Zum Inhalt springen

Antiochia am Orontes

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 23. März 2006 um 18:55 Uhr durch Benowar (Diskussion | Beiträge) (Antike). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Antiochia am Orontes (griech. Antiocheia, Αντιόχεια ή επί Ορόντου oder Αντιόχεια η Μεγάλη, lat. Antiochia ad Orontem; auch Antiochien, Antioch) im antiken Syrien (heute Antakya in der Türkei), gelegen am Fluss Orontes rund 30 km vom Meer und seiner Hafenstadt Seleukia Pieria entfert. Sie ist die bekannteste mehrerer antiker Städte, die von verschiedenen Königen der Seleukidendynastie gegründet wurden, siehe Antiochia (Begriffsklärung).

Antike

Die Stadt wurde unter dem Namen Antigoneia am Orontes 307 v. Chr. von Antigonos I. gegründet. Nach dessen Niederlage gegen Seleukos I. wurde sie 300 v. Chr. an die heutige Stelle verlegt und in Antiochia am Orontes umbenannt. Den Namen erhielt die Stadt zu Ehren von Seleukos' Vater Antiochos. Die Stadt wurde zu einer der Hauptstädte des Seleukidenreiches und entwickelte sich zu einer der bedeutendsten Weltstädte der Antike. Einst wurden dort heilige Spiele ausgetragen, die mit den Olympischen konkurrierten. Sie lag gleichzeitig am Schnittpunkt verschiedener Handelsrouten, was den Aufschwung der Stadt noch beschleunigte. Nachdem 64 v. Chr. der seleukidische Rumpfstaat von den Römern beseitigt worden war, wurde Antiochia Hauptstadt der römischen Provinz Syria.

In römischer Zeit hatte Antiochia eine Bevölkerungszahl von etwa 500.000 Menschen und war eine der fünf wichtigsten Städte des Römischen Reiches. Die Stadt nahm aber auch in der Geschichte des Christentums einen bedeutenden Platz ein. Hier predigte der Apostel Paulus zum ersten Mal in einer Synagoge, hier wurden die Jünger Christi erstmalig Christen (christianoi, siehe Apostelgeschichte 11, 26) genannt. Mit der Etablierung der christlichen Kirche wurde Antiochia, welches bereits um die Mitte des 4. Jahrhunderts weitgehend christianisiert war (siehe die Reaktion auf den Besuch Julian Apostatas), Sitz eines der fünf ursprünglichen Patriarchate, gemeinsam mit Jerusalem, Alexandria, Konstantinopel und Rom. Heute beanspruchen mehrere Kirchen die legitime Nachfolge dieses Patriarchats jeweils für sich; siehe hierzu Patriarchat von Antiochia.

In der Spätantike blieb Antiochia, ungeachtet einiger schwerer Erdbeben sowie zweier Plünderungen durch die Sassaniden (wohl 256 und 260 durch Schapur I. und vor allem 540 durch Chosrau I.) eine höchst bedeutende Stadt im (ost-)römischen Reich. So zählten die rhetorischen Schulen der Stadt im 4. Jahrhundert neben den Schulen Athens, Alexandrias und Konstantinopels zu den führenden des Reiches; verschiedene bedeutende Lehrer sind namentlich bekannt, so etwa Ulpianus von Antiochia, Eusebius arabs, Aedesius rhetor und sein Schüler Zenobius rhetor sowie vor allem der berühmte Libanios. Auch der (neben Prokopios von Caesarea) bedeutendste spätantike Historiker Ammianus Marcellinus, ein Zeitgenosse des Libanios, stammte vermutlich aus Antiochia. Allerdings umfasste die nach dem verheerenden Erdbeben 526 und der Einnahme durch die Sassaniden 540 unter Justinian I. neu aufgebaute Stadt (neuer Name Theoupolis, „Stadt Gottes“) nur einen Teil des spätantiken Stadtareals. Am Ende der Spätantike wurde Antiochia 638-41 durch die Araber erobert (siehe Islamische Expansion).

Mittelalter

Bis 969 blieb Antiochia in arabischer Hand und wurde dann durch den byzantinischen Kaiser Nikephoros II. zurückerobert, wodurch die Stadt einen gewissen Aufschwung nahm. 1085 fiel die Stadt dann in die Hände der Seldschuken. 13 Jahre später wurde sie von den Kreuzfahrern besetzt und nicht wie vereinbart an Byzanz zurückgegeben, sondern zur Hauptstadt des unabhängigen Fürstentums von Antiochien gemacht.

Während des 12. und 13. Jahrhunderts blieb Antiochia in der Hand der Kreuzfahrer, bis es 1268 durch die Mameluken unter Sultan Baibars endgültig erobert wurde. Baibars zerstörte die Stadt so schwer, dass sie nie wieder größere Bedeutung erlangte. Die gesamte christliche Bevölkerung wurde versklavt, was zu einem Verfall der Preise für Sklaven führte. Antiochia wurde schließlich zu einer unbedeutenden Kleinstadt. 1517 wurde sie Teil des osmanischen Reiches. Zur Geschichte in der Neuzeit siehe Antakya.

Antike Reste und Umgebung

Da die moderne Stadt auf der durch Schwemmerde des Orontes mehrere Meter hoch verschütteten antiken Stadt liegt, sind praktisch keine antiken Überreste mehr zu sehen. Nur die eindrucksvolle Stadtmauer hat sich auf dem Berg über Antakya erhalten. Beeindruckend ist das 30 m große Eiserne Tor in der Parmenios-Schlucht. Kürzlich wurden auch die Grundmauern einer Neustadt außerhalb der Stadtmauern entdeckt.

Die Funde aus dem antiken Antiochia befinden sich heute im Archäologischen Museum von Antakya. Besonders bemerkenswert ist die sehr bedeutende Sammlung römischer Mosaike, die vor allem während der Ausgrabungen der Princeton University 1933–39 gemacht wurden.

Nur eine frühe Kirche ist noch zu sehen, die Grottenkirche St. Peter, die etwas außerhalb an einem Berghang zu finden ist. Sie wurde vom Vatikan offiziell zur ältesten Kirche des Christenheit erklärt und soll der Legende nach vom Apostel Petrus eingeweiht worden sein.

Abraham Ortelius: Daphne, 17. Jahrhundert

Inmitten von zahlreichen Wasserquellen, welche das Trinkwasser für die Stadt liefern, und riesigen Lorbeerbäumen liegt etwa fünf Kilometer entfernt Harbiye. Der Ort war während der Römerzeit ein Villenvorort und wurde nach der Nymphe Daphne benannt, welche sich, einer Sage nach, hier vor Apollon verstecken wollte und deshalb in einen Lorbeerbaum verwandelt wurde. Auch soll einst Kleopatra an diesem Ort geheiratet haben.

Oberhalb von Antiochia befindet sich im Gebirge ein monumentales Felsbild Chairon genannt, das die Stadt vor Unheil beschützen sollte. Laut dem Chronisten von Antiochia Johannes Malalas errichteten die Bewohner der Stadt das Monument als Schutz vor einer Seuche unter Antiochos IV.

Literatur

  • Richard Stillwell (Hrsg.): Antioch on-the-Orontes. Publications of the Committee for the Excavation of Antioch and its Vicinity.
    • Band 1: George W. Elderkin: The excavations of 1932. Princeton 1934.
    • Band 2: The excavations, 1933–1936. Princeton 1938.
    • Band 3: The excavations, 1937–1939. Princeton 1941.
    • Band 4,1: Frederick O. Waage: Ceramics and Islamic coins. Princeton 1948.
    • Band 4,2: Dorothy B. Waage: Greek, Roman, Byzantine and Crusaders’ coins. Princeton 1952.
    • Band 5: Jean Lassus: Les portiques d’Antioche. Princeton 1972.
  • Glanville Downey: A history of Antioch in Syria. From Seleucus to the Arab conquest. Princeton 1961.
  • J. H. W. G. Liebeschuetz: Antioch. City and imperial administration in the later Roman Empire. Oxford 1972 (Nachdruck 2003), ISBN 0-19-814295-1.
  • Christine Kondoleon (Hrsg.): Antioch. The lost ancient city. Princeton 2000, ISBN 0-691-04933-5.
  • Wolfram Hoepfner: »Antiochia die Große«. Geschichte einer antiken Stadt. In: Antike Welt. Zabern, Mainz 35.2004,2, S. 3–9, ISSN 0003-570X.
  • Gunnar Brands: Orientis apex pulcher – Die Krone des Orients. Antiochia und seine Mauern in Kaiserzeit und Spätantike. In: Antike Welt. Zabern, Mainz 35.2004,2, S. 10–16, ISSN 0003-570X.

Vorlage:Koordinate Artikel