Zum Inhalt springen

Nationalanarchismus

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 5. Dezember 2005 um 10:10 Uhr durch Jesusfreund (Diskussion | Beiträge) ("Sekte" raus gemäß Disku). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Nationalanarchismus ist die Wortschöpfung einiger kleiner rechtsextremer Gruppen, die sich begrifflich aus den sich widersprechenden Weltanschauungen des „Nationalismus“ und des „Anarchismus“ zusammen setzt. Dabei wird in der öffentlichen Präsenz der Nationalanarchisten deutlich, dass der als völkisch verstandene Nationalismus Vorrang vor dem besitzt, was sie als „Anarchismus“ bezeichnen.

Entsprechende Gruppierungen existieren innerhalb der rechtsextremen Szene verschiedener Länder, haben jedoch dort kaum politisch-gesellschaftliche Relevanz. Auch innerhalb des eigenen Neonazi-Umfelds spielen sie nur eine marginale, teilweise umstrittene Rolle.

Ideologische Ausrichtung und Einordnung

Für die Postmoderne typisch werden im „Nationalanarchismus“ disparate Ideologien vermengt zu einer Mischung aus nationalsozialistischem Rassekult und Versatzstücken des Anarchismus. Vermittelt werden soll so das Ideal eines „nationalen Anarchismus“, daneben findet aber unter dem Deckmantel eines angeblichen „Anarchismus“ vor allem Geschichtsrevisionismus und Verbreitung von Ausländerhass statt. Synonym benutzt werden von Nationalanarchisten dafür häufig die Begriffe „anarchistischer Nationalismus“ und „brauner Anarchismus“, wobei Anarchismus hauptsächlich als „Freiheit des Stärkeren“ verstanden wird (vgl. Sozialdarwinismus).

Die jeweiligen (pluralistischen) Nationalstaaten werden von den Nationalanarchisten nicht als ihre „Nationen“ anerkannt (siehe auch Nationalismus, Rassismus, wobei zur Verschleierung des letzteren Begriffs oft von „Ethnopluralismus“ die Rede ist).

Multikulturelle Ideen werden abgelehnt, ethnische Vertreibungen werden mit rassistischer Ideologie gerechtfertigt. Über die sich daraus ergebenden Widersprüche zum Anarchismus in seiner eigentlichen Bedeutung, auch in dessen durchaus unterschiedlichen Auslegungen, wird dabei großzügig hinweggesehen. Eine eher von der linksautonomen Szene bekannte Ästhetik (schwarz-rote Fahnen, entsprechende Kleidung, Palästinensertuch) und Jargon wird übernommen und oft mit neonazistischer Symbolik vermischt (zur entsprechenden Strategie siehe auch unter Querfront).

Die Gruppen, die sich selbst als „Bewegung“ bezeichnen, haben gesellschaftlich kaum, und in der zeitgeschichtlichen Forschung keine Relevanz.

Sie werden von Vetretern des Anarchismus nicht als Unterströmung betrachtet, sondern als misslungene Werbemaßnahme von rechts (vgl. auch die Begrifflichkeit „Sozialismus“ in Nationalsozialismus - in den 1920er und 1930er Jahren): Es handele sich dabei größtenteils um ein Internet-Phänomen. Die entsprechenden Vertreter der Strömung seien alle bereits vorher als Rechtsextreme aufgefallen.

Im deutschen Internet-Forum der Strömung finden sich antisemitische Stimmen, sowie Vertreter der NPD und der sog. Kameradschaften. Unterschiede zu anderen rechtsextremen Websites fallen kaum auf.

Die nationalanarchistischen Gruppen der verschiedenen Länder stehen laut Eigenauskunft angeblich über die Nationalanarchistische Internationale in Kontakt zueinander. Die Nationalanarchistische Internationale sei keine Organisation, sondern ein loses Netzwerk. Jede Gruppe behielte ihre volle Eigenständigkeit (Mikrostrukturalismus) und sei auch in sich nicht hierarchisch aufgebaut. Diesem Netzwerk ordneten sich Gruppen aus derzeit 13 Ländern zu.

Die ideologische Autonomie der nationalen Sektionen und der Mikrostrukturalismus der Nationalanarchistischen Internationale lasse in den einzelnen Gruppen auch eigene Anschauungen zu.

Der Begriff Nationalanarchismus geht auf den Franzosen Hans Cany zurück, welcher sich wohl als erster "öffentlich" als Nationalanarchist (ca. 1990) bezeichnete.

Bezeichnenderweise betrachtet die größte „nationalanarchistische“ Gruppe in Spanien Adolf Hitler als ihr Hauptvorbild.

Angeblich handelt es sich bei den Nationalanarchisten um Troy Southgate in Großbritannien um eine große und bekannte Sektion. Zu den bekannteren Vertretern des Nationalanacharchismus in den Niederlanden zählt Tim Mudde.

Situation in Deutschland

Der Nationalanarchismus in Deutschland geht zurück auf den Rechtsextremen Peter Töpfer, der auch als Sprecher bzw. einziger öffentlicher Vertreter der Bewegung auftritt.

Seit 1995 gab er gemeinsam mit Andreas Röhler im Verlag der Freunde das Magazin "Sleipnir" heraus, das wegen Verbreitung neonazistischer Propaganda und Verdacht auf Volksverhetzung mehrmals beschlagnahmt wurde. Das Blatt war Forum für Rechtsextreme wie Christian Worch oder Reinhold Oberlercher und Holocaust-Leugner wie Fred Leuchter, Gerd Honsik oder Germar Rudolf. Auch an Veranstaltungen der NPD nahm Töpfer teil. 2004 gab er die Gründung eines Komitees Freiheit für Horst Mahler und seine Mitangeklagten vom Deutschen Kolleg! bekannt. Zitat Töpfer: Ich als Anarchist brauche überhaupt keine Rechtfertigung. [...] Und ich [...] entscheide ganz einfach und souverän, u.a. dass ich unter meinesgleichen leben möchte. [...] Ich habe keinen Bock auf 'Asylanten' aus aller Herren Länder: So einfach ist das.

Mitherausgeber Röhler fiel vor allem durch Drohungen gegen die Vermieterin von Germar Rudolf (nachdem diese Rudolf vor die Tür setzte) und rechtsextreme Bettelbriefe auf, mit denen er seine entsprechende Geldstrafe dann finanzieren wollte. Er stilisiert sich selbst gerne zum politischen Gefangenen der BRD.

Das Blatt "Sleipnir" wurde inzwischen eingestellt und Töpfers Hauptbetätigungen verlagern sich auf das Internet.

Diesen offenkundig rechtsextremen Hintergrund versuchen Anhänger der Bewegung jedoch entschieden stets zu bestreiten (siehe auch Versionsgeschichte dieses Artikels). Versucht wird stattdessen vorgeblich, eine nationale Linke zu etablieren, ein widersprüchliches ideologisches Konstrukt von Töpfer, und so wird auch der Anschluss an die Anti-Globalisierungsbewegung gesucht, allerdings weitgehend erfolglos.

Der deutsche Nationalanarchismus spaltet sich mittlerweile in diverse regionale Gruppen auf.

Kritik

Kritiker sehen die grundsätzlichen anarchistischen Ideen (Gleichheit, Ablehnung von Herrschaft und Zwang) in deutlichem Widerspruch zu "nationalanarchistischen" Sehnsüchten nach ethnischer Homogenität, die durch gewaltsame Vertreibungen erreicht wird. Ein "Anarchismus", der sich nur auf eine Ethnie beziehe, sei in Wirklichkeit einfach nur eine Spielart von Rassismus. Die historisch relevante anarchistische Bewegung war immer multikulturell, und wendete sich stets entschieden gegen den Rechtsextremismus und rassistische Ideologie. Der bekannte Anarchist Erich Mühsam, aber auch andere Anarchisten waren im Nationalsozialismus in Konzentrationslager gesteckt worden, im spanischen Bürgerkrieg kämpften internationale Anarchisten und Sozialisten gemeinsam gegen Nationalisten.


Literatur

Hugin und Mugin: Links? Rechts? - Revolutionär! Die nationalrevolutionäre und antisemitische Zeitschrift Sleipnir sucht das Bündnis mit der deutschen Linken. - In: Jungle World vom 10. März 1999

dk:Nationalanarkismen