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Vegetarismus

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Vegetarische Lebensmittel

Als Vegetarismus wird eine Ernährungsweise bezeichnet, bei der auf den Verzehr tierischer Produkte verzichtet wird, die die Tötung von Tieren voraussetzen, das heißt, Fleisch, Fisch und Geflügel.

Über den Verzehr von Nahrungsmitteln, die von lebendigen Tieren produziert werden wie Eier, Milch, Milchprodukte oder Honig gibt es unterschiedliche Ansichten (siehe Arten des Vegetarismus). Die völlige Ablehnung tierischer Produkte (auch über die Nahrung hinaus) wird als Veganismus bezeichnet. Zwischen Veganismus und Vegetarismus besteht ein fließender Übergang, meist abhängig von den jeweiligen Beweggründen für die Entscheidung zur vegetarischen Ernährung (siehe Motivation).

Vegetarismus wird in den vom Hinduismus, Buddhismus und Jainismus geprägten Ländern bereits seit Jahrtausenden praktiziert, wurde jedoch im 20. Jahrhundert auch in westlich geprägten Ländern zunehmend populär.

Arten des Vegetarismus

Gemeinsam ist allen Vegetariern der Verzicht auf Fleisch, Fisch und Geflügel. Meist werden auch Nebenprodukte der Schlachtung wie Schmalz oder Gelatine gemieden. Auch Leder, Haar- oder Federprodukte werden gemieden. Darüberhinaus gibt es verschiedene Unterarten vegetarischer Ernährung, folgende Bezeichnungen sind geläufig:

  • Ovo-Lacto-Vegetarier essen Eier und Milchprodukte (die am weitesten verbreitete Form des Vegetarismus).
  • Lacto-Vegetarier essen keine Eier, jedoch Milchprodukte (Käse, Joghurt, Quark usw.).
  • Ovo-Vegetarier essen keine Milchprodukte, jedoch Eier. Die Argumentation hierbei basiert auf der Tatsache, dass Haushühner Eier legen, auch wenn diese nicht befruchtet sind. Die Theorie ist also, dass kein Lebewesen geschädigt wird, da die verzehrten Eier keinen lebendigen Organismus enthalten.
  • Veganer nutzen aus ethischen Erwägungen generell keine tierischen Produkte (zum Beispiel Leder, Pelze, Wolle, Seide, mit Daunen und Federn gefüllte Bettwäsche, Kosmetika und Medikamente, die an Tieren getestet wurden etc.), siehe Veganismus.
  • Puddingvegetarier ist eine scherzhafte Bezeichnung für Vegetarier, die ansonsten wenig auf ihre Ernährung achten und stattdessen Pudding, Kuchen, Zucker und andere als ungesund geltende Lebensmittel verzehren.
  • Pesci-Vegetarier (auch Ovo-Lacto-Pisci-Vegetarier) essen kein Fleisch, jedoch Fisch und alle sonstigen tierischen Nahrungsmittel. Auch dies kann im eigentlichen Sinne nicht als Vegetarismus bezeichnet werden, da Fische unzweifelhaft Tiere sind. Daher hat sich der Ausdruck „Pescetarier“ für die Anhänger dieser Ernährungsweise etabliert.

Begriff

Der Begriff „Vegetarier“ bzw. „Vegetarian“ wurde 1847 von der englischen „Vegetarian Society“ geprägt, abgeleitet vom lateinischen vegetus „rege, rüstig“. Er stammt wahrscheinlich von Joseph Brotherton, einem Mitglied der "Vegetarian Society of the United Kingdom" in Ramsgate. Bis dahin wurde zum Teil der Begriff Pythagoräer verwendet (nach dem griechischen Philosophen und Mathematiker Pythagoras, der Vegetarier war). Für "Vegetarismus" wurde auch der Begriff "indische Diät" verwendet.

Motivation

Die Motivation für vegetarische Ernährung kann sehr unterschiedlich sein; einige sehen moralische Gründe als Hindernis des Fleischverzehrs, andere haben gesundheitliche, privat-ökonomische, global-ökonomische oder global-ökologische Bedenken, wieder andere erklären schlicht, dass ihnen Fleisch nicht schmecke.

Moralische Aspekte

Nach derzeitigem wissenschaftlichen Erkenntnisstand ist zumindest ein Teil der Tierarten mit nicht unerheblicher Intelligenz ausgestattet und fähig, Schmerz zu empfinden. Die moralische Motivation für Vegetarier ist mit dem Willen verbunden, Tiere vor Leid zu bewahren – Leid durch eine nicht artgerechte Tierhaltung oder Leid durch den Akt des Tötens an sich. Hinzu können religiöse Motive oder philosophische Sichtweisen über die Gleichwertigkeit des Lebens kommen.

Glaubensaspekte

Eine nicht zu unterschätzende Zahl Vegetarier sind dies aus Glaubensgründen.

Christlicher Glaube

Das Verhältnis christlicher Gruppen zum Fleischverzehr ist unterschiedlich und zum Teil kontrovers.

Bis nach der Sintflut scheint dem Menschen nur der Verzehr von Pflanzen gestattet gewesen zu sein. (vgl. 1. Mose 9,3 und 1. Mose 1,29).

Da die Genesis von einigen christlichen Gruppen wortwörtlich (Kreationismus) und von einigen anderen metaphorisch verstanden wird, kann es aus der Natur der Sache keine Einhelligkeit geben. Wird die Genesis metaphorisch verstanden, könnte man vermuten, dass die Menschen durch das Nomadentum (Vertreibung aus dem Paradies und Sintflut als übertragenes/mythologisiertes Bild) zum Fleischverzehr gezwungen waren. Aus kreationistischer Sicht könnte angeführt werden, dass es nach der Sintflut kein Getreide/Gemüse mehr gab und deshalb die Menschen zum Fleischverzehr gezwungen waren.

In jedem Fall gibt es keine Stelle im späteren Verlauf der Bibel, die die Erlaubnis zum Fleischverzehr wieder aufhebt. In Matthäus 15,11 wird allgemein von Jesus zu Speisevorschriften Stellung genommen: „Nicht das, was durch den Mund in den Menschen hineinkommt, macht ihn unrein, sondern was aus dem Mund des Menschen herauskommt, das macht ihn unrein.“

Hier nun wird von einigen angeführt, dass Jesus – wie Buddha – das Töten von Tieren abgelehnt haben könnte, um den Tieren das Leiden zu ersparen, aber ihm als Gast gereichte Fleischgerichte gegessen hat, aus Rücksicht auf die Gefühle des Gastgebers, der es nicht besser wusste.

Paulus hatte offenbar keine Vorbehalte gegen Fleischverzehr, kannte aber offenbar das Problem aus der Gemeinde und empfiehlt dazu Röm 14,21 : „Es ist nicht gut, Fleisch zu essen oder Wein zu trinken oder sonst etwas zu tun, wenn dein Bruder daran Anstoß nimmt.“

Hinduismus, Buddhismus und Jainismus

Einige Glaubensgemeinschaften, wie zum Beispiel der Jainismus, lehnen es völlig ab, Fleisch zu essen. Hinduismus und Buddhismus gehören entgegen einer in westlichen Ländern weit verbreiteten Meinung nicht dazu, knüpfen den Genuss von Fleisch aber an bestimmte Bedingungen. Hierfür gibt es unter anderem diese Gründe:

  • Der asketische Gedanke ist im Buddhismus und nochmehr im Hinduismus oder Jainismus tief verwurzelt. Es wird davon ausgegangen, dass man einen nüchternen Körper braucht, um einen nüchternen Geist zu bekommen. Das Ziel ist es, sich möglichst der Genüsse der weltlichen Dinge zu enthalten.
  • Der karmische Gedanke. Hinduisten, Buddhisten und Jainas streben die Vermeidung eines schlechten Karmas an. Dies ist zu erreichen, indem sie nichts Schlechtes tun und kein Leid anrichten, also unter anderem kein menschliches oder tierisches Leben zu sich nehmen. Einige jainistische Mönche gehen sogar so weit, dass sie immer einen Besen mit sich führen, mit dem sie den Weg vor sich fegen, um nicht versehentlich ein Insekt zu zertreten. Die jainistischen Priester tragen ein Tuch vor Mund und Nase, um nicht versehentlich ein Insekt einzuatmen und dadurch zu töten.

Das Gesetzbuch des Manu, das grundlegende Gesetzeswerk des Hinduismus, erlaubt den Fleischverzehr und legt die Bedingungen fest, an die er geknüpft ist.

Die Ernährungsvorlieben der Buddhisten werden von westlichen Beobachtern oft mit strengem Vegetarismus verwechselt. Aber nur eine relativ kleine Zahl besonders frommer buddhistischer Priester enthält sich freiwillig jedes Genusses tierischer Nahrung. In Tibet, Sri Lanka, Burma und Thailand essen die buddhistischen Priester sowohl Molkereiprodukte als auch Fleisch. Buddhisten dürfen zwar nicht töten oder beim Schlachten von Tieren anwesend sein, aber solange sie die Beendigung des Lebens der Tiere nicht zu verantworten haben, dürfen sie ihr Fleisch essen. Buddhistische Laien essen gewöhnlich so viel Fleisch oder Fisch, wie sie sich leisten können, besonders dort, wo die Umweltverhältnisse es nicht erlauben, Milchvieh zu halten. Das kann zu vermehrten Problemen mit dem Eiweißgehalt führen.

Gesundheitliche Aspekte

Für manche Vegetarier steht der gesundheitliche Aspekt als Motivation im Vordergrund. Sie hoffen, durch den Verzicht auf Fleisch weniger Kalorien zu sich zu nehmen und so leichter ihr Gewicht zu halten. Andere sehen die Risiken fett- und cholesterinreicher Nahrung und versuchen, sie durch vegetarische Ernährung zu mindern. Die zwangsläufig intensivere Auseinandersetzung mit der Nahrung, die häufiger selbst zubereiteten Speisen und der höhere Anteil an frischem Gemüse und Kohlenhydraten gelten als Grund für eine oftmals gesündere Ernährung bei Vegetariern. Ein häufiger Grund für den Wechsel zum Vegetarismus sind gesundheitliche Beschwerden, vor allem im Herz-Kreislauf-System, oder bei Hauterkrankungen wie Neurodermitis oder Psoriasis. In diesen Fällen hat ein Wechsel zum Vegetarismus häufig symptomlindernde Auswirkungen.

Ein weiterer gesundheitlicher Aspekt betrifft die in der Regel nicht artgerechte Haltung und Aufzucht der Tiere vorwiegend mit industriellen Produktionsmitteln wie etwa Wachstumsförderern oder Medikationen bei erhöhtem Krankheitsrisiko. So werden durch den Verzehr auch Stoffe aufgenommen, die üblicherweise in Fleisch von Tieren aus artgerechter Haltung nicht vorhanden sind, zum Beispiel Hormone, Antibiotika und weitere Substanzen aus Medikamenten. Auch sind in der Vergangenheit durch diverse Skandale in der Tieraufzucht Inhaltsstoffe wie Nikotin in Hühnerfleisch und Eiern sowie Krankheitserreger wie BSE in den Nahrungskreislauf gelangt.

Der Mensch ist biologisch gesehen ein Omnivor, das heißt, sein Körper ist für gemischte Kost eingerichtet, jedoch mit einem Schwerpunkt auf pflanzlicher Kost. So entspricht sein Gebiss viel eher dem eines Pflanzen- denn eines Fleischfressers, und sein Darm ist ebenso lang wie bei reinen Pflanzenfressern, um die pflanzliche Nahrung besser zu verdauen, wohingegen ein kurzer Darm bei Fleischfressern die Nahrung schneller aus dem Körper abtransportiert. Entgegen langjähriger Ansicht der Medizin gilt heute als gesichert, dass jeder gesunde Mensch ohne weiteres auf Fleisch verzichten kann; bei Jugendlichen, Rekonvaleszenten, Schwangeren, Schwerarbeitern oder Spitzensportlern muss jedoch bei einer nicht ausgewogenen vegetarischen Kost besonders auf die Eiweißversorgung geachtet werden.

Es wurde wiederkehrend vermutet, dass vegetarische Ernährung zu Mangelerscheinungen führen kann, bedingt durch das Fehlen von Stoffen, wie sie nur in tierischen Nahrungsmitteln vorkommen. Insbesondere wird auf Vitamin B12 verwiesen, dessen Mangel das Zellwachstum hemmt und Anämie hervorrufen kann. Dieses ist jedoch beispielsweise in Milchprodukten und Eiern enthalten und eine ausreichende Versorgung somit eher bei veganer Ernährung problematisch. Jedoch wurde im Jahr 2003 erwiesen, dass das Vitamin B12 in jeder Frucht zu finden ist (Bsp. Apfel, Birne, Nektarine etc.). Auch Tiere decken ihren Bedarf an Vitamin B12 durch das Fressen ungesäuberter Nahrung, da Vitamin B12 nicht durch Pflanzen oder Tiere, sondern nur durch Mikroorganismen produziert wird und sich somit im Tier nur anreichert. Auch Bakterien im menschlichen Darm produzieren Vitamin B12, es ist jedoch wissenschaftlich umstritten, ob dieses ausreichend resorbiert wird. Weitere notwendige Stoffe konnten im Erkenntnisfortschritt identifiziert werden, und im Rahmen einer bewussten Ernährung kann auf deren genügende Zufuhr ohne weiteres geachtet werden.

Natürlich dürfen Menschen mit einer Lactoseintoleranz (auch Milchzuckerunverträglichkeit genannt) ebenfalls keine Kuhmilch trinken. Ersatz gibt es hierfür vielfältig, beispielsweise auf Soja-, Reis- oder Haferbasis.

Global-ökonomische Aspekte

Vor allem in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts, aber auch bis heute wurden und werden Kleinbauern in Entwicklungsländern gedrängt, Futtermittel für die Massentierhaltung der Industrieländer anzubauen, statt durch eine Diversifizierung eine ausgewogene Selbstversorgung sicherzustellen. Im Rahmen der Dritte-Welt-Bewegung in der Bundesrepublik zu dieser Zeit war es ein wichtiger Aspekt, durch Verzicht auf Fleischkonsum diesem negativen Strukturwandel im Süden entgegenzuwirken.

Global-ökologische Aspekte

Das durch die Tierexkremente ausgedünstete Methangas wird als ein wesentlicher Faktor für den derzeitigen weltweiten Klimawandel angesehen. Zudem belasten die im Tierkot (Jauche oder Gülle) enthaltenen Nitrate das Grundwasser; die Herstellung der enormen, benötigten Futtermengen führt zu großflächigen Waldrodungen, insbesondere in den Ländern der Dritten Welt. Auch wird viel Futter benötigt, um die Tiere zu ernähren. Mit der gleichen Menge könnten jedoch sehr viel mehr Menschen ernährt werden. Das hängt damit zusammen, dass nur ein Zehntel des Futters eines Lebewesens nicht zum Beispiel für Energie benötigt wird, dieses Zehntel wird also zu Fleisch. Dieser Aspekt wird als eine Verschwendung angesehen.

Ästhetische Aspekte

Viele Vegetarier empfinden Fleisch und seine Produktion schlicht als unappetitlich. Viele der Menschen, denen Fleisch nicht schmeckt, essen Fisch (sog. Pesci-Vegetarier) und werden von den „wahren“ Lacto-Vegetariern & Ovo-Lacto-Vegetariern oft nicht als Vegetarier bezeichnet, da viele Vegetarier vollkommen gegen das Töten von Tieren bzw. als Veganer gegen die Nutztierhaltung sind.

Historischer Überblick

Der europäische Vegetarismus ist unabhängig vom fernöstlichen, aber aus ähnlichen Motiven entstanden.

Nichtchristliche Antike

In Europa ist der Vegetarismus erstmals im 6. Jahrhundert v. Chr. bezeugt, und zwar in der religiösen Bewegung der Orphiker, die aus Thrakien stammte und sich damals in Griechenland verbreitete, sowie bei Pythagoras und im engeren Kreis der Pythagoreer. In beiden Traditionen enthielt man sich auch der Eier sowie der damals allgemein üblichen rituellen Tieropfer. Bei den Pythagoreern (zumindest ihrer Elite) war die Tötung von Tieren generell verpönt. Im 5. Jahrhundert v. Chr. trat Empedokles als radikaler Vertreter des Vegetarismus und einer allgemeinen Verschonung der Tiere hervor.

In der Platonischen Akademie traten die Scholarchen Xenokrates und (wahrscheinlich) Polemon für den Vegetarismus ein, unter den Peripatetikern Theophrastos, der Nachfolger des Aristoteles. Theophrast verwarf auch die Tieropfer und billigte nur die Tötung schädlicher Tiere. Die Stoiker hingegen waren fast alle entschieden antivegetarisch; dies hing mit ihrer negativen Einschätzung der mentalen Fähigkeiten der Tiere zusammen und mit ihrer Überzeugung, dass der Mensch gegenüber der Tierwelt keinerlei ethische Pflichten habe. Auch den Epikureern war die Idee einer Rücksichtnahme auf die Tierwelt fremd. Ein Teil der prominenten kaiserzeitlichen Platoniker und Neuplatoniker lebte vegetarisch, darunter Plutarch (allerdings wohl nur zeitweilig), Apollonios von Tyana, Plotin und Porphyrios. Porphyrios lehnte auch die Tieropfer ab, Iamblichos hingegen verteidigte die rituellen Schlachtungen.

In der Antike wurde der Vegetarismus, den man Enthaltung vom Beseelten nannte, stets als Angelegenheit einer sehr kleinen philosophischen Elite betrachtet. Die Vegetarier waren asketisch ausgerichtet und betrachteten Fleischnahrung als nachteilig für asketische und philosophische Bestrebungen. Großenteils waren sie auch ethisch motiviert, verwarfen Tieropfer und betonten die Gemeinsamkeiten zwischen Mensch und Tier (während ihre Gegner die Unterschiede hervorhoben). Die Frage, ob es ethische Pflichten gegenüber den Tieren gibt (Tierrechte), wurde kontrovers diskutiert. Unter den Platonikern war der Anteil der Vegetarier und Tierfreunde relativ hoch, in den anderen Philosophenschulen (Peripatetiker, Stoiker, Epikureer) sehr klein bzw. nicht vorhanden. Die extreme Anspruchslosigkeit der Kyniker bewog sie zu weitgehend fleischloser Ernährung, doch machten sie daraus kein Prinzip.

Oft war der Vegetarismus mit religiösen Überzeugungen verbunden, zu denen auch die Seelenwanderungslehre gehörte. Auch unter Nichtvegetariern war die Ansicht verbreitet, in einem Goldenen Zeitalter am Anfang der Menschheitsgeschichte habe es noch keine Fleischkost (und keinen Krieg und Mord) gegeben und die Erde habe von sich aus alle benötigte Nahrung hervorgebracht. Dieser Mythos findet sich bei Hesiod (Werke und Tage 109 ff.), Platon (Staatsmann 271-2), Ovid (Metamorphosen 1,89 ff.; 15,96 ff.) und anderen. Hier besteht eine Parallele zur christlichen Vorstellung, die Fleischnahrung sei erst nach der Sintflut eingeführt worden.

Bei den Manichäern waren die „Electi“ (Auserwählte) ethisch motivierte Vegetarier, die auch keine Eier aßen und grundsätzlich nicht töteten; für den breiteren Kreis der „Auditores“ (Hörer) galten weniger strenge Regeln.

Christliche Antike und Mittelalter

Im Urchristentum der Apostolischen Zeit befürchteten manche eine kultische Verunreinigung durch das Fleischessen; der Apostel Paulus wandte sich wiederholt gegen diese Auffassung. Unter den spätantiken Christen und in der mittelalterlichen Kirche verzichteten viele Mönche und Einsiedler im Rahmen der Askese auf Fleischverzehr. Der bekannteste unter ihnen war der Kirchenvater Hieronymus, der diesen Standpunkt ausführlich begründete. Den Benediktinern gestattete ihre Ordensregel das Fleisch vierfüßiger Tiere nur im Krankheitsfall, aber Fisch und Geflügel waren erlaubt. Viele andere Mönchs- und Nonnenregeln enthielten ähnliche Fleischverbote und dehnten sie zum Teil auf Geflügel aus, niemals aber auf Fisch. Solche Vorschriften gehörten in den Zusammenhang von bescheidener Lebensweise, freiwilliger Entbehrung und Abtötung der Begierden. Ein ethisch motivierter Vegetarismus aus grundsätzlicher Rücksichtnahme auf das Leben von Tieren war im kirchlichen Christentum unbekannt. Auch der heilige Franziskus hat trotz der Einbeziehung der Tiere in seine religiöse Gedankenwelt Vegetarismus weder praktiziert noch propagiert.

Häretiker der Antike (insbesondere Enkratiten) und des Mittelalters (Bogomilen, Katharer und andere) betrachteten den Verzicht auf Fleisch als wichtigen Teil der Askese. Kompromisslosigkeit in diesem Punkt galt als Erkennungsmerkmal zur Unterscheidung der Häretiker von Asketen, die im Sinne der kirchlichen Lehre rechtgläubig waren.

Neuzeit

Erst in der frühen Neuzeit brachten wieder prominente Persönlichkeiten Argumente für einen ethisch begründeten Vegetarismus vor, darunter Leonardo da Vinci, Michel de Montaigne und Pierre Gassendi. Sie ließen es aber – mit Ausnahme von Leonardo – bei verbalen Bekundungen bewenden und praktizierten den Vegetarismus selbst nicht oder nur zeitweilig. Vor dem 19. Jahrhundert gab es in Europa zwar literarische Kritik an gewissen Aspekten von Jagd und Schlachtung, aber fast keine aus Überzeugung konsequent praktizierenden Vegetarier. Einflussreiche Philosophen wie Descartes und Kant vertraten die Auffassung, dass es keine ethischen Pflichten gegenüber der Tierwelt geben könne.

Im frühen 19. Jahrhundert war der prominenteste Wortführer des ethisch motivierten Vegetarismus der Dichter Shelley. Arthur Schopenhauer dehnte seine buddhistisch beeinflusste Mitleidsethik auf die Tierwelt aus, war aber kein Vegetarier. In England war die Bereitschaft zu praktischer Umsetzung und Propagierung der vegetarischen Idee am größten (und dort findet sie noch heute überdurchschnittlich starke Resonanz). So kam es 1847 zur Gründung der Vegetarian Society. Ein typischer Repräsentant des in der Öffentlichkeit aktiven englischen Vegetarismus war George Bernard Shaw.

Ein berühmter Vegetarier war auch Tolstoj, der sich allerdings erst im Alter dieser Idee zugewandt hatte. Albert Schweitzer hat sich intensiv mit der ethischen Problematik der Anwendung tödlicher Gewalt gegen Tiere auseinandergesetzt. Dieses Thema beschäftigte ihn seit seiner Jugend. Er hat die europäische und fernöstliche Kulturgeschichte unter diesem Gesichtspunkt studiert und beschrieben. Das von ihm entwickelte Prinzip der Ehrfurcht vor dem Leben spielt noch heute in einschlägigen Diskussionen eine Rolle. Er ist aber erst kurz vor seinem Tod zur vegetarischen Ernährung übergegangen.

Zahl der Vegetarier

Umfrageergebnisse aus Deutschland:

  • 15 % der Befragten leben ohne Fleisch und Wurst, 9 % essen keinen Fisch (Focus, Nr. 10, 5. März 2001).
  • 8 % der Befragten sind Vegetarier (FORSA, Umfrage im Auftrag des Fernsehsenders RTL vom 25. Januar 2001).
  • 8 % der Bevölkerung sind Vegetarier (Quelle: Vegetarier-Bund Deutschlands e. V.)
  • 7,7 % der Befragten ernähren sich vegetarisch (STERN, Nr. 48, 23. November 2000).
  • 7,3 % vegetarisch lebende Menschen (Hannoversche Neue Presse Nr. 28, 28. Februar 2003).
  • in den Hamburger Mensen entscheiden sich 17 % der Studierenden für das vegetarische Angebot (Wobei die Wahl auf ein vegetarisches Essen nicht folglich heißt, dass es sich um Vegetarier handelt) (TAZ-Hamburg, 18. November 1999)

Ein Trend zur vegetarischen bzw. fleischarmen Ernährung bei jüngeren Menschen wurde auch durch die Shell-Studie „Jugend '97” (2102 Befragte im Alter von 13 bis 14 Jahren) belegt. Der Anteil derer, die sich fleischarm ernähren wollen, stieg von 30 % (1991) auf 36 % (1997). Bei den befragten weiblichen Personen lag die Zahl der „Fleischarmen” sogar bei 52 % (12. Shell-Jugendstudie „Jugend ’97”).

International:

  • Großbritannien: 9 %, vor allem in jungen Altersgruppen (ICM Umfrage für den Daily Telegraph, 2001)
  • Indien: 15–20 % Vegetarier = ca. 150–200 Mio. (Quelle: Vegetarier-Bund Deutschlands e. V.)
  • Indien: 220 Mio. (Anthropological Survey of India ASI, 1985–92)
  • Schweiz: 9 % „beinahe“ Vegetarier, rund 3 % sind echte Vegetarier (Nutritrend-Studie von Nestlé aus dem Jahre 2001)
  • USA: 4 % = ca. 10,6 Mio. (Time/CNN Umfrage am 15. Juli 2002)

V-Label

"Viva Vegan", vegetarisches Restaurant in Karlsruhe

Bei Fertigprodukten und verarbeiteten Nahrungsmitteln ist oft nicht leicht zu erkennen, ob tierische Rohstoffe verwendet worden sind. Tierische Zusatzstoffe, wie Gelatine oder Fette tierischer Herkunft, sind insbesondere in Obstquark, Kuchen, Pudding, Joghurt, Eiscreme, Margarine, Marmelade oder Gummifrüchten für den Verbraucher oft unerwartet beigemengt. Deshalb wird zur Zeit in Europa von den Vegetarier-Organisationen ein vegetarisches Label (V-Label) eingeführt, mit dem für Vegetarier geeignete Produkte und Dienstleistungen zuverlässig gekennzeichnet werden sollen.

In England wird das Label „suitable for vegetarians“ schon seit den 80er Jahren verwendet, es gibt dafür jedoch keine einheitlichen Kriterien.

Vegetarische Ernährung von Haustieren

Einige Vegetarier und Veganer ernähren auch ihre Hunde und Katzen rein pflanzlich. Hunde sind im biologischen Sinn Allesfresser und können dauerhaft von pflanzlicher Nahrung leben. Wenn nicht auf fertige Tiernahrung zurückgegriffen wird, erfordert dies jedoch in jedem Fall eine gute Planung und viel Sachverstand.

Katzen gehören jedoch zu den Fleischfressern. Die vegetarische oder auch vegane Ernährung von Katzen ist dennoch problemlos möglich, jedoch muss die Nahrung mit einer Reihe an teilweise künstlichen Nahrungsergänzungsstoffen angereichert sein, um ein Defizit auszugleichen, ansonsten drohen schwere gesundheitliche Schäden. Hierfür stehen neben Fertigfutter auch komplette, einfach anzuwendende Supplementmischungen zur eigenen Nahrungszubereitung zur Verfügung. Bei diesen Supplementen handelt es sich um die gleichen Stoffe, die meist auch fleischhaltigem Fertigkatzenfutter zugesetzt werden, zum Beispiel Taurin.

Siehe auch

Literatur

Manuela Linnemann, Claudia Schorcht (Hg.): Vegetarismus. Zur Geschichte und Zukunft einer Lebensweise. Harald Fischer Verlag, Erlangen 2001, ISBN 3-89131-403-5