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Gebildbrot

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„Klausenmann“ (heiliger Nikolaus) aus Oberschwaben
Martinsgans als Hefeteiggebildbrot

Gebildbrot, auch Gebildebrot, Sinn- oder Bildergebäck ist ein Brot oder Gebäck in Form von figürlichen Darstellungen, wie beispielsweise Mensch, Hase, Vogel und andere, oder kunstvolle Teigflechtungen.[1] Es sind Gebäcke, die zu religiösen oder traditionellen Anlässen in bestimmten Formen hergestellt und verzehrt werden.

Gebildbrot wird an den Tagen verschenkt und gegessen, die zu dem versinnbildlichten oder dem kalendarischen Anlass in Beziehung stehen.

Hungerstreik der Brote Armee Fraktion in Köln (Oktober 2012)

Es handelt sich um Gebäck, das zu bestimmten Anlässen – meist aus Hefeteig – frei mit der Hand geformt (gebildet) und nicht in einem Model oder in einer Backform hergestellt wird.

Statt von „Gebildbrot“ sollte man besser von „Brauchgebäck“ sprechen. Den Begriff Gebildbrot prägte der deutsche Historiker und Volkskundler Ernst Ludwig Rochholz (1809–1892) im Sinne seiner Zeit, die geneigt war, hinter harmlosen Backwerken „kultische“ Ursachen zu sehen. So sollten die Formen angeblich aus vorchristlicher Zeit stammen. Das wurde auch in der NS-Zeit propagagiert („germanische Sonnensymbole“), ist jedoch durch neuere Forschungen eindeutig widerlegt. In frühen Formen des Leichenschmauses wurden allerdings mit Gewürzen bestreute Gebildebrote bei Begräbnissen verzehrt, um böse Geister abzuwehren.[2] Die Form des Zopfes geht vermutlich auf antike Opfer der eigenen Haare zurück, das Hörnchen als Symbol für die Mondsichel auf antike Mondkulte. Die Brezel lässt sich u.a. auf frühchristliche, eucharistische Ringbrote zurückführen.[3]

Schon das 1974 erschienene Wörterbuch der deutschen Volkskunde zeigt sich gegenüber solchen Meinungen der „Populärmythologen des 19. Jahrhunderts“ kritisch, obwohl es diese ausführlich referiert. Eher müsse mit dem „persönlichen Bildnertrieb des Herstellers und mit Bäckerlaunen“ oder den Erfordernissen des Backvorgangs (Durchlöcherung, Aufspaltung) gerechnet werden.[4] Die meisten Brauchgebäcke bestehen aus Hefeteig, der seit dem 15. Jahrhundert nachweisbar ist. Um 1700 gab es Hefezüchtungen, die aber in erster Linie auf die Erfordernisse der Bierbrauer und Schnapsbrenner zielten und für die Bäcker wenig geeignet waren. Erst im 19. Jahrhundert stand durch neue Brauerei-Technologien ausreichend Backhefe zur Verfügung.

Ernst Burgstaller (1906–2000) listete für den Österreichischen Volkskundeatlas die folgenden Brauchgebäcke auf:

  • Fastenzeit: Fastenbreze, Palmbreze – die Bezeichnung Brezel (von lat. bracellum) soll an die mönchische Gebetshaltung der verschränkten Arme erinnern
  • Ostern: Osterfleck, Osterstriezel, Osterkipfel, Osterbreze, Osterweihbrote
  • Allerseelen: Allerseelenstriezel, Allerseelenzopfen, Seele
  • Weihnachten: Kletzenbrot
  • Weiteres Gebäck in Form von Hirschen (zu Allerseelen, Nikolaus, Weihnachten, Ostern und Pfingsten), Hähnen und Hennen.

Der Karawai ist das althergebrachte Brot, das beim traditionellen Erntefest in Weißrussland angebrochen wird, nachdem die Frauen mit einer Sichel die ersten Getreidehalme geschnitten haben.

Der Künstler Hermann Josef Hack nutzt Gebildbrote in seinen sogenannten Weckmanndemos der Brote Armee Fraktion, indem er die Weckmannfiguren mit sozialpolitischen Botschaften in Szene setzt.

Bekannte Gebildbrote

Osterhase aus Hefeteig
Osterlamm aus Rührteig in Backform
Gebäck (Kenkentjüch) am friesischen Jöölboom

Siehe auch

Literatur

  • Inge Carius: Gebildbrot. Brauchtum im Jahres- und Lebenslauf. Langewiesche, Königstein 1986, ISBN 3-7845-6260-4.
  • Hans Jürgen Hansen (Hrsg.): Kunstgeschichte des Backwerks. Geschichte und Entwicklung der Gebäckarten und ihrer Formen. Stalling Verlag, Hamburg/ Oldenburg 1968, S. 31–42.
  • Max Höfler: Ostergebäcke. Eine vergleichende Studie der Gebildbrote zur Osterzeit (Zeitschrift für österreichische Volkskunde. Supplement-Heft IV zum XII. Jahrgang 1906). Verlag des Vereines für österr. Volkskunde, Wien 1906.

Einzelnachweise

  1. IREKS-Arkady-Institut für Bäckereiwissenschaft (Hrsg.): IREKS-ABC der Bäckerei. 4. Auflage. Institut für Bäckereiwissenschaft, Kulmbach 1985.
  2. Manfred Heim: Von Ablaß bis Zölibat: Kleines Lexikon der Kirchengeschichte. München 2008, S. 265.
  3. Stummerer, Hablesreiter: Food Design, XL. Springer, Wien, New York 2010, ISBN 978-3-211-99230-2, S. 281 ff.
  4. Beitl: Wörterbuch der deutschen Volkskunde. Stuttgart 1974, S. 259; Katalog Schweizerisches Museum für Brot und Gebäck, Luzern o. J. (Begriff stammt von Rochhholz) S. 6.