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Rassismus

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Rassismus bezeichnet eine Geisteshaltung bzw. entsprechende Ideologien und Diskurse, die die Menschheit aufgrund äußerer Merkmale wie Hautfarbe oder Gesichtszügen in "Rassen" teilen. Die Unterschiede zwischen diesen Rassen werden für unüberbrückbar erklärt bzw. mit Sanktionen befestigt. Meist wird dabei zu der Unüberbrückbarkeit gleichzeitig eine "Höherwertigkeit" der eigenen Rasse postuliert.

Zum anderen bezeichnet Rassismus auch das reale Machtgefälle bzw. die Diskriminierung, denen sich die Angehörigen solcher "Rassen" seit Beginn der Neuzeit ausgesetzt sahen und heute noch sehen.

Einen Menschen, der Rassismus ausübt oder propagiert, bezeichnet man als Rassisten.


Allgemein

Rassismus ist wissenschaftlich nicht haltbar: Zum einen sind Kriterien, anhand derer Rassen definiert werden, beliebig willkürlich wählbar, auch sind die genetischen Unterschiede zwischen Menschen innerhalb einer "Rasse" im Durchschnitt quantitativ größer als die genetischen Unterschiede zwischen verschiedenen "Rassen". Zum anderen ist von erkennbar differenziert ausgeprägten Merkmalen wie der Hautfarbe, kein weiterer Schluss auf andere Eigenschaften oder eine "Wertigkeit" der jeweiligen Individuen möglich.

Kulturalistischer Rassismus ("Neorassismus") ist Ergebnissen diverser sozialwissenschaftlicher Studien zufolge ebenfalls nicht haltbar, da er "Kultur" (Umgang mit Umwelt, der durchaus gruppenspezifisch geprägt sein kann) zum natürlichen, unveränderlich der Person anhaftenden Merkmal erklärt, so als könnten Personen ihr Umfeld nicht wechseln, nicht lernen, nicht ihren Umgang mit der Umwelt ändern.

Formen von Rassismus

  • Rassistische Vorurteile: Vorgefertigte Meinungen über Personen aufgrund ihrer angenommenen "Rasse". Beispiel: Person A denkt, dass Person B die Eigenschaft X hat, weil sie zur Rasse Y gehört.
  • Rassistische Diskriminierung: Die unterschiedliche Behandlung von Menschen aufgrund äußerlicher Merkmale, wie z.B. der Hautfarbe. Beispiel: Person B weigert sich, Person A einzustellen, weil Person A zur "Rasse" Y gehört.
  • Institutioneller Rassismus (strukturelle Diskriminierung): Ungleichbehandlung durch öffentliche Stellen und große Organisationen aufgrund der "Rassenzugehörigkeit".
  • Kultureller Rassismus: Die Minderwertigkeit anderer "Rassen" ist Teil des Selbstbildes einer Kultur. Der moderne Rassismus bedient sich zudem oftmals des Begriffs verschiedener Kulturen, nachdem der klassische Rassismus als unwissenschaftlich entlarvt wurde. Beispiel: "die Araber sind frauenfeindlich" oder "die Deutschen sind antisemitisch" Der französische Philosoph Étienne Balibar nennt dieses Phänomen "Rassismus ohne Rassen".
  • Alltagsrassismus: Ist die Übernahme von Rassismus in alltägliche Situationen durch Denk- und Handlungsformen, die die dahinter liegenden Machtstrukturen stabilisieren und verfestigen. In dieser Form wird Rassismus nicht mehr hinterfragt, sondern von herrschenden Gruppen als "normal" hingenommen.

Begriffsdefinitionen

Zum Begriff Rasse

Wissenschaftler wie der Humanbiologe Horst Seidler halten die Verwendung des Begriffs Rasse beim Menschen für überholt. Diese Forschungen zufolge ist die Kategorie Rasse mit naturwissenschaftlichen Erkenntnissen nicht vereinbar. Zudem wird aufgezeigt, aus welchen ideologischen Traditionen sie entstand und weist nach, dass der Begriff von Beginn an eingesetzt wurde, um Menschen nicht nur zu klassifizieren, sondern auszugrenzen, zu benachteiligen und zu unterdrücken.

UNO-Definition von Rassismus

In der politischen Diskussion gängig und international anerkannt ist z. B. die UNO-Definition laut International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination. Adopted and opened for signature and ratification by General Assembly resolution 2106 (XX) of 21 December 1965 entry into force 4 January 1969, in accordance with Article 19.

Dort heißt es im Part I Article I (1):

In dieser Übereinkunft umfasst der Begriff 'Rassendiskriminierung' jede Unterscheidung, jeden Ausschluss, jede Einschränkung oder Bevorzugung auf Grund von Rasse, Farbe, Abstammung, nationaler oder ethnischer Herkunft mit dem Ziel oder der Folge, die Anerkennung, den Genuss oder die Ausübung der Menschenrechte und Grundfreiheiten auf gleicher Grundlage im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen oder jedem anderen Bereich des öffentlichen Lebens aufzuheben oder zu behindern.

Zu beachten ist, dass damit nicht Aussagen über Rassen als Diskriminierung erfasst sind, sondern nur Maßnahmen mit der konkreten praktischen Folge, dass Menschenrechte und Grundfreiheiten nicht gleichberechtigt ausgeübt werden können.

Geschichte

Obschon rassistische Praktiken und der Kampf gegen sie recht alt sind, ist der Begriff Rassismus selbst relativ jung. Er wurde im Bezug auf die NS-Rassenlehre bzw. der politischen Auseinandersetzung mit völkischen Theorien im Deutschland der 20er und 30er Jahre geprägt. Erstmals wurde der Begriff vom Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld in einer im englischen Exil publizierten Schrift verwendet. Die erste Definition stammt von der Amerikanerin Ruth Benedikt, deren Buch "Rassismus" 1946 erstmalig in deutscher Sprache erschien. Seither hat es zahlreiche Versuche der Neudefinition gegeben, denen eine Tendenz gemeinsam ist: Je moderner eine Definition ist, desto weniger spielt die Existenz von Rassen im biologischen Sinne eine Rolle. Ist in den ersten Definitionen noch die Existenz von Menschenrassen unumstritten und Rassismus eine Form der Verfolgung oder Selbstbeweihräucherung tatsächlicher biologisch gedachter Gruppen, so verschwindet die Bedeutung der Biologie in modernen Definitionen nahezu.

Rassismus und die Eroberung Amerikas

Als die Spanier Amerika eroberten, kam es wiederholt zum Streit über die Behandlung der Ureinwohner. Vor allem Bartolome de Las Casas, der selbst in den Kolonien lebte, kreidete wiederholt die menschenunwürdige Behandlung der Indios durch die Spanier an. (...dass unsere Spanier für sie [die Indianer] nicht mehr Beachtung übrig haben als für Tiere.) Der Streit gipfelte im Disput von Valladolid in der Frage, ob "Indios" Menschen seien. Sepulveda vertrat die Ansicht, die "Indios" seien den Spaniern unterlegen wie die Affen den Menschen. Den theoretischen Rückhalt hierfür holte er sich von Aristoteles Theorie der natürlichen Sklaverei, der einigen Menschen die Vernunftfähigkeit abgesprochen und ihre "natürliche" Unterlegenheit postuliert hatte. Der Disput blieb allerdings ohne politische Auswirkung, da die finanzielle Lage im Königreich für die Finanzierung indio-freundlicherer Maßnahmen zu angespannt war.

Sklaverei

Die Verschleppung und Versklavung von Afrikanern in Amerika war Ausdruck einer rassistischen Ideologie. So wurden verschiedene rassistische Stereotype manifestiert: Einerseits jenes des "edlen Wilden" - Indianer seien noch so unverdorben, so weise und freiheitsliebend, dass sie in der Sklaverei einfach nicht leben können. Auf der anderen Seite prägte die Geschichte auch das Bild des starken, bestialischen Afrikaners, der eigentlich gerne arbeitet und "von Natur aus" untertänig sei.

Die Dominanz christlicher Akteure in den Südstaaten Nordamerikas führte hier zu absonderlichen Debatten, die um die Frage der Abkunft der Schwarzen von Adam und Eva kreisten. Die Vertreter der Monogenese, die davon ausgingen, dass Adam und Eva weiß waren, erklärten, dass farbige Menschen nach der Vertreibung aus dem Paradies entstanden. Die Vertreter der Polygenese vertraten die Auffassung, das Gott mehrere unterschiedliche Urpaare geschaffen habe. Aus beiden Auffassungen lässt sich Rassismus ableiten. Im einen Fall als Änderung des göttlichen Planes, im zweiten Fall als gewollte göttliche Separation.

Die Sklavenbefreiung in den Südstaaten Nordamerikas führte nicht zu einem Ende der Rassendiskriminierung dort, sie veränderte sie nur. Zahlreiche rassistische Praktiken waren bis zur Bürgerrechtsbewegung in den USA gültig. Auch heute noch sind die Lebenschancen, Bildungsmöglichkeiten etc. dort nach der tradierten Linie zwischen weiß und farbig ungleich verteilt, rassistische Ausschlussformen nach wie vor vorhanden.

Nach der Sklavenbefreiung dort entstand der KuKluxKlan, eine der bekanntesten noch bestehenden Rassistenvereinigungen der Welt.

Rassismus und Imperialismus

Seinen ideellen Höhepunkt fand der Rassismus im Imperialismus des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Klischee- und Überheblichkeitsvorstellungen seitens europäischer Literaten und Publizisten waren damals an der Tagesordnung, auch wenn Gewalt gegenüber Mitgliedern anderer "Rassen" selten explizit gutgeheißen wurde. Extremer Vertreter des Rassismus und auch des Sozialdarwinismus war Houston Stewart Chamberlain, der die Auffassung vertrat, die germanische Rasse sei zum Retter der Menschheit auserkoren. Damit legte er auch Fundamente für den aufkeimenden Nationalsozialismus.

Rassismus nach 1918 in Deutschland

In der Weimarer Republik war neben der antisemitischen Propaganda besonders die Agitation gegen die Besetzung des Rheinlandes von rassistischer Begleitmusik durchzogen und dieses nicht nur in den Kampfblättern der extremen Rechten. Anlass boten hier besonders die z.T. aus Afrika stammenden Truppen der französischen Besatzungsarmee. Die von einigen schwarzen Soldaten gezeugten Kinder wurden als Gefahr für die deutsche Rassenreinheit angesehen. Die betroffenen Kinder wurden als so genannte 'Rheinlandbastarde' später von den NS-Behörden erfasst und vielfach zwangssterilisiert.

Rassismus und das nationalsozialistische Deutschland

Rassismus war Teil der Ideologie des Nationalsozialismus. Man ging davon aus, dass es höherwertigere und minderwertigere Menschen gibt. Hochwertige Menschen konnten dabei nur aus der 'Herrenrasse' entstammen. Die Mitglieder dieser 'Herrenrasse' hatten die Aufgabe, ihre Rasse 'reinzuhalten', weshalb sexueller Kontakt zwischen Angehörigen der 'hohen' und der 'minderwertigen' Rassen verhindert werden sollte. Bestimmten, von den Nazis als "Rasse" definierten Gruppen wie Juden, Roma oder Sinti unterstellten sie, dass diese "die Herrenrasse" zersetzen wollten.

Die Opfer des NS-Rassismus wurden verfolgt, zwangssterilisiert, deportiert und ermordet. Die gesamte Gesundheitsvorsorge, Sozialpolitik sowie die Bevölkerungspolitik wurde in ein rassenhygienisches Programm verwandelt das bis hin zu Eheschließungen nahezu jeden erreichte. Teil dieses rassistischen Programms waren auch Ahnenpässe, die sich in vielen deutschen Familien heute noch finden. Die aufgrund dieser Ahnenpässe zu führende Ariernachweis, bzw. der Große Ariernachweis war Bedingung z.B. für eine Karriere bei der SS. Ohne die Zusammenarbeit von NS-Stellen und Kirchengemeinden, die aufgrund der Kirchenbücher (mit ihren Eintragungen zur Geburt) an dieser Erfassung mitwirkten wäre diese Arbeit nicht zu bewältigen gewesen.

Natürlich richtete sich der NS-Rassismus nicht nur gegen Menschen sondern auch gegen Kulturgüter, z.B. Jazz wurde als Negermusik verleumdet.

Literatur

  • Alex Demirovic und Manuela Bojadzijev (Hrsg.): Konjunkturen des Rassismus. 333 Seiten; 2002; ISBN 3-89691-516-9
  • Wolf D. Hund: Rassismus. 173 Seiten; 1999; ISBN 389-691-45-37
  • George L. Mosse: Die Geschichte des Rassismus in Europa. Königstein/Taunus 1978.

Siehe auch