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Nationalsozialistische Filmpolitik

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Ziele der nationalsozialistischen Filmpolitik

Trotz seines autoritären Grundcharakters war der Nationalsozialismus ein Populismus, d. h. eine Bewegung, die Massenpopularität dadurch zu erreichen suchte, dass sie mit ihren Schlagworten direkt aufs Gefühl der Bevölkerung zielte. Es überrascht daher nicht, dass die Nationalsozialisten das Filmmedium von Anfang an als ein Propagandainstrument von ungeheurer Macht einschätzten. Adolf Hitler und der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, Joseph Goebbels, waren vom Film nicht nur persönlich fasziniert, sondern die Instrumentalisierung des Filmwesens war von der NSDAP bereits seit 1930 durch die Einrichtung einer parteieigenen Filmabteilung vorbereitet worden.

Goebbels, der sich selbst zum "Schirmherr des deutschen Films" ernannte, ging zutreffend davon aus, dass ein unterhaltsames Filmmedium, das dem nationalsozialistischen Regime Glamour verlieh, ein wirkungsvolleres Propagandainstrument sein würde als ein Filmmedium, in welchem die NSDAP und ihre Tagespolitik allgegenwärtig gewesen wäre. Die offene Propaganda fand ihren Platz in Dokumentarfilmen und Wochenschauen. Im Spielfilm erscheinen die NSDAP und ihre Symbole bzw. Organisationen - wie SA, Hitler-Jugend oder Reichsarbeitsdienst - nur ganz vereinzelt. Selbst die sogenannten Propagandafilme bildeten gegenüber der Flut der mehr oder weniger leichten "Unterhaltungsfilme" eine Minderheit von höchstens einem Sechstel.

Behörden und Dienststellen

Die Fäden der nationalsozialistischen Filmpolitik liefen an folgenden Stellen zusammen:

In einer Fülle filmischer und filmpolitischer Belange konnte Joseph Goebbels - dem nationalsozialistischen Führerprinzip entsprechend - direkt entscheiden, d. h. ohne die eigentlich zuständigen Stellen anzuhören. Einfluss nahm er insbesondere auf die Rollenbesetzung von Filmen, das letzte Wort hatte er aber auch bei der Filmzensur und der Filmprädikatisierung.

Nur im Bereich des Unterrichtsfilms lag die Kompetenz nicht bei Goebbels, sondern beim Kultusminister Bernhard Rust. Siehe Reichsstelle für den Unterrichtsfilm.

Maßnahmenkatalog (Übersicht)

Politische Maßnahmen zur Gleichschaltung des Films im nationalsozialistischen Deutschland waren u. a.:

Im Verlaufe des Zweiten Weltkrieges wurden in den besetzten Ländern die Produktionseinrichtungen geraubt und neu gegründeten Filmgesellschaften, wie z. B. der Prag-Film AG und der Zentralfilmgesellschaft Ost, einverleibt. Die Filmproduktion dieser Länder sollte, sofern sie überhaupt noch zugelassen wurde, gesteuert werden. In allen besetzten Ländern wurden außerdem auch zahllose deutsche Filme in die Kinos gebracht, um die Bevölkerung mit direkter deutscher Filmpropaganda zu versorgen und um der Ufa zusätzliche Absatzmärkte zu verschaffen.

Filmproduktion

Die deutsche Filmindustrie geriet Mitte der 1930er Jahre in ihre bis dahin schwerste Krise. Das hatte mehrere Ursachen. Erstens hatten viele der besten Filmkünstler Deutschland nach Machtantritt der Nationalsozialisten verlassen; andere waren von der Reichsfilmkammer unter Berufsverbot gestellt worden. Ersatz war nicht leicht zu beschaffen. Zweitens stiegen die Gagen der verbliebenen Filmkünstler und damit die Filmherstellungskosten, und zwar (von 1933 bis 1936) um 95%. Häufig gelang es nicht, die hohen Produktionskosten in den Kinos wieder einzuspielen. Drittens wurden deutsche Filme im Ausland zunehmend boykottiert, sodass die Exportzahlen dramatisch sanken. Hatte der Export im Jahre 1933 noch 44% der Herstellungskosten gedeckt, so waren es 1935 noch 12% und 1937 nur noch 7%.

Mehr und mehr Filmproduktionsfirmen gingen in Konkurs. Von den 114 deutschen Produktionsgesellschaften, die in den Jahren 1933-1935 Spielfilme hervorgebracht haben, arbeiteten in den Jahren 1936-38 noch 79. 1939 traten noch 32 Firmen, 1940 25 Firmen und 1941 16 Firmen in Erscheinung. Andererseits produzierten die wenigen verbliebenen Firmen immer mehr Filme.

Die Konzentration der Filmproduktion war völlig im Interesse der nationalsozialistischen Machthaber. Erstens wurde die neustrukturierte Filmindustrie schließlich wieder so rentabel und funktionstüchtig, wie sie sein musste, um der NSDAP als Propagandainstrument dienen zu können. Zweitens war eine zusammengefasste Filmindustrie für die Politik einfacher zu steuern und zu kontrollieren als eine unübersichtliche Landschaft aus vielen Kleinfirmen.

Goebbels ging noch weiter und ließ durch eine private Holdinggesellschaft, die Cautio Treuhand GmbH, die Aktienmehrheiten aller verbliebenen Filmproduktionsgesellschaften aufkaufen. 1937 erwarb die Cautio die größte deutsche Filmgesellschaft, die Ufa-Film GmbH, die 1942 mit den fünf daneben noch verbliebenen Firmen - Terra Film, Tobis, Bavaria, Wien-Film und Berlin-Film - zum Ufi-Konzern zusammengeschlossen wurde.

Die Filmproduktion war damit praktisch verstaatlicht, behielt - anders als z. B. im Stalinismus - aber ihre privatwirtschaftliche Struktur. Zwar wurde zur Unterstützung der Filmindustrie eine Filmkreditbank GmbH eingerichtet, diese trieb ihre Geldmittel jedoch bei privaten Investoren auf. Eine staatliche Bezuschussung der Filmindustrie gab es im Nationalsozialismus nicht. Die Filmindustrie blieb damit nicht nur zur Rentabilität gezwungen, sondern auch dazu, mit ihren Erzeugnissen die Erwartungen des Publikums zufriedenzustellen. Kassenergebnisse spielten selbst dann eine vorrangige Rolle, wenn der NSDAP an Filmprojekten besonders gelegen war.

In den Produktionsgesellschaften wurde unter dem Nationalsozialismus das Führerprinzip eingeführt. Während der Regisseur für die künstlerische Gestaltung des Filmvorhabens verantwortlich war, kümmerte der Herstellungsgruppenleiter sich um alle nicht-künstlerischen Belange. Beiden übergeordnet war der Produktionschef, der das Jahresprogramm der Filmgesellschaft ausarbeitete und die Stoffe vorgab. Von 1942 an war den Produktionschefs wiederum ein Reichsfilmintendant übergeordnet.

Filmverleih und Bildstellen

Eine Konzentration wurde auch im Verleihsektor herbeigeführt. Die Deutsche Filmvertriebs GmbH (DFV), eine Tochtergesellschaft der verstaatlichten Ufa mit Sitz in Berlin, löste 1942 alle bis dahin noch bestehenden Verleihfirmen ab.

Das Bildstellenwesen, das bereits in der Weimarer Republik bestanden hatte, wurde der Reichsstelle für den Unterrichtsfilm unterstellt und weiter ausgebaut. 1943 gab es im Reichsgebiet 37 Landesbildstellen, zu denen ein Subsystem von 12.042 Stadtbildstellen gehörte. Parallel bestand das Bildstellennetz der Reichspropagandaleitung, die bereits 1936 über 32 Gau-, 171 Kreis- und 22.357 Ortsgruppenfilmstellen verfügte. Diese Bildstellen hatten gut sortierte Filmlager und verliehen auch transportable Projektoren für 16mm-Filme, mit denen in Schulräumen, in den Seminarräumen der Universitäten und bei Heimabenden Filme vorgeführt werden konnten.

Kinos

Anders als im Produktions- und Verleihsektor fand im Kinowesen keine Verstaatlichung statt. Abgesehen von der Ufa-Kino-Kette waren die meisten der 5506 Lichtspieltheater, die 1939 im sog. Altreich (ohne Österreich und Sudetenland) existierten, Kleinunternehmen in privater Hand.

Die unternehmerische Freiheit dieser Kinos war durch Gesetze und durch Anordnungen der Reichsfilmkammer allerdings stark eingeschränkt. Vorgeschrieben war z. B. ein Beiprogramm aus Kultur- bzw. Dokumentarfilm und Wochenschau. Festgelegt war auch, dass an bestimmten Feiertagen ernste Filme gezeigt werden mussten.

Mit dem Gesetz über die Vorführung ausländischer Bildstreifen vom 23. Juni 1933 war die Reichsregierung auch ermächtigt, die Vorführung ausländischer Filme zu verbieten. Bereits aus der Weimarer Republik stammte eine Kontingentregelung, die festlegte, wieviele ausländische Filme importiert werden durften. Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde der Import von Filmen aus bestimmten Ländern erstmals ganz verboten. Ab 1941 z. B. durften in deutschen Kinos keine amerikanischen Filme mehr gezeigt werden.

Der Akzent der nationalsozialistischen Kinopolitik lag auf dem Massenerlebnis. Auch in Kasernen und Betrieben wurden daher Filmprogramme veranstaltet. Der Hitler-Jugend wurden Kinosäle für die sogenannten Jugendfilmstunden zur Verfügung gestellt. Um auch ländliche Gegenden mit Filmprogrammen versorgen zu können, stellte die Reichspropagandaleitung Tonfilmwagen zur Verfügung, die alles Gerät enthielten, das gebraucht wurde, um Filmveranstaltungen z. B. in Sälen von Gastwirtschaften durchzuführen. Dann fand nachmittags eine Filmveranstaltung für die Hitler-Jugend statt und abends ein normales Kinoprogramm für die Erwachsenen. Dass die Filmrezeption ein Massenerlebnis bleiben sollte, war vermutlich auch einer der Gründe, warum Goebbels keine Anstrengungen unternahm, die bereits weit entwickelte Fernsehtechnik für ein neues Massenmedium nutzbar zu machen.

Durch den Rückgang der Arbeitslosigkeit und die damit verbundene Verbesserung des Lebensstandards stieg der Kinobesuch in Deutschland von Jahr zu Jahr. 1939 wurden in Deutschland 624 Millionen Kinokarten verkauft, 1944 waren es 1,1 Milliarden. Von den USA abgesehen, hatte kein Land der Erde mehr Kinositzplätze als Deutschland. Während Schulen und Theater ihre Tore schlossen, wurde der Kinobetrieb trotz schwierigster Bedingungen bis zum Kriegsende aufrechterhalten. In Berlin z. B. wurden noch 1944 Flak-Truppen zum Schutz von Kinos abgestellt. Sogar der dringend erforderliche Umbau von Kinos in Hospitäler wurde von der Politik verhindert.

Starsystem

In Deutschland hatte es vor 1933 zwar Filmstars gegeben, das Starsystem jedoch steckte - vor allem im Vergleich zu dem der USA - noch in den Kinderschuhen. Um das Image des nationalsozialistischen Deutschland aufzubessern, trieb Joseph Goebbels die Entwicklung des Starsystems massiv voran. Nachdem Marlene Dietrich das Land verlassen hatte und auch Greta Garbo sich dem nationalsozialistischen Kino nicht als Galionsfigur vorspannen ließ, wurden neue Stars aufgebaut.

Das bekannteste Beispiel ist die Schwedin Zarah Leander, die 1937 von der Ufa verpflichtet wurde und sich innerhalb weniger Jahre zur prominentesten und bestbezahlten deutschen Filmschauspielerin entwickelte. Den Werbefeldzug für Zarah Leander führte die Pressestelle der Ufa, die ihre früheren, in Schweden produzierten Filme verschwieg und gleich auf ihren Nimbus als Gesangsstar setzte. Die Presse wurde durch vorverfasste Personenbeschreibungen darüber informiert, wie der neue Star zu präsentieren sei, und Zarah Leander wurde detailliert angewiesen, wie sie in der Öffentlichkeit aufzutreten habe.

Neu war auch, dass hochrangige Politiker wie Hitler, Goebbels und Göring sich in der Öffentlichkeit mit Filmstars präsentierten. Besonders die weiblichen Stars sollten dem männerbündischen Charakter der nationalsozialistischen Veranstaltungen Glamour verleihen. Zu Hitlers bevorzugten Tischdamen gehörten Olga Tschechowa und Lil Dagover, und Hermann Göring hatte 1935 die beliebte Schauspielerin Emmy Sonnemann geheiratet. Auch über Joseph Goebbels' Beziehungen zu prominenten Filmschauspielerinnen ist viel geschrieben worden.

Die persönliche Nähe zur politischen Führung bestimmte oftmals darüber, ob Karrieren gefördert oder gebremst wurden. Renate Müller z. B. machte sich Goebbels zum persönlichen Feind. Es gab Listen, die darüber entschieden, wie häufig ein Darsteller eingesetzt wurde: die fünf Kategorien reichten von "Unter allen Umständen ohne Vakanz zu besetzen" (z. B. Zarah Leander, Lil Dagover, Heinz Rühmann) bis zu "Einsatz unter keinen Umständen mehr erwünscht".

Wie wichtig die Filmstars für das Image des nationalsozialistischen Regimes waren, wird auch daraus ersichtlich, dass Hitler 1938 Steuererleichterungen für prominente Künstler (Filmschauspieler und Regisseure) erließ, die von da an 40 Prozent ihrer Einnahmen als Werbungskosten absetzen konnten.

Der Krieg bewirkte eine Profanierung des Images der Stars. Sie tingelten zur Truppenbetreuung an die Front und sammelten auf der Straße fürs Winterhilfswerk. Obwohl die meisten männlichen Filmstars unabkömmlich gestellt waren, gab es auch Schauspieler wie z. B. Heinz Rühmann, die - zum Teil von Drehteams der Wochenschau begleitet - am Krieg teilnahmen.

Personalpolitik

Die politische Aufgabe, jüdische und andere missliebige Filmschaffende aus der deutschen Filmindustrie auszuschließen, erfüllte seit 1933 die Reichsfachschaft Film in der Reichsfilmkammer. Da jede Tätigkeit in den Bereichen Filmproduktion, Verleih und Kinowesen die Mitgliedschaft in dieser Fachschaft voraussetzte, kam die Nichtaufnahme einem Berufsverbot gleich. Hiervon waren schätzungsweise 3.000 Filmschaffende betroffen, von denen viele ins Ausland gingen. Bei sehr wichtigen und populären Filmkünstlern wurde in Einzelfällen über einen jüdischen Hintergrund hinweggesehen. Eine Sondererlaubnis erhielten von Goebbels z. B. die Regisseure Kurt Bernhardt und Reinhold Schünzel, der Schauspieler Horst Caspar und der Sänger Jan Kiepura. Wegen ihrer jüdischen Ehefrauen waren auch die Schauspieler Paul Bildt, Karl Ettlinger, Paul Henckels, Hans Moser, Heinz Rühmann, Wolf Trutz und Erich Ziegel und der Regisseur Frank Wysbar auf eine Sondererlaubnis angewiesen. Andere wurden trotz ihrer Popularität weniger milde behandelt; Joachim Gottschalk z. B. ging 1941 mit seiner jüdischen Frau, der Schauspielerin Meta Wolff, gemeinsam in den Freitod. Der Drehbuchautor Walter Supper und seine Frau erlitten ein ähnliches Schicksal. Um einer drohenden Deportation ins Konzentrationslager zuvorkommen, begingen auch zwei weitere ihrer Kollegen - der jüdische Paul Otto und der homosexuelle Hans Henninger - Selbstmord. Im KZ bzw. auf dem Weg dorthin starben die Schauspieler Ernst Arndt, Eugen Burg, Max Ehrlich, Maria Forescu, Kurt Gerron, Fritz Grünbaum, Kurt Lilien, Paul Morgan und Otto Wallburg, der Sänger Joseph Schmidt und der Regisseur Hans Behrendt. Hingerichtet bzw. von Nationalsozialisten ermordet wurden die Schauspieler Horst Birr, Robert Dorsay, Hans Meyer-Hanno und Hans Otto.

Viele Propagandafilme wurden als Staatsauftragsfilme produziert und Joseph Goebbels hat sich sich in praktische Produktionsfragen wie z. B. die Rollenbesetzung häufig direkt eingeschaltet. Dennoch ist der Druck, der insbesondere auf die Regisseure ausgeübt wurde, Propagandafilme zu drehen, wohl oft überschätzt worden. Vor allem die gelegentlich geäußerte Behauptung, junge Regisseure hätten, um eigene Spielfilme produzieren zu dürfen, als Vorbedingung zunächst einen Propagandafilm drehen müssen, lässt sich an den Filmografien der Regiedebütanten dieser Zeit in kaum einem Fall belegen. Vermutlich hat man sich bei der Produktion dieser als wichtig eingeschätzten Filme ohnehin lieber auf die Erfahrung bewährter älterer Regisseure verlassen. Wie die Filme von Helmut Käutner beweisen, hatten die Regisseure auch innerhalb der Vorgaben der Filmzensur eine durchaus beachtliche Freiheit.

Siehe auch

Literatur

  • Gerd Albrecht, Nationalsozialistische Filmpolitik, München (Hanser) 1969
  • Jürgen Spiker, Film und Kapital. Der Weg der deutschen Filmwirtschaft zum nationalsozialistischen Einheitskonzern, Berlin (Volker Spiess) 1975
  • Wolfgang Becker, Film und Herrschaft, Berlin (Volker Spiess) 1973
  • Joseph Wulf, Theater und Film im Dritten Reich, Reinbek (rororo) 1966