Pfarrkirche St. Othmar unter den Weißgerbern

Die Pfarrkirche St. Othmar unter den Weißgerbern ist eine römisch-katholische Pfarrkirche im 3. Wiener Gemeindebezirk Landstraße im Bezirksteil Weißgerber am Kolonitzplatz 1. Sie ist dem Hl. Othmar geweiht.
Geschichte
Die Pfarrkirche St. Othmar unter den Weißgerbern wurde nach Plänen des Wiener Dombaumeisters Friedrich von Schmidt unter Baumeister Josef Hlávka errichtet. Nach achtjähriger Bauzeit wurde sie am 24. August 1873 geweiht und mit 1. Jänner 1874 zur Pfarrkirche erhoben. Zu dieser Zeit war Kardinal Othmar von Rauscher Erzbischof von Wien, weshalb sein Wappen im Turmraum des Haupttores zu sehen ist.[1]
Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Kirche durch einen Bombentreffer schwer beschädigt, wobei auch alle Fenster zerstört wurden. Eine Granatenhülle steckt bis heute in der Turmflanke. Erst 1960 waren schließlich alle Schäden behoben.[1]
Mitte der 1980er Jahre wurden die Taufkapelle neu gestaltet, die Versöhnungkapelle mit der Reliquie des hl. Othmar eingerichtet sowie die Auferstehungskapelle im Sakristeitrakt erbaut. Im Sommer 1993 wurde zudem der Altarbereich einer Neugestaltung unterzogen.[1]
Pfarrer von St. Othmar ist seit 2003 Dariusz Schutzki, der seit 1. September 2011 gleichzeitig auch als Bischofsvikar für das Vikariat Wien Stadt tätig ist.[2]
Architektur und Ausstattung
Die neugotische Kirche weist eine Länge von 52m, eine Höhe des Innenraums von 20 und eine Breite von 8,70m auf. Zur Breite kommen noch die beiden Seitenschiffe, die je 4,70m messen.[1]
Der Turm ist 80m hoch und damit genauso wie der von St. Elisabeth der fünfthöchste Kirchturm Wiens und der zwanzigsthöchste Österreichs.[3] Vom Straßenniveau führen 303 Stufen auf den obersten Aussichtsbalkon. Bemerkenswert ist nicht nur sein sechseckiger Grundriss und die Tatsache, dass er mit seinen drei Portalen dem eigentlichen Hauptportal der Kirche vorgelagert ist, sondern auch die an seiner Spitze angebrachte achtstrahlige Sonne mit Sichel (wie früher etwa auch am Südturm des Stephansdoms). Nach mittelalterlicher Tradition sind dies die Symbole für geistige und weltliche Macht, nicht Erinnerungen an die Türkenkriege oder etwa marianische Attribute.[4]
In der Spitze des Turmhelmes befindet sich ein Pendel, das die Schwankungen des Turmes bei Sturm, Erdbeben und bei Läuten der Glocken ausgleichen soll.
Das Tympanon über dem Hauptportal zeigt die hl. Maria, vor der zwei Engel knien. Über dem mittleren Portal des Turmes ist eine Christusfigur zu sehen, links eine des hl. Petrus und rechts eine des hl. Paulus.
Der steinerne, gotisch gestaltete Hochaltar trägt in der Mitte über dem Tabernakel ein kleines Kreuz, daneben befinden sich von links nach rechts die von Franz Melnitzky geschaffenen Statuen der Heiligen Severin, Josef, Othmar und Leopold. Die Ölgemälde im Presbyterium zeigen die Verherrlichung der hl. Margarete – von Anton Maulpertsch oder seinen Schülern 1767 angefertigt – und die hl. Familie, gemalt von Julio Giavani im Jahr 1860.[1]
Der Seitenaltar am linken Ende des Querschiffs zeigt eine Kreuzigungsgruppe, der rechte ist wiederum eine Darstellung der Krönung Marias. Die beiden steinernen Statuen im linken Querschiff wurden 1946 und 1947 von Adolf Wagner geschaffen, der selbst Pfarrangehöriger von St. Othmar war.[1] Von Erwin Grienauer stammen die Herz Jesu- und die Margaretenstatue der beiden Seitenaltäre, sowie steinernen Statuen des hl. Antonius und des hl. Judas Thaddäus aus dem Jahr 1944 im rechten Querschiff.[1] An den Vierungspfeilern befinden sich Statuen der vier Evangelisten. Die hölzerne Kanzel trägt in Forms eines Reliefs die Darstellung Christi als guten Hirten.
Der Kreuzweg stammt von Rudolf Holzinger, dem letzten Vertreter der Nazarenerschule, der 1943 auch den Hintergrund der Seitenaltäre schuf. Die Statuen des hl. Antonius und des hl. Josef sind Arbeiten von Ferdinand Stufflesser aus St. Ulrich im Grödnertal aus dem Jahr 1899. Dieser hatte bereits 1893 das Missionskreuz geschaffen.[1] Vom Bildhauer Franz Barwig stammt die sogenannte Goldene Muttergottes in der Kapelle hinten im linken Seitenschiff. Im rechten Seitenschiff liegt dieser Kapelle gegenüber die Taufkapelle.
Orgel
Die Orgel der Pfarrkirche St. Othmar unter den Weißgerbern wurde 1873 von Carl Hesse als zweimanualiges Instrument mit 28 Registern errichtet und weist einen mit reichen gotischen Schnitzereien verzierten Prospekt auf. Bevor sie in St. Othmar aufgestellt wurde, wurde sie auf der Weltausstellung 1873 präsentiert, wobei Hesse für dieses Werk ein Preis verliehen wurde. 1931 baute die Firma Kauffmann die Orgel unter Verwendung des bestehenden Gehäuses und des vorhandenen Pfeifenmaterials neu. In diesem Zusammenhang kam erstmals in Wien bei einer Orgel „vom Spieltisch angefangen bis zum Pfeifenwerk sowie zum Antrieb des Gebläses“ elektrischer Strom zum Einsatz. Seither verfügt das Instrument über 35 Register auf zwei Manualen und Pedal.[5] 2001 wurde die Orgel generalsaniert.
An der Brüstung der Orgelempore befindet sich zudem eine Statue der hl. Cäcilia, die ebenfalls von Franz Melnitzky geschaffen wurde.
Glocken
Die Pfarrkirche St. Othmar verfügt über vier Glocken. Drei davon hängen im Hauptturm, die Totenglocke befindet sich im Turm über der Vierung des Längs- mit den Seitenschiffen.
Die drei Glocken im Hauptturm bieten in ihrem Klang den Dreiklang a - c - e. Die kleinste Glocke hat ein Gewicht von 250 Kilogramm, die mittlere wiegt etwa 700 Kilogramm und die große Glocke hat ein Gesamtgewicht von einer Tonne.
Die ursprünglichen drei Glocken wurden während des Zweiten Weltkrieges "als Kriegsbedarf" gespendet. Nach dem Krieg konnten jedoch aus finanziellen Gründen nur zwei neue Glocken angeschafft werden. Im Zuge dessen wurde der Glockenantrieb elektrifiziert. Die kleinste Glocke wurde im Jahr 2000 von einer Familie aus der Pfarre gespendet. Alle drei Glocken stammen von der Innsbrucker Glockengießerei Grassmayr.
Die Totenglocke ist die kleinste und gleichzeitig älteste Glocke der Kirche – sie wurde 1868 in Wiener Neustadt gegossen.[6]
Sonstiges
St. Othmar war Hochzeitskirche zahlreicher Persönlichkeiten, u.a. des Komponisten Carl Michael Ziehrer (1888), des späteren Staatskanzlers und Bundespräsidenten Karl Renner (1897) oder des Dichters Josef Weinheber (1944).[7]
Der ehemalige Generalvikar der Erzdiözese Wien und Gründer der Pfarrerinitiative Helmut Schüller wurde neben vielen anderen hier getauft.
Ab 1968 scharte Erwin Ortner in der Pfarre St. Othmar einen kleinen Kreis Altersgenossen um sich, aus dem später der Jugendchor, 1968 der Kammerchor St. Othmar und 1972 schließlich der Arnold Schoenberg Chor wurde.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ a b c d e f g h Auszug aus der Chronik der Pfarre St. Othmar, ausgestellt linksseitig im Turmraum des Haupttores der Kirche
- ↑ Erzdiözese Wien: Die neuen Bischofsvikare. Abgerufen am 23. Juli 2011.
- ↑ Die höchsten Kirchtürme Österreichs. Abgerufen am 24. August 2012.
- ↑ Johannes Mende (Redaktion): St. Othmar unter den Weißgerbern. Kirche und Gemeinde. Wien 2011, Kirchenführer der Pfarre St. Othmar, S.3.
- ↑ Günter Lade: Orgeln in Wien. Wien 1990, ISBN 3-9500017-0-0, S. 170.
- ↑ Pfarrchronik, Pfarrblätter von St. Othmar und Führungstexte zur Führung auf den Kirchturm v. St. Othmar
- ↑ Johannes Mende (Redaktion): St. Othmar unter den Weißgerbern. Kirche und Gemeinde. Wien 2011, Kirchenführer der Pfarre St. Othmar, S.9.
Koordinaten: 48° 12′ 34,5″ N, 16° 23′ 27,5″ O