Kunst

Etymologie
Nach Auskunft des Grimm’schen Wörterbuches leitet sich das deutsche Wort „Kunst“ vom althochdeutschen „chunst“ (Plural „chunsti“) ab und wandelte sich im Mittelhochdeutschen zu „Kunst“ bzw. „Künste“ (Pl.). Der Begriff war zu allen Zeiten und ist bis heute mehrdeutig. Er bezeichnete anfangs ein Substantiv zum Verbum „können“ mit der Bedeutung Kenntnis oder auch Selbsterkenntnis, wobei „können“ damals ähnlich wie „kennen“ benutzt wurde, das dem gleichen Wortstamm folgt.
Der Begriff Kunst wurde und wird ebenfalls gebraucht:
- Im Sinn von Wissen, Erkennen, Erkenntnis, Einsicht
- Seit dem 16. Jahrhundert wird Kunst nicht nur zur Beschreibung eines Wissens gebraucht, der Begriff wird ebenso synonym für Philosophie, aber auch die (Natur-)wissenschaften gebraucht. Luther unterscheidet die guten Künste, mit denen er die Lehre des Evangeliums meint, von den freien Künsten, den antiken „artes liberales“ (siehe unten).
- Im Sinn von Fertigkeit
- Gemeint waren Fertigkeiten innerhalb eines Fachgebiets sowie die Gesamtheit einer Fertigkeit (Reitkunst, Kochkunst, Fechtkunst) oder Tätigkeit. Eine negative Konnotation erhalten diese Künste, wenn damit Listen oder geschickte Täuschungen gemeint sind (Diebeskünste, Verschönerungskünste, Schwarze Kunst, Verführungskunst oder Zauberkunst). Aus dem Bedeutungsfeld der Verstellungen kommt auch das Adjektiv „gekünstelt“.
- Im Sinn von Handwerk
- Im Wort Kunsthandwerk steckt heute noch das Handwerk. Bis ins 18. Jahrhundert wurde Kunst auch als Synonym für die Ausübung eines Handwerks benutzt. Erhalten hat sich dieser Gebrauch in Worten wie Flechtkunst, Töpferkunst. Mit Kant lässt sich schließlich die Trennung der Begriffe konstatieren: „Im engern Sinne sind Handwerk und Kunst genau unterschieden, obwol es an naher Berührung, ja Verflieszen von beiden nicht fehlt (vergl. Kunstgewerbe): die Kunst wird vom Handwerk unterschieden, die erste heiszt freie, die andere kann auch Lohnkunst heiszen“.
- Im Sinn von Wissenschaft
- Seit Leibnitz kennt man die Bezeichnung wissenschaftlicher Disziplinen als „Sprachkunst (Grammatica), Redekunst (Rhetorica), Messekunst (Geometria), Beweiskunst (Logica), Sittenkunst (Ethica), Sehkunst (Optica), Zergliederkunst (Anatomia), Scheidkunst (Chymia) u.a.“. Bald jedoch wird die Kunst von der Wissenschaft unterschieden. Goethe meint dazu: „Kunst und Wissenschaft sind Worte, die man so oft braucht und deren genauer Unterschied selten verstanden wird, man gebraucht oft eins für das andere, und schlägt dann gegen andere Definitionen vor: ich denke, Wissenschaft könnte man die Kenntnis des Allgemeinen nennen, das abgezogene Wissen, Kunst dagegen wäre Wissenschaft zur That verwendet. Wissenschaft wäre Vernunft, und Kunst ihr Mechanismus, deshalb man sie auch praktische Wissenschaft nennen könnte. und so wäre denn endlich Wissenschaft das Theorem, Kunst das Problem.“
- Als Gegensatz zu Natur
- Nicht zuletzt im Gefolge der Aufklärung und ihrem neuen Naturbegriff wird Kunst als Gegensatz zu Natur, als künstlich anstelle von natürlich verstanden. Heute verwendet man das Präfix Kunst- als Bezeichnung für „nicht natürlich“: Kunstpelz, Kunststoff, Kunstblume, Kunstauge etc.
- Im Sinn von Schönen Künsten
- Kunst im heutigen, am häufigsten gebrauchten Sinn wurde begrifflich vor allem von Winkelmann, Lessing, Herder, Goethe und Schiller geprägt. In ihren ästhetischen Schriften beschreiben sie die menschlichen Hervorbringungen zum Zwecke der Erbauung als Kunst, sei es im Theater, in der Literatur, in der Musik oder die Werke „bildender Künstler“, auf die sich der Begriff schließlich zunehmend verengt. So hat sich Kunst- auch als Präfix für Wortbildungen wie Kunstausstellung, Kunstwerk, Kunstauktion etc. herausgebildet.
- Im Sinn von Maschine
- Ab dem 18. Jahrhundert entwickelt sich außerdem eine Bedeutungslinie, die Kunst als Bezeichnung für eine Maschine oder einen maschinell hergestellten Gegenstand verwendet (Feuerkunst für Feuerspritze, Dampfkunst für Dampfmaschine, Wasserkunst für Rohrleitung). Speziell Vorrichtungen zum 'fördern' von Lasten im Bergbau werden Kunst genannt.
- Im scherzhaften Sinn von Hintern
- Der Vollständigkeit halber soll nicht verschwiegen werden, dass das Wort im 16. und 17. Jahrhundert spaßhaft für „Hinterteil“ benutzt wurde. Als lateinische Kunst (Kunst heißt im Lateinischen ars) wurde da scherzhaft bezeichnet, was im Althochdeutschen und Mittelhochdeutschen ebenfalls noch ars hieß und heute zu Arsch geworden ist.
Die Schönen Künste


Heute unterscheidet man die sogenannten Schönen Künste in:
- Bildende Kunst mit den klassischen Hauptgattungen Malerei - Bildhauerei - Architektur - Kunstgewerbe (Angewandte Kunst)
- Darstellende Kunst mit den Hauptsparten Theater - Tanz - Filmkunst
- Musik mit den Hauptsparten Vokalmusik - Instrumentalmusik
Speziell in der Bildenden Kunst haben sich die Ausdrucksformen und Techniken mit Beginn der Moderne - etwa mit der Medienkunst - stark erweitert. Für eine ausführlichere Beschreibung siehe Artikel Bildende Kunst. Bei den Darstellenden Künsten lassen sich heute auch die Ausdrucksformen der Neuen Medien dazuzählen, in Hörfunk, Fernsehen und Internet.
Als Gesamtkunstwerk bezeichnet man ein Kunstwerk, welches die Ausdrucksformen mehrerer Künste anwendet. Als Synästhesie bezeichnet man Überschneidungen von Sinneswahrnehmungen, in den Künsten etwa "Klangfarbe" in der Musik oder "Farbklang" in der Malerei.
Der europäische Kunstbegriff im Wandel der Geschichte
Der folgende Überblick nennt die wichtigsten Stichworte zum Wandel des europäischen Kunstbegriffs. Eine ausführlichere Behandlung erfährt diese Entwicklung im ausgezeichneten Artikel Ästhetik. Eine kurze Geschichte der Kunsttheorie enthält der Artikel Kunstgeschichte. Eine strukturelle Gliederung der Geschichte der Bildenden Kunst mit Listen von Fachbegriffen, Künstlernamen, Werken erhält man im Portal:Kunst.
Zum Kunstbegriff nichteuropäischer Kulturen siehe die Artikel zu Afrikanischer und Asiatischer Kunst.
Vorgeschichte

Seit ihren Anfängen war Kunst eng mit Arbeit, Spiel und dem Heiligen verbunden. Historisch entwickelten sich die Künste aus ihrem Beitrag zur materiellen Organisation von Kulten und Ritualen. In der Frühzeit menschlicher Entwicklung ist das Auftreten von Kunst einer von mehreren Indikatoren für die Bildung von Bewußtsein und menschlichem Denken. Kunst meint in diesem Zusammenhang Verrichtungen (z.B. Musizieren) oder Darstellungen, die keinen unmittelbaren Nutzen zur Lebenserhaltung erkennen lassen. Prähistorische Funde von Musikinstrumenten, Statuetten und Höhlenmalereien stehen vermutlich alle in Zusammenhang mit ersten religiösen Kulten. Bei heutigen Naturvölkern lässt sich die frühe Kultfunktion von künstlerischen Ausdrucksformen ebenso studieren wie eine anthropologische Konstante: das Bedürfnis (sich) zu schmücken, das sich im Ornament zuerst herausgebildet hat. Diskutiert werden außerdem soziologische Funktionen von künstlerisch bzw. ornamental gestalteten Artefakten wie Spangen, Fibeln, Waffen etc. in den Clangesellschaften der Vor- und Frühgeschichte. Damit fungiert Kunst seit frühester Zeit auch als Distinktionsmerkmal, wie es von der jüngeren Kunsttheorie und - soziologie diskutiert wird. Da die Vorgeschichte per definitionem eine schriftlose Epoche ist, gibt es keinerlei Überlieferungen eines zeitgenössischen Kunstbegriffs.
Antike

Von den frühen bis zu den späten antiken Kulturen, vom ägyptischen Alten Reich über das Klassische Griechenland bis zum späten Rom, sind eine Fülle von Kunstwerken erhalten: Architektur, Skulpturen, Fresken und Kleinkunst. Dass sie als solche bezeichnet werden, ist jedoch ein Anachronismus, denn zur Zeit ihrer Entstehung galten Malerei und Bildhauerei nicht als Kunst, sondern als Handwerk, ihre Erzeugnisse als Produkte von Handwerken, nicht aber Künstlern. Das Theater war bereits weit entwickelt und geachtet, aber wesentlich Bestandteil kultischer Handlungen. Als freie Künste (artes liberales) wurden in der Antike jene Kenntnisse und Fähigkeiten bezeichnet, die einem freien Mann – nicht aber einem Sklaven – zur Verfügung stehen sollten. Marcianus Capella (um 400 vor Chr.) hat insgesamt sieben Künste in zwei Gruppen eingeteilt: das Trivium beinhaltete Grammatik, Dialektik und Rhetorik; das Quadrivium umfasste Geometrie, Arithmetik, Astronomie und Musik. Von den Schönen Künsten im modernen Sinn war also allein die Musik in der Antike eine anerkannte Kunst. Niederes Handwerk waren dagegen die mechanischen Künste, die mit der Hand ausgeführt werden mussten, worunter eben auch die Malerei oder die Bildhauerei fielen.
Der Antagonismus von Kunst, die vorwiegend aus dem Geist entsteht, und Kunst, die manuell gefertigt werden muss, wird sich in der Bildenden Kunst über 2000 Jahre immer wieder anders manifestieren, vom Paragone in der Renaissance (dem Wettstreit der Kunstgattungen, welche die edelste von allen sei) über den deutschen Idealismus des 18. Jahrhunderts und seinen Anteil am modernen Kunstbegriff (der technisches Können nur noch als banales Werkzeug des Künstlers begreift seiner Idee Ausdruck zu verleihen) bis hin zur Konzeptkunst der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts, die die künstlerische Idee gänzlich vom ausgeführten Artefakt entkoppelt.
Mittelalter
Mit den Umbrüchen der Völkerwanderungszeit löste sich das antike Kunstleben in Europa so gut wie auf. Der mittelalterliche Kunstbegriff übernimmt jedoch das Schema der artes mechanicae wie der artes liberales, der freien Künste des (philosophischen) Grundstudiums, die in den drei großen Fakultäten Theologie, Jurisprudenz und Medizin vorausgesetzt wurden. Der bildende Künstler ist nach wie vor Handwerker und in Zünften wie alle anderen Berufe organisiert. Als Individuum tritt er selten in Erscheinung, die Signatur eines Werkes ist unüblich. Auftraggeber für fast alle künstlerischen Produktionen - Malerei, Bildhauerei, Musik, Theater - ist die Kirche. In geringerem Maße läßt auch der feudale Adel Kunstwerke in Auftrag geben. Es entstehen profane und sakrale Ausdrucksformen, Bildtypen, Musikformen etc.. Vertrat man in der Antike noch ein naturalistisches Menschenbild und versuchte, die Natur möglichst gut nachzuahmen, so definierte sich Schönheit im Mittelalter über den geistigen (religiösen) Gehalt einer Darstellung, wie er von den Scholastikern als Schönheit Gottes erkannt wurde, die sich in der Kunst widerspiegeln sollte.
Neuzeit
Der Stellenwert der bildenden Kunst und der Arbeit des Künstlers ändern sich in der Neuzeit mit dem Übergang zu einer bürgerlichen Gesellschaft: Wo vorher meist im Auftrag von Kirche und Adel Werke geschaffen werden, wächst mit dem gebildeten Kunstsammler ein neuer Rezipiententyp heran. Dieser Prozess beginnt zuerst in Italien mit der Frührenaissance und setzt sich ab Mitte des 15. Jahrhunderts in ganz Europa fort. Die Städte erstarken und mit ihnen die Kaufleute, die ihre neue Stellung in der Feudalgesellschaft mit Kunst demonstrieren. Der Künstler emanzipiert sich, entdeckt sich als Subjekt, und schafft Werke, deren Hauptzweck nicht mehr die Repräsentation eines Glaubensinhalts oder der Macht eines Fürsten ist, sondern die fachkundige Debatte über Entwurf, Ausführung und Könnerschaft. So entstehen hoch komplexe ikonographische Bild- und Architekturprogramme, die zu enträtseln eine Aufgabe für das Kunstpublikum wird. Es entsteht eine neue literarische Gattung: Kunstliteratur, Schreiben über Künstler und Kunst. Der nunmehr autonome Künstler denkt über seine Rolle nach, was in der bildenden Kunst im sogenannten Paragone öffentlich gemacht wird. Die Wiedergeburt, die im Begriff Renaissance angesprochen wird, bezieht sich auf die erneute Anküpfung an die klassische Antike, auf deren Menschenbild und Naturbegriff die Kunstproduktion aufbaut. In der Musik und Literatur blühen nicht-kirchliche Werke.
Die Reformation forciert die Schwächung der römisch-katholischen Kirche als wichtigstem Auftraggeber der Künstler, was auf dem Konzil von Trient mit einem ausführlichen Gegenkonzept beantwortet wird. Die Notwendigkeit einer katholischen Gegenpropaganda legt den Grundstock für die Explosion der künstlerischen Produktion in Musik und Bildender Kunst im Barock.
Aufklärung

In der zweiten Hälfte des 18. und am Anfang des 19. Jahrhunderts, im Zeitalter der Aufklärung, begannen die gebildeten Kreise Gemälde, Skulpturen und Architektur, sowie Literatur und Musik als Kunst im heutigen Wortsinn zu diskutieren. Themenverbindend wurde die Ästhetik in Abgrenzung zum Hässlichen als Kategorie zur Qualifizierung von Kunstwerken begründet. Freiheit wurde zum Ideal für Politik, Wissenschaft sowie für die sich allmählich als eigenständige Bereiche herausbildenden Literatur und Kunst. Der handwerkliche Aspekt künstlerischen Schaffens verlor an Bedeutung. Mit dem deutschen Idealismus stand die Idee über dem Artefakt. Eine der wichtigsten Voraussetzungen für diesen Prozess war die durch die beginnende Industrielle Revolution beschleunigte Säkularisierung.
Die Differenzierung zwischen Literatur und Kunst war das Ergebnis der kurz zuvor begonnenen Literaturdiskussion, die sich nicht mehr mit allen geistigen Arbeiten befasste, sondern Romane, Dramen und Gedichte als Literatur in einem gewandelten Wortsinn zusammenfasste. Im Bestreben, ein größeres Publikum anzusprechen, wurde der Terminus Kunst zunächst auf Gemälde und Skulpturen verengt, auf Gegenstände, die in den Zeitungen und Zeitschriften - den Journalen, die es seit dem frühen 18. Jahrhundert gab, vorgestellt und beurteilt wurden. Es entstand ein verbreitetes Rezensionswesen. Die Begriffe Werk, Original und Genie als Ausdrucksformen der Individualität des Künstlers wurden durch Kant geprägt. Man unterschied zwischen inneren und äußeren Bildern. Innere Bilder waren zum Beispiel Sprache, Vorstellungen und die Ideen, äußere hingegen Einrichtungsgegenstände, Bauwerke oder handwerklich gefertigte Dinge.
Dem Freiheitsgedanken gemäß ist der bildende Künstler nicht mehr einem Auftraggeber verpflichtet, sondern produziert unabhängig für einen neu entstehenden Kunstmarkt. Damit wandeln sich zum einen die Themen, die statt religiöser und mythologischer Motive, Porträt und Allegorie nun zum Beispiel auch Alltagsszenen umfassen. Zum anderen entwickeln sich individuelle Stile, die nicht zuletzt als Markenzeichen, modern gesprochen als Marketinginstrument der konkurrierenden Künstler dienen. Auch Komponisten wie Mozart verabschieden sich aus festen Anstellungen bei weltlichen oder kirchlichen Fürsten. Diese neue Freiheit ist mit entsprechenden Risiken verbunden, das romantische Bild des verarmten Künstlers, verbunden mit dem Geniebegriff sind die Folgen.
Moderne

Die Aufklärung bereitete den Kunstbegriff der Moderne vor. Emanzipierte sich am Ende des Mittelalters der Künstler zum autonomen Subjekt, so emanzipierte sich am Ende des barocken Feudalismus das Kunstwerk selbst und wurde autonom. Im Zeitalter von Maschinen, Arbeitsteilung und Automatisierung veränderte sich der Status von handwerklicher Arbeit in der Kunst. Kunst existiert nun nicht mehr in Funktionszusammenhängen, sondern allein aus sich heraus, wird zu L'art pour l'art. Die in Funktionszusammenhängen verbleibenden Kunstformen konstituieren sich unter dem neuen Oberbegriff Kunstgewerbe oder Angewandte Kunst.
Waren in der bildenden Kunst bisher Kunststile und Epochenbezeichnungen nachträglich dem jeweiligen Kunstschaffen angehängte Termini, so prägen nun Künstler oder ihre diskursiven Gegen- und Mitspieler, die neue Gruppe der Kunstkritiker, selber ihre Kategorien: es entstehen zahllose, zum Teil parallele Ismen.
Mit dem Beginn der Moderne beginnt zugleich der Antagonismus der Gegenmoderne. Waren bis zur Aufklärung die Adressaten für Kunst nur ein sehr kleiner Kreis (der Klerus, der Adel, das reiche Bürgertum), so erweitert sich das Publikum mit der Entstehung des freizugänglichen Kunstmarktes, den zu seiner Förderung veranstalteten öffentlichen Ausstellungen ("Salons) und den in der Presse eröffneten Debatten über Kunst, der massenhaft verlegten Literatur etc. beträchtlich. Zugleich konzentrierte sich die künstlerische Auseinandersetzung sowohl in bildender Kunst wie der Musik oder Literatur immer stärker auf die Untersuchung der eigenen Entstehungsbedingungen. In dem Maße, in dem sich die Kunst selbst thematisierte (Metakunst), verlor sie das Interesse der breiten Schichten, denen sie als Avantgarde eigentlich vorangehen wollte.
Blieben zuvor Konflikte um Kunst intern und waren z.B. patriotischer Natur (Florentinisches Disegno contra Venezianisches Colore) oder eine Frage des Geschmacks (Rubenisten contra Poussinisten, Streit der Anciens et Modernes etc.), so verweigern nun ganze Teile der Gesellschaft der Kunst ihrer Zeit die Akzeptanz. Es entwickelt sich eine Gegenmoderne, die sich ihre eigenen Ausdrucksformen sucht, u.a. im rückwärtsgewandten Kitsch und im Anachronismus, in verschiedenen Neoklassizismen oder in der aktiven Diffamierung der Moderne.
Einen Höhepunkt erreicht diese Diffamierung im Nationalsozialismus, der mit dem Schlagwort Entartete Kunst die Klassische Moderne im Ganzen zu treffen versuchte: durch Berufsverbote, höhnische Präsentationen bis hin zur physischen Vernichtung. In der Sowjetunion entstanden in den 20er Jahren die noch als revolutionär empfundene Avantgarden Konstruktivismus und Suprematismus, mit Beginn des Stalinismus gewinnt der anti-moderne Reflex die Überhand und führt zum Sozialistischen Realismus in Literatur, bildender Kunst und Musik.
Postmoderne
Die postmoderne Anschauung von Kunst stellt zum Teil die Ideen von Freiheit, Originalität und Authentizität wieder in Frage, setzt bewusst Zitate anderer Künstler ein und verbindet historische und zeitgenössische Stile, Materialien und Methoden und unterschiedliche Kunstgattungen miteinander. Kunstbetrieb und Ausstellungsorte werden von einer Metaebene aus hinterfragt (White Cube). Die Grenzen zwischen Design, Popkultur und Subkultur einerseits und Hochkultur andererseits verschwimmen.
"Zeitgenössische Kunst", "Kunst der Gegenwart" und ähnliche Sammelbegriffe fassen gegenwartsbezogene Kunst nur sehr allgemein. Der Begriff Künstlerische Avantgarde ist für die seit Beginn der Postmoderne entstehende Kunst überholt, da es in offenen Gesellschaften und Kulturen keine allgemeinverbindliche Richtung für eine Vorhut oder für Vorreiter geben kann. Daher wird der Begriff "Zeitgenössische Kunst" auch zur Umschreibung für künstlerischen Arbeiten oder Handlungen benutzt, die in der Gegenwart etwas so wahrnehmbar machen, daß sie kulturell bedeutend in die Zukunft wirken. In diesem Sinne freie und zeitgenössische Kunst ignoriert scheinbar alle Bedingungen, akademischen Regeln und Einteilungen, alle Kunststile, Kunstsparten und kulturellen Grenzen, während sie sich gleichzeitig die Freiheit nimmt, sie je nach künstlerischem Bedarf zu reflektieren, zu bearbeiten und zu nutzen.
Derartige Kunst repräsentiert ein selbstbestimmtes "System Kunst", das sich ähnlich dem selbstbestimmten "System Wissenschaft" im Laufe der Industrialisierung herausgebildet hat. Zeitgenössische Kunst als global und interkulturell funktionierendes System vereint die Ursprünge in verschiedenen Kulturen, wobei für die abendländische Kunstgeschichte die antike griechischen Philosophie als historische Basis besonders bedeutend bleibt. Auch zeitgenössische Kunst läßt herkömmliche Einteilungen, wie Malerei, Bildhauerei, Tanz, Musik, Theater usw. durchscheinen, zeichnet sich jedoch gerade durch ihre Thematisierung, in Frage Stellung, Überwindung, Erweiterung, interdisziplinäre Integration und Ironisierung aus. Heute stehen Fotografie und Performance neben Malerei und Theater, während die Medienkünste sich ohnehin so verorten, wie es jeweils mediengerecht und sachdienlich ist.
Ähnlich wie in der Wissenschaft, erschließt sich das umfassende Verständnis der möglichen Bedeutungen von Werken und Arbeiten oft erst durch eingehende Beschäftigung mit dem künstlerischen Gegenstand. Es wird in verschiedenen Kontexten interpretiert, die sich je nach Betrachter und Leser, je nach Publikum und den in das Geschehen Einbezogenen, sowie je nach Interessen der Kritiker und anderen professionelle Vermittlern wandeln und unterscheiden. In der Kunsttheorie wird der zeitgenössische Kunstbegriff intensiv diskutiert. Sie stellt dabei sowohl den Künstler, den Rezipienten, den Kunstmarkt oder das Kunstwerk selbst ins Zentrum der Untersuchung. Im Zuge der Globalisierung entstand einerseits ein vermehrter Dialog verschiedener Kunstrichtungen in aller Welt, andererseits wurden regionale Unterschiede tendenziell nivelliert.
Kunst aus der Sicht anderer Disziplinen
- Biologie
- Kunst im Sinne von künstlerischer Fertigkeit und bildhafter Erfassung wird beim Menschen durch die rechte Gehirnhälfte gesteuert. Sie ist vorrangig zuständig für räumliches Erfassen, für musikalische Empfindungen, kreative Gestaltungen und die Gefühle.
- Psychologie
- Sigmund Freud sah in der Kunst – wie auch generell in jeder Tätigkeit die nach Schöpfung oder Machtgewinn strebt, den Versuch, den Trieb der Libido auf nicht sexuelle Weise zu kompensieren.
- Recht
- In demokratischen Ländern ist das Recht auf Kunstfreiheit entweder in der Verfassung verankert oder im Rahmen der Meinungsfreiheit garantiert. In zahlreichen anderen Staaten wird die Kunstausübung reglementiert und/oder zu Propagandazwecken instrumentalisiert.
- Plagiate, Imitate und stark von anderen Künstlern beeinflusste Werke gab und gibt es in jeder Phase der Kunstgeschichte. Wenn der Produzent seine Vorbilder verbirgt, ist dies als Kunstfälschung ebenso strafbar wie eine Verletzung des Urheberrechts.
Siehe auch
- Zur Geschichte der Bildenden Kunst siehe: Artikel Bildende Kunst
- Eine Erschließung verwandter Begriffe ermöglichen die Kategorien Kategorie:Kunst und Kategorie:Bildende Kunst.
- Kunstsoziologie
- Kunsttheorie
Weblinks
- Portal Kunstgeschichte
- basis Wien - Offene Österreichische Künstlerdatenbank
- Artnet: Datenbank
- Kunstlinks: Portal zu Kunst und Kunstgeschichte mit TV Tips und einer umfangreichen Datenbank
- Kunstaspekte.de
- Kunst und Kultur: Portal mit Datenbanken zu Künstlern, Museen etc.
- Internationales Künstlernetzwerk und offene Community
- Deutschsprachiges Künstlerverzeichnis sowie News aus Kunst und Kultur
- Das grosse BeyArs Kunstlexikon von Hartmann mit 10.000 Begriffen zur freien Nutzung im Internet: http://www.beyars.com/kunstlexikon/lexikon_a_1.html