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Waldorfschule

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Rudolf-Steiner-Schule Loheland

Waldorfschulen sind Schulen in freier Trägerschaft, an denen nach der von Rudolf Steiner begründeten Waldorfpädagogik unterrichtet wird. Die Waldorfpädagogik ist eine der bekanntesten praktischen Anwendungen der ebenfalls von Rudolf Steiner begründeten Anthroposophie. Vielen Waldorfschulen ist ein Waldorfkindergarten angegliedert.

Die erste Waldorfschule wurde 1919 in Stuttgart als Betriebsschule durch den Direktor der Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik Emil Molt gegründet und am 7. September 1919 eröffnet. Von der Zigarettenfabrik erhielt die pädagogische Bewegung Rudolf Steiners, der der erste Schulleiter der Astoria-Betriebsschule war, ihren Namen. Im Nationalsozialismus wurde 1939/40 der Lehrbetrieb an Waldorfschulen, wie auch an allen anderen nichtstaatlichen Schulen, bis 1945 verboten.

Waldorfschüler auf dem Schulhof

Nach Angaben aus dem Jahr 2005 existieren in Deutschland 191 Waldorfschulen, in Europa 639 und weltweit 892. Bekannt sind sie auch unter den Bezeichnungen Rudolf-Steiner-Schule, englisch Waldorf School, Steiner School, französisch École Waldorf, niederländisch Vrijeschool.

Waldorfschulen im deutschen Rechtsrahmen

Waldorfschulen sind allgemeinbildende Schulen in freier Elternträgerschaft im Rahmen der Schulgesetzgebung der Bundesländer auf der Grundlage des Grundgesetzartikels 7 (Schulwesen). Die Anerkennung der Waldorfschulen als Ersatzschulen (siehe auch Privatschule) führt u.a. zu staatlichen Zuschüssen. Ergänzend wird zur Finanzierung Schulgeld von den Eltern erhoben. Dieses betrug nach Angaben des Bunds der Freien Waldorfschulen im Jahr 2002 durchschnittlich 125 Euro monatlich. Die Waldorfschulen sind durch das Grundgesetz dazu verpflichtet, bei der Erhebung von Schulgeld dafür zu sorgen, dass keinem Kind aus finanziellen Gründen der Besuch einer Waldorfschule verwehrt wird (Sonderungsverbot).

Lehrformen an deutschen Waldorfschulen

Von der ersten bis zur achten Klasse wird der Klassenverband von einem Lehrer geführt, der alle Epochenfächer in Blockform gleichermaßen unterrichtet (Klassenlehrerzeit). Über etwa drei Wochen hinweg wird hierbei jeden Tag die ersten beiden Stunden das gleiche Fach gelehrt, nachfolgend die weiteren Fächer außerhalb des Epochenunterrichtes. Nach der achten Klasse wird der Epochenunterricht von Fachlehrern übernommen.

Datei:FWS-Oberursel-Panorma.jpg
Freie Waldorfschule Vordertaunus Oberursel

Schon ab der ersten Klasse werden den Schülern Fremdsprachen nahe gebracht. In der Regel ist das Englisch als Pflichtfach sowie ab der ersten oder zweiten Klasse meist Französisch oder Russisch als zweite Fremdsprache.

Neben Deutsch, Mathematik, Geschichte, Biologie, Physik, Chemie, Musik, Religion und Sport sind an Waldorfschulen in der Regel die Fächer bzw. Epochen Handarbeit, Schreinern, Gartenbau, Plastizieren, Malerei, Theaterunterricht und Eurythmie verpflichtend. Die Schüler führen im Laufe einer Unterrichtsepoche ein so genanntes Epochenheft, das zum Ende der Epoche dem Lehrer abgegeben wird und der Leistungsstandskontrolle dient. Lehrbücher für die Schüler bis zur Sekundarstufe I sind in der Waldorfpädagogik im Unterricht nicht vorgesehen, die Schüler folgen in den unteren Klassen einzig den Tafelanschrieben des Lehrers. Erst in den Oberstufen finden auch Lehrbücher Verwendung.

In der Regelschulzeit an Waldorfschulen soll keine äußere Differenzierung nach Leistungsgrad stattfinden, was in der Praxis dennoch meist ab etwa der neunten Klasse geschieht.

Noten werden an Waldorfschulen bis zur Oberstufe nicht vergeben, stattdessen wird im Zeugnis der jeweilige Leistungsstand und -fortschritt in Textform ausformuliert. Dabei liegt der Schwerpunkt auf individuellen Defiziten und Leistungen im Vergleich zum Klassenfortschritt und der Lernziele. Diese Praxis wird für gewöhnlich bis zur zwölften Klasse beibehalten. An manchen Schulen wird auf Elternwunsch auch schon ab der neunten oder zehnten Klasse ein Ziffernzeugnis ausgestellt. Eine Nichtversetzung (Sitzenbleiben) ist in der Waldorfpädagogik nicht vorgesehen, jedoch nach Absprache mit den Eltern nicht grundsätzlich ausgeschlossen.

Schulabschluss

Datei:Waldorfschule-Klassenraum.JPG
Klassenraum in der Unterstufe

Die Regelschulzeit beträgt zwölf Jahre, unabhängig von dem individuell angestrebten staatlichen Schulabschluss. Am Ende der 12. Klasse steht der Waldorfschulabschluss, der parallel mit einem staatlich anerkannten Schulabschluss (z.B. Realschulabschluss) erworben werden kann. Er zieht sich als ein Prozess durch die gesamte Oberstufe (Klasse 9 bis 12) hindurch und umfasst neben einer abschließenden Bewertung der schulischen Leistungen diverse Praktika (darunter ein Sozialpraktikum), die Facharbeit oder die so genannte Jahresarbeit mit einem theoretischen und einem praktischen Teil, die aktive Teilnahme an einem Theaterprojekt der ganzen Klasse, den Eurythmieabschluss und meist auch eine Studienfahrt mit künstlerisch/kunstgeschichtlicher Ausrichtung.

Der Waldorfschulabschluss ist staatlich nicht anerkannt, gilt den Anhängern der Waldorfpädagogik aber als wichtiger Nachweis erworbener Sozialkompetenzen (Teamfähigkeit, Selbstständigkeit, Durchhaltevermögen, Kreativität usw.); dies wird im Waldorfschulabschlusszeugnis ergänzend zum staatlich anerkannten Notenzeugnis ausführlich dokumentiert.

Obwohl die Waldorfpädagogik nicht in erster Linie auf staatliche Schulabschlüsse ausgerichtet ist, bieten die Waldorfschulen meist eine dreizehnte Jahrgangsstufe an, in der die Schüler das Abitur oder die Fachhochschulreife erlangen können. Dieses wird von externen, von den Landeskultusministern beauftragten staatlichen Prüfern begleitet. Das Abitur an Waldorfschulen unterscheidet sich nur durch eine in einigen Bundesländern erhöhte Anzahl an Prüfungsfächern vom Abitur an staatlichen Schulen. So werden zum Beispiel in Sachsen-Anhalt von grundsätzlich vier schriftlichen Prüfungen zwei auf Leistungskursniveau absolviert, vier mündliche Prüfungen folgen. Aufgrund zumeist geringerer Schülerzahlen können die Kurs- und Prüfungsfächer meist nicht frei gewählt werden, da an vielen Waldorfschulen ein Mangel an prüfungsberechtigten Lehrern herrscht.

In der 13. oder der 12. und 13. Klasse wird der Schulbetrieb mit Klausuren wie an einem gewöhnlichen Gymnasium vollzogen. In Bayern, Baden-Württemberg und seit 2006 auch in Niedersachsen wird das gleiche Zentralabitur wie an allen Gymnasien geschrieben, mit dem Unterschied, dass für die Abiturnote nur die Prüfungsergebnisse und nicht die Jahresleistung zählen. Dies geht mit einer größeren unterrichtlichen Gestaltungsfreiheit in der 12. und 13. Klasse einher.

Im Jahre 2002 legten in Deutschland 49 Prozent der ca. 4.500 Waldorfschul-Abgänger das Abitur ab, 33 Prozent die mittlere Reife, 7 Prozent die Fachhochschulreife und 11 Prozent den Hauptschulabschluss (Quelle: [1], Seite 96)

Vorreiter- und Nachzüglerrolle

Die 1919 gegründete erste Waldorfschule in Stuttgart brachte für die damalige Zeit sehr fortschrittliche Ideen mit sich. Während die Mehrheit der Kinder in Deutschland nur acht Jahre zur Schule ging, wurden ihnen an der Waldorfschule 12 Jahre Schulbildung garantiert.

Ab dem ersten Schuljahr wurden bereits zwei Fremdsprachen unterrichtet, die Freie Waldorfschule war in Deutschland die erste Gesamtschule und auch die erste Schule, die regulär koedukativ unterrichtete. Des Weiteren waren Praktika schon immer fester Bestandteil des Lehrplans.

Die Waldorfschule in Kapstadt (Südafrika) konnte noch während der Apartheid das Recht erkämpfen, in gemischten Klassen unterrichten zu dürfen. Während der Rassentrennung in Eisenbahnwagen wurde speziell für die Schüler dieser Schule ein "Gemischtwagen" eingeführt.

Die Freie Waldorfschule Innsbruck (Österreich) war die erste Schule, die das Fach Menschenrechte in der Oberstufe zum Pflichtfach machte.

Heute wird den Waldorfschulen oftmals eher eine Nachzüglerrolle zugeschrieben, weil sich ihre pädagogischen Leitlinien nur sehr wenig weiterentwickelt haben. Da die Waldorfschulen nicht von zentraler Stelle aus geleitet werden, sondern Entscheidungen des Kollegiums einstimmig getroffen werden müssen, wird eine einheitliche Entwicklung und Qualitätssicherung gebremst. Infolgedessen gehörten beispielsweise manche Waldorfschulen zu den ersten Schulen in Deutschland, die Programmierkenntnisse vermittelten, während auch heute noch an vielen anderen Waldorfschulen Informatik für unwichtig erachtet wird.

Kritik an der Waldorfpädagogik

Die Waldorfpädagogik steht aufgrund der ihr zugrunde liegenden Anthroposophie immer wieder in der Kritik. Angeprangert werden hierbei ihre Überzeugungen bezüglich Reinkarnation und Karma, die Theorien über die sogenannten Wurzelrassen, welche von Kritikern aufgrund ihrer Hierarchisierung von Rassen als rassistisch bezeichnet werden und nicht zuletzt die oft als pseudowissenschaftlich und esoterisch geltenden sonstigen Ausführungen Rudolf Steiners, auf welche sich die Waldorfpädagogik beruft.

In Eurythmie, einem wesentlichen Bestandteil der Waldorfpädagogik von Kindergarten bis in höchste Klassen, sollen Heranwachsende lernen, Sprache und Musik durch Bewegungen auszudrücken. Dabei gibt es fest vorgegebene Gebärden für jeden Sprachlaut und es kann sein, dass "wenn Jugendliche ein Gedicht oder ein Musikstück eurythmisch interpretieren, die darin enthaltene Stimmung unter Umständen überhaupt nicht ihrer eigenen Stimmung [entspricht]. Die Heranwachsenden lernen [auf diese Weise], ihr eigenes Empfinden außer Acht zu lassen und sich einer gegebenen Sache zu stellen". Manche sehen darin einen Widerspruch zum pädagogischen Ziel der Waldorfschule, Schüler zu individuellen Urteilen und selbstbestimmtem Handeln zu ermutigen.

Die Kritik an der absolutistisch anmutenden Rolle des Klassenlehrers bringt der ehemalige Lehrer an einer Waldorfschule und Buchautor Paul-Albert Wagemann zum Ausdruck. Die lange Klassenlehrerzeit von der 1. bis zur 8. Klasse, die von manchen Klassenlehrern abgehaltenen regelmäßigen Hausbesuche sowie der stark an der Persönlichkeit des Lehrers orientierte Unterricht (der z.B. am Verzicht auf Lehrbücher deutlich wird), lassen den Klassenlehrer als Vater- bzw. Führerfigur erscheinen.

Während an der ersten Waldorfschule linkshändige Kinder auf Anweisung Steiners explizit mit links schreiben durften, was damals alles andere als selbstverständlich war, erschien erst 1997 ein Buch der Kinderärztin und Waldorfpädagogin Dr.med. Michaela Glöckler („Zum Unterricht des Klassenlehrers an der Waldorfschule“), in welchem das Schreiben mit der richtigen Hand als reine "Willensübung" beschrieben wird. Ihrem Buch zufolge hätten sich laut Steiner Linkshänder in einem früheren Leben körperlich und seelisch verausgabt, weshalb sie nun "mehr Innerlichkeit" ausbilden müssten, wofür die linke Körperhälfte zuständig sei.

Erst im Jahre 2001 distanzierten sich die deutschen Waldorfschulen von dem 1936 erschienenen Buch „Atlantis und das Rätsel der Eiszeitkunst“ des Steiner-Schülers Ernst Uehli, welches das Bundesfamilienministerium aufgrund seines rassistischen Inhalts verbieten lassen wollte. Walter Hiller, Geschäftsführer des Bundes der freien Waldorfschulen, begründete das Vorgehen gegenüber AFP mit den Worten "Wir finden das Buch nicht gut", betonte aber, dass es sich nicht um ein Lehrbuch für Waldorflehrer handele, sondern "nur auf einer Literaturliste" stehe. Allerdings wurde dieses Buch 1998 lt. RHEINISCHEN MERKUR von der Pädagogischen Forschungsstelle der Waldorfschulen für den Geschichtsunterricht empfohlen.

Bis heute wird an einigen Waldorfschulen im Geschichtsunterricht eine von Rudolf Steiner und anderen Anthroposophen entwickelte Interpretation von Platons Atlantis behandelt. Diese Interpretation gilt für Anthroposophen als Tatsache.

Nicht zuletzt wird der Verzicht auf Ziffernoten in den unteren Klassenstufen oft kritisiert, da es nur ein Aufschub des unvermeidlichen Übergangs in die Leistungsgesellschaft sei. Schüler stünden somit aufgrund des vorigen Schonraums vor einer noch schwereren Herausforderung. Weiterhin wird kritisiert, die sanfte, behütete Welt, in der Künstliches verpönt sei, entspräche kaum noch den Erfahrungen heutiger Heranwachsender.

Die Waldorfschulen reagieren auf kritische Vorstöße sehr unterschiedlich. In den letzten Jahren wird versucht, Rudolf Steiner zu hinterfragen und den Unterricht für neue Medien zu öffnen. Der Bund der Freien Waldorfschulen ist bemüht, das Image von der "Öko-Kuschelpädagogik" abzulegen. Da aber jede Waldorfschule eigenständig handelt, sich in freier Trägerschaft selbst verwaltet und nicht von einer übergeordneten Instanz - außer den Schulbehörden - kontrolliert wird, können Lehrerkollegien und einzelne Lehrer von der Meinung des Bundes der freien Waldorfschulen oder den in der Anthroposophischen Gesellschaft vertretenen Auffassungen abweichen. Auch existiert zwar ein allgemein abgestimmter "Waldorflehrplan", die individuelle Ausgestaltung liegt jedoch in der Verantwortung jeder Schule und jedes einzelnen Lehrers und nicht zuletzt der Eltern.

Aktuelles

In der Berliner Zeitung "Der Tagesspiegel" vom 1. Februar 2006 spricht der Berliner Sektenbeauftragte und evangelische Pfarrer Thomas Gandow von „obskuren Lehren und subtilem Einfluss“, der auf Eltern und Kinder in Waldorfschulen, bei denen es sich „nicht um Reform-, sondern um Weltanschauungsschulen“ handele, ausgeübt werde. In einer am 10./11. Februar stattfindenden Tagung „Anthroposophie und Waldorfpädagogik“ in der Evangelischen Fachhochschule Berlin soll es um den „Rassismus Rudolf Steiners“ gehen und um die Frage, wie christlich Anthroposophie sei. Der Sprecher der Waldorfschulen, Detlef Hardorp, hat sich beim evangelischen Bischof Huber über das Vorhaben beschwert und einen „respektvollen und toleranten“ Umgang eingefordert. Die von Gandow kritisierte Vorstellung der Anthroposophen von der Reinkarnation wird von Hardorp nicht bestritten: „Wir haben Respekt vor dem, was der Mensch bei seiner Geburt aus anderen Sphären mitbringt“. Kritik übt Gandow auch daran, dass die Waldorfschulen nicht offen sagten, was für sie Karma bedeute. Wenn Waldorfschulen damit Werbung machten, dass es bei ihnen kein Sitzenbleiben gebe, dann glaubten Eltern an ein unbeschwerteres Schulleben – tatsächlich sei das Sitzenbleiben aber nur deshalb in den Waldorfschulen verpönt, weil das Klassenkarma nicht zerstört werden solle. Hardorp bestätigt, dass man Klassen als Schicksalsgemeinschaft sehe, die man nicht zerreißen sollte.

Am 26. Januar 2006 war in der Neuen Zürcher Zeitung zu lesen, dass in Winterthur Eltern ihr am Down-Syndrom leidendes Kind von der städtischen Michaelschule nahmen, weil sie sich an der anthroposophischen Ausrichtung der Schule störten und für ihr Kind einen neutralen Unterricht wünschten. Die Bezirksschulpflege gab den Eltern Recht: Es handele sich um eine Schule, die auf einer religiös geprägten Weltanschauung basiere, die nicht als neutral bezeichnet werden könne. Die anthroposophische Ausrichtung sei im Unterricht deutlich spürbar, und es werde "von keinem gesunden Kind erwartet, dass es gegen den Willen seiner Eltern eine anthroposophische Schule besucht", so die Bezirksschulpflege.

Am 13. August 2005 berichtete die Allgäuer Zeitung Kempten, dass ein Vater Anzeige gegen die Freie Waldorfschule Kempten erstattet habe. Mindestens sechs Lehrer hätten Schüler geschlagen und gedemütigt, außerdem müssten die Schüler auf dem Schulgelände schwere körperliche Arbeiten verrichten, bei einer Klassenfahrt nach Ungarn hätten Achtklässler sechs Stunden am Tag schuften müssen. Es gäbe mittlerweile rund 50 Eltern, die gegen die Schule Anschuldigungen erhöben. Ein Vorstandsmitglied der Waldorfschule betonte, die Vorwürfe seien haarsträubend, räumte aber ein, dass ein Lehrer einem Schüler auf der Klassenfahrt eine Ohrfeige versetzt habe, weil der Achtklässler ihn mit Farbe bekleckert habe. Das sei nicht ordnungsgemäß, aber verständlich gewesen. Zu den Vorfällen Stellung nehmen musste die Schule folgend auch beim Kultusministerium und der Regierung von Schwaben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Der Bund der freien Waldorfschulen distanzierte sich in einer Presseerklärung vom 29. November 2005 von der Kemptener Schule, die seit 1987 kein Mitglied des Bundes mehr ist. Da die Namensrechte am Begriff "Waldorfschule" damals noch nicht geschützt waren, darf sich die Schule in Kempten aber weiterhin Waldorfschule nennen.

Am 29. Juli 2005 sorgte eine äußerst waldorfkritische Einschätzung des Ansbacher CSU-Mitglieds und Stadtrats Leonard Landois bundesweit für einen "Sturm der Entrüstung". Landois bedauerte in einer Ratssitzung, dass die Kommune gezwungen sei, die "esoterisch-spirituellen Zirkel" eines ansässigen Waldorfkindergartens zu unterstützen, während andere Kindergartengruppen oder gar ganze Kindergärten aufgrund finanzieller Engpässe zur Schließung gezwungen seien. Nicht umsonst hätte Ernst Bloch die Waldorfpädagogik auch als faschistoid betitelt.

In die Schlagzeilen geriet Ende Oktober 2004 eine Braunschweiger Waldorfschule, deren Lehrer Andreas Molau kündigte, um zukünftig für die rechtsextreme NPD im Sächsischen Landtag als Berater zu arbeiten. Seine politische Einstellung war der Schule laut eigener Aussage bis dahin unbekannt, obwohl Molau in den 1990er Jahren als Kulturredakteur der rechten Wochenzeitung "Junge Freiheit" tätig war und sich später in der rechtsradikalen Zeitschrift "Deutsche Geschichte" engagierte. Für größere Diskussionen sorgte die Entscheidung der Schule, den mit den Eltern geschlossenen Schulvertrag für die beiden Kinder von Molau noch im laufenden Schuljahr zu kündigen. Dies rief Horst Mahler auf den Plan, der Sippenhaft anprangerte und in einem Rundschreiben dazu aufforderte, dass "alle deutschwilligen Deutschen den Kampf um die Rückeroberung der Waldorfschulen, der Erziehungseinrichtung für den deutschen Geist, beginnen [mögen]."

Am 28. Februar 2000 strahlte das ARD-Magazin "Report aus Mainz" die von einem ehemaligen Waldorfschüler erhobenen Vorwürfe des Kursierens von Rassismus und Antisemitismus an einzelnen Waldorfschulen, aus. Laut Bericht sei es für die Waldorfschulen an der Zeit, sich kritisch mit ihrem Begründer und dessen Anthroposophie auseinander zu setzen. Die Initiative ging von der Aktion Kinder des Holocaust aus, Paul Spiegel bekräftigte in der Sendung die vorliegenden Recherchen. Der Bund der Freien Waldorfschulen kritisierte an der Reportsendung, dass nur unkonkrete Behauptungen vom Hörensagen getroffen worden seien und verwies auf einseitige Berichterstattung. Der in der Sendung interviewte Kritiker Dr. Heiner Ullrich distanzierte sich nach der Ausstrahlung von der seiner Meinung nach "tendenziösen" Berichterstattung, die das "humanistische Grundanliegen der Waldorfpädagogik verunglimpfe". Gegen die Behauptung der Sendung, dass jüdische Eltern vermehrt ihre Kinder von Waldorfschulen nähmen, konnte vorübergehend eine einstweilige Verfügung durchgesetzt werden, doch weitere Gegendarstellungsbegehren wurden von Gerichten abgelehnt.

Siehe auch

Literatur

Positiv wertende Literatur

  • Bußmann, Hildegard und Jochen: Unser Kind geht auf die Waldorfschule. Erfahrungen und Ansichten. Rowohlt, 1990. ISBN 3-499-18736-1
  • Carlgren, Frans: Erziehung zur Freiheit. Verlag Freies Geistesleben, 2005. ISBN 3-7725-1619-X
  • Kiersch, Johannes: Die Waldorfpädagogik. Eine Einführung in die Pädagogik Rudolf Steiners. Reihe Praxis Anthroposophie 47, Verlag Freies Geistesleben, 1997. ISBN 3-7725-1247-X
  • Leber, Stefan (Hg.): Waldorfschule heute. Einführung in die Lebensformen einer Pädagogik. Mit Beiträgen von Michaela Glöckler, Christoph Gögelein, Wenzel Götte, Freya Jaffke, Ernst-Michael Kranich, Helmut von Kügelgen, Stefan Leber, Manfred Leist, Christoph Lindenberg, Walter Riethmüller, Christian Rittelmeyer und Hartwig Schiller. Stuttgart: Verlag Freies Geistesleben 2001. ISBN 3-7725-1221-6
  • Richter, Tobias: Pädagogischer Auftrag und Unterrichtsziele. Vom Lehrplan der Waldorfschule. Stuttgart: Verlag Freies Geistesleben 2002. ISBN 3-7725-0269-5
  • Schad, Wolfgang: Erziehung ist Kunst. Pädagogik aus Anthroposophie. Stuttgart: Verlag Freies Geistesleben 1994. (Vergriffen, Neuauflage steht noch nicht fest.) ISBN: 3-7725-1204-6
  • Steiner, Rudolf: Praxis der Waldorfpädagogik (10 Vorträge, Themen aus dem Gesamtwerk Band 21). Stuttgart: Verlag Freies Geistesleben 2004. ISBN 3-7725-0091-9

Negativ wertende Literatur

  • Bierl, Peter: Die Anthroposophie Rudolf Steiners und die Waldorfpädagogik. 1999. ISBN 3-89458-171-9
  • Jacob, Sybille-Christin und Drewes, Detlef: Aus der Waldorf-Schule geplaudert. Warum die Steiner-Pädagogik keine Alternative ist. Aschaffenburg: Alibri, 2001. ISBN 3-932710-28-2
  • Prange, Klaus: Erziehung zur Anthroposophie - Darstellung und Kritik der Waldorfpädagogik. Bad Heilbrunn: Klinkhard, 2000. ISBN 3-7815-1089-1
  • Rudolph, Charlotte: Waldorf-Erziehung: Wege zur Versteinerung. DTV, 1988. ISBN 3-472-61727-6
  • Wagemann, Paul-Albert und Kayser, Martina: Wie frei ist die Waldorfschule? W. Heyne Verlag, 2002. ISBN 3-453-09147-7
  • Weibring, Juliane: Die Waldorfschule und ihr religiöser Meister - Waldorfpädagogik aus feministischer und religionskritischer Perspektive. ATHENA, 1998. ISBN 3-932740-21-1

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