Griechisch-Türkischer Krieg
Der Griechisch-Türkische Krieg bezeichnet mehrere Kriege zwischen Griechenland und der Türkei von 1821 bis 1923. Dabei ging es zunächst um die Unabhängigkeit Griechenlands vom Osmanischen Reich und später beschreibt es den Kampf Griechenlands von 1919 bis 1923 unter der Führung von Eleftherios Venizelos gegen die türkischen Besatzungsmächte in Konstantinopel und Klein Asien. Die Auseinandersetzungen fanden ihren Höhepunkt im Unabhängigkeitskrieg der Türken und in der Kleinasiatischen Katastrophe im Jahre 1923.
Vorgeschichte
Mit der Eroberung von Konstantinopel durch die Osmanen unter Mehmed II. herrschten die Osmanen von 1453 bis 1830 über die Griechen. Viele griechisch besiedelte Regionen kamen teilweise erst im Laufe dieser Zeitspanne unter osmanische Herrschaft. Mit der Schwächung des Osmanischen Reiches und dem Erstarken des griechischen Nationalbewusstseins kam es am Anfang des 19. Jahrhunderts zu einer Unabhängigkeitsbewegung auf dem Gebiet des heutigen Griechenlands, sodaß am 25. März 1821 die Revolution in Patras gegen die osmanischen Okkupanten erklärt wurde. Die Griechen konnten in folgedessen das Gebiet des damalig genannten Morea heute Peleponnes befreien und erklärten Nafplion zur ersten Hauptstadt des kontemporären Griechenlands. 1827 erhielt Griechenland seine Verfassung. Weitere Gebiete Mittelgriechenland konnten innerhalb kurzer Zeit von den Osmanen befreit werden, sodaß 1832 Athen zur neuen Hauptstadt erklärt wurde. 1888 kam durch den Vertrag von Berlin Thessalien dazu. Im Balkankrieg von 1912/1913 konnte Griechenland gegenüber dem Osmanischen Reich weitere große Landgewinne verzeichnen Makedonien, Kreta, Epirus und Thrakien. Siehe auch: Türkisch-Griechischer Krieg
Erster Weltkrieg und Befreiung der seit der Antike griechischen Gebiete Kleinasiens
Hauptartikel: Türkischer Befreiungskrieg
Griechenland schloss sich im Ersten Weltkrieg unter dem Eindruck der Schlacht von Gallipoli erst sehr spät, am 27. Juni 1917, der Entente an. Nach dem Sieg über das Osmanische Reich und seine Verbündeten wurden große Gebiete des Osmanischen Reiches unter den Siegermächten "aufgeteilt". Griechenland erhielt nach dem Vertrag von Sèvres das Völkerbundmandat über Smyrna (heute İzmir) und das östliche Thrakien. Nach den Plänen des Vertrages sollten daneben ein unabhängiger armenischer Staat im Nordosten und ein kurdischer Staat im Südosten entstehen. Die arabischen Besitztümer des Reiches wurden Frankreich und Großbritannien unterstellt. Italien wurde der Süden der Türkei zugesprochen. Letztlich sollte die Türkei auf eine kleine Region um Ankara beschränkt sein.
Dieser Vertrag wurde von der Regierung des Osmanischen Reiches unterzeichnet. Die sich abzeichnende oppositionelle Bewegung unter Mustafa Kemal lehnte die Bedingungen des Vertrages ab. Ziel von Mustafa Kemal war die Gründung eines modernen Nationalstaates, der auf die "Kernregionen" der türkisch besiedelten Gebiete im Osmanischen Reich begrenzt war und damit alle imperialen Gebietsansprüche in Arabien, im Kaukasus und auf dem Balkan aufgab.
In der damaligen Zeit war unter den national gesinnten Griechen die Idee der Megali Idea (Μεγάλη Ιδέα), sehr populär (vergleiche andere nationalistische Ideen wie Panturkismus, Panslawismus). Demnach sollten alle griechisch besiedelten Gebiete in Anatolien und auf dem Balkan in einem großen Nationalstaat vereinigt werden. Die griechische Regierung beschloss daher, gegen das kriegsgeschwächte Osmanische Reich einen Feldzug zu starten. Ziel war die Befreiung von Gebieten in Westanatolien und Thrakien mit hohen griechischen Bevölkerungsanteilen. Aber auch Konstantinopel (heute İstanbul) sollte wieder befreit und eventuell später zur neuen alten Hauptstadt gemacht werden.
Zunächst waren die griechischen Soldaten, die mit Waffen und Material von Großbritannien unterstützt wurden, auch siegreich. Es kam dann zur erbittert geführten Schlacht am Pontos im Nordwesten Anatoliens, bei der die Türken unter Mustafa Kemal mit Hilfe deutscher Truppen einen ethnischen Völkermord an den Zivilisten verübten (355.000 Tote - Ereignisse mit Höhepunkt den 19.Mai 1919). Die türkische Offensive startete am 24. August 1922 und erreichte am 30. August 1922 ihren Höhepunkt, als die griechischen Linien von den türkisch-deutschen Truppen durchbrochen wurden. Aufgrund dieses Sieges zogen sich alle griechischen Truppen aus Anatolien zurück.
Kleinasiatische Katastrophe
Am 9. September 1922 geschah nun das, was Griechen die "kleinasiatische Katastrophe" nennen. Mustafa Kemal Pascha, in Thessaloniki geboren, eroberte mit seinen Truppen Smyrna (İzmir). Die griechische Bevölkerung und auch die armenische Bevölkerung, die dem Völkermord an den Armeniern während des Ersten Weltkrieges als einzige in Kleinasien durch die Intervention des deutschen Generals Liman von Sanders entkommen waren, wurde getötet bzw. aus der Stadt vertrieben. Kurz zuvor war noch ein Teil der griechischen Bevölkerungsmehrheit unter z.T. dramatischen Umständen von englischen Schiffen aus der Stadt evakuiert worden; Schriftsteller wie der Literaturnobelpreisträger Giorgos Seferis machten diese Ereignisse zum Gegenstand ihrer Dichtung.
Die Folgen des verlorenen Krieges waren schwerwiegend: Zehntausende von Griechen mussten auch aus dem Pontos fliehen (355.000 Tote pontische Griechen durch Exekution), viele starben auf der Flucht. Das Griechentum in Kleinasien, das eine über 2.500 Jahre alte Geschichte besaß, wurde beendet.
1923 wurde im Vertrag von Lausanne ein Austausch der Bevölkerung der Region durch den forcierten Bevölkerungsaustausch beschlossen. Dadurch wurde die unfreiwillige Umsiedlung von ca. 1,5 Millionen Griechen und 500.000 Türken völkerrechtlich legitimiert. Durch den Zuzug der Griechen aus dem anatolischen Festland hatte Griechenland eine Flüchtlingsquote von ca. 25% zu bewältigen.
Die meisten der 500.000 Türken, die umgesiedelt wurden, siedelten zuvor in Nord-Griechenland, Makedonien und auf den ägäischen Inseln. Ausnahmen wurden nur für die Türken im westlichen Thrakien und für die Griechen in Konstantinopel sowie auf den vorgelagerten Inseln Imbros und Tenedos gemacht. Viele der ausgenommenen Griechen folgten jedoch später ihren zuvor vertriebenen Landsleuten, besonders nach den Pogromen an Griechen im September 1955, so dass die griechische Gemeinde in Istanbul heute auf wenige tausend Mitglieder geschrumpft ist. Die türkische Gemeinde in Thrakien hat sich hingegen sogar vermehrt.
Die damaligen Ereignisse bedeuten für viele Griechen bis heute ein Trauma und sind eine Hauptursache für die teils bis heute schwelenden Ressentiments zwischen beiden Völkern, etwa auf Zypern. Tragischerweise wurden auch orthodoxe Türken wie die Karamanlı ihrer 1000jährigen Heimat beraubt.
Siehe auch: Liste von Kriegen, Liste von Schlachten
Literatur
- Louis de Bernières: "Traum aus Stein und Federn", Frankfurt am Main 2005. ISBN 3-10-007125-5