Amphetamin
Strukturformel | |
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Allgemeines | |
Name (IUPAC) | 1-Phenylpropyl-2-amin |
Andere Namen | Amphetamin, 1-Phenyl-2-aminopropan, α-Methylbenzenethanamin, α-Methylphenylethylamin, β-Phenylisopropylamin, β-Aminopropylbenzol, Desoxynorephedrin |
Handelsnamen | Adderall®, Benzedrine®, Dexedrine®, DestroStat® |
Summenformel | C9H13N |
CAS-Nummer |
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Besonderheit | psychoaktiv |
Eigenschaften | |
Erscheinungsbild |
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Molmasse | 135,22 g/mol |
Aggregatzustand (bei 27 °C) |
Base: flüssig Salze: fest |
Dichte | 0,913 kg/m³ |
Schmelzpunkt | |
Siedepunkt | 200-203 °C (Base) |
Löslichkeit | |
Sicherheitshinweise | |
LD (Letale Dosis) |
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LD50 (Ratte) | Amphetaminsulfat: 55 mg/kg oral |
Gefahrensymbole | Giftig |
R- und S-Sätze |
R: 26/27/28 63 - Giftig beim Einatmen, Verschlucken und Berührung mit der Haut. Kann das Kind im Mutterleib möglicherweise schädigen. |
Literatur | |
* Beilstein E4, XII, 2586
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Amphetamin (auch Phenylisopropylamin) ist eine synthetische Substanz, die optisch aktiv ist und die nicht in der Natur vorkommt. Das Amphetamin ist die Stammverbindung der gleichnamigen Strukturklasse, der eine Vielzahl psychotroper Substanzen angehört, unter anderem MDMA (Ecstasy) oder das auch in der Natur vorkommende Ephedrin, siehe hierzu auch die Liste bekannter Phenylalkylamine. Es ist ein Homologon des Phenylethylamins. Amphetamin hat als Sympathikomimetikum eine anregende Wirkung auf das Zentralnervensystem. In Deutschland wurde es 1986 in die Anlage 1 des BtMG aufgenommen und ist damit nicht verkehrsfähig, der Besitz ist strafbar.
Die Erstsynthese des Amphetamins gelang 1887 dem rumänischen Chemiker Lazar Edeleanu an der Universität Berlin, der es nach seiner chemischen Zusammensetzung Phenisoproylamin nannte. 1927 prägte der US-amerikanische Chemiker Gordon Alles den Namen Amphetamin, sich ableitend aus der heute veralteten chemischen Bezeichnung Alpha-Methylphenethylamin. Der offizielle IUPAC-Name ist heute 1-Phenylpropyl-2-amin.
Ursprünglich als Bronchodilatator und zur Gewichtskontrolle verwendet, wird es heute aufgrund des Suchtpotenzials sowie anderer Nebenwirkungen medizinisch nur noch zur Behandlung der Narkolepsie und der Aufmerksamkeitsdefizitstörung (ADS/ADHD) eingesetzt. Allerdings werden bei diesen Indikationen andere, wirkungsähnliche Medikamente bevorzugt: bei ADS das Methylphenidat (Ritalin®), bei der Narkolepsie das Modafinil.
Amphetamin wird im Jargon auch als "Speed" oder "Pepp" bezeichnet. Es zählt zu den Weckaminen (von: Amine mit "aufweckender" Wirkung), diese Bezeichnung ist aber veraltet und findet nur noch selten Verwendung.
Zeittafel
vor 1900 bis 1950
- 18. Januar 1887: Lazar Edeleanu synthetisiert im Zuge seiner Doktorarbeit als erster das Amphetamin.
- 1910 entdecken die englischen Physiologen Barger und Dale die chemische Ähnlichkeit des Amphetamins mit dem Adrenalin
- 1927 prägt der US-amerikanische Chemiker Dr. Gordon Alles den Begriff Amphetamin
- in den späten 1920er Jahren wird erstmals die Psychoaktivität des Stoffes erkannt, es soll als billiger synthetischer Ersatz das natürlich vorkommende Ephedrin (aus Meerträubel/Ephedra) ablösen
- 1932 bringen Smith, Kline and French in den USA Amphetamin in Form des Benzedrine®-Inhalators als Asthmamittel auf den Markt, auch in Deutschland wird das Mittel verkauft, dort als Benzedrin®
- 1937 entdecken Studenten der Universität Minnesota, dass Amphetamin Müdigkeit sehr effektiv bekämft und benutzen es zum Durchlernen von Nächten
- in den 1930er Jahren erlangt Amphetamin weitere Verbreitung als Heuschnupfenmittel, gegen Erkältungen und später für alle möglichen Indikationen, wie Depressionen, Parkinson, Narkolepsie, Impotenz und andere
- im 2. Weltkrieg wird Amphetamin in fast allen Ländern in großen Mengen in der Armee eingesetzt um die Soldaten wach, motiviert und aggressiv zu halten
- 1941 wird in Deutschland Amphetamin aufgrund sich häufenden Missbrauchs und Suchtfällen dem Reichsopiumgesetz unterstellt, d.h. der Verkehr mit dem Stoff wird reglementiert
- 1948 bringt Glaxo-Wellcome in den USA Dexedrine® (bis zu 15 mg dextro-Amphetamin je Kapsel) als Mittel gegen ADS auf den Markt
1950 bis heute
- in den 1950er Jahren erreicht der Amphetaminge- und -missbrauch in Japan enorme Ausmaße, es wird von über 2 Millionen Konsumenten ausgegangen, auch in Europa (dort vor allem in Schweden) und den USA steigt die Zahl von Missbrauchsfällen rapide an
- 1959 gibt es erste Berichte über Konsumenten in den USA, die den Inhalt der Benzedrine®-Inhaler injezieren, im Zuge dessen werden zur Injektion missbrauchbare Inhalatoren vom Markt genommen und es werden erste Fälle von illegal produziertem Amphetamin bekannt
- 1970: Amphetamin wird in den USA in Schedule II des Controlled Substances Act (CSA) aufgenommen, das heisst, Handel, Besitz und Herstellung ohne Genehmigung sind damit strafbar, durch einen Arzt verschreibungsfähig ist es weiterhin
- bis in die späten 1970er Jahre ist Amphetamin in Form von Benzedrin® in Deutschland relativ leicht über den Arzt erhältlich
- im 1981 neugefassten BtmG ist Amphetamin in Anlage 3 aufgeführt, was Handel, Besitz und Herstellung ohne Genehmigung unter Strafe stellt, vom Arzt kann es allerdings verschrieben werden.
- 1986 wird es in Deutschland gänzlich verboten (Anlage 1), dieser Status gilt bis heute.
- 1994 bringt Shire Labs in den USA Adderall® (bis zu 30 mg Amphetamin je Tablette) als Mittel gegen ADS auf den Markt
- Einige Länder sind verblieben, in denen es noch medizinisch genutzt wird, vor allem in den USA. In der Drogenszene ist Amphetamin weltweit weiterhin stark verbreitet, wenn auch das Amphetaminderivat Methylamphetamin (Crystal, Meth) vor allem in den USA, Asien sowie Osteuropa oft die größere Bedeutung hat.
Herstellung
In der Industrie wird Amphetamin meist durch Kondensation von 1-Phenyl-2-Propanon (Phenylaceton/P2P) mit Ammoniak und anschließender Reduktion hergestellt. Eine Trennung der Stereoisomere ist möglich über die Weinsäure-Salze. Auf diese Weise lässt sich das rechtsdrehende dextro-Amphetamin erhalten, das für die gewünschte Hauptwirkung verantwortlich ist. In den USA lag die von der DEA genehmigte Produktionsmenge im Jahr 2000 bei 15.000 kg, entsprechend 500.000.000 Einzeldosen zu 30 mg.
Datei:P2P zu Amphetamin.gif

In der illegalen Produktion wird Amphetamin meist durch Reduktion von Norephedrin (Phenylpropanolamin) mit Iod und rotem Phosphor oder aus P2P (Phenylaceton) gewonnen. Siehe auch Methamphetamin. Konnte Amphetamin früher auch von Privatleuten relativ ungehindert aus Vorstufen wie Phenylaceton und Hydroxylamin synthetisiert werden, wurden diese Chemikalien zunehmend von den Behörden beobachtet, bzw unter anderem bei Ephedrin, Norephedrin, sowie Pseudoephedrin die ungenehmigte Herstellung und der Handel unter Strafe gestellt (Grundstoffüberwachungsgesetz), und es entstand für illegal arbeitende Produzenten ein Bedarf an Ersatzstoffen, die nicht überwacht wurden. So wurden Phenylessigsäure, Benzaldehyd u.a. nach und nach in die illegale Produktion einbezogen. Seit Jahrzehnten gibt es immer neue Anweisungen für Herstellungsmöglichkeiten von Amphetamin, die Stoffe benutzen, die noch nicht verdächtig sind. Auch auf diese Herstellungswege werden die Behörden schließlich aufmerksam und der Kreislauf setzt sich fort. Sogenannte "OTC-Methoden" (Over-The-Counter, engl. für "Über-die-(Laden)theke" was etwa "frei erhältlich" bedeutet) verbreiten sich daher zunehmend. Die Bezeichnung steht für die Gewinnung von benötigten Vorläuferstoffen aus rezeptfreien Medikamenten oder anderen frei verfügbaren Waren (Reiniger, Autozubehör), deren Abgabe anders als bei Reinstoffen nicht wirklich reglementierbar ist. So kann beispielsweise Norephedrin (PPA) aus rezeptfreien Appetithemmern gewonnen werden.
Illegal produziertes Amphetamin wird meist ohne die in pharmazeutischen Laboren herrschende Sorgfalt und Sauberkeit hergestellt, so dass es giftige Nebenprodukte enthalten kann. Durch die selten fachgerecht durchgeführte Entsorgung der bei der Herstellung anfallenden Chemikalien, kann auch die Natur in Mitleidenschaft gezogen werden. Unter anderem in den USA und den Niederlanden (beides Staaten mit hoher illegaler Amphetaminproduktion) sind Umweltschäden durch giftige Beiprodukte teilweise zu echten Problemen geworden.
Wirkung
Amphetamin ist ein sogenanntes Sympathikomimetikum, d.h. es wirkt stimulierend auf den Sympathikus ein. Konkret bewirkt Amphetamin im Gehirn die Ausschüttung von Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin, der Körper wird in einen Zustand versetzt, der englisch als "Fight-Fright-Flight" (Kämpfen, Fürchten, Flüchten) bezeichnet wird und in lebensbedrohlichen Lagen sinnvoll ist. Dabei werden jegliche körperliche Bedürfnisse die nicht unmittelbar überlebensnotwendig sind, wie Hunger, Durst, Müdigkeit, Schmerzen, etc., mehr oder weniger ausgeschaltet (vorrangig durch Adrenalin/Noradrenalin), um den Menschen möglichst effizient reagieren zu lassen. Ausserdem wird das Selbstbewusstsein gesteigert (vorrangig durch Dopamin) und die Aggressionsschwelle gesenkt, um eine körperliche Verteidigung gegen die Gefahr zu ermöglichen. Ebenfalls wird das Bewusstsein stark auf ein bestimmtes Ereignis (ursprünglich die Gefahr) forciert (Tunnelblick). Kreislauf und Körper richten sich auf die zu erwartende hohe Belastung u.a. durch Steigerung des Blutdrucks und Weitung der Bronchien (zur vermehrten Aufnahme von Sauerstoff) ein.

Löst man diese Reaktionen des Körpers nun künstlich durch Amphetamin aus, so ergeben sich verschiedene Anwendungsmöglichkeiten. Zum einen die Appetithemmung, so werden noch heute verschiedene Amphetaminderivate als Diätmittel genutzt. Die Verringerung des Schlafbedürfnisses kann dort genutzt werden, wo Menschen über lange Zeit Leistung erbringen müssen bzw. wollen, beispielsweise also Schichtarbeiter, Fernfahrer oder Partygänger. Die Steigerung des Selbstbewusstseins ist ein weiterer Grund des Einsatzes von Amphetamin als Rauschmittel. Und die Forcierung des Bewusstseins auf bestimmte Aufgaben schließlich macht sich die Medizin beim Einsatz von Amphetamin bei Hyperaktivität zu Nutze, da sich konzentrationsschwache Menschen dann länger auf eine Aufgabe konzentrieren können.
Auch die rein körperlichen Wirkungen werden medizinisch genutzt, so kam Amphetamin früher als Asthmamittel zum Einsatz, da das Abschwellen der Schleimhäute und vor allem die Weitung der Bronchien ein freieres Atmen ermöglichen. Heute findet man diesen Zusammenhang noch bei verschiedenen Antiallergika die Pseudoephedrin enthalten. Pseudoephedrin ist ein Amphetaminderivat (genauer eines des Methamphetamin) und führt daher auch ein Abschwellen der Schleimhäute herbei, was u.a. bei Heuschnupfen erwünscht ist, hat aber nur sehr geringe psychoaktive Wirkung, was eine deutlich freiere und risikoärmere Anwendung ermöglicht, weshalb Amphetamin bei solcher Indikation gar nicht mehr zum Einsatz kommt.
Zusammenfassend kann man folgende Hauptwirkungen aufführen:
- Appetithemmung
- Mobilisierung letzter Kraftreserven und Verringerung des Schlafbedürfnisses
- Steigerung des Selbstbewusstseins bis hin zur Euphorie
- erhöhte Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit (bei hohen Dosen überdecken die anderen Wirkungen diese, so dass eher Bewegungsdrang bis zur Nervösität bleibt)
Körperlich:
- Pupillen weiten sich (erst bei höheren Dosen)
- vermehrtes Schwitzen (erst bei höheren Dosen)
- trockener Mund (erst bei höheren Dosen)
- Abschwellen von Schleimhäuten
- Weitung der Bronchien
Es existieren zwei Enantiomere des Amphetamin, von denen das Dextroisomer (D-Amphetamin) vor allem für die Hauptwirkungen wie Stimulation, Steigerung der Konzentrationsfähigkeit, Appetithemmung oder erhöhtes Selbstbewusstsein verantwortlich ist, während das Levoisomer (L-Amphetamin) eher die rein körperlichen, peripheren Wirkungen wie erweiterte Pupillen, Mundtrockenheit, vermehrte Schweissbildung u.a. hervorruft. Manche Amphetaminpräparate wie das Dexedrine® enthalten daher nur das Dextrosisomer, was eine "sauberere" Wirkung zur Folge hat. Allgemein handelt es sich bei Amphetamin (sowohl aus legaler wie illegaler Produktion) sonst immer um das Racemat, einer Mischung aus (leicht variierend je nach Syntheseroute) 50% d-Amphetamin und 50% l-Amphetamin, so dass 100%ige D-Amphetamin-Präparate wie Dexedrine® nur halb so hoch dosiert werden müssen. Da dieser Unterschied in der Wirkung der Isomere bei fast allen Amphetaminen auftritt, ist in den USA beispielsweise ein Inhalator mit L-Methamphetamin frei erhältlich - anders als das Racemat ruft dieses nämlich nur ein Abschwellen der Schleimhäute hervor.
Medizinischer Gebrauch
Ab Anfang der 1930er Jahre wurde Amphetamin zunächst als Bronchodilatator (Mittel zur Erweiterung der Bronchien, wie es beispielsweise bei Asthma oder Atemwegserkrankungen zum Einsatz kommt) genutzt, die stimulierende und konzentrationsfördernde Wirkung war noch unbekannt. Erst gegen Ende der 1930er Jahre entdeckte man diese weiteren Wirkungen des Amphetamins und mit der Zahl der daraus resultierenden neuen Indikationen stieg auch die Zahl der Verschreibungen rasch an. Es wurde nun als Asthmamittel, gegen Depressionen, zur Leistungssteigerung, bei Stress, Erkältungen oder Allergien sowie anderen Erkrankungen verordnet, was dazu führte, dass Amphetamin lange Zeit relativ problemlos über einen Arzt erhältlich war. In dieser Zeit gab es auch Kombipräparate (zB Dexamyl®) die neben Amphetamin auch ein starkes Beruhigungsmittel (meist verschiedene Barbiturate) gegen dessen Nebenwirkungen enthielten, eine Kombination die heute als wenig sinnvoll und riskant angesehen wird, aber damals gerne und oft als Mittel für gestresste Hausfrauen verschrieben wurde. Während Amphetamin bis Ende der 1970er Jahre als Benzedrin® auch in Deutschland verschrieben wurde, ist es heute gleich dem Methamphetamin nicht mehr verschreibungs- und verkehrsfähig. Zur Behandlung von Aufmerksamkeitsstörungen (ADHS) hat sich bei uns das nicht gänzlich unumstrittene Ritalin® (Methylphenidat) durchgesetzt. In den USA dagegen ist Amphetamin für die medikamentöse Behandlung von ADHS seit Jahren auf dem Vormarsch und wird in stetig steigender Zahl anstelle von Ritalin® verschrieben, meist als Adderall®, seltener als Dexedrine®. Siehe dazu auch diese Statistik.

Bei korrekter Anwendung von Amphetaminderivaten beispielsweise bei der Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung unter ärztlicher Aufsicht, sind keine Fälle von Sucht bekannt. Die Dosierung liegt dabei zu Anfang der Behandlung bei 5 - 10 mg / Tag und kann bis auf 60 mg / Tag gesteigert werden. Zum Einen sind die verschriebenen Dosen wesentlich kleiner als die beim Missbrauch, zum Anderen entfällt in diesem Fall (meist) auch die euphorisierende Wirkung, unter anderem da hier stets eine orale Konsumform im Gegensatz zum sonst gängigen "Schniefen", dem nasalen Konsum, zum Einsatz kommt, was eine weit geringere Anflutgeschwindigkeit zur Folge hat. Es gibt Hinweise nach denen die Anflutgeschwindigkeit (die Geschwindigkeit mit der eine Substanz das Hirn erreicht) in sehr engem Zusammenhang mit einer Suchtentwicklung steht, was die angesprochenen fehlenden Suchtfälle erklären würde. Laut Zeitungsartikeln und Berichten im Internet führt die relativ gute Verfügbarkeit von Adderall® und Ritalin® in den USA (durch ärztliche Verschreibung) unter Schülern dazu, dass gerade an Highschools gerne "schwarz" damit gehandelt wird, was die Gefährlichkeit einer eventuell zu laxen Verschreibungspolitik vor Augen führt. Eine weitere Indikation ist die Narkolepsie, bei der heute Modafinil verschrieben wird, das als völlig neuer nicht-amphetamin-ähnlicher Strukturtypus entwickelt wurde.
Nichtmedizinischer Gebrauch
Ausserhalb der legalen medizinischen Anwendung werden Amphetamine in Pillenform oder (häufiger) als Pulver konsumiert. Das Pulver wird meist durch die Nase aufgenommen, "geschnupft", "gezogen" oder auch "gerotzt", im allgemeinen mit einem zu einem Ziehröhrchen geformten Geldschein oder einem Metallziehröhrchen, möglich sind aber auch oraler sowie parenteraler Konsum (s.u.). Im Vergleich zum Kokain sind die Preise eher gering. Für Endverbraucher kostet das Gramm ca. 5-20 Euro (bei regional und saisonal oft stark schwankenden Preisen), wobei es sich dabei nicht um den Reinstoff, sondern um ein Pulver mit etwa 8-30 % Amphetamingehalt handelt. Amphetamin, von Konsumenten meist als Speed, Peppen, Pep, Amphe oder Schnelles bezeichnet, wird in Deutschland und Europa größtenteils in der Techno-Szene zum Durchhalten während langer Nächte konsumiert. In anderen Gegenden (vor allem Asien - dort allerdings eher Methamphetamin ("Yaba")) zieht sich der Konsum durch breitere Bevölkerungsschichten, Arbeiter, Manager und Hausfrauen steigern dadurch ihre Leistungsfähigkeit. Es macht wach, erzeugt eine leichte Euphorie und bemächtigt einen zu stundenlangem Tanzen oder anderen energiezehrenden Tätigkeiten, seien sie körperlicher oder auch geistiger Natur. Nach dem Konsum kommt es oft zum sogenannten Abturn, einem Gefühl der Nervosität und Abgespanntheit; der Körper fordert die dringend benötigte Ruhe ein, aber das noch nicht vollständig abgebaute Amphetamin verhindert das. Aus diesem Grund ist es verbreitet, sich etwa mit Cannabis "runterzurauchen". Teilweise werden auch stärkere Beruhigungsmittel (meist Benzodiazepine wie Rohypnol® (Flunitrazepam) oder Valium® (Diazepam)) eingenommen, um zur Ruhe zu kommen. Gerade die Unterdrückung der Symptome durch Benzodiazepine ist sehr gefährlich, da der Konsument in einen Teufelskreis von Upper (Amphetamin) → Downer (Benzodiazepin) → Upper → Downer → ... geraten kann, wobei jedes Mittel jeweils die Nach- und Nebenwirkungen des anderen bekämpfen soll.
Neben dem nasalen Konsum (schniefen) kann Amphetamin auch oral (durch den Mund), wobei es meist in Papiertaschentücher gewickelt (sog. Bomben/Bömbchen) oder in Getränken gelöst wird, konsumiert werden. Während die orale Aufnahme bei medizinischer Anwendung die gängige Darreichungsform ist, trifft man sie ansonsten seltener an. Beim oralen Konsum tritt die Wirkung langsamer ein, es kommt zu keinem "Kick" (aufgrund des langsameren Anflutens) und die Wirkung hält insgesamt länger an. Amphetamin hat oral eine relativ gute Bioverfügbarkeit, die Dosierung ist daher etwa vergleichbar der nasalen. Ebenfalls möglich ist der Konsum per Injektion Injektion. Diese Konsumform ist sehr riskant und hat (anders als etwa beim Heroin) für den Konsumenten keinen wirklichen direkten Vorteil gegenüber anderen Aufnahmeformen. Bei der Injektion illegal produzierten Amphetamins gelangen alle Streckmittel ungefiltert ins Blut, was sehr schnell zu Entzündungen und Infekten führen kann und auch bei pharmazeutisch reinem Amphetamin bestehen alle Risiken einer nicht fachgerecht und steril durchgeführten Injektion.
Anders als beim Methamphetamin (Crystal) ist es nicht möglich Amphetamin zu rauchen. Der Grund dafür ist, dass das auf dem Schwarzmarkt am häufigsten auftretende Amphetaminsalz, das Amphetaminsulfat, einen so hohen Siedepunkt hat (und zum Rauchen muss die Substanz verdampfen), dass sie sich vorher zersetzen, also zerstört werden würde. Theoretisch rauchbar sind das Amphetaminhydrochlorid und die Amphetaminbase, welche einen deutlich niedrigeren Siedepunkt haben, allerdings ist die Base, wie bei fast allen Amphetaminderivaten auch (und im Gegensatz zum Beispiel zur kristallinen Kokainbase/Crack), flüssig und in dieser Form so gut wie nie auf dem Schwarzmarkt erhältlich. Es wird zwar teilweise mit festen Streckmitteln gemischte Amphetaminbase verkauft (bekannt als "Paste"), aber auch dieses Gemisch ist aufgrund der Streckmittel nicht rauchbar, da diese verbrennen und verklumpen würden.
Bei plötzlichem Absetzen des Amphetamins bei Dauerkonsumenten kommt es zu Entzugserscheinungen. Symptome des Amphetaminentzugs sind: Lethargie, Depressionen bis hin zu Selbstmordtendenzen, Apathie, Angst und Schlafstörungen. Möglich sind auch Muskelschmerzen (Myalgie), Bauchschmerzen und starker Appetit. Den Höhepunkt erreichen die Symptome nach 2 bis 3 Tagen und ebben dann langsam ab. Anders als bspw ein Benzodiazepinentzug ist der Amphetaminentzug ungefährlich.
Speed, Pep
Gängige Bezeichnungen für Amphetamin sind Speed, Pepp, Pepsi, Rotze, Schnelles, Weiß, Helles, Nackes, Nasenspaß, Häuptling schneller Pfeil sowie andere. Unter den Synonymen Yaba, Crystal, Glass, Ice, Meth, Chili wird meist das weitaus stärker wirksame Methamphetamin verstanden. Meist handelt es sich um ein weissliches Pulver, das einen stark bitteren Geschmack hat. Das Gemisch, das auf dem Schwarzmarkt als Speed verkauft wird, besteht nur zu einem kleineren Teil (meist 8-30 %) aus Amphetamin, der Rest sind Streckmittel. Häufig auftretende Streckmittel sind dabei Coffein, Lactose (Milchzucker), Natron oder das Antirheumatikum Paracetamol (Ben-u-ron®). Während in Europa Speed wie beschrieben meist Amphetamin enthält, überwiegt in den USA auf dem Schwarzmarkt das Methamphetamin, was vermutlich auf die bessere Verfügbarkeit der für die Synthese benötigten Ausgangsstoffe (Ephedrinpräparate sind in den USA rezeptfrei erhältlich) zurückzuführen ist. Teilweise sind seltsame Varianten mit Rosen- oder sonstigen Aromen versehen im Umlauf, was "Marketinggründe" haben mag. Da Speed also ein Gemisch von diversen Substanzen mit einem unbekannten Amphetaminanteil ist, besteht stets das Risiko einer Überdosierung, sowie das der Unverträglichkeit von Streckmitteln, wie beispielsweise einer Lactoseintoleranz.
Risiken, Nebenwirkungen und Suchtgefahr
- Zu den Nebenwirkungen zählen erhöhter Blutdruck und Pulsfrequenz, trockene Schleimhäute, erweiterte Pupillen, Appetitlosigkeit (auch als Hauptwirkung zählbar), Harnverhaltung (Unvermögen trotz Harndrang die Harnblase zu entleeren) und eine abführende Wirkung.
- Kurzzeitige Folgen sind Unruhe, Angstzustände sowie Schlaflosigkeit. Amphetamine können eine starke psychische Abhängigkeit hervorrufen. Es besteht die Gefahr einer Amphetaminpsychose.
- Bei Dauerkonsum in nichtmedizinischer (mehr als ca. 60 mg / Tag, eventuell auch schon darunter) Dosierung kann es zu Nervenschädigungen, schweren Konzentrationsproblemen, Knochenschwund, Verlust des Zahnschmelzes (durch Kalziummangel) und weiteren Langzeitschäden kommen.
- Da der Amphetamingehalt im "Speed" nie genau bekannt ist, kann es zu Überdosierungen kommen (eine tödliche Dosis kann bei einem Menschen mit 75 kg Körpergewicht schon bei etwa 100 mg Amphetamin liegen).
- Da Amphetamin den Körper in einen "Notfallbetrieb" schaltet, werden wichtige Signale wie Hunger, Durst und Müdigkeit unterdrückt, eine möglicherweise daraus resultierende Vernachlässigung dieser Bedürfnisse führt zu einem körperlichen wie geistigen Auslaugen. Eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber Infekten, körperliche/geistige Schwäche, etc sind die Folgen.
- Wie bei allen illegal erworbenen Drogen ist stets unsicher, woraus der Stoff sich zusammensetzt, oft sind andere psychoaktive Substanzen wie Koffein oder Ephedrin, neutrale Streckmittel wie Lactose oder eventuell auch starkwirksame Substanzen wie Methamphetamin enthalten. Drugchecking hat deshalb eine wichtige Bedeutung zur Risikominderung.
- Werden Amphetamine häufig geschnupft, kann es zu einer Schädigung bis zur Auflösung der Nasenscheidewand kommen, ähnlich wie beim Kokain.
- Das Suchtrisiko hängt von genetischen Faktoren sowie von der psychosozialen Situation der Person ab. Im Tiermodell konnten manche Individuen ihren Amphetaminkonsum lebenslang flexibel regulieren, bei 50 % dagegen trat nach einer gewissen Zeit eine Abhängigkeit mit massiver Dosissteigerung und Erwerb einer Toleranz auf, die auch nach erzwungenem Entzug bestehen blieb (Galli und Wolffgramm, Drug and Alcohol Dependence 73 (2004)).
Amphetamin in Rauschdosierung kann zu psychischer Abhängigkeit führen, Konsumenten können sich schwere Schäden (hauptsächlich psychischer und sozialer Natur) zufügen. In geringen Dosen unter ärztlicher Aufsicht ist Amphetamin dagegen nach dem Stand der Wissenschaft nicht akut gefährlich, es werden Studien zufolge keine direkten körperlichen Schäden hervorgerufen. Probleme entstehen eher indirekt durch Nährstoff- und Schlafmangel, sowie potentiell durch soziale Störungen wie Vernachlässigung gesellschaftlicher Verpflichtungen (Schule, Beruf, Beziehung, etc). Bei hohen Dosierungen, aber vor allem bei häufigem, längerfristigem Konsum oder entsprechender Veranlagung besteht zudem das Risiko einer Psychose.
Literatur
- Lazar Edeleanu: Über einige Derivate der Phenylmethacrylsäure und der Phenylisobuttersäure. Ber. Dtsch. Chem. Ges. 1887, 616-622
- Walter Reginald Bett, et al: Amphetamin in der klinischen Medizin. Springer 1956, 62 Seiten, ISBN B0000BGHN9
- Sean Connolly: Amphetamines (Just the Facts). Heinemann Library 2000, 56 Seiten, ISBN 1575722542
- Hans Cousto: Drogen-Mischkonsum – Das Wichtigste in Kürze zu den gängigsten (Party-)Drogen, Nachtschatten Verlag, Solothurn 2003, 140 Seiten, ISBN 3037881194
- Paul Dempsey, et al: Amphetamine & Its Analogs: Psychopharmacology, Toxicology, & Abuse. Academic Press 1994, 503 Seiten, ISBN 0121733750
- Ursula Rieder, ADS-Drogen, wen interessiert's!?!
- Wolfgang Schmidbauer, Jürgen vom Scheidt: Handbuch der Rauschdrogen. Fischer 2004, 699 Seiten, ISBN 3596162777
- Alexander Shulgin, Ann Shulgin: Pihkal - A chemical Love Story. Transform Press 1991, 978 Seiten, ISBN 0963009605
- Stephen Smith: Sucht, die Geschichte des Stephen Smith. Ullstein 1998, 432 Seiten, ISBN 3548312152
- Bernhard van Treeck: Das neue Drogenlexikon. Schwarzkopf & Schwarzkopf 2004, 400 Seiten, ISBN 3896025422
- Bernhard van Treeck: Drogen. Schwarzkopf & Schwarzkopf 2002, 400 Seiten ISBN 3896024205
Weblinks
- DrogenInfo.Net Kurzübersicht zu Eigenschaften des Amphetamins
- Drogenkult.de Informationen zu Amphetamin/Methamphetamin
- Drugscouts.de Infos zu Risiken und Wirkung
- eve&rave.ch Substanzinfos, Aufklärung & Safer-Use
- Jugend-hilft-Jugend.de (Amphetamin-)Psychose und Sucht
- MSDS MSDS (Material Safety Data Sheet) für Amphetamin
- Adderall.com Beipackzettel zu Adderall® (engl.)
- Biopsychatry.com Methylphenidat und Amphetamin bei Aufmerksamkeitsstörung (engl.)
- Erowid.org Umfangreiche Sammlung von Infos zu Amphetamin und Derivaten (engl.)
- INCHEM.org Sehr umfangreiche chemische, medizinische, pharmazeutische und toxikologische Daten zum Amphetamin. Lange Literaturliste. (engl.)
- Lycaeum.org Links zum Thema Amphetamin (engl.)
- PBS.org Statistiken zur Amphetaminverschreibung in des USA (engl.)
- sciencedirect.com Studie im Tiermodell zur Suchtgefahr von D-Amphetamin (engl.)