Zum Inhalt springen

Jacques Lacan

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 24. April 2004 um 14:38 Uhr durch Karl-Henner (Diskussion | Beiträge). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.


Jacques Lacan (* 13. April 1901; † 9. September 1981) war ein französischer Psychoanalytiker, der die Schriften Sigmund Freuds neu interpretierte und radikalisierte. Dies beinhaltete das Ziel "Freud gegen Freud" zu lesen, also ihn dort weiter zu entwickeln, wo er hinter seinen eigenen Annahmen zurückblieb.

Eine seiner wichtigen Thesen ist, dass das Unbewusste eine symbolische Struktur hat - die der Sprache, allgemein kreisen sein Theorien um den Versuch das Abwesende im Anwesenden mitzudenken und dialektisch zu denken. Er baut damit auf den Arbeiten des strukturalen Linguisten Ferdinand de Saussure auf.

Die Psychosemiologie Lacans basiert im Wesentlichen auf zwei Grundannahmen:

  • Das Subjekt ist ein Sprachwesen, d.h. durch Sprache determiniert; der Psychismus konstituiert sich wie ein (dreiwertiges) sprachliches Zeichen als Imaginäres, Reales und dem Symbolischen. Sigmund Freuds "Das Es spricht" heißt bei Lacan: "Die Sprache spricht" [1]. Das Unbewusste hat die Struktur der Sprache.
  • Das Subjekt ist ein begehrendes Subjekt. Da das Objekt des Begehrens immer schon verloren ist, ist es ein grundsätzlicher Mangel, der das Begehren des Menschen aufrecht erhält. Lacans "Begehren" entspricht Freuds "Wunsch".

Das Subjekt ist ein Sprachwesen

Die Psychogenese (d.h. die psychische Entwicklung bis hin zum vollständig ausgereiften Psychismus) des Subjekts erfährt im Spiegelstadium (etwa im 18. Lebensmonat des Kleinkinds) eine erste Krise. In dieser Phase beginnt das Kleinkind, wenn man es vor einen Spiegel hält, eine Intuition des anderen (des "klein a") zu entwickeln. In dieser Situation der absoluten Dualität zwischen ego und alter ego reagiert das Kleinkind zugleich mit der größten Freude und Aufmerksamkeit und einer tiefen Aversion und Aggression gegen diesen anderen, der es gewissermaßen aus seinem Paradies vertreibt und als Rivale wahrgenommen wird.

Dieses initialistische Spiegelstadium, das dem Subjekt eine erste Ahnung von sich selbst gibt (es erfährt hier zum ersten Mal "das andere" und insofern sich selbst), bedeutet, dass das Subjekt sich zuallererst als entfremdetes erfährt, Lacan sagt, das Subjekt ex-sistiert.

Das Spiegelstadium

Die dualistische Situation im Spiegelstadium (der Bereich des Imaginären) wird erst durch das Erreichen des symbolischen Bereichs überwunden, d.h. in dem Augenblick, in dem das Subjekt beginnt zu sprechen. Lacan reformuliert hiermit im Grunde Freuds Theorie des Ödipuskomplexes, indem er davon ausgeht, dass neben dem rivalistischen "kleinen anderen" eine dritte Instanz, der große Andere hinzutreten muss, der zwischen den beiden Rivalen vermittelt, Regeln einführt, Distanz schafft - das Gesetz einführt. Die Sprachkompetenz bedeutet dabei im weitesten Sinne die Fähigkeit, nicht unmittelbar auf den "klein anderen" reagieren zu müssen, sondern im "Bereich des Symbolischen" agieren zu können, d.h. beobachten und kommentieren zu können.

Lacan beschreibt das Universum des Subjekts somit bestehend aus den Bereichen des Imaginären und des Symbolischen - ergänzt werden diese Bereiche noch durch den Bereich des Realen. Das Reale ist nicht mit der Realität zu verwechseln, sondern bildet den für das Subjekt völlig unzugänglichen Grund seiner Ex-sistenz.

Das "begehrende Subjekt"

Unmittelbar damit zusammen hängt das grundlegende Begehren des Subjekts. Da es sich zuerst im Spiegelstadium als entfremdetes Subjekt erfährt, erlebt es sich im Zustand des Mangels. Das Objekt seines Begehrens muss das "klein andere" (im Spiegel) sein, da das Subjekt in diesem Stadium schlichtweg nichts anders "hat" als dieses "klein andere". Allerdings ist dieses "klein andere" nun eben "weg" - "außen", im Spiegel.

Das Objekt des Begehrens heißt daher bei Lacan Objekt klein a. Unter diesem Objekt wird ein "immer schon verlorenengegangenes" Objekt verstanden. Es kann niemals erreicht, zurückerhalten werden, da seine einzige "Seinsweise" eben darin besteht, verloren zu sein.

Um diese Theorie des Mangels und des Begehrens errichtet Lacan den Teil seiner psychoanalytischen Theorie, die die klassischen psychonalaytischen Persönlichkeitsstrukturen, etwa die neurotischen oder psychotischen Persönlichkeitsstrukturen, als spezifische Weisen, mit dem Mangel und dem Begehren umzugehen, rekonstruiert.

Die Signifikantenlogik Lacans

Von Ferdinand de Saussure übernimmt Lacan dessen Terminologie: Signifikant, Signifikat, Zeichen, Opposition und Differenz sind die Schlüsselbegriffe.

Von ihm übernimmt Lacan auch das Schema vom gemalten Baum, der über einer Trennungslinie gezeichnet wird, worunter das Wort "arbre" geschrieben steht. Saussure verwendet dieses Bild zu Verdeutlichung seiner Unterscheidung des Sprachzeichens in ein Vorstellungsbild, das Signifikat ("Das Bezeichnete" - der gemalte Baum) und - unter dem Trennungsstrich - das Lautbild, der Signifikant ("das Bezeichnende" - das geschriebene Wort) - das ganze ist ein Zeichen.

Dieses Schema dient Lacan zur Darstellung des Subjekts, das in seiner Theorie den Platz unter der Trennungslinie einnimmt, also an der Stelle des vom Signifikanten bezeichneten Signifikats. Das Subjekt ist auf diese Weise bei Lacan als dem Signifikanten(-prozess) unterworfen dargestellt. Lacan schreibt:

"Ein Signifikant ist, was ein Subjekt repräsentiert für einen anderen Signifikanten." (Jacques Lacan (1987): Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse. Das Seminar, Buch XI. S.: 208)

Das Reale

Lacan beschreibt das Reale, den wohl rätselhafteste Begriff seiner Theorie, als das was nicht symbolisierbar ist, als den sprichwörtliche "Ziegelstein, der vom Dach auf den eigenen Kopf fällt", also etwa ein Traum unter dem man leidet und das (noch) nicht in eine Geschichte verwandelbar, verflüssigbar ist. Das Reale ist hier immer etwa Unfaßbares, Unsagbares, nicht Kontollierbares ein Art von Horror oder Trauma. Das Reale ist auch in den Spären der Sexualtität, des Todes und der Gewalt zu sehen.

Eine Übertragung der Lacanschen Psychosemiologie in die philosophische Beobachtung insbesondere der Populärkultur (Kino, Science Fiction etc.) leistet Slavoj Zizek.

Siehe auch: Alain Badiou, Symptom, Sinthom, Alan Sokal

Literatur

  • Objektkonstitution als Zeichenprozeß, Nina Ort, 1998, Deutscher Universitätsverlag
  • Die Sprache und das Unbewußte. Jacques Lacans Grundlegung der Psychoanalyse, Hermann Lang, 1998, Suhrkamp