Mae West (Kunstwerk)

Die Mae West ist eine Plastik der Künstlerin Rita McBride am Effnerplatz in München-Bogenhausen. Das nach der Schauspielerin Mae West benannte Kunstwerk besteht aus einer 52 Meter hohen Kohlenstofffaser-Konstruktion und stellt eine hyperbolische Turmkonstruktion dar. Nachdem die Mae West bereits 2002 geplant wurde, jedoch im Stadtrat und in der Bevölkerung umstritten war, konnte das Kunstwerk erst im Januar 2011 fertiggestellt werden. Durch die Plastik verkehrt die Straßenbahn der Stadt München.
Lage
Die Mae West befindet sich in der Mitte des Effnerplatzes in München-Bogenhausen, direkt über dem Effnertunnel und in unmittelbarer Nähe zur dortigen Straßenbahnhaltestelle. Der Effnerplatz ist ein Kreisverkehr und liegt zwischen der Effnerstraße, der Bülowstraße, der Richard-Strauss-Straße und dem Isarring. Südlich des Effnerplatzes liegt der Arabellapark. Der Effnerplatz wird von den Straßenbahnlinien 16, 18 und der Nachtlinie N16 befahren. Zudem haben die Buslinien 144 und 154 dort einen Halt.[1]
Geschichte
Der Plan für die Mae West entstand 2002/03 beim QUIVID, dem Kunst-am-Bau-Programm Münchens, im Rahmen des Tunnelbauprojekts Mittlerer Ring Ost.[2] Ziel des Projekts war es, dem von der Verkehrssituation am Mittleren Ring geprägten Effnerplatz ein Gesicht zu geben. Dazu machte Rita McBride einen Entwurf, welcher das Rund des Kreisverkehrs und die Höhe der benachbarten Arabella- und Hypo-Hochhäuser aufgriff. Kurz darauf konkretisierte sie ihre Pläne und erhielt auch vom lokalen Bezirksausschuss Zustimmung. Als „leere“ Struktur sollte das Kunstwerk nach dem Willen der Künstlerin im Laufe der Zeit durch die Bewohner und dem öffentlichen Diskussionsprozess eine Bedeutung gewinnen. Das Projekt trug ursprünglich den Titel Tower. Den Titel Mae West führte McBride nach eigener Aussage als „Ablenkungsmanöver“ ein, als sich die Diskussion vornehmlich um technische Aspekte wie die Statik der Struktur drehte.[3]
Die Plastik setzte sich in der Kunstkommission der Stadt München unter anderem gegen Entwürfe von Thomas Schütte, Dennis Oppenheim und sechs weiteren Personen durch.[4][5]
Aufgrund der Größe und der Kosten war die Plastik im Stadtrat und im Bezirksausschuss umstritten.[6] Oberbürgermeister Christian Ude kommentierte, solche Plastiken gebe es auch im Baumarkt als Blumenständer.[7] Jedoch sprach sich der Stadtrat schließlich mit der Mehrheit durch CSU, Die Grünen/Rosa Liste, FDP und drei weiteren Stadtratsmitgliedern mit 40 zu 35 gegen die Stimmen von SPD und ÖDP für den Bau der Plastik aus.[8]
Als Argument für den Bau wurde genannt, dass ein Platz mit der Plastik besser wäre als ein Platz ohne die Plastik. Das Kunstwerk würde durch die Wahl des Materials zudem kaum Erhaltungskosten benötigen. Ferner könne München auch wirtschaftlich von der Errichtung der Plastik profitieren. Befürwortet wurde die Mae West auch vom Bund der Steuerzahler, sowie von der Industrie- und Handelskammer.[5] Kritische Anwohner fanden die Kosten des Kunstwerks allerdings unangemessen und hätten das Geld stattdessen gerne in der Unterstützung sozialer Zwecke gesehen.[5][9] Von Professor Bernhard Schilling wird im Kunstwerk sogar ein Plagiat des Harbour Towers, ein Gebäude in Kōbe, und des Center Park Towers in Sydney gesehen.[10]
Der Bauauftrag mit einem Volumen von 1,54 Millionen Euro wurde einer Arbeitsgemeinschaft aus McBride und dem Wallersteiner-Konzern CGB Carbon Großbauteile GmbH erteilt.[11][12] Dazu wurde von ihnen der Name Arbeitsgemeinschaft Kunstwerk Mae West am Effnerplatz in München genutzt.
Der Spatenstich erfolgte am 21. Oktober 2010, wobei die Plastik bereits im Dezember fertiggestellt werden sollte. Durch die frostigen Temperaturen wurde dies jedoch verzögert[2], sodass nach einer vorzeitigen Pause die Bauarbeiten erst in der Nacht vom 30. zum 31. Januar 2011 beendet werden konnten.[13] Dabei wurde die vorgefertigte, circa 36 Meter hohe Hyperboloidkonstruktion mit einem Kran auf das über 15 Meter große Grundgerüst gestellt.[14] Die beiden Komponenten wurden schließlich beim oberen Stahlring des Grundgerüsts mit dem unteren Ring der Konstruktion zusammengeschraubt.[15] Nach der Montierung wurden Mängel an der Mae-West-Konstruktion behoben, die unter anderem den Korrosionsschutz betrafen[16], und im April 2011 zusätzlich Straßenbahngleise durch die Mae West gelegt.[17]
Seit Dezember 2011 wird die Plastik von der verlängerten Trambahnstrecke Effnerplatz–St. Emmeram der Münchner Straßenbahn durchquert. Dabei fährt die Linie 16 ganztägig im zehn-Minuten-Takt durch das Kunstwerk, während die Linie 18 lediglich zum morgendlichen Berufsverkehr an Schultagen die Strecke befährt.[18] Ab Dezember 2013 soll die Linie 18 auch zwischen 15 und 19 Uhr nach St. Emmeram fahren.[19]
Konstruktion

Die Form der Plastik stellt optisch eine im Jahre 1896 durch den russischen Ingenieur, Wissenschaftler und Architekten Wladimir Schuchow erstmals entworfene Hyperboloidkonstruktion dar. Bei der Mae West sind die Rohre jedoch nicht gebogen: Die Hyperboloidkonstruktion wurde stattdessen durch eine Schräglage der Rohrpfeiler vom unteren Stahlring zu den zwei oberen Stahlringen erreicht. Diese haben zwar den selben Mittelpunkt, besitzen jedoch einen unterschiedlichen Durchmesser. Dabei nähern sich die geraden Verbindungslinien der jeweiligen Rohrenden dem Mittelpunkt der Plastik, sodass die taillenförmige Form der Mae West entsteht. Zum größeren Ring verläuft die Verbindungslinie der Stäbe (von Außen betrachtet) von rechts unten nach links oben; zum kleineren Ring verhält sich der Verlauf umgekehrt.
In einer ersten Planungsversion hatte die Mae West eine Höhe von 60 Meter. Die SPD-Stadträtin Constanze Lindner-Schädlich kritisierte diese Version jedoch, da sie „exakt ausschaue wie das Gerüst eines Kühlturms“. Daraufhin überarbeitete McBride ihr Kunstwerk, wobei die Plastik unter anderem acht Meter kleiner gemacht wurde.[20]
Die Mae West besteht aus 32 gleichförmigen Rohren, die aus 225 bis 275 Millimeter dicken kohlenstofffaserverstärkem Kunststoffen (CFK) bestehen. Ein Rohr ist 40 Meter lang und wiegt 550 Kilogramm. CFK, was bis dato zum Bau von Verkehrsmitteln verwendet wurde, fand zum ersten Mal bei einem Kunstbau Verwendung. Im Vergleich zu Stahl ist die Konstruktion mit CFK somit leichter und stabiler. Die Stäbe bilden zusammen eine flächige Netzstruktur, wobei die Plastik im unteren Bereich aus CFK-ummantelten Stahlrohren besteht. Damit Passanten nicht von herunterfallenden Eiszapfen getroffen werden, sind im oberen Ring und im rechteckigen Kastenträger in der Mitte des Kunstwerks Heizdrähte integriert worden. Im oberen Ring verlaufen fünf Leitungen mit einer Gesamtlänge von 550 Metern; im Kastenträger sind sechs Leitungen mit insgesamt 360 Metern verlegt.[12] Eine Beleuchtung der Mae West wurde von McBride abgelehnt, da die Künstlerin ein somit befürchtetes Herausstechen des Kunstwerks gegenüber dem Stadtumfeld vermeiden wollte.[21]
Die Rohre wurde von der Firma CGB Carbon Großbauteile GmbH gewickelt. Als Ausgangsmaterial diente ein Roving (Bündel) aus Kohlenstofffasern mit einer Einzelfaserdicke von etwa 7 Mikrometern. Aus den mit Harz getränkten Bündeln wurde zuerst ein stark gespanntes, rohrförmiges Skelett gefertigt. Eine Zugwickelmaschine wickelt anschließend weitere flache, mit Harz getränkte, Faserbündel um das kernlose Skelett. Dabei entsteht ein regelmäßiges Rautenmuster der sich kreuzenden Fäden, wobei die Anbindungssysteme formschlüssig mit eingewickelt wurden. In einem Ofen härteten die durch diesen Prozess entstandenen Rohre zwölf Stunden bei 60 bis 90 Grad Celsius aus. Ein abschließender UV-Schutz auf der Außenseite verhindert eine Versprödung des Materials durch Sonneneinstrahlung. Pro Rohr ergab sich eine Herstellungszeit von etwa drei Tagen.[22]
Beim Blick von der Innenseite der Konstruktion nach oben sind vor dem Himmel lineare Muster zu erkennen. Die optisch verdrehten Träger der taillenförmigen Plastik sollen an eine Drehbewegung einer Tänzerin erinnern.[4] Das Gesamtgewicht der Mae West beträgt circa 200 Tonnen.[6] Unten beträgt der Durchmesser der Plastik 32 Meter, am oberen Ende 19,5 Meter. An der schmalsten Stelle ist die Mae West lediglich 7,5 Meter breit.[17]
Künstlerische Deutung
Markus Ambach veröffentlichte anlässlich einer Ausstellung von Rita McBride im Museum Abteiberg in Mönchengladbach 2008 ein Kommentar zur Mae West. Darin schrieb er, dass „gerade im öffentlichen Raum […] das real existierende Objekt die Gefahr [besitze], nicht prognostizierbare Ereignisse hervorzurufen“, da der „Volkskörper […] weiterhin unkalkulierbare Untiefen, die sich gerne dann auftun, wenn die Öffentlichkeit mit dauerhaften Faktizitäten konfrontiert wird“, berge. Er meint, dass die Mae West „ein[…] endlose[s], geduldige[s] Spiel der Kunst“ biete, sodass sich Künstler in der entwickelnden Cybergesellschaft, in der diese nicht mehr zeitgenössisch erscheinen, sich „bemühen, reale Orte mit realen Ereignissen zu schaffen“.
Ambach sieht im Kunstwerk „ein subtiles wie unauffälliges Minuetto mit gesellschaftlichen Werten und ihren Vertretern“ tanzen. Er meint, dass der Sinn hinter der Plastik ein „kanonischen Reigen aller Entscheidungsfindungs-, Ordnungs-, Macht- und Äußerungsorgane der Gesellschaft“ verbergen solle, damit „am Ende des Tages möglichst keine Realisierung, aber eine Unmenge an sozialer Partizipation, politischer Agitation und demokratischer Affektion […] erhalten“ bleibe. Ambach mutmaßt, dass die Mae West „Kommunikation als reine Form und eigenen Wert zu produzieren“ versucht. Der Mann sieht im „latente[n] Hüftschwung“ eine „Projektionsfläche der Gesellschaft“, einer „Auseinandersetzungen zwischen Eierbechervisionären und Kühlturmtechnokraten, zwischen Traditionsfetischisten, Kunstautonomen und Stadtgestaltern und ihrer allgegenwärtigen Partizipationswut“.
Mit dem Werk soll McBride laut Ambach die Menschen „in die Realität zurück[holen]“. So solle die Plastik „(i)n einer klassischen Wendung […] den Weg zum Ziel“ erklären und jenes „Spektakel als reales und durchschaubares Ereignis gesellschaftlicher Wertproduktion und Selbstbeschäftigung“ zeigen.[23]
Bei der Münchener Stadtratversammlung vom 7. Juli 2004 wurde von Ursula Sabathil festgestellt, dass die runde Form der Mae West mit dem Kreisverkehr am Effnerplatz als „eine sehr schöne Allegorie“ verstanden werden kann.[8]
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Haltestelle Effnerplatz in München. Haltestellen-Suche.de, abgerufen am 6. Juli 2013.
- ↑ a b Mae West Kunstwerk am Effnerplatz mit weiteren Verzögerungen. In: exklusiv-muenchen.de. Exklusiv München, 30. Januar 2011, abgerufen am 6. Juli 2013.
- ↑ Public Fiction. In: vimeo.com. Kunstakademie Düsseldorf, 2012, abgerufen am 6. Juli 2013 (englisch).
- ↑ a b Birgit Sonna: Reifrock und Wespentaille. In: Süddeutsche Zeitung. 17. Mai, 2010 (Artikel online).
- ↑ a b c Mae West: Eine Debatte über 52 Meter. In: abendzeitung-muenchen.de. Abendzeitung, 31. Januar 2011, abgerufen am 15. Juli 2013.
- ↑ a b Neues Stadttor für München. In: Bogenhausener Anzeiger. wochenanzeiger.de, 29. Mai 2007, abgerufen am 6. Juli 2013.
- ↑ Mae West in München Ost. In: Münchner Merkur. 7. Juli, 2004 (Artikel online).
- ↑ a b Wortprotokoll. (PDF; 340 kB) In: ris-muenchen.de. Stadtrat der Landeshauptstadt München, 7. Juli 2004, abgerufen am 6. Juli 2013.
- ↑ Eher „AKW-Kühlturm“ als Sex-Symbol. In: Abendzeitung. 30. April, 2004 (Artikel online).
- ↑ Münchens Mae West - alles nur geklaut? In: tz. 25. Januar, 2011 (Artikel online).
- ↑ Franz Kotteder: Eine Sex-Göttin für München. In: Süddeutsche Zeitung. 14. März, 2011 (Artikel online).
- ↑ a b Susanne Sasse: Mae West: Das Happy End. In: tz. 31. Januar, 2011 (Artikel online).
- ↑ Marco Völklein: Mae West, eiskalt. In: Süddeutsche Zeitung. 14. März, 2011 (Artikel online).
- ↑ 29.-31.1.11 München, Effnerplatz, Mae West. In: martinhoeppl.blogspot.de. Martin Hoeppel, 31. Januar 2011, abgerufen am 6. Juli 2013.
- ↑ Vollendung "Mae West" am Effnerplatz in München. In: youtube.com. Münchner Wochenanzeiger, 31. Januar 2011, abgerufen am 18. Juli 2013.
- ↑ 19,5 – 7,5 – 32 Meter. In: donaukurier.de. Donaukurier, 31. Mai 2011, abgerufen am 17. Juli 2013.
- ↑ a b Tram St. Emmeram. In: mvg-mobil.de. Münchner Verkehrsgesellschaft, 5. August 2011, abgerufen am 6. Juli 2013.
- ↑ Nina Job: Per Tram durch Mae West. In: Abendzeitung. 9. Dezember, 2011 (Artikel online).
- ↑ MVG verstärkt Angebotsoffensive. (PDF; 1,8 MB) In: mvg-mobil.de. Münchner Verkehrsgesellschaft, 21. März 2013, abgerufen am 6. Juli 2013.
- ↑ Käpt’n umschifft die seichte Kunst. In: alt.stolpersteine-muenchen.de. tz, 6. August 2004, abgerufen am 17. Juli 2013.
- ↑ Mae West bleibt unbeleuchtet. In: Abendzeitung. 26. Juni, 2013 (Artikel online).
- ↑ Bettina Stuhlweißenburg: Weibliche Kurven aus Carbon. In: Münchner Merkur. 6. Mai, 2010 (Artikel online).
- ↑ The Virtual Mae. In: markus-ambach.de. Markus Ambach, abgerufen am 17. Juli 2013.
Koordinaten: 48° 9′ 9,2″ N, 11° 36′ 52,3″ O