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Horst Köhler

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Bundespräsident
Prof. Dr. Horst Köhler

Horst Köhler (* 22. Februar 1943 in Skierbieszów, Polen, damals so genanntes Generalgouvernement) (CDU) ist seit dem 1. Juli 2004 Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland. Er war bis zum 4. März 2004 Geschäftsführender Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF).

Biografie

Host Köhler wurde am 22. Februar 1943 in Skierbieszów (dt.: Heidenstein) im damaligen Generalgouvernement (heute Woiwodschaft Lublin, Polen), als deutschstämmiger Bauernsohn und siebtes von acht Kindern geboren. Seine Eltern, Eduard Köhler und Elisabeth Köhler geb. Bernhard, lebten ursprünglich als Bessarabiendeutsche in Ryschkanowka bei Belz im damals rumänischen Bessarabien (heute Moldawien). Nachdem das Gebiet im Sommer 1940 durch militärische Besetzung an die Sowjetunion fiel (als Folge des Hitler-Stalin-Paktes), wurden Köhlers Eltern mit anderen Volksdeutschen im Herbst 1940 aus Bessarabien zunächst in das Deutsche Reich umgesiedelt. Dort lebten sie nahezu zwei Jahre in einem Lager. Im August 1942 siedelte man seine Eltern wieder auf einem eigenen Hof im von Deutschland besetzten Generalgouvernement (Polen) in Skierbieszów nahe der Kreishauptmannschaft Zamość im Distrikt Lublin an. Am 18. März 1944 wurde die Mutter mit dem knapp einjährigen Kind Horst und drei weiteren Geschwistern in ein Auffanglager in Litzmannstadt (Łódź) im Warthegau verbracht. Grund waren die zunehmenden Partisanenüberfälle. Der Vater verblieb, wie alle in der Landwirtschaft tätigen Männer, auf dem zugewiesenen Ansiedlungshof zum Weiterführen der Landwirtschaft und Einbringen der Ernte, bis die Rote Armee im Juli 1944 anrückte. Von Litzmannstadt aus flüchtete die gesamte Familie im Januar 1945 beim erneuten Näherrücken der russischen Front in Richtung Westen bis nach Markkleeberg-Zöbigker bei Leipzig. Dort versuchten seine Eltern erneut, eine bäuerliche Existenz aufzubauen. Als die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft drohte, entschloss sich die Familie Köhler Ostern 1953, die DDR zu verlassen. Die Flucht ging diesmal über West-Berlin in die Bundesrepublik Deutschland. Bis 1957 lebte Horst Köhler mit seiner Familie in Flüchtlingslagern, bis sie in Ludwigsburg eine Wohnung erhielten. Horst Köhler betrachtet Ludwigsburg als seine Heimat, am dortigen Eduard-Mörike-Gymnasium machte er auch 1963 sein Abitur (mit lauter Vierern). In seiner Jugend war er Pfadfinder.

Er diente dann zwei Jahre als Zeitsoldat bei einem Panzergrenadierbataillon in Ellwangen und ging als Leutnant der Reserve ab. Von 1965 bis 1969 studierte Köhler an der Universität Tübingen Volkswirtschaftslehre und Politikwissenschaften und wurde 1969 Diplom-Volkswirt. In Tübingen wurde Köhler Mitglied der Studentenverbindung Normannia, aus der er am Ende seines Studiums austrat. Von 1969 bis 1976 war er am dortigen Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung wissenschaftlicher Referent. 1977 schloss er dort seine Dissertation mit dem Thema „Freisetzung von Arbeit durch technischen Fortschritt“ ab. Nach über 20-jähriger Tätigkeit in anderen Bereichen (Finanz- und Währungspolitik, siehe unten) wurde er im Herbst 2003 an der Universität Tübingen, gleichzeitig mit Wilhelm Rall, zum Honorarprofessor ernannt.

Von 1976 bis 1980 war er im Bundesministerium für Wirtschaft in Bonn in der Grundsatzabteilung tätig. 1981 wurde Horst Köhler Mitglied der CDU und wechselte im gleichen Jahr in die Staatskanzlei der Landesregierung von Schleswig-Holstein unter Ministerpräsident Gerhard Stoltenberg. Auf dessen Vorschlag hin wurde Köhler 1982 Leiter des Ministerbüros und Leiter der Unterabteilung I A im Finanzministerium. 1987 wird er Leiter der Abteilung I im Finanzministerium für Grundsatzfragen der Finanzpolitik, finanzielle Fragen einzelner Bereiche und industrielles Bundesvermögen. Ab 1989 Leiter der Abteilung VII Finanzministerium für Geld und Kredit.

Von 1990 bis 1993 war Köhler verbeamteter Staatssekretär im Bundesfinanzministerium als Nachfolger von Hans Tietmeyer. Er war verantwortlich für finanzielle und monetäre Beziehungen und damit der maßgebliche deutsche Unterhändler bei den Verhandlungen zum Maastricht-Vertrag und teilweise auch bei jenen für die Deutsche Wiedervereinigung. Köhler, der mit Russland Milliardenzahlungen für den Abzug der Sowjetarmee aus Deutschland aushandelte, regelte auch die deutsche Finanzhilfe für den Golfkrieg 1991, d.h. die Zahlung von mindestens 12 Mrd. DM an die USA. Als so genannter Sherpa (unterstützender Beamter und Berater) des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl sowie als dessen persönlicher Vertreter bereitete er die G7-Wirtschaftsgipfel in Houston (1990), London (1991), München (1992) und Tokio (1993) vor.

1993 bis 1998 leitete er als Präsident den Deutschen Sparkassen- und Giroverband und anschließend zwei Jahre lang (bis 2000) die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) mit Sitz in London.

Horst Köhler im Gespräch mit dem Sänger Bono der irischen Rockband U2

Im Jahr 2000 wurde Köhler auf Vorschlag von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) als achter für eine Amtszeit von fünf Jahren zum Geschäftsführenden Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) bestellt. Er ist der Nachfolger von Michel Camdessus, der am 14. Februar 2000 sein Amt beim IWF niederlegte. In Köhlers Amtszeit formierte sich insbesondere Protest gegen die vom IWF zur Tilgung von Auslandskrediten verordneten Kürzungen der Sozialausgaben in Brasilien. Während dafür jährlich etwa 50 Mrd. Dollar ins Ausland fließen würden, fehle dieses Geld den über 16 Millionen Hungernden im Lande, so die Kritiker. Köhler ist eines der 300 Mitglieder der Trilateralen Kommission.

Am 23. Mai 2004 wurde Horst Köhler zum Bundespräsidenten gewählt. Dieses Amt trat er am 1. Juli 2004 an.

Horst Köhler ist evangelisch, verheiratet mit Eva Köhler und hat zwei Kinder.

Bundespräsident Horst Köhler

Kandidatur zum Bundespräsidenten

Am 4. März 2004 nominierten die Präsidien von CDU, CSU und FDP Horst Köhler als gemeinsamen Kandidaten für die Wahl des Bundespräsidenten am 23. Mai 2004 (siehe Bundespräsidentenwahl 2004). Daraufhin legte Köhler sein Amt als Geschäftsführender Direktor des IWF nieder.

Da er in Deutschland nicht als Politiker in der Öffentlichkeit wirkte und sein beruflicher Werdegang zum Teil im Ausland stattfand, war er zu diesem Zeitpunkt der Öffentlichkeit nicht sehr bekannt. Einer im Auftrag des Stern durchgeführten Forsa-Umfrage zufolge kannten ihn am Tag der Nominierung 20% der Deutschen, so dass die Bild-Zeitung mit der Schlagzeile „Horst Wer ???“ aufwartete.

Aufgrund der Verhältnisse in der Bundesversammlung galt Horst Köhler als Favorit auf die Nachfolge von Johannes Rau gegenüber der Kandidatin der Regierung, Gesine Schwan (SPD). Die Nominierung Köhlers wurde in der Öffentlichkeit unterschiedlich aufgenommen: Während aus Wirtschaftskreisen einmütige Unterstützung geäußert wurde, störten sich andere Kreise, so etwa der DGB oder ATTAC an dem Umstand, dass Köhlers Profil fast ausschließlich durch seine Rolle im Wirtschaftsleben geprägt sei. Wieder andere hoben hervor, dass gerade das ein Pluspunkt sei, da man erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik einen Präsidenten wählen könne, der seine Identität nicht ausschließlich durch eine politische Tätigkeit gewonnen habe.

Wichtige Stellungnahmen während der Kandidatur

Im Mittelpunkt seiner Amtszeit wird nach seinen eigenen Angaben das Werben für weitere Reformen stehen. Er habe die Bundespräsidentschaft nie angestrebt, sagte er am 4. März 2004. Doch könne er mit seiner Erfahrung etwas einbringen, was Deutschland jetzt vor allen Dingen braucht, nämlich eine Diskussion und einen Prozess der Veränderungen nicht nur in der Wirtschaft. Weiter müsse die Politik das Tempo erhöhen und schnellere Entscheidungen treffen.

Am 7. März 2004, bei seinem ersten politischen Auftritt nach der Nominierung, bezeichnete er die Inhalte und Pläne der so genannten Agenda 2010 der Bundesregierung als bei weitem nicht ausreichend, man habe aber in Deutschland das Potenzial, mit den Herausforderungen fertig zu werden. In Zukunft müsse den Menschen noch besser als bisher erklärt werden, warum die Reformen notwendig seien. Eine absolute Priorität müssten Wissenschaft und Bildung erlangen.

Am 10. März 2004 sagte Köhler in einem ZDF-Interview, er wolle ein Kandidat mit Ecken und Kanten sein. Zur Frage der Direktwahl des Bundespräsidenten durch das Volk zeigte er sich offen, dass man darüber diskutieren könne. Er sehe aber nicht die unbedingte Notwendigkeit dafür.

Für Unruhe in der Union sorgte am 13. März 2004 eine Äußerung Köhlers, in der er öffentlich seine Hoffnung zum Ausdruck brachte, dass 2006 die CDU die Bundeskanzlerin stellen werde und dabei Angela Merkel wörtlich nannte.

Wahl zum Bundespräsidenten

Horst Köhler wurde am 23. Mai 2004 zum neunten Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Die aus 1.205 Mitgliedern (von denen eines wegen Krankheit der Abstimmung fernblieb) bestehende Bundesversammlung wählte ihn im ersten Wahlgang mit 604 von 1.202 gültigen Stimmen. Er erhielt damit eine Stimme mehr als die für diesen Wahlgang erforderliche absolute Mehrheit von 603 Stimmen. CDU/CSU und die FDP durften 623 stimmberechtigte Teilnehmer in die Bundesversammlung entsenden, wobei viele davon keine Parteimitglieder waren. Seine Gegenkandidatin Gesine Schwan erhielt 589 Stimmen.

Politisches Wirken im Amt

In der Rede nach seiner Wahl würdigte Köhler die Einheit Deutschlands. Er drängte darauf, Ängste zu überwinden sowie Selbstvertrauen zurückzugewinnen, wünschte sich ein „Deutschland der Ideen“ und forderte eine kinderfreundlichere Gesellschaft.

Im September 2004 löste er in einem Interview für eine Zeitung eine Kontroverse aus. Dort führte er aus, dass der Unterschied der Lebensverhältnisse zwischen Nord und Süd sowie zwischen Ost und West bleiben werde. Während Befürworter diese Äußerung nur als offenes Aussprechen einer Wahrheit ansahen, interpretierten Kritiker die Worte so, dass das Ziel der Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen Ost und West nun aufgegeben würde.

Horst Köhler mit Néstor Kirchner, dem argentinischen Präsidenten

Am 3. November 2004 wurden Pläne der Bundesregierung unter Gerhard Schröder bekannt, den Tag der Deutschen Einheit als Feiertag abzuschaffen, um so das Wirtschaftswachstum zusätzlich anzukurbeln. Statt am 3. Oktober solle die Wiedervereinigung künftig immer am ersten Sonntag im Oktober gefeiert werden. Bundespräsident Horst Köhler war einer der ersten, die diese Planungen öffentlich kritisierten. Köhler führte entsprechend auch Gespräche mit dem Bundeskanzler. Die Planungen zur Feiertagsstreichung wurden schließlich aufgegeben. Mit seinem Eintreten für den Erhalt des Tages der Deutschen Einheit hatte er auch deshalb Erfolg, weil in Teilen der Regierungskoalition die Bestrebungen Hans Eichels zur Abschaffung des Feiertags keine Unterstützung fanden.

Während einer mehrtägigen Israelreise aus Anlass der Aufnahme diplomatischer Beziehungen beider Länder vor 40 Jahren sprach Köhler am 2. Februar 2005 als zweiter Bundespräsident nach Johannes Rau vor dem israelischen Parlament, der Knesset. Bis auf die in hebräisch gehaltene Begrüßung und das Schlusswort hielt er die Rede in deutscher Sprache, was im Vorfeld vereinzelt bei israelischen Abgeordneten zu Protesten geführt hatte, die bis heute die „Sprache der Täter“ ablehnen, so lange es noch Überlebende der Shoa gebe. Köhler bekannte sich zur deutschen Verantwortung für die Shoa und den Kampf gegen Antisemitismus. Er würdigte die besonderen, aber sehr engen Beziehungen zu Israel und sagte die Unterstützung Deutschlands für den Friedensprozess in Nahost zu.

Bedingt durch die verfassungsrechtliche Stellung des Bundespräsidenten halten sich die Amtsinhaber traditionell bei öffentlichen Äußerungen zu tagespolitschen Fragen zurück, so auch Horst Köhler. Dennoch nimmt Horst Köhler durchaus Stellung zu aktuellen Fragen und eckt damit zuweilen bei Politikern aller Parteien an. So stieß seine Rede vom 15. März 2005, in der er Äußerungen zur Sozialpolitik traf, auf ausdrückliche Zustimmung der Opposition und der Arbeitgeberverbände. Regierungsparteien und Regierung reagierten eher verhalten. Gewerkschaften und Linke behaupten, er sei ein Präsident der Arbeitgeber. Horst Köhler hatte sich hier die Argumente insbesondere der Arbeitgeber zur Senkung der Lohnnebenkosten zu Eigen gemacht.

Horst Köhler hielt am 8. Mai 2005 im Reichstag eine Rede zum Ende des 2. Weltkrieges. In seiner Rede „Begabung zur Freiheit“ stellt Köhler klar, dass es keinen Schlussstrich geben könne. Kritiker bemängelten die aus ihrer Sicht unreflektierte Ansicht über die „Erfolgsgeschichte Deutschland“. Bei einer Rede über das Ende des Zweiten Weltkrieges hätten viele mehr Tiefe erwartet.

Im Vorfeld der von Bundeskanzler Gerhard Schröder am 1. Juli 2005 gestellten Vertrauensfrage kam es zu einigen Irritationen. So will der Bundespräsident, entgegen Behauptungen aus dem Bundeskanzleramt, nicht vorab von den Neuwahlplänen informiert worden sein, sondern davon aus dem Fernsehen erfahren haben. Als aus einem vertraulichen Gespräch zwischen Gerhard Schröder und Horst Köhler Details im Nachrichtenmagazin Der Spiegel veröffentlicht wurden, griff der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Müller den Bundespräsidenten scharf an. Regierungssprecher Béla Anda bezeichnete diese Angriffe als „unerträglich“.

Am 21. Juli löste Horst Köhler nach rechtlicher Prüfung auf Vorschlag des Bundeskanzlers den Bundestag auf und setzte Neuwahlen am 18. September 2005 an. (siehe auch Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Neuwahlen 2005)

Horst Köhler sprach sich im Oktober 2005 bei einer Fachtagung der Bundesarbeitsgemeinschaft Hospiz entschieden gegen aktive Sterbehilfe aus. „Nicht durch die Hand eines anderen sollen die Menschen sterben, sondern an der Hand eines anderen“ (Zitat Köhler). Er plädierte dafür, den Umgang mit Patientenverfügungen gesetzlich zu regeln. Jeder Mensch müsse in jeder Phase seines Lebens entscheiden können, ob und welchen lebensverlängernden Maßnahmen er sich unterziehe.

Horst Köhler sprach sich im März 2006 für den Einsatz der Bundeswehr im Vorfeld von Wahlen in der Demokratischen Republik Kongo aus.

Die Bevölkerung hält die Amtsführung des Bundespräsidenten laut ZDF-Politbaromter mit deutlicher Mehrheit für gut, auch seine Einmischung in die Tagespolitik findet überwiegende Zustimmung. Laut TNS-Infratest-Umfrage für das Nachrichtenmagazin Der Spiegel von August 2005 ist Horst Köhler der beliebteste Politiker der Bundesrepublik Deutschland.

Gesellschaftliches Engagement

Commons: Horst Köhler – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien