Geschichte des Antisemitismus seit 1945
Auch nach dem mahnenden Fanal des Holocausts ist der Antisemitismus weiter virulent, wie Anfeindungen und Anschläge weltweit immer wieder zeigen. In der Wahrnehmung der jüdischen Bevölkerung in der europäischen Diaspora gibt es in den letzten Jahren eine neuerliche Zunahme des Antisemitismus. Eine Reihe von kontrovers diskutierten soziologischen Untersuchungen [1] zeigen zum Teil ganz unterschiedliche Zahlen zum latenten Volksantisemitismus, der sich im übrigen unterschwellig aus Vorurteilen und Ressentiments speist und vom militant manifesten Antisemitismus zu unterscheiden ist. Aber auch im Nahen Osten und der arabischen Welt ist ein erneutes Anwachsen des Antisemitismus zu beobachten. Meist wird dies mit der Politik der aktuellen israelischen Regierung im Konflikt mit den Palästinensern in Zusammenhang gebracht.
Heute wird von Antisemiten in der Regel versucht, den Antisemitismus nicht als solchen zu bezeichnen, sondern bestenfalls als Antijudaismus, Antizionismus oder allgemeine Kapitalismuskritik. Im Unterschied zur allgemeinen Bezeichnung von Judenfeindschaft durch den Begriff Antisemitismus, bezieht sich der Begriff Antijudaismus aber ausschließlich auf eine theologisch argumentierende Gegnerschaft zur mosaischen Religion. Antizionismus auf der anderen Seite bezeichnet eine politisch motivierte Gegnerschaft zum (jüdischen) Staat Israel. Dieser Differenzierung ungeachtet zeigen Antisemitismus, -judaismus und -zionismus nicht selten weitreichende Berührungspunkte. Die Bezeichnungsfrage ist ein zentraler Streitpunkt in der Antisemitismus-Debatte.
Auf der anderen Seite wird der Vorwurf des Antisemitismus häufig dazu missbraucht, um Kritik gegenüber der Politik Israels zu unterdrücken (s. beispielsweise Möllemann-Flugblatt). Tatsächlich wird Kritik an der Politik Israels mitunter dazu mißbraucht, um antisemitische Gesellschaftskreise anzusprechen bzw. um auf subtile Weise antisemitisches Gedankengut zu verbreiten.
Antizionistische und antisemitische Positionen kennzeichnen auch die Neonazis. Einer der profiliertesten Vertreter des neonazistischen Antisemitismus ist Horst Mahler.
Solche antizionistische und antisemitische Positionen werden aber durchaus nicht nur von der 'rechten' Szene vertreten, sondern auch von den 'Linken'. Dabei wird oft durch die Unterstützung der palästinensischen Ziele (Staatsgründung, Abbau von israelischen Siedlungen auf palästinensischen Gebiet, etc.) ein antizionistisches und antisemitisches Bild abgegeben, was von diesem Teilen der Gesellschaft oft gerne in Kauf genommen wird. Auch die Vorstellung von einem internationalen, jüdischen Kapitalismus ist nicht nur in rechts-, sondern auch in linksextremen Kreisen verbreitet. Im April 2002 fand sich im linksgerichteten Coburger Magazin "Kult" die Aufforderung "Don't buy Jewish !" ("Kauft nicht jüdisch !"). Dabei sollte es sich um einen Aufruf zum Boykott israelischer Produkte handeln, was mit der Politik Israels begründet wurde. Eine Analogie zu den Boykott-Aufrufen der Nationalsozialisten, die an Geschäfte mit jüdischen Inhabern Schilder hängen ließen ("Kauft nicht beim Juden !"), erscheint als naheliegend. In dem betreffenden Artikel des Magazins "Kult" wurde mehrfach verallgemeinernd von "den Juden" geschrieben.
Siehe auch:
- Personen, die sich in jüngster Vergangenheit mit dem Vorwurf des Antisemitismus konfrontiert sahen:
- Jürgen Möllemann - wegen Wahlkampf-Wurfsendung
- Martin Hohmann - wegen Rede zum 3. Oktober
- Reinhard Günzel - wegen expliziter Unterstützung Hohmanns
- Wannsee-Konferenz
- Rassentheorien
Siehe auch