Nationalsozialismus
Nationalsozialismus bezeichnet die totalitäre Weltanschauung und Bewegung, die im Deutschland der 1920er und 30er Jahre politisch wirksam wurde und die ab 1933 zur Errichtung einer Diktatur in einem nach völkischen Kriterien ausgerichteten Staat führte. Ihre Entstehung gründet sich auf die Ablehnung des nach 1918 in Deutschland entstandenen demokratischen Staates, der Weimarer Republik, sowie des geistigen Führungsanspruchs der Kirche und des Kommunismus. Zu ihren Grundlagen zählten ferner der völkische Rassismus und Antisemitismus sowie die Forderung nach einer Revision der infolge des verlorenen Ersten Weltkriegs erlittenen Sanktionen (propagandistisch als „Schmach von Versailles“ oder „Versailler Schanddiktat“ bezeichnet). Die nationalsozialistische Weltanschauung lieferte die ideologische Rechtfertigung für den ab 1939 in Europa geführten deutschen Eroberungskrieg (Zweiter Weltkrieg) und die Verbrechen des Holocaust und der Vernichtungslager.
Begriff
„Nationalsozialismus“ war eine selbstgewählte, propagandistisch motivierte Bezeichnung, die später in der Bundesrepublik übernommen wurde; in der DDR wurde stattdessen (wie im Russischen) die Bezeichnung „Faschismus“ (speziell „Hitlerfaschismus“) verwendet. Die Bezeichnung „Nationalsozialismus“ rührt daher, dass in dem 1920 erschienen Programm der NSDAP tatsächlich eine teilweise sozialistische Gesellschaftsordnung gefordert wurde. Die Partei der deutschen Nationalsozialisten war die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei. Der Begriff Nazismus, in Deutschland eher selten verwendet, ist die wieder eingedeutschte Version des englischen Wortes nazism. In Deutschland wird häufig der negativ konnotierte Begriff Nazi für einen Anhänger des Nationalsozialismus verwendet.
Hauptmerkmale des Nationalsozialismus
Es ist strittig, inwieweit es eine geschlossene nationalsozialistische Ideologie gab. Überliefert ist dazu die Aussage Hans Franks aus den Nürnberger Prozessen, dass es „soviele Nationalsozialismen wie Nationalsozialisten“ gegeben habe. Die Frage muss aber letztlich offen bleiben, weil man lediglich vermuten kann, inwieweit der Nationalsozialismus als Ideologie seinen „Führer" überdauert hätte, um den als den absoluten, Mittelpunkt herum das komplette politische System aufgebaut gewesen sein soll.
Es lassen sich aber einige Hauptmerkmale benennen:
- Rassismus, insbesondere Antisemitismus, der im Holocaust kulminierte, sowie Verherrlichung der „arischen und germanischen Rasse“; (vgl. Rassentheorie und Ariosophie)
- Euthanasie und Eugenik bzw. „Rassenhygiene" sowie der Glaube an die Möglichkeit einer „Höherzüchtung" einer Herrenrasse,
- Verwandtschaft zum Faschismus, die sich unter anderem in den Propaganda-Inszenierungen zeigte,
- Antimarxismus, Antikommunismus, Antibolschewismus und Antikapitalismus
- Totalitarismus – Ablehnung von Demokratie; Zerschlagung politischer Parteien, Gewerkschaften und freier Presse,
- weitreichende Vollmachten für Geheimdienste und Spitzel; siehe auch Gestapo und Denunziantentum
- Führerprinzip – Konzentration aller Autorität in einer zentralen Führungspersönlichkeit sowie Projektion dieses Prinzips auf die restlichen Hierarchie-Stufen
- Militarismus
- Ideologie der Volksgemeinschaft, in der es keine Klassengegensätze mehr geben sollte
- Lebensraumpolitik, „Lebensraum im Osten“, Verteidigung von „Blut und Boden"
- Berufung auf Preußische Tugenden bzw. die Philosophie des Deutschen Idealismus
Ähnlich wie im Faschismus in Italien, den dessen Urheber Benito Mussolini als „Verschmelzung von Großkapital und Staat“ bezeichnete, wurden die Nationalsozialisten von einzelnen deutschen wie auch ausländischen Unternehmern als Bollwerk gegen den Bolschewismus finanziell unterstützt.

Der Antisemitismus speiste sich aus verschiedenen, teilweise widersprüchlichen Richtungen. So wurden Juden pauschal für Missstände wie Massenarbeitslosigkeit, Verstädterung, Abwanderung der Landbevölkerung in die Städte, Zersiedelung der Landschaft usw. verantwortlich gemacht. Sie wurden in einer spezifisch nationalsozialistischen Verschwörungstheorie auch als Hintermänner sowohl des sowjetischen Bolschewismus als auch von dessen Todfeind, dem angloamerikanischen Finanzkapitalismus dargestellt, die beide Deutschland in einer tödlichen Umklammerung umfasst halten würden. Insgesamt wurden Juden als „zersetzend" und einer „minderwertigen Rasse angehörend“ gebrandmarkt.
Der Begriff der Rasse war ein zentraler Begriff nationalsozialistischer Weltanschauung. Es wurde die „Überlegenheit einer arischen Rasse“ über andere Rassen postuliert, wobei „Arier“ fälschlicherweise mit Indogermane gleichgesetzt wurde. Die arische Rasse sollte vor dem schädlichen Einfluss, den die Nationalsozialisten in der ‚Vermischung‘ mit anderen Rassen sahen, bewahrt werden. Die Erhaltung der sogenannten „Reinheit des Blutes“ rechtfertigte z.B. die in den Nürnberger Gesetzen erlassenen Heiratsverbote von Deutschen mit „überwiegend anderer Rasse zugehörigen“ Partnern. Die Sterilisierung von geistig Behinderten, psychisch Kranken und von Schwerverbrechern sollte verhindern, dass sich vermeintlich krankes Erbgut weitervererben konnte.
Parallel wurde Aufrüstung betrieben, zunächst geheim, dann offen. Sobald die Wehrmacht stark genug sein würde, sahen Pläne Hitlers und anderer hoher Nationalsozialisten vor, gezielt Angriffskriege einzufädeln. Dabei sollte ein Land nach dem anderen isoliert und einzeln niedergekämpft werden. Das Endziel war nach Meinung einiger Historiker die Eroberung des kontinentalen Festlands, der Sowjetunion bis zur Linie Archangelsk–Uralgebirge–Kaukasus sowie die Besiedelung dieser Gebiete durch die Deutschen, andere Forscher glauben Belege dafür zu haben, dass Hitler die Weltherrschaft anstrebte. Die Herrschaft über die besetzten Gebiete sollte durch Vertreibung unerwünschter Bevölkerungsgruppen gestärkt werden.
„Machtergreifung" des Nationalsozialismus
In Deutschland verpasste Hitler mit der NSDAP bei den Reichstagswahlen am 5. März 1933 nur knapp die absolute Mehrheit und war infolgedessen gezwungen, die eine Koalition mit der DNVP aufrecht zu erhalten. Als Vorsitzender der stärksten Partei war er bereits fünf Wochen zuvor, am 30. Januar 1933 von Reichspräsident Paul von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt. Obwohl die Nationalsozialisten diesen Tag als Tag der „Machtergreifung" propagierten, kam dieser Vorgang vorerst einem gewöhnlichen Regierungswechsel gleich. Der Brand des Reichstagsgebäudes in Berlin am 27. Februar 1933 veränderte jedoch die Situation. Die Nationalsozialisten behaupteten, dass der Brandanschlag ein kommunistischer Umsturzversuch sei, beschuldigten mehrere kommunistische Politiker der Mittäterschaft und schufen sich mit der bereits am Tag darauf erlassenen Notverordnung des Reichspräsidenten Hindenburg nach Artikel 48 der Weimarer Reichsverfassung die Möglichkeit, unter Aufhebung der garantierten Grundrechte gegen die Opposition, insbesondere die KPD, vorzugehen.
Die vollständige Machteroberung gelang den Nationalsozialisten erst durch das Ermächtigungsgesetz am 23. März 1933, für das sie eine Zwei-Drittel-Mehrheit der anwesenden Abgeordneten benötigten, welche sie durch das Verbot der KPD und einen Pakt mit dem Zentrum und der DNVP auch erlangten. Durch dieses Gesetz wurde die Weimarer Reichsverfassung praktisch beseitigt, denn der Reichstag entzog sich durch seine Zustimmung selbst die Macht, indem er die Trennung von Exekutive und Legislative aufhob und sich damit selbst überflüssig machte.
Grundlagen und Weiterentwicklungen
Eine ideologische Grundlage des Nationalsozialismus ist die Anfechtung der Menschenwürde, nach welcher der Mensch seinen Wert als solcher besitzt, das heißt ohne alle Leistung. Die Grundwerte des NS waren darum weder neu noch auf eine bestimmte historische Zeit beschränkt. Sie sind die der Leistungsgesellschaft, nur eben radikal und total. Die Inszenierung der Arbeit, des Körpers, der Technik, das Absinken der Künste auf die Beschwörung des Willens ist genauso Ausdruck dieser Sicht des Menschen, wie das System der Arbeitslager und die Vernichtung sogenannten „unwerten Lebens“ (siehe auch Asoziale). Der Versailler Vertrag und die Folgen der Weltwirtschaftskrise der zwanziger Jahre öffneten der Leistungsideologie und dem Gefühl, um die eigene Leistung betrogen zu sein, weit die Tore. Anders aber zeigt das Beispiel des Antisemitismus, gegründet auf dem Mythos, die jüdische Kultur lebe auf Kosten der deutschen, die geringe Bindung der Leistungswerte zur Wirklichkeit. Wesentliche Elemente der NS-Ideologie wurden von Adolf Hitler in seinem Buch Mein Kampf niedergeschrieben. Das Buch galt als Grundlage aller anderen Schriften des Nationalsozialismus. Als bedeutender Ideologe wird daneben Alfred Rosenberg angesehen, der mit seinem Buch radikal antichristlichen "Mythus des zwanzigsten Jahrhunderts" eine sehr weite Verbreitung seiner Gedanken erreichen konnte. Gleichwohl wurde Rosenbergs Buch sogar von führenden NS-Politikern nicht sehr ernst genommen. Besonders Goebbels soll über Rosenberg immer wieder gespottet haben. Einfluss auf die Politik erlangte Rosenbergs christenfeindliche Ideologie aber nie.
Eine eigene Weiterentwicklung der nationalsozialistischen Ideologie nahm Heinrich Himmler vor. Die bereits bei Rosenberg vorhandenen Bezugspunkte zu Indien wurden in den SS-Einrichtungen wie den "Ordensburgen" (die Himmler als Elite des Systems verstand) ausgebaut. Esoterische Lehren mit deutlichen östlichen Einflüssen, die teilweise von der SS übernommen wurden, haben das Kriegsende überdauert und leben - meist als unpolitische religionsähnliche Lehren - bis heute fort. Himmler betrieb auch eine Europäisierung der Ideologie. Ein bekanntes Produkt dessen sind die Freiwilligen-Einheiten der "Europäischen SS" aus vielen Ländern; jedoch gab es auch Konzepte für einen europäischen Wirtschaftsraum.
Häufig nahm der Nationalsozialismus religiöse Züge an. Auf den Reichsparteitagen wurde der Nationalsozialismus geradezu zelebriert, was durch den Film "Triumph des Willens" der Regisseurin Leni Riefenstahl besonders herausgearbeitet und verstärkt wurde. Das Verhältnis des Nationalsozialismus zur christlichen Religion blieb daher auch zwiespältig. Einerseits gab es den Versuch, mit einem „Deutschen Christentum" die evangelische Kirche für den Nationalsozialismus einzuspannen. Andererseits aber gab es antichristliche Elemente bei Rosenberg und eine völlige Abwendung vom Christentum durch die himmlersche Bezugnahme auf Buddha und vorbuddhistische indische Schriften. Die Haltung der Religionen und derer Vertreter während des NS-Regimes muss differenziert gesehen werden (siehe hierzu Religion während des Nationalsozialismus).
Hinzu kam der „Blut-und-Boden-Mythos" und die Verherrlichung des Bauernstandes (des „Nährstands") sowie eine gewisse Nostalgie. Viele Nationalsozialisten lehnten die Verstädterung und die zunehmende Industrialisierung ab und sehnten sich nach einem Land, das wie eh und je von Bauern bestellt wurde. Auch Himmler hatte solche Gedanken, als er vorschlug, die eroberten Gebiete der Sowjetunion mit Bauern zu besiedeln, die zugleich Soldaten („Wehrbauern") waren. Russen, Ukrainer und Polen sollten die Landarbeiter, das Hauspersonal, die Bauarbeiter oder die Hilfsarbeiter stellen.
Literatur
- Wolfgang Benz: Geschichte des Dritten Reiches, ISBN 3423308826
- Sebastian Haffner: Anmerkungen zu Hitler, Kindler Verlag, 1978, ISBN 3596234891
- Franz Neumann: Behemoth. Struktur und Praxis des Nationalsozialismus 1933-1944 Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/M., 1984
- Der Nationalsozialismus. Dokumente 1933-1945, herausgegeben und kommentiert von Walther Hofer, Fischer Taschenbuch Verlag, Reihe Bücher des Wissens, Erstausgabe 1957, ISBN 3-436-00183-X
- Michael Ruck, Bibliographie zum Nationalsozialismus, 2 Bde. m. CD-ROM, Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2000, ISBN 3534149890
- Nicholas Goodrick-Clarke: Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus, Marixverlag, ISBN 3937715487
- Rüdiger Sünner: Schwarze Sonne, Herder Spektrum Verlag, Freiburg im Breisgau 1999, ISBN 3-451-05205-9,
- F.P. Heller/A. Maegerle: Thule. Vom völkischen Okkultismus bis zur neuen Rechten. Schmetterling-Verlag. Stuttgart, 1998.
- Reinhard Kühnl: Der deutsche Faschismus in Quellen und Dokumenten. Pahl-Rugenstein, Köln.
- Karin Neidhart: Nationalsozialistisches Gedankengut in der Schweiz. Eine vergleichende Studie schweizerischer und deutscher Schulbücher zwischen 1900 und 1945, Peter Lang Verlag : Bern u.a. 2004, ISBN 3-631-51892-7
- Cornelia Schmitz-Berning: Vokabular des Nationalsozialismus. Berlin: de Gruyter 2000, ISBN 311016888X.
- Kurt Pätzold, Manfred Weißbecker: Geschichte der NSDAP, Köln 2002 ISBN 3894381345
- Vinnai, Gerhard: Hitler – Scheitern und Vernichtungswut. Zur Genese des faschistischen Täters. Psychosozial-Verlag. Gießen 2004. ISBN 3-89806-341-0
Siehe auch
Weblinks
- Nationalsozialismus II Informationen zur politischen Bildung (Heft 266)
- Nationalsozialismus Ausführlicher Artikel beim Arbeitskreis Shoa.de
- LEMO
- Nationalsozialismus in Österreich
- Opfer des Terrors der NS-Bewegung in Österreich 1933-1938
- Chronologische Abfolge wichtiger politischer Entscheidungen von 1933 - 1945 mit Gesetzestext
- Dokumente zum Nationalsozialismus
- Das Programm der NSDAP
- www.Nationalsozialismus.de - Rechercheportal