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Immobilienbetrug

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Immobilienbetrug ist eine Unterform von Kapitalanlagebetrug und wird dem Bereich des grauen Kapitalmarktes zugeordnet.

Begriffserklärung

Immobilienbetrug (oder die Kurzform "Immobetrug") ist die Bezeichnung von geschädigten Anlegern für den Komplex "Schrottimmobilie, Strukturvertrieb und Immobilienfinanzierung".

Bei Immobilienbetrug kommt ein Vertriebskonzept zum tragen, das im wesentlichen darin besteht, große, meist renovierungsbedürftige Wohnkomplexe zu erwerben und mit möglichst geringem Aufwand zu renovieren (sog. "Pinselsanierung"), um diese dann entweder als Eigentumswohnungen oder geschlossene Immobilienfonds an unerfahrene Kapitalanleger unter falschen Versprechungen unter dem Aspekt einer möglichen Steuerersparnis, sicheren Altersvorsorge oder "Wertsteigerung ohne Eigenkapital" zu verkaufen (Begriff: "Sachwert statt Geldwert").

Den Vertrieb und Verkauf übernehmen sog. Strukturvertriebe, die in der Regel das Geschäft zu Hause oder am Arbeitsplatz abwickeln. Als sog. Türöffner dienen oft Freunde, Bekannte, Arbeitskollegen oder ein unerwarteter Telefonanruf (Kaltaquise). Diese Vorgehensweise wird in der Rechtsprechung als Immobilienerwerb in einer Haustürsituation bezeichnet, welche derzeit kontrovers in der deutschen und europäischen Rechtsprechung behandelt wird. Richtungsweisende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes EuGH und des Bundesgerichtshofes BGH zum Immobilienerwerb in Haustürsituationen sind jüngst ergangen (siehe unten).

Besiegelt wird der Erwerb in Form eines sog. Geschäftsbesorgungsauftrages, der bei einem Notar beglaubigt wird und einen Treuhänder bevollmächtigt, alle zum Erwerb der Immobilie notwendigen Verträge abzuschließen. Die in Zusammenhang mit dem Immobilienerwerb vermittelte Baufinanzierung muss jedoch vom Erwerber selbst unterzeichnet werden, da diesem sonst die Möglichkeit eröffnet werden könnte, bei gerichtlich festgestellter Nichtigkeit des vom Treuhänder besorgten Geschäftes auch die Kreditfinanzierung für nichtig erklären zu lassen.

Der Standort derart verkaufter Immobilien (sog. Schrottimmobilien) spielt keine größere Rolle. Häufig befinden sie sich jedoch Hunderte von Kilometern entfernt vom potentiellen Kunden, um diesem eine problemlose Besichtigung zu erschweren.

Vermietete Eigentumswohnungen zu verkaufen war wegen der steuervorteile durch Mieteinnahmen wichtig. Durch den Einfluss der Mieterorganisationen bestand für bestehende Mietverträge eine Mietbindungssperrfrist von bundeseinheitlich 3 Jahren (bei Sondervereinbarungen bis lebenslänglich) zum Schutz der bisherigen Mieter vor Eigenbedarfskündigungen und Spekulanten. Dies machte den Verkauf an Selbstnutzer unattraktiv und förderte so den Verkauf von Wohnungen an sog. Kapitalanleger.

Beim Immobilienbetrug werden die Käufer nicht über den wahren Wert der verkauften Immobilie aufgeklärt, der Kaufpreis teilt sich für die Erwerber nicht durchschaubar in internen Abgabepreis gemäß realem, verdecktem Wert und sog. versteckte Innenprovisionen auf.

Standardisierte Verkaufsargumente sind neben einer 5-jährigen Mietgarantie die in Aussicht gestellte Steuerersparnis, ein 'problemloser' Wiederverkauf mit Gewinn (z.B. durch ein Boardinghouse), ein Beitrag zur Sicherung der privaten Altersvorsorge und als besonders verkaufsfördernd und vertrauenerweckend die Zusage, dass eine namhafte Bank den Kauf zu 100 % finanzieren wird. Außer der Immobilienfinanzierung kann keine dieser Zusagen jedoch später realisiert werden, da bereits im erheblich überhöhten Kaufpreis bei Geschäftsabschluss (jur. culpa in contrahendo) die Basis dafür gelegt wird, dass Mietgarantien nicht dem real erzielbaren Mietzins gemäß lokalem Mietspiegel entsprechen und daher die Mietgaranten spätestens nach einem Jahr in Konkurs gehen. Häufig bezahlen die Erwerber, ohne dies zu erkennen, sogar die eigene Mietgarantie bereits bei Vertragsabschluss ganz oder teilweise selbst mit. In anderen Varianten wird die Mietgarantie bis zur Unmöglichkeit der Wandlung des Geschäftsvertrages durch den Bauträger verdeckt subventioniert.

Die erst bei Ausfall der Mietgarantie misstrauisch werdenden Erwerber stellen in der Folge sehr bald fest, dass außer den Banken, die die überhöhten Erwerbspreise finanziert haben, niemand mehr in Regress genommen werden kann, da sich Bauträger, Vertriebe und Mietgaranten in der Regel offiziell in Insolvenz befinden oder aus sonstigen Gründen nicht greifbar sind.

Banken ziehen sich auf die Position zurück, dass sie lediglich finanziert hätten. In der Vergangenheit sind viele Gerichte dieser Argumentation gefolgt. Eine Stellungnahme der EU-Kommission vom Januar 2004, die in ein noch ausstehendes Urteil des EuGH einfließen wird, gab vielen Erwerbern, die sich als Opfer eines Immobilienbetruges sehen, jedoch Hoffnung, dass Banken künftig eine Mithaftung zugewiesen wird, wenn ein Fall von Immobilienbetrug vorliegt und eine Immobilie zwecks Täuschung des Erwerbers weit über Wert verkauft und finanziert wurde.

Die Hoffnungen der Geschädigten wurden jedoch durch die Urteile des EuGH vom 25.10.2005 (Rechtssachen C-305/03 und C-229/04) teilweise enttäuscht, der EuGH hat nämlich entschieden, dass die Haustür-Richtlinie dem Verbraucher kein Recht zum Widerruf des Immobilienkaufvertrages verleihe, auch wenn dieser Bestandteil des kreditfinanzierten Kapitalanlagemodelles ist. Die Richtlinie solle den Verbraucher zwar vor den Gefahren schützen, die sich insbesondere aus einem Vertragsabschlusses während eines Besuchs des Gewerbetreibenden beim Verbraucher ergeben, indem sie unter bestimmten Umständen ein Widerrufsrecht verschafft, doch sind Kaufverträge über Immobilien ausdrücklich vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen. Insofern folgte der EuGH der Argumentation der Banken. Der EuGH stellte jedoch andererseits auch fest, dass in Fällen, in denen der Verbraucher nicht über sein Recht zum Widerruf des Darlehensvertrages belehrt wurde, das Kreditinstitut die mit den fraglichen Kapitalanlagen verbundenen Risiken zu tragen hat. Welche Folgen diese Rechtsprechung für die Rechtspraxis haben wird, ist noch offen. Laut ersten Presseberichten lässt die Entscheidung zumindest viel Raum für neue juristische Grabenkämpfe.

Ursachen

Eine der bekannten Ursachen war der Neue Heimat Skandal der 80iger Jahre. Zum Beispiel verkaufte die NH Niedersachsen als Teil eines Stabilisierungskonzepts der angeschlagenen Gesellschaft ca. 8200 Wohnungen an eine Wohnungsvermögensgesellschaft in Hannover, mit dem Ziel diese Bestände an die Mieter über das von einer Gewerkschaftsholding entwickelte Verkaufskonzept Wohnungen in Mieterhand zu veräussern.

Die betreffenden Wohnungen liessen sich nicht vollständig nach diesem Verkaufskonzept an die Mieter veräussern, weshalb knapp die Hälfte dieser ehm. NH Wohnungen über Strukturvertriebe an sogenannte Kapitalanleger veräussert wurden, wozu es zahlreiche Berichte in den Medien bzw. Rechtstreitigkeiten gibt.

Auf den Immobilienmarkt gelangen immer wieder renovierungsbedürftige Wohnkomplexe, z.B. trennen sich Städte nach Ablauf der Sozialbindung von Plattenbauten. Anfang der 90er Jahre gelangte auch ein Großteil der sog. Platte aus Beständen der ehem. DDR auf den Wohnungsmarkt.

Sog. Strukturvertriebe entwickelten ein Verkaufskonzept für diese Bauten, bei welchem die Steuersparmöglichkeit in den Vordergrund gestellt wird. Die Immobilie an sich, wird bei den Verkaufsgesprächen fast eine Nebensache. Seit den 90er Jahren werden so Schrottimmobilien auch an gering verdienende Bevölkerungsteile verkauft.

Deutsche Banken finanzierten, teilweise in sehr großem Umfang, die in Haustürsituationen angebahnten Wohnungskäufe.

Folgen

In Deutschland gibt es Tausende von Immobilienbetrugsopfern, der Verbraucherschutz geht nach vorsichtigen Schätzungen von 300.000 Opfern aus. Die Verbraucher, denen Verluste, durch Schrottimmobilien entstanden sind, können diese Verluste bei der Steuererklärung angeben. So fehlen dem Staat Millionen bzw. Milliarden an Steuereinnahmen.

Tausende Familien stehen zur Zeit vor dem finanziellen Ruin. Infolge des finanziellen Ruins mussten viele das Insolvenzverfahren beantragen. Es gibt auch Selbstmorde.

Die milliardenschweren geplatzten Immobilienkredite, denen kein Wert gegenübersteht, verkaufen die Banken an interessierte Firmen. Laut Warren Buffet werden diese Kredite mit hoher Wahrscheinlichkeit immer wieder weiterverkauft, bis sie bei den Lebensversicherern landen. Diese wiederum würden in 15 – 20 Jahren den Versicherten mitteilen, dass leider die Überschussbeteiligung gekürzt werden muss.

Siehe auch