menschheit empfangen, und wen sie für unerwünscht und lästig erklärt hatten, wurde zum lästigen Ausländer, wo immer er hinkam.“ (EuU, 1986, S.426)

Arendt verweist auf einen Rundbrief des Auswärtigen Amtes vom Januar 1939, „also kurz nach den Novemberpogromen, an alle deutschen Stellen im Ausland“ . Dort wird ausdrücklich betont, dass es sich bei diesen Verfolgungen nicht so sehr darum handle, die Juden aus Deutschland zu entfernen, als den Antisemitismus in die westlichen Länder, in denen Juden Zuflucht gefunden haben, zu tragen. Die Auswanderung von hunderttausend Juden habe in dieser Hinsicht bereits die erwünschten Resultate gezeigt; Deutschland sei an der Zerstreuung der Juden interessiert, da diese die beste Propaganda für die gegenwärtige deutsche Judenpolitik bilde. Dabei wird darauf hingewiesen, dass es im deutschen Interesse liege, die Juden als Bettler über die Grenzen zu jagen, denn je ärmer der Einwanderer sei, desto größer die Last für das Gastland. (EuU, 1986, S. 426) Arendt verdeutlicht damit ausführlich den Zusammenhang von totaliaristischer Propaganda für den Antisemitismus mittels einer Politik der Entrechtung der Flüchtlinge und der Gebundenheit von Rechten an eine Staatlichkeit:

„Da diese Propaganda der vollendeten Tatsachen bessere und schnellere Resultate erzielen würde als alle Propagandareden zusammen, war offenbar. Denn nicht nur gelang es auf dieser Weise, die Juden wirklich zum Abschaum der Menschheit zu machen, es gelang auch, was ihm großen gesehen ungleich wichtiger für totalitäre Herrschaft war, praktisch, am Modell einer unerhörten Not für unschuldige Menschen, darzulegen, dass solche Dinge wie unveräußerbare Menschenrechte bloßes Geschwätz und dass die Proteste der Demokratien nur Heuchelei seien. Das bloße Wort <Menschenrechte> wurde überall und für jedermann, in totalitären und demokratischen Ländern, für Opfer, Verfolger und Betrachter gleichermaßen, zum Inbegriff eines heuchlerischen oder schwachsinnigen Idealismus.“(1986, S. 426)

Indem Arendt die geschichtliche Entwicklung des vernichtenden Antisemitismus bis zum Nationalsozialismus in den Ursprüngen nachzeichnet, lehnt sie die Sündenbocktheorie sowie die „Ventiltheorie“ als Erklärung ab und verweist auf die Entwicklung des Nationalismus, der den Juden keinen eigenen Platz im Staat einräumte. „Hier sieht es nun in der Tat so aus, als hätten wir die "Sündenböcke" jener Theorien vor uns, und es ist keine Frage, daß hier zum ersten Male eine wirkliche Verlockung besteht, den Antisemitismus als etwas zu erklären, was mit der geschichtlichen Existenz in keinerlei geartetem Zusammenhang steht. Denn an dem, was den Juden schließlich wirklich passierte, ist wohl nicht so grauenhaft einprägsam wie die vollkommene Unschuld aller, die in der Terrormaschine gefangen wurden. Über diesem berechtigten Grauen sollte man nicht vergessen, dass der Terror nur in seinem letzten Stadium sich als die Herrschaftsform des Regimes offenbart und dass diesem Stadium notwendigerweise eine Reihe von Etappen vorangehen müsse, in welchen er sich ideologisch rechtfertigen muß. Die Ideologie also muß erst einmal viele und sogar eine Majorität überzeugt haben, bevor der Terror voll losgelassen werden kann. Für den Historiker ist entscheidend, daß die Juden, bevor sie Opfer des modernen Terrors wurden, im Zentrum der Nazi-Ideologie standen, denn nur der Terror kann sich seine Opfer willkürlich auswählen, aber nicht Propaganda und Ideologie, die Menschen überzeugen und mobilisieren wollen.“ (Vgl. EuU, 1986, S. 30)

Die Frage, warum die Juden als Opfer ausgewählt wurden, beschäftigt Hannah Arendt durchgehend. Bereits in der Einleitung kritisiert sie Aporien der Historiker, die das Bild vom ewigen Juden nicht hinterfragen und in der Suche nach der Schuld der Juden, die sich eben an Hypothesen wie der Sündenbocktheorie bindet, selbst zur antisemitischen Geschichtsschreibung werde:

„... warum gerade die Juden in das Sturmzentrum der Ereignisse getrieben wurden, sind uns die Historiker bisher erstaunlicherweise schuldig geblieben. Zumeist behilft man sich mit der Annahme eines gleichsam ewigen Antisemitismus, den man nicht zu billigen braucht, um ihn als eine natürliche Angelegenheit hinzustellen, dokumentiert aus der Geschichte eines nahezu zweitausendjährigen Judenhasses. Daß die antisemitische Geschichtsschreibung sich dieser Theorie professional bemächtigt hat, bedarf keiner Erklärung; sie liefert in der Tat das bestmögliche Alibi für alle Greuel: Wenn es wahr ist, dass die Menschheit immer darauf bestanden hat, Juden zu ermorden, dann ist Judenmord eine normale, menschliche Betätigung und Judenhaß eine Reaktion, die man noch nicht einmal zu rechtfertigen braucht.“ (1986, S. 31)

So zeichnet Arendt nach, dass die totale Herrschaft durchaus eine passende politische Form für die Massengesellschaft darstellt: „Insofern die totalitären Bewegungen ungeachtet der Herkunft ihrer Führer, den Individualismus sowohl der Bourgeoisie wie des von ihr erzeugten Mobs liquidieren, können sie mit Recht behaupten, daß sie die ersten wirklich antibürgerlichen Parteien in Europa darstellen.” (EuU, 1986, S. 507)

Anhand der terroristischen Staatform des Nationalsozialismus verdeutlicht Hannah Arendt sowohl den radikalen Bruch mit der bürgerlichen Gesellschaft und gleichzeitig die tiefe Verwurzelung der totalitären Herrschaft in der Geschichte Europas, der Ideologie des Antisemitismus und der imperialistischen Entwicklung.

Abgrenzung und Charakterisierung der totalen Herrschaft

Arendt grenzt den Begriff der totalen Herrschaft ein auf den Nationalsozialismus endend mit Hitlers Tod und das System des Stalinismus, das sie von 1929 an bis zu Stalins Tod 1953 in der Sowjetunion verwirklicht sieht. Es handelt sich ihrer Auffassung nach um „Variationen des gleichen Modells“ (EuU,2005, S.640). Ein für totalitäre Regimes ist das Ziel, die Weltherrschaft zu erlangen. Nicht der Staat und die Nation sind für die totalitäre Politik letztendlich wichtig, sondern die Massenbewegung, die sich auf Ideologien, wie den Rassismus oder den Marxismus stützt. Als weitere Kennzeichen dieser Herrschaftsform sieht sie: die Umwandlung der Klassen mit Interessen in fanatisierte Massenbewegungen, die Beseitigung von Gruppensolidarität, das Führerprinzip, millionenfache Morde, die Passivität der Opfer, Denunzierungen sowie die „Bewunderung für das Verbrechen“. Darüber hinaus kommt es zu einer „Selbstlosigkeit“, d.h. Selbstvergessenheit, der Einzelnen in der Bewegung. Das eigene Wohlergehen, die Erfahrungen und der Selbsterhaltungstrieb werden ignoriert. Argumenten sind Anhänger von totalitären Massenorganisationen nicht zugänglich. Dies ist nicht allein auf Demagogie zurückzuführen, sondern auf freiwillige Unterwerfung des Mobs, der außerhalb von Verfassungen, Parteien- und Moralsystemen steht. Totalitäre Führer rühmen sich der Verbrechen, die sie begangen haben und kündigen zukünftige an. Sie beschäftigt sich im Vorwort zum dritten Teil vom Juni 1966 mit der Geschichte Chinas unter Mao Zedong, die zeitweise totalitäre Züge aufweise und äußert die Befürchtung, dass in China das vollständig ausgeprägte System der totalen Herrschaft unmittelbar bevorstehe. Einen Monat vorher hatte die Kulturrevolution in Peking ihren Anfang genommen. Wie stets, zitiert Arendt Quellen, die sie ernst nimmt. Es drohe eine „bourgoise Konterrevolution“ durch „Revisionisten“, „parteifeindliche Elemente in der Partei“, „intellektuelle Klapperschlangen“ und „Giftkräuter“. (EuU, 1986,S.637)

Laut Arendt ist die totale Herrschaft die einzige Staatsform, mit der es keine Koexistenz und keinen Kompromiss geben kann.

Was moderne Menschen so leicht in die totalitären Bewegungen jagt, ... ist die allenthalben zunehmende Verlassenheit. Es ist, als breche alles, was Menschen miteinander verbindet in der Krise zusammen. ... Das eiserne Band des Terrors, mit dem der totalitäre Herrschaftsapparat die von ihm organisierten Massen in eine <entfesselte> Bewegung reißt, erscheint so als ein letzter Halt... (EuU, 1986, S. 978)

Nicht auf der Grundlage des zeitgebundenen veränderlichen aber auch stabilisierenden positiven Rechts, sondern durch direkte Befehle, die die „Gesetze von Natur oder Geschichte “ ... „in furchtbarstem Sinne exekutiert“ handeln totalitäre Machthaber. Während der Glaube der Nazis an Rassegesetze auf der Darwinschen Vorstellung vom Menschen als zufällige Erscheinung der Naturentwicklung beruhe, stützten sich die Bolschewisten auf Marx' Vorstellung vom gigantischen Geschichtsprozess, der seinem Ende entgegenrase und die Geschichte selbst aus der Welt schaffe. Während jedoch der dialektische Materialismus auf den besten Traditionen basierte, sei der Rassismus kläglich-vulgär. Beide Ideologien liefen jedoch auf die Ausscheidung von <Schädlichem> oder Überflüssigem zugunsten des reibungslosen Ablaufs einer Bewegung hinaus. (EuU, 1986, S.948ff)

Totalitäre Propaganda

Intensiv beschäftigt sich Arendt damit, wie die Massen in totalitäre Organisationen eingebunden werden. Ihre Skepsis und Abneigung gegenüber Massengesellschaften zeigt sich auch in ihren positiven Vorstellungen von einer Rätegerepublik. Totalitäre Bewegungen verändern die Realitätswahrnehmung der Gesellschaft und fixieren sie auf universelle Bedeutungen, die ihnen die Bewegung mit den Ideologien von einer „Rassegesellschaft oder eine(r) klassen- und nationslosen Gesellschaft“ (EuU 1986, S. 706) sowie durch Theorien von Verschwörungen gegen die Gesellschaft durch Juden oder Parteifeinde wie Trotzkisten. „In der bolschewistischen Version der totalitären Bewegung finden wir eine merkwürdige Ansammlung von Verschwörungen im Unterschied zu den Nazis, die an einer, der jüdischen Weltverschwörung, festzuhalten pflegten.“ (EuU,1986,S. 559)

„Die Mentalität moderner Massen vor ihrer Erfassung in totalitären Organisationen ist nur zu verstehen, wenn man die Durchschlagskraft dieser Art Propaganda voll in Rechnung stellt. Sie beruht darauf, dass Massen an die Realität der sichtbaren Welt nicht glauben, sie auf eigene, kontrollierbare Erfahrung nie verlassen, ihren fünf Sinnen misstrauen und darum eine Einbildungskraft entwickeln, die durch jegliches in Bewegung gesetzt werden kann, was scheinbar universelle Bedeutung hat und in sich konsequent ist. Massen werden so wenig durch Tatsachen überzeugt, dass selbst erlogene Tatsachen keinen Eindruck auf sie machen.“ (EuU, 1986, S. 559)

Hannah Arendt macht dabei einen Unterschied deutlich, der zwischen der Ideologie und dem Ziel des Terrors totalitärer Bewegungen liegt, die bis dahin neu war und auch heute bei den Historikern nicht durchgehend wahrgenommen wird. Die Ideologie ist in ihren Zielen nicht willkürlich. Die Ideologie ist auch die Vorraussetzung für den Einfluss und die Entwicklung totalitärer Bewegungen. Dagegen kann sich der Terror gegen jeden richten und ist letztlich völlig willkürlich, d.h. niemals an irgendeine sachliche oder kalkulierbare Begründung gebunden: „Für den Historiker ist entscheiden, dass die Juden, bevor sie Opfer des modernen Terrors stellten, im Zentrum der Nazi-Ideologie standen, denn nur der Terror kann sich seine Opfer willkürlich auswählen, aber nicht Propaganda und Ideologie, die Menschen überzeugen und mobilisieren wollen.“ (1986, S. 30)

Für den Nationalsozialismus stellt Arendt die Bedeutung für dieses Phänomen anhand der Protokolle der Weisen von Zion heraus. "Wenn, mit anderen Worten, eine so offensichtliche Fälschung wie die Protokolle der Weisen von Zion von so vielen geglaubt wird, dass sie die Bibel einer Massenbewegung werden kann, so handelt es sich darum, zu erklären, wie dies möglich ist, aber nicht darum, zum hundertsten Male zu beweisen, was ohnehin alle Welt weiß, nämlich, dass man es mit einer Fälschung zu tun hat. Geschichtlich gesehen ist die Tatsache der Fälschung ein sekundärer Umstand." (1986, S. 30). Mit diesem Glauben an die Jüdische Weltverschwörung und ihren modernen Elementen, ließen sich mittels dieses Antisemitismus Antworten auf die Probleme vermitteln, die als Probleme der Moderne für die Massen neu waren: "Wesentlich ist ..., dass sie auf ihrer Manier alle zentralen Fragen unserer unmittelbaren Vergangenheit aufgreifen und auf sie eine, den bestehenden Zuständen entgegengesetzte Antwort geben. ... Es sind die eigentümlich modernen Elemente, denen die Protokolle ihre außerordentliche Aktualität verdanken und die stärker wirken als die viel banalere Beimischung uralten Aberglaubens" (1986, S. 568-569)

Auch im Stalinismus findet sie antisemitische Züge nach nazistischem Vorbild. Der Bezug auf eine jüdische Weltverschwörung im Sinne der Weisen von Zion, die Umdeutung des Begriffs „Zionismus“, die alle nichtzionistischen Organisationen und damit alle Juden einschloss, eignete sich aufgrund der vorhandenen antisemitischen Ressentiments in der Bevölkerung eher zur Verwirklichumg der Ansprüche auf eine Weltherrschaft als der Kapitalismus oder der Imperialismus.(641f)

Arendt betont, dass die totale Herrschaft nicht in einem langwierigen Prozess, sondern plötzlich zusammenbricht und anschließend die meisten ihrer Anhänger die Teilnahme an Verbrechen, ja selbst die Zugehörigkeit zur Bewegung verleugnen.

Die phänomenologischen Beschreibungen der totalitären Herrschaft, insbesondere im dritten Teil ihres Buches, dienten Politikwissenschaftlern dazu, Theorien des Totalitarismus zu entwickeln, die z.T. weit über die strenge Definition Arendts hinausgehen. Außer im Titel der amerikanischen Ausgabe findet der Begriff Totalitarismus in Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft keine Verwendung.

Vita activa

Im Gegensatz zu Heidegger begründete Arendt ihr Denken von der Geburt des einzelnen Menschen her und nicht vom Tod. In ihrem 1958 veröffentlichten, sich hauptsächlich auf Philosophie beziehenden 2. Hauptwerk The Human Condition, in deutscher Sprache unter dem Titel:Vita activa oder Vom tätigen Leben 1960 erschienen, führt Arendt diesen Gedanken aus. Mit der Geburt beginnt die Möglichkeit, einen Anfang machen zu können. Das Individuum hat die Aufgabe, in Verbindung mit anderen Personen die Welt zu gestalten. Dabei geht es ihr um die Grundbedingungen menschlichen Lebens, die sie auf drei „Grundtätigkeiten“: „Arbeiten, Herstellen und Handeln“ beschränkt. Davon unterscheidet sie das „Wesen“ bzw. die „Natur“ des Menschen, die begrifflich nicht zu definieren und menschlicher Erkenntnis nicht zugänglich seien. „Versuche, das Wesen des Menschen zu bestimmen, (enden) zumeist mit irgendwelchen Konstruktionen eines Göttlichen.“ (VA, 2002, S.21)

Alle drei Grundtätigkeiten und die ihnen entsprechenden Bedingungen sind nun nochmals in der allgemeinsten Bedingtheit menschlichen Lebens verankert, dass es nämlich durch Geburt zur Welt kommt und durch Tod aus ihm wieder verschwindet. Was die Mortalität anlangt, so sichert die Arbeit das Am-Leben-Bleiben des Individuums und das Weiterleben der Gattung; das Herstellen errichtet eine künstliche Welt, die von der Sterblichkeit der sie Bewohnenden in gewissem Maße unabhängig ist und so ihrem flüchtigen Dasein so etwas wie Bestand und Dauer entgegenhält; das Handeln schließlich, soweit es der Gründung und Erhaltung politischer Gemeinwesen dient, schafft die Bedingungen für eine Kontinuität der Generationen, für Erinnerung und damit für Geschichte. Auch an der Natalität sind alle Tätigkeiten gleicherweise orientiert, da sie immer auch die Aufgabe haben, für die Zukunft zu sorgen, bzw. dafür, dass das Leben und die Welt dem ständigen Zufluss von Neuankömmlingen, die als Fremdlinge in sie hineingeboren werden, gewachsen und auf ihn vorbereitet bleibt. Dabei ist aber das Handeln an die Grundbedingungen der Natalität enger gebunden als das Arbeiten und Herstellen. Der Neubeginn, der mit jeder Geburt in die Welt kommt, kann sich in der Welt nur darum zur Geltung bringen, weil dem Neuankömmling die Fähigkeit zukommt, selbst einen neuen Anfang zu machen, d.h. zu handeln. (VA 15)

Die Arbeit „entspricht dem biologischen Prozeß des menschlichen Körpers“. Sie dient dem Fortbestand der Gattung. Daher gehört Arbeit notwendig zum menschlichen Leben, aber auch zu dem jedes anderen Lebewesens. Manche Menschen versuchen, sich von der Arbeit zu befreien und sie anderen unterlegenen Personen aufzubürden. Auf diese Weise entstehen Macht, Herrschaft und Abhängigkeit, mit denen sich die Individuen auseinandersetzen müssen. Arbeit ist laut Arendt nicht mit Freiheit verbunden, sondern stellt einen Zwang zur Erhaltung des Lebens dar, dem der Mensch von der Geburt bis zum Tod ständig unterliegt.

Auf der Grundlage der Arbeit, die seine Existenz sichert, beginnt der Mensch über die Endlichkeit seines Daseins nachzudenken. Um dieser Gewissheit zu entfliehen, schafft er sich eine Welt aus Dingen, die er mit „Geist“ und „Kraft“ aus unterschiedlichen Materialien herstellt und die seine Lebenszeit überdauern. Das Wichtige ist hierbei, dass der Mensch sich eine Welt schafft. Er findet sich nicht nur in einer Umgebung wieder, so wie jedes Tier es tut, sondern er baut eine eigene Welt auf. Arendt geht davon aus, dass diese Welt beständig ist. Die einzelnen Artefakte, die sie ausmachen, sind so dauerhaft, dass das Individuum eine Beziehung dazu aufbauen kann. Eine starke Form einer solchen Beziehung stellt zum Beispiel das Gefühl des „nach Hause Kommens“ dar. Ohne gewisse beständige Eigenschaften des „zu Hause Seins“ kann eine Beziehung nicht aufgebaut werden. In einer ständig sich ändernden Welt kann der Mensch sich nicht zu Hause fühlen.

Die von Arendt eingeführte Unterscheidung zwischen „Arbeiten“ und „Herstellen“ bezieht sie auch auf die Produktion. Als Produkte der Arbeit bezeichnet sie Konsumgüter, die „verbraucht“ werden, während Produkte des Herstellens oder Werkens „gebraucht“ werden.

Die dritte Komponente stellt das Handeln dar, das sich zwischen den Individuen abspielt und gleichzeitig die Einzigartigkeit, die Verschiedenheit und Pluralität der Menschen zeigt. Das Handeln ist eine wahrhaft menschliche Eigenschaft. Der einzelne Mensch könnte in einer Gesellschaft überleben, ohne jemals zu arbeiten oder etwas herzustellen. Dies trifft zum Beispiel auf einige der so genannten „Celebrities“ (Berühmtheiten) zu. Jedoch kann der Mensch nicht sein ohne zu handeln. Handeln besteht in sozialer Interaktion, welche für Arendt fundamental ist. Kommunikation, d.h. „Finden des rechten Wortes im rechten Augenblick“ ist bereits Handeln. „Stumm ist nur die Gewalt, und schon aus diesem Grunde kann die schiere Gewalt niemals Anspruch auf Größe machen.“ (VA, 2002, S. 36) Auch wenn dem Einzelnen noch bewusst wäre, dass er ein Mensch ist, so würde er anderen ohne Handlungen nicht als solcher erscheinen. Der für die deutsche Ausgabe gewählte Titel: Vita activa weist auf diesen Gedankengang hin.

Grundvoraussetzung für das Handeln des Menschen ist die Pluralität. Handeln findet im öffentlichen Raum statt. Am klarsten realisiert sah Arendt dies in der griechischen Polis, wo das Arbeiten im privaten Raum des Haushalts (oikos) stattfand - mit allen Implikationen von Zwangsherrschaft -, während das Handeln sich im öffentlichen Raum der Polis auf dem Marktplatz (der Agora) abspielte. Dies war der Ort der Vita activa, der politischen Kommunikation, Gestaltung und Freiheit unter Gleichen. Obwohl Aristoteles die höchste Erfüllung in der Vita contemplativa, in der philosophischen Suche der Weisheit sah, betrachtete er doch den Menschen als politisches Wesen (zoon politikon).

Demgegenüber kam es im Mittelalter zu einer Verschiebung. Die höchste Freiheit für den Menschen lag nun in der auf Gott ausgerichteten Vita contemplativa. Das Herstellen wurde höher bewertet als das Handeln. Der Mensch wurde zum Homo faber, d.h. Erschaffer einer künstlichen Welt. Eine erneute Verschiebung der Werte ergab sich in der Neuzeit. Durch Ausweitung der Ökonomie in den öffentlichen Raum trat die gesellschaftliche Bedeutung der Arbeit immer mehr in den Vordergrund und ist in der modernen Massengesellschaft dominierend geworden. Der Mensch wurde zum Animal laborans. Ziel ist die möglichst hohe Steigerung der Arbeitsproduktivität und die Umwandlung aller Dinge in Konsumgüter. Der Begriff der Gesellschaft umfasst nunmehr auch tendenziell den politischen Bereich. Die Bedeutung des Politischen, des Handelns ist somit in den Hintergrund getreten.

Arendt kritisierte die christlich-abendländische Philosophie. Zwar hätten die meisten Philosophen sich zu politischen Fragen geäußert, aber kaum einer hätte unmittelbar am politischen Diskurs teilgenommen. Als Ausnahme sah sie lediglich Machiavelli. Auch wenn bei Hegel das Politische eine Aufwertung fand, so kritisierte Arendt vor allem die Vorstellung Hegels von der Notwendigkeit der geschichtlichen Entwicklung. Die Idee des Absoluten als Ziel der Geschichte führt zur Ideologie und damit zur Rechtfertigung von undemokratischen Praktiken und schließlich am Ende zu den Formen der totalitären Herrschaft.

Auch das moderne Individuum entfernt sich vom Politischen aufgrund der „radikalen Subjektivität seines Gefühlslebens“, der dauernd wechselnden „Stimmungen und Launen“, die ihn in „endlose innere Konflikte“ verstricken. Die Einzelnen werden gesellschaftlich normiert. Abweichungen von dieser Norm werden als asozial oder anormal verbucht. Es kommt zum Phänomen der Massengesellschaft mit der Herrschaft der Bürokratie. Dabei werden die sozialen Klassen und Gruppierungen nivelliert. Alle Glieder der Gemeinschaft werden mit gleicher Macht kontrolliert. Das Gleichmachen, der Konformismus in der Öffentlichkeit führt dazu, dass Auszeichnungen und Besonderheit zu Privatangelegenheiten von Individuen werden. Große Anhäufungen von Menschen entwickeln die Tendenz zur Despotie, entweder eines Einzelnen oder zum „Despotismus der Mehrheit“. (VA, 2002, S. 51ff)

Auch in der Vorstellung der Geschichtlichkeit als Grundbedingung der menschlichen Existenz bei Heidegger bleibt für Arendt das Denken in der Kontemplation verhaftet. Eine Vita activa erfordert die Fragen nach den Prinzipien des Politischen und den Bedingungen der Freiheit. Als Ansatz hierzu sah Arendt wie Jaspers die Moralphilosophie Kants, bei dem für sie die Frage nach den Bedingungen der menschlichen Pluralität im Vordergrund stand, der nicht nur Staatsmänner und Philosophen betrachtete, sondern alle Menschen als Gesetzgeber und Richter ansah und so zu der Forderung nach einer Republik kam.

In diesem Werk geht Arendt der historischen Wandlung von Begriffen wie Freiheit, Gleichheit, Glück, Öffentlichkeit, Privatheit, Gesellschaft und Politik nach und beschreibt akribisch genau den Bedeutungswandel im jeweiligen Kontext. Dabei ist ihr Bezugspunkt das antike Griechenland, insbesondere zur Zeit des Sokratischen Dialogs. Ihrer Auffassung nach gilt es, die verlorenen Bereiche des Politischen wiederum in der Gegenwart modifiziert zu verankern und damit die Fähigkeiten politisch denkender und handelnder freier Individuen, die versuchen, sich voreinander auszuzeichnen, fruchtbar zu machen. Im Gegensatz dazu sieht sie den verbreiteten Behaviorismus, der darauf abzielt, den Menschen in allen seinen Tätigkeiten „auf das Niveau eines allseitig bedingten und sich verhaltenden Lebewesens zu reduzieren“.

Denken, Wollen, Urteilen

Die 1989 posthum veröffentlichten Werke Das Denken und Das Wollen erschienen 1998 in dem Sammelband Vom Leben des Geistes. Diese Arbeit beruht wiederum auf Vorlesungen, die sie 1973 und 1974 gehalten hat. Der Dritte Teil Das Urteilen wurde nach Vorarbeiten seitens ihrer Nachlssverwalterin Mary McCarthy von dem Politikwissenschaftler Ronald Beiner auf der Grundlage der Manuskripte ihrer Vorlesungen zu Kant zusammengestellt.

Arendt bezieht, wie viele Philosophen vor ihr, Position im Universalienstreit und zwar zugunsten des Nominalismus. In diesem nicht autorisierten posthum veröffentlichten Fragment Das Urteilen. Texte zu Kants politischer Philosophie reflektiert Arendt das Zustandekommen von Urteilen als subjektiv. Sie setzt sich mit Kants Theorie des ästhetischen Urteils in der Kritik der Urteilskraft auseinander, wobei sie das ästhetische Urteil als Vorbild für das politische Urteilen ansieht. Dieses Urteil beruht auf dem Denken ohne die Vermittlung durch einen Begriff oder ein System. Als Beispiel führt Arendt an, wenn man eine Rose als schön bezeichne, so komme man zu dem Urteil, ohne die Verallgemeinerung, dass alle Rosen schön sind und daher diese eine auch. (Das Urteilen, S. 25; vgl. auch S. 89) Es gibt demnach keine Kategorie: Rosen bzw. eine Natur der Rose, vielmehr immer nur die einzelne Rose, die von jeder Person aus ihrer eigenen Perspektive beurteilt wird. Die Erkenntnis der unterschiedlichen Standpunkte bezeichnete sie als „repräsentatives Denken“. Dieses Denken setzte voraus, ohne die eigene Identität aufzugeben, einen Standort in der Welt einzunehmen, der nicht der eigene ist.

Wirkung

Berühmt wurde Hannah Arendt mit ihrem Totalitarismusbuch. Dieses Werk, das heute zum Standard politischer Bildung gehört, brachte ihr einerseits viel Zustimmung ein. „Sie war die erste Theoretikerin, die das Phänomen des Totaltarismus als eine in der Menschheitsgeschichte völlig neue Form politischer Macht verstand.“ (Seyla Benhabib, S. 9) Sie wurde nach dem Erscheinen des Buches zu vielen lukrativen Vorträgen und Vorlesungen eingeladen. Vor allem in der populären Rezeption des Werkes in der Zeit des Kalten Krieges, die die totalitären Herrschaftsformen des Nationalsozialismus und des Stalinismus nicht ursächlich betrachteten, sondern in ihren rein äußerlichen Symptomen verglichen und darüber gleichsetzten, geriet es immer wieder in die Kritik von eher orthodoxen Teilen der politischen Linken. Gleichzeitig wurde auch in der Linken nicht nur die grundlegende Beschäftigung mit der Genese des Nationalsozialismus geschätzt, sondern auch der frühe Versuch, die Verbrechen des Stalinismus zu analysieren und zu kritisieren. Insbesondere in den USA und in Frankreich gab es Debatten, die die Entwicklung der undogmatischen Neuen Linken beförderten.

Ihr Lehrer Jaspers bezeichnete das Buch im Vorwort zur dritten Auflage als „Geschichtsschreibung im großen Stil“. Es sei mit den Mitteln historischer Forschung und soziologischer Analyse erarbeitet. Das Werk gibt „die Einsicht, durch welche eine philosophische Denkungsart in der politischen Wirklichkeit erst urteilsfähig wird“. Arendt erteile keine Ratschläge, sondern vermittele Erkenntnisse, die der Menschenwürde und Vernunft dienen.

In den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts verursachte ihre Reportage über den Eichmann-Prozess in Jerusalem heftige Kontroversen (s.o.). Die Memoiren Eichmanns (Wojak, 2004), die seinen starken eigenständigen Antisemitismus zeigen, standen Hannah Arendt bei der Verfassung der Zeitungsberichte und des Buches noch nicht zur Verfügung. Heute wird in einem großen Teil der Rezeption darauf hingewiesen, dass Arendt Eichmanns Antisemitismus als Motiv aus diesem Grund unterschätzt habe. Auch gegenwärtig noch wird diese Arbeit teilweise heftig kritisiert oder ignoriert, findet aber auch - wie alle Werke Arendts - mehr und mehr Anerkennung und Aufmerksamkeit.

In den siebziger Jahren hat „Jürgen Habermas Übereinstimmungen seiner Theorie kommunikativen Handelns mit Arendts Theorie der Macht entdeckt und den Begriff »kommunikative Macht« geprägt.“ (Brunkhorst, S. 150) Habermas hält aber Distanz zu „Arendts Aristotelismus und … zu ihrer Kritik an der Französischen Revolution.“ (ebd.) Die Habermas-Schüler Helmut Dubiel, Rödel und Frankenberg haben in »Die demokratische Frage« (1990) versucht, „mit Hilfe von Arendt das Demokratiedefizit der älteren kritischen Theorie zu reparieren.“ (ebd.)

Nach Brunkhorst begann die große Wirkung von Hannah Arendt in den achtziger Jahren, als die civil society (zivilisierte Gesellschaft, Zivilgesellschaft) auf der Tagesordnung stand. Anlass war einerseits die neoliberale Politik Ronald Reagans und Margaret Thatchers und andererseits die Politik der alten Sowjetunion.

Benhabib fragt sich, wie die Arendt-Renaissance zu erklären ist. „Nach dem Fall des autoritären Kommunismus und seitdem die marxistische Theorie weltweit den Rückzug angetreten hat, erwies sich Hannah Arendts Denken als die kritische politische Theorie des posttotalitären Augenblicks.“ (Benhabib, 1998 S. 18) Auch für die moderne Frauenbewegung sei Arendt „ein beeindruckendes und geheimnisvolles Vorbild, eine unserer »früheren Mütter «.“ (Benhabib, S. 21) Die feministische Bewegung in der 70er und 80er Jahren hatte sich hingegen kaum auf Arendt bezogen.

Arendt wurde häufig vorgehalten, sie unterschätze die sozialen Fragen. 1972 entgegnet sie in einem Gespräch mit Freunden darauf, beispielsweise der Wohnungsbau sei eine Frage der Verwaltung, die organisatorisch gelöst werden könne (Ich will verstehen, S.77ff). Sie selbst hat ihr, radikal Traditionen und Weltanschauungen infrage stellendes Denken, ausdrücklich auf das Politische beschränkt.

Es existiert keine philosophische oder politologische Schule, die sich auf Hannah Arendt bezieht. Ihr weit verzweigtes Werk bietet sich dazu an, eklektizistisch passende Versatzstücke für die Begründung der eigenen Position herauszugreifen. Da sie, anders als viele bedeutende intellektuelle Zeitgenossen, nach eigener Auskunft niemals Sozialistin oder Kommunistin, andererseits aber auch nicht durchgängig Zionistin war und in kein anderes Schema hineinpasste, gab es lange Zeit nur wenige Wissenschaftler, wie z.B. Ernst Vollrath[2], die ihr Gesamtwerk ernst nahmen. Dies hat sich in den letzten Jahren grundlegend geändert. In den Zeiten der Postmoderne wird ihr individuelles „Denken ohne Geländer“ eher geschätzt.

Erbe

Seit 1994 wird der Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken, finanziert von der Stadt Bremen und der Heinrich-Böll-Stiftung, vergeben.

Das Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung e.V. an der Technischen Universität Dresden arbeitet seit 1993. Es will nach der Erfahrung von 60 Jahren Diktatur explizit Diktaturen mit totalitärem Verfügungsanspruch untersuchen. Historiker und Sozialwissenschaftler sollen auf empirischer Grundlage die politischen und gesellschaftlichen Strukturen von NS-Diktatur und SED-Regime analysieren. Die Hannah-Arendt-Forschung gehört dagegen nicht vorrangig zu den Zielen des Instituts.

In Zürich, wo Hannah Arendt 1958 den Vortrag Freiheit und Politik gehalten hat, fanden 1996 bis 2000 jährliche Hannah-Arendt-Tage statt, die sich - jeweils unter einem anderen Blickwinkel - mit ihrem politischen Denken befassten.

An der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg wurde 1999 das Hannah-Arendt-Zentrum gegründet. Es verfügt über ein Archiv mit großen Teilen aus Arendts Nachlass. Außerdem werden Hannah Arendt Studien als Buchreihe herausgegeben. Hinzu kommen Tagungen und andere Veranstaltungen zu den Werken Hannah Arendts und allgemein zur Geistesgeschichte des vorigen Jahrhunderts.

Ihre Philosophie ist die Grundlage für den Roman Fever der Französin Leslie Kaplan. Das fiktionale Werk stellt eine literarische Umschreibung von Arendts Gedanken über die Zwischenmenschlichkeit und Kommunikation, über Freiheit und Schuld dar.

Zitat

„Das den Nürnberger Prozessen zugrunde liegende Londoner Statut hat, wie bereits erwähnt, die »Verbrechen gegen die Menschheit« als »unmenschliche Handlungen« definiert, woraus dann in der deutschen Übersetzung die bekannten »Verbrechen gegen die Menschlichkeit« geworden sind – als hätten es die Nazis lediglich an »Menschlichkeit« fehlen lassen, als sie Millionen in die Gaskammern schickten, wahrhaftig das Understatement des Jahrhunderts.” (Eichmann in Jerusalem 2004, S. 399)

Werke

Bücher, Essays u.a. Schriften

  • Der Liebesbegriff bei Augustin. Versuch einer philosophischen Interpretation. (Berlin, 1929), 1959 (Neuausgabe Philo Verlagsges. 2003 ISBN 3865723438)
  • We Refugees. Menorah Journal, 1943, dt.Wir Flüchtlinge, In: Zur Zeit (hg. Von Marie Luise Knott), Berlin 1986
  • Denktagebuch 1950–1973. Hrsg. von Usula Ludz und Ingeborg Nordmann, 2 Bände, Piper Verlag München & Zürich, 2002 ISBN 3-492-04429-8
  • The Origins of Totalitarianism. New York, 1951 (dt. Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, Frankfurt, 1955; 10. Aufl. Piper, München, 2003 ISBN 3-492-21032-5)
  • Eichmann in Jerusalem: A Report on the Banality of Evil. New York 1963 (dt. Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen, München, 1964; 14. Auflage Piper, München, 1986 ISBN 3-492-20308-6)
  • The Human Condition, Chicago: University Press 1958 (dt.: Vita activa oder Vom tätigen Leben, Stuttgart: Kohlhammer 1960; München: Piper 1967, 3. Aufl. 2002 ISBN 3-492-23623-5)
  • Über die Revolution (On Revolution. New York 1963), Piper, 4. Aufl. München 2000, ISBN 3-492-21746-X
  • Macht und Gewalt, 1975; 16. Aufl. Piper, München, 1995 ISBN 3-492-20001-X
  • Rahel Varnhagen: The Life of a Jewess. London 1958, (dt. Rahel Varnhagen: Lebensgeschichte einer deutschen Jüdin aus der Romantik. München, 1959; Piper, München, 2003 ISBN 3-492-01038-5)
  • Zwischen Vergangenheit und Zukunft. Übungen im politischen Denken I, 1949; Piper, München, 2. Aufl. 2000 ISBN 3-492-21421-5; darin: Die Krise in der Erziehung
  • In der Gegenwart. Übungen im politischen Denken II, 2000, ISBN 3492229204
  • Was ist Politik?, Piper, München, 1993; 2. Auflage 2003 ISBN 3-492-23770-3
  • Ich will verstehen, 1996; Piper, München, 2005 ISBN 3-492-24591-9
  • Zur Zeit. Politische Essays, 1999, darin: Das „deutsche Problem”, hrsg. und mit einem Nachw. von Marie Luise Knott, Rotbuch, Hamburg 1999, ISBN 3-434-53037-1
  • Die verborgene Tradition, Suhrkamp, Ffm. 1976 ISBN 3518368036; Jüdischer Verlag, 2000 ISBN 3633541632; darin: Sechs Essays, 1948
  • Besuch in Deutschland, 1950; Rotbuch Verlag 1993 ISBN 3880227977
  • Vom Leben des Geistes. Band 1: Das Denken; Band 2: Das Wollen (ISBN 3492225551), 1979; Band III: Das Urteilen. Texte zu Kants politischer Philosophie. (ISBN 3492225608), 1985
  • Was ist Existenz-Philosophie?. Verlag Anton Hain
  • Walter Benjamin / Bertolt Brecht. Zwei Essays. Piper Verlag, München, ISBN 3-492-100-12-0
  • Nach Auschwitz. Essays und Kommentare, Bittermann, 1989 ISBN 3923118813
  • Israel, Palästina und der Antisemitismus. Aufsätze, Hrsg. Eike Eisel, Klaus Bittermann, aus dem amerikanischen Englisch, 1991, Verlag Klaus Wagenbach, Berlin ISBN 3-8031-2196-5
  • Vor Antisemitismus ist man nur noch auf dem Monde sicher: Beiträge für die deutsch-jüdische Emigrantenzeitung "Aufbau" 1941 – 1945, hrsg. von Marie Luise Knott, Piper, München 2004, ISBN 3-492-24178-6
  • Menschen in finsteren Zeiten, hrsg. von Ursula Ludz (engl.: Men in Dark Times, New York, 1968), Piper, München 2001, ISBN 3-492-23355-4
  • Über das Böse. Eine Vorlesung zu Fragen der Ethik, München, 2006, ISBN 3-492-04694-0 (engl. Responsibility and Judgment) Einleitung
  • Klaus Naumann: Hannah Arendt und die Exkommunisten. Ein Text von Hannah Arendt, Kommentar Klaus Naumann. Mittelweg 36, 1993, Nr. 2

Korrespondenz, Reden und Interviews

  • Hannah Arendt und Heinrich Blücher: Briefe 1936–1968, Piper, München, 1999; 2. Aufl. 2002 ISBN 3-492-03885-9
  • Hannah Arendt und Kurt Blumenfeld, ... in keinem Besitz verwurzelt. Die Korrespondenz, hrsg. v. Ingeborg Nordmann und Iris Pilling, Hamburg, 1995
  • Hannah Arendt und Karl Jaspers, Correspondence, 1926–1969, hrsg, v. Lotte Köhler und Hans Saner, New York 1992 (dt.: Briefwechsel 1926–1969 Piper, München, 2001 ISBN 3-492-21757-5)
  • Karl Jaspers: Wahrheit, Freiheit und Friede. Hannah Arendt:Karl Jaspers. Reden zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 1958, Piper-Verlag, München
  • Hannah Arendt und Mary McCarthy, Between Friends: The Correspondence of Hannah Arendt and Mary McCarthy, 1949–1975, hrsg. v. Carol Brightman, New York, 1995 (dt.: Im Vertrauen. Briefwechsel 1949-1975, München 1995. ISBN 3-492-22475-X)
  • Hannah Arendt und Gershom Scholem, Eichmann in Jerusalem: Exchange of Letters between Gershom Scholem and Hannah Arendt. In: Encounter 22/1 (1964), S. 51–56, deutsch in: Neue Zürcher Zeitung 19.10.1963
  • Hannah Arendt und Hermann Broch, Briefwechsel 1946–1951, Frankfurt, Jüdischer Verlag, 1996; 2. Aufl. 2000 ISBN 3633541136
  • Hannah Arendt und Martin Heidegger, Briefe 1925–1976, Klostermann, Frankfurt, 1998; 3. durchgesehene und erweiterte Auflage 2002 ISBN 3465032055
  • Hannah Arendt - Uwe Johnson, Der Briefwechsel 1967 – 1975, hrsg. von Eberhard Fahlke und Thomas Wild, Suhrkamp, Frankfurt/Main 2004, ISBN 3-518-41595-6
  • Gespräche mit Hannah Arendt. Hrsg. Adelbert Reif. München 1979
  • Von der Menschlichkeit in finsteren Zeiten, Rede am 28. September 1959 bei der Entgegennahme des Lessing-Preises der Freien und Hansestadt Hamburg, Mit einem Essay von Ingeborg Nordmann, EVA, Hamburg 1999, ISBN 3-434-50127-4
  • Die Sonning-Preis-Rede Kopenhagen 1975, in: Text und Kritik. Zeitschrift für Literatur, Hrsg. Heinz Ludwig Arnold, 166/167, Hannah Arendt,IX/05, ISBN 3-88377-787-0

Literatur

  • Richard Albrecht, Politik und mehr: Zum 20. Todestag einer politischen Wissenschaftlerin; in: liberal, 38 (1996) 1, 91-94; ders., Politische Philosophie und/als philosophische Politik (2005); [3]
  • Seyla Benhabib: Hannah Arendt. Die melancholische Denkerin der Moderne, 1998, Originaltitel: The Reluctant Modernism of Hannah Arendt. 1996
  • Karl-Heinz Breier: Hannah Arendt zur Einführung, Hamburg: Junius 2005, 2. überarb. Auflage, ISBN 3-88506345X
  • Hauke Brunkhorst: Hannah Arendt. becksche reihe denker, Verlag C.H. Beck, herausgegeben von Otfried Höffe, ISBN 3-406-41948-8, Originalausgabe
  • Fransisco Budi Hardiman: Die Herrschaft der Gleichen. Masse und totalitäre Herrschaft. Eine kritische Überprüfung der Texte von Georg Simmel, Hermann Broch, Elias Canetti und Hannah Arendt. Frankfurt/M. u.a. (Peter Lang) 2001. ISBN 3631379293 (= Diss. München 2001)
  • Margaret Canovan: Hannah Arendt: A reinterpretation of her political thought, Cambridge University Press 1992, ISBN 0-521-41911-5
  • Elżbieta Ettinger: Hannah Arendt – Martin Heidegger (stark feuilletonistisch)
  • Joachim Fest: Begegnungen. Über nahe und ferne Freunde. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, September 2004, ISBN 3-498020889, darin Portraits von Hannah Arendt, Sebastian Haffner, Ulrike Meinhof, Dolf Sternberger, Wolf Jobst Siedler, Arnulf Baring, Golo Mann, Joachim Kaiser, Rudolf Augstein und anderen mit dem Autor Joachim Fest. Ein ausgesprochen oberflächliches Buch in Bezug auf H.A., Fest mokiert sich nur über ihre Beziehung zu Heidegger, keine Erkenntnisse zum Eichmann-Thema.
  • Paolo Flores d' Arcais: Libertärer Existenzialismus. Zur Aktualität der Theorie von Hannah Arendt. Verlag Neue Kritik, Frankfurt/Main, 1997. ISBN 3801502538
  • Daniel Ganzfried, Sebastian Hefti (Hrsg.):Hannah Arendt. Nach dem Totalitarismus. eva wissenschaft, Hamburg 1997, ISBN 3-424-52003-1 . Auswahl der Symposiumsbeiträge anlässlich der Hannah Arendt Tage in Zürich 1996
  • Ingeborg Gleichauf:Hannah Arendt. dtv, 2. Aufl. 2005 (Bibliographie aktuell, sonst identisch mit 1. Aufl.)
  • Antonia Grunenberg:Arendt. Herder Spektrum, Freiburg, Basel, Wien 2003. ISBN 3-451-04954-6
  • Barbara Hahn, Hannah Arendt - Leidenschaften, Menschen und Bücher, Berlin Verlag 2005, ISBN 3827005612
  • Phillip Hansen: Hannah Arendt: Politics, History and Citizenship, Standford: Standford Univ. Press: 1993, ISBN 0-8047-2145-9
  • Wolfgang Heuer: Hannah Arendt. Rowohlts Bildmonographie, Reinbek, 7. Aufl. 2004, mit aktuellen Lit.angaben bis 2003 (Primär- und Sekundärlit.) ISBN 3-499503794
  • Wolfgang Heuer: Citizen: Persönliche Integrität und politisches Handeln: Eine Rekonstruktion des politischen Humanismus Hannah Arendts, Berlin: Akademie Verlag 1992, ISBN 3-05-002189-6
  • Leslie Kaplan: Fever. Ein philosophischer Roman nach Hannah Arendts Eichmann-Buch u.a. Gedanken. (Siehe auch Reinhard Finck: Stumm ist nur die Gewalt für einen Vergleich der beiden Autorinnen)
  • Peter Kemper (Hrsg.): Die Zukunft des Politischen, Ausblicke auf Hannah Arendt, Frankfurt: Fischer Taschenbuch V. 1993, ISBN 3-596-11706-2
  • Oliver Marchart: Neu beginnen. Hannah Arendt, die Revolution und die Globalisierung., Verlag Turia + Kant, 2005, ISBN 3-85132-421-8
  • Waltraud Meints, Katherine Klinger (Hrsg.): Politik und Verantwortung. Zur Aktualität von Hannah Arendt. Hannover 2004. ISBN 3-930345-43-9
  • Maurizio Passerin d'Entrèves: The political philosophy of Hannah Arendt, London & New York: Routledge 1994, ISBN 0-415-08790-2
  • Alois Prinz: Beruf Philosophin oder die Liebe zur Welt. Die Lebensgeschichte der Hannah Arendt. Beltz & Gelberg, Weinheim und Basel 1998, ISBN 3-407-78879-7
  • Adelbert Reif (Hrsg.): Hannah Arendt, Materialien zu ihrem Werk, Wien: Europaverlag 1979, ISBN 3-203-50718-7
  • Gershom Scholem: Wir waren beide nicht dabei, in: „Der Zeitgeist”. Halbmonats-Beilage des Aufbau, No. 208, New York, December 20, 1963, P. 17/18.(auch bek. unter dem Titel „Sie haben mich mißverstanden. Antworten auf Kritiken ...”)
  • Kurt Sontheimer: Hannah Arendt. Der Weg einer großen Denkerin. München: Piper Verlag, 2005, ISBN 3-49204-382-8
  • Jakob Stefan Seitz: Hannah Arendts Kritik der politisch-philosophischen Tradition – unter Einbeziehung der französischen Literatur zu Hannah Arendt. Herbert Utz Verlag Wissenschaft, München 2002, ISBN 3-831601682
  • Gary Smith (Hrsg.): Hannah Arendt Revisited: „Eichmann in Jerusalem” und die Folgen, edition suhrkamp 2135
  • Christian Volk: Urteilen in dunklen Zeiten. Eine neue Lesart von Hannah Arendts „Banalität des Bösen”. 2005 Lukas, Berlin. ISBN 3-936872-54-6 Die Einleitung ist auf der Verlagsseite online lesbar.
  • Stefan Vogt: Gibt es einen kritischen Totalitarismusbegriff? In: jour fixe initiative berlin (Hg.): Theorie des Faschismus - Kritik der Gesellschaft.
  • Irmtrud Wojak: Eichmanns Memoiren. Ein kritischer Essay, Campus Verlag, Frankfurt am Main/New York 2001 ISBN 3-5933-6381-X, Fischer Taschenbuchverlag, Frankfurt a. M., 2004, ISBN 3-596-15726-9, ähnlich F. Kettner: Dossier Eichmannn[4]
  • Elisabeth Young-Bruehl: Hannah Arendt. Leben, Werk und Zeit. 2004, Fischer Verlag, ISBN 3-596-16010-3
  • Linda M.G. Zerilli: Einsicht in die Perspektive. Nach dem Ende aller Maßstäbe: Hannah Arendts Überlegungen zu demokratischen Urteilskraft sind von ungebrochener Aktualität, in: Frankfurter Rundschau. 7. Januar 2006

Zum 30. Todestag

Siehe auch

Commons: Hannah Arendt – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien