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Campo Antiimperialista

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Campo Antimperialista (Antiimperialistisches Lager) ist ein Zusammenschluss politischer Gruppen der extremen Linken in Italien mit dem programmatischen Schwerpunkt eines expliziten Antiamerikanismus und einer Bündnisorientierung auf internationale Zusammenarbeit mit Kräften aller Art, die gegen die USA kämpfen. Der Name ist doppeldeutig: "Campo" meint sowohl eine strategische Einheit als politisches "Lager" als auch ein "Zeltlager" oder "Camp", das seit 2001 jeden Sommer in Assisi stattfindet. Neben den USA wird in Verlautbarungen des Campo der Zionismus scharf angegriffen, was den Vorwurf des Antisemitismus nach sich zog.

Die tragende Säule bilden zwei Organisationen: einerseits die aus dem Trotzkismus hervorgegangene internationale Strömung International Leninist Current (ILC), in Italien vertreten durch die Gruppe Direzione 17, andererseits das Movimento per la confederazione dei comunisti (Bewegung für die Konföderation der Kommunisten). Die ILC hat sich nach 1990 zunehmend vom Trotzkismus distanziert und sich in die Richtung einer Unterstützung nationaler Befreiungsbewegungen entwickelt. Das Movimento per la confederazione dei comunisti ist schwerpunktmäßig in der Toskana vertreten und basiert auf einem Kaderstamm einer Minderheitsströmung der früheren Democrazia Proletaria (DP). Die DP war 1992 der Rifondazione Comunista (PRC) beigetreten; die Minderheitsgruppe um Leonardo Mazzei und Giuseppe Bacciardi verließ jedoch 1997 die Partei. Ihr Versuch, sich über das Movimento per la confederazione zu reorganisieren, blieb erfolglos. Diese Gruppe hat enge Verbindungen zu der Basisgewerkschaft Slai-Cobas, die in Kämpfen in der Automobilindustrie Mitte der 1990er Jahre eine Rolle spielte. Ihr steht ferner der Philosoph Costanzo Preve nahe, der sich stark für das Campo Antimperialista engagiert.

Die Zusammenarbeit der beiden Gruppierungen wurde aufgenommen mit dem Ziel einer Neuformierung einer revolutionären Opposition auf der Grundlage eines insbesondere gegen die USA gerichteten scharfen Antiimperialismus. An den Sommercamps in Assisi nahmen einerseits internationale Klein- bis Kleinstorganisationen marxistisch-revolutionärer Ausrichtung aus Traditionen des Stalinismus und Maoismus (z. B. Kommunistische Partei Griechenlands/Marxisten-Leninisten, Russische Maoistische Partei) teil; andererseits wurden auch Vertreter der irakischen Baath-Partei (also Anhänger von Saddam Hussein), Sprecher islamischer Gemeinden und Verfechter des serbischen Nationalismus eingeladen, um über die Bildung einer Einheitsfront gegen die USA zu beraten.

In die Schlagzeilen geriet das Campo Antimperialista im Laufe des Jahres 2003. Kurz vor Beginn des Irakkriegs wurde ein Aufruf "Peoples smash America" veröffentlicht, der von etwa 1500 Personen unterzeichnet wurde, darunter auch oppositionellen PRC-Mitgliedern wie dem Philosophen Domenico Losurdo. Auf der Unterschriftenliste fanden sich einige Anhänger der extremen Rechten wie der französische Holocaust-Leugner Serge Thion. Die Leitung des Campo erklärte dazu, man habe bei der großen Zahl der Unterschriften nicht alle überprüfen können, tilgte die kompromittierenden Namen und wies den Vorwurf, man betreibe eine "rot-braune Allianz", zurück. Entgegen der Behauptung, bei der Zustimmung von Rechtsextremisten handele es sich um unerwünschte und den politischen Zielsetzungen des Campo fremde Infiltrationsversuche, erbrachten antifaschistische und antirassistische Gruppen jedoch den Nachweis, dass auf einer von dem Campo-Sprecher Moreno Pasquinelli (ILC) betriebenen Mailingliste Lista antiamericanista tatsächlich erwogen wurde, auch Theoretiker neofaschistischer Strömungen mit antiamerikanischer Orientierung in die Diskussion einzubeziehen - denn der "Hauptfeind der Menschheit" sei heute nicht der Faschismus, sondern der US-Imperialismus. Verwiesen wurde darauf, dass in Italien die ehemals neofaschistische Partei Alleanza Nazionale (AN) die proamerikanische Politik von Silvio Berlusconi unterstützt. Demgegenüber seien etwa diejenigen Vertreter der extremen Rechten um die Zeitschrift Rinascita nazionale (Nationale Wiedergeburt), die die Vorherrschaft der USA und die neoliberale Wirtschaftspolitik ablehnen, als potenzielle Verbündete einzuschätzen.

Pasquinellis Vorschläge für eine Ausweitung des Bündnisses in diese Richtung fanden aber offenbar keine Mehrheit, während einige rechte Intellektuelle, die sich vorübergehend an der Mailingliste beteiligten, sich in Anbetracht der linken Dominanz wieder zurückzogen. Unterstützt wurde das Bündnis jedoch von Gruppen, die sich als kommunitaristisch bezeichnen und vor allem von ehemaligen Neofaschisten getragen werden, die eine neue Synthese von Sozialismus und nationaler Befreiung jenseits der politischen Kategorien von "links" und "rechts" anstreben. Sie beziehen sich dabei vielfach auf theoretische Arbeiten von Costanzo Preve, der als Chefideologe des Campo gilt. Preve vertritt die Auffassung, eine neue sozialrevolutionäre Bewegung müsse in erster Linie den Bruch mit dem linksliberalen Diskurs (Menschenrechte, Political Correctness, Individualismus, Ablehnung nationaler Identität usw.) vollziehen, der die etablierte Linke als tragende Kraft in das neoliberale Machtsystem einbinde, und sich stattdessen an populistischen und kommunitaristischen Ansätzen orientieren.

Nicht nur die bürgerlichen Medien, sondern auch die beiden großen linken Tageszeitungen Il manifesto (parteiunabhängig) und Liberazione (PRC) dokumentierten und kommentierten die Aktivitäten des Campo mit scharfer Kritik - was umgekehrt das Campo in seinem Glauben bestätigte, für die einzige wirkliche Systemopposition gegen die proamerikanische Einheitsfront zu stehen, deren Teil die etablierte und parlamentarische Linke sei.

Im Dezember 2003 nahmen an einer Demonstration "Con il popolo che resiste" (Mit dem Volk, das Widerstand leistet) für die Solidarität mit dem militärischen Widerstand im Irak in Rom nur etwa 400 Personen teil. Für die geringe Beteiligung wurde eine Medienkampagne "zionistischer" Kreise verantwortlich gemacht. Das Campo Antimperialista organisierte die internationale Spendensammlung "10 Euro für den irakischen Widerstand".

Im Juli 2005 wurde in den USA der Webserver des Campo stillgelegt, und 44 Abgeordnete des US-Kongresses richteten an die italienische Regierung die Aufforderung, Aktivitäten des Campo zu unterbinden. Ende August 2005 traten sieben Unterstützer des Campo (darunter zwei Deutsche aus Duisburg) in einen Hungerstreik, um die Vergabe von Einreisevisa für Vertreter des irakischen Widerstands zur Teilnahme an einer Solidaritätskonferenz durchzusetzen. Ein diesbezüglicher Aufruf wurde auch von dem der gemäßigten Linken angehörenden Philosophen und Europapolitiker Gianni Vattimo unterzeichnet.

Im deutschsprachigen Raum vertritt die in Wien ansässige, von der ILC betriebene Antiimperialistische Koordination die Politik des Campo Antimperialista. Ihr Sprecher Wilhelm Langthaler verfasste 2003 zusammen mit dem Wiener Journalisten Werner Pirker (bekannt als Kommentarschreiber der in Berlin erscheinenden linken Tageszeitung junge Welt) das Buch Ami go home - Zwölf gute Gründe für einen Antiamerikanismus.