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Klerikalfaschismus

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Unter Klerikalfaschismus (auch christlicher Faschismus genannt) versteht man eine Verbindung von christlichen Kirchen und faschistischer Ideologie. Gemeint ist damit vor allem der Antisemitismus sowie die politische Zusammenarbeit kirchlicher Behörden und Amtsträger („Klerus") und konservativ-bürgerlicher christlicher Parteien mit faschistischen Regimen.

Im weiteren Sinne bezeichnet der Begriff auch eine Verwandtschaft christlicher Lehren und Organsiationsformen mit dem Faschismus, etwa hinsichtlich des Führerprinzips im katholischen Cäsaropapismus oder autoritärer, sektenartiger Strukturen bei Gruppen des christlichen Fundamentalismus.

Klerikalfaschistische Regimes

Antisemitismus

Den Antisemitismus, den diese Regimes propagierten, vertraten die Kirchen und christlich-konservativen Parteien ihrer Länder teilweise schon viel früher. Die Faschisten versuchten damit Teile des Bürgertums für sich zu gewinnen und - etwa im Falle Österreichs - einer möglichen nationalsozialistischen Besetzung durch Anpassung zuvorzukommen. Dabei übernahmen sie auch Regierungsmethoden wie die autoritäre Staatsgliederung, Wirtschaftslenkung und Internierung von politischen Gegnern in Konzentrationslagern.

Katholischer und protestantischer Klerikalfaschismus

Im Blick auf die Kirchengeschichte wird oft von Klerikalfaschismus gesprochen, wo religiöse Intoleranz zu besonders augenfälligen Verbrechen gegen die Menschlichkeit führte, wie etwa in Zeiten der Inquisition und der Hexenverfolgungen. Solche Tendenzen hat etwa Karlheinz Deschner mit seiner Kriminalgeschichte des Christentums detailliert beschrieben und kritisiert.

In Deutschland verwendete die KPD den Begriff polemisch gegen die Zusammenarbeit des katholischen Zentrums mit den rechtsextremen Parteien in der Weimarer Republik. Auch in Österreich und einigen romanischen Ländern war der Begriff vor allem polemisch gegen katholische Allianzen mit aufstrebenden faschistischen Parteien gerichtet.

Im Bereich des Protestantismus kann er die Synthese von Christentum und faschistischer, antisemitischer und rassistischer Ideologie bezeichnen, wie sie besonders die Deutschen Christen vertraten. Sie wurden klerikal, vor allem nachdem sie 1933 in Teilbereichen der Deutschen Evangelischen Kirche Kirchenleitungsfunktionen eroberten. Hier wurde die systematische Ausgrenzung von Juden aus der Kirche in Analogie zum Staatshandeln propagiert und realisiert.

Die Theologin Dorothee Sölle verwendete den Begriff Christofaschismus auch für US-amerikanische Institute und Gruppen, die sich gegen die lateinamerikanische Befreiungstheologie wenden und ihre Anhänger gezielt ideologisch antikommunistisch und antiliberal indoktrinieren.

Klerikalfaschistische Tradtion führte u.a. dazu, dass der Vatikan ehemaligen Nationalsozialisten nach 1945 zur Flucht vor Strafverfolgung ins Ausland verhalf. Wieweit der Papst diese Praxis kannte und unterstützte, ist umstritten. Solche historischen Tatsachen fassen Kritiker als Hinweis auf die geistige Nähe und praktische Solidarität zwischen Christen und Faschisten auf. Damit kann eine konkrete Definition von Faschismus allerdings auch relativiert werden. Das gilt auch - ungeachtet äußerer Parallelen - für die ahistorische Übertragung des Begriffs auf islamistische Regime wie den heutigen Iran.

Literatur

  • Klaus-Jörg Siegfried: "Klerikalfaschismus". Sozialwissenschaftliche Studien (Herausgeber Peter Lang), Frankfurt am Main, November 1982, ISBN 3921121957
  • Hermann L Gremliza (Herausgeber): "Artiges Volk, entartete Dichter: 'In Österreich hat immer das System des Klerikalfaschismus geherrscht, eine geisterhafte Geisteshaltung, für die die ... noch zu modern gewesen sind' (Elfriede Jelinek)". Konkret-Verlag, ISBN 3930786311

Siehe auch

Islamfaschismus