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Merkantilismus

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Merkantilismus bezeichnet eine wirtschaftliche Theorie, welche die wirtschaftliche Entwicklung des eigenen Staates durch Überschüsse im Außenhandel anstrebt. Die Kapitalmenge, die durch die staatlichen Goldreserven repräsentiert wird, werde am besten durch eine günstige Handelsbilanz mit hohen Exporten und niedrigen Importen erhöht. Regierungen sollten diese Ziele unterstützen, indem sie Exporte aktiv unterstützen und Importe durch Anwendung von Zöllen niedrig halten.

Der Merkantilismus war die vorherrschende wirtschaftliche Lehrmeinung in der Frühmoderne (vom 16. Jahrhundert bis zum 18. Jahrhundert). In der Binnenwirtschaft führte dies zu den ersten Beispielen signifikanter staatlicher Eingriffe und Kontrolle über das Wirtschaftssystem, während gleichzeitig wichtige Strukturen des modernen kapitalistischen Systems entstanden. Der Merkantilismus belastete die damaligen zwischenstaatlichen Beziehungen durch zahlreiche europäische Kriege, der Imperialismus entstand. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde der Merkantilismus durch die klassische Ökonomie des britischen Ökonomen Adam Smith verdrängt. Heute wird der Merkantilismus (als ganzes) von allen seriösen Ökonomen abgelehnt, obwohl einige Elemente weiterhin Beachtung finden.

Theorie

Fast alle europäischen Ökonomen, die zwischen 1500 und 1750 publizierten, werden heute im allgemeinen als Merkantilisten betrachtet, obwohl diese sich selbst nicht als Anhänger einer gemeinsamen Ideologie betrachteten. Der Begriff „merkantiles System“ wurde vom Marquis de Mirabeau 1763 geprägt und von Adam Smith 1776 allgemein verbreitet. Das Wort stammt vom lateinischen mercator (Kaufmann) bzw. merx (Ware) ab. Ursprünglich nur von Kritikern wie Mirabeau und Smith verwendet, wurde der Begriff bald auch von Historikern übernommen.

Der Merkantilismus als Ganzes kann nicht als eine einheitliche Wirtschaftstheorie betrachtet werden. Es gab keinen merkantilistischen Autor, der ein umfassendes Modell für ein ideales Wirtschaftssystem vorlegte, so wie Smith dies später für die klassische Ökonomie tat. Stattdessen betrachtete jeder merkantilistische Autor einen anderen Teilaspekt der Wirtschaft. Erst später integrierten nichtmerkantilistische Gelehrte die verschiedenen Ideen zu einer gemeinsamen Lehre, die als Merkantilismus bezeichnet wurde. Einige Fachleute lehnen das Konzept des Merkantilismus deshalb komplett ab, weil es eine falsche Gemeinsamkeit von getrennten Ereignissen vorgaukle.

Der Merkantilismus betrachtete das wirtschaftliche System als Nullsummenspiel, bei dem der eine gewinnt, was der andere verliert. Deshalb war es per definitionem unmöglich, den gesamtwirtschaftlichen Nutzen zu maximieren. Merkantilistische Schriften wurden generell auch eher dazu erstellt, politische Vorgehensweisen zu rechtfertigen, als zu untersuchen, welche Politik am nützlichsten sei.

Die ersten Merkantilisten betrachteten die Menge an Gold und Silber, die ein Staat besitzt, als Maßstab für den Reichtum der Nation. Spätere Merkantilisten entwickelten eine etwas fortgeschrittenere Sicht.

Bullionismus

Seit etwa 1500 entwickelten Jean Bodin und andere einen frühen Merkantilismus, der die Bedeutung der staatlichen Gold- und Silberreserven betonte und deshalb als Bullionismus bezeichnet wurde. In dieser Periode gab es einen gewaltigen Zufluss von Gold und Silber aus den spanischen Kolonien in der Neuen Welt, und die Hauptsorge der anderen Staaten bestand darin, gegenüber Spanien wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Bulletionisten wie Thomas Gresham und John Hales betrachteten die staatlichen Edelmetallreserven als Maß für die wirtschaftliche (und militärische) Stärke eines Staates, denn eine Meßgröße für das Volkseinkommen gab es damals noch nicht. Gold und Silber dienten in Kriegszeiten als Zahlungsmittel für (Söldner-)Armeen sowie für den Bau von Flotten. Internationale Allianzen erforderten oft große Zahlungen zwischen den Staaten. Nur wenige europäische Staaten kontrollierten Gold- und Silberminen, so dass die anderen Staaten ihren Goldbedarf über eine positive Außenhandelsbilanz decken mussten. Wenn ein Staat mehr Güter exportierte als importierte, dann musste sich diese Ungleichheit durch einen Zufluss an Geld ausgleichen. Daher glaubten die Merkantilisten, dass eine Volkswirtschaft mehr Güter exportieren als importieren sollte. Die Ausfuhr von Edelmetallen war streng verboten. Hohe Zinssätze sollten Investoren ermutigen, ihr Geld im Inland anzulegen.

Merkantilismus im 17. Jahrhundert

Handel im Merkantilismus

Im 17. Jahrhundert entwickelte sich eine weitaus komplexere Version des Merkantilismus, die den einfachen Bullionismus ablehnte. Autoren wie Thomas Mun betrachteten den allgemeinen Wohlstand einer Nation als vorrangiges Ziel und betrachteten die Edelmetallreserven als wichtigstes Zeichen des Reichtums, aber nicht als einziges, da Güter und Ressourcen ebenfalls unverzichtbar seien. Sie unterstützten die bisherige Auffassung einer positiven Außenhandelsbilanz, allerdings in einer weniger rigiden Form. Mun, der für die Englische Ostindien-Kompanie arbeitete, argumentierte, dass Exporte von Metallreserven nach Asien gut für Britannien seien, da die dafür importierten Güter mit großem Profit ins übrige Europa weiterverkauft werden könnten. Diese neue Sichtweise erkannte, dass die Umwandlung von Rohstoffen zu Fertigprodukten ein wichtiger Gelderzeuger war und lehnte deshalb den Export von Rohstoffen ab. Während die Bullionisten den Massenexport von Wolle aus Britannien befürworteten, forderten die späteren Merkantilisten totale Ausfuhrverbote für Rohstoffe und den Aufbau einer verarbeitenden Industrie im Inland. Eine weitere wichtige Änderung war die Sicht auf die Zinssätze. Um die heimische Industrie zu fördern, war eine hohe Kapitalversorgung vonnöten; im 17. Jahrhundert konnte deswegen ein dramatischer Sturz der Zinssätze beobachtet werden. Spätere Merkantilisten widmeten dem Dienstleistungssektor eine größere Aufmerksamkeit. Hieraus resultierte beispielsweise die Navigationsakte, welche 1651 niederländische Schiffe vom britischen Schiffsverkehr ausschloss.

Die merkantilistischen Maßnahmen zur Förderung der Binnenwirtschaft waren weniger eindeutig als ihre Außenhandelspolitik. Während Adam Smith die Merkantilisten so darstellte, als würden sie strikte Kontrollen über das Wirtschaftssystem befürworten, widersprachen viele Merkantilisten. Die Frühmoderne war die Zeit der Patente und gesetzlich auferlegter Monopole. Einige Merkantilisten befürworteten diese, andere erkannten die Korruption und Ineffizienz solcher Systeme. Viele Merkantilisten erkannten auch, dass die unausweichliche Folge von Quoten und Preisregulierungen Schwarzmärkte seien. Ein Punkt, in dem sich die Merkantilisten einig waren, war die Unterdrückung der Arbeiterschicht. Arbeiter und Bauern hatten am Existenzminimum zu leben. Ziel war es, die Produktion zu maximieren, der Verbrauch und Genuss der Arbeiter wurde nicht berücksichtigt. Höhere Löhne, Freizeit oder bessere Bildung für die Unterschichten würde unausweichlich zu Lastern und Faulheit führen und wirtschaftlichen Schaden anrichten.

Ursachen

Die Gelehrten sind sich nicht einig, warum der Merkantilismus die führende wirtschaftliche Ideologie für zweieinhalb Jahrhunderte war. Eine Gruppe, repräsentiert durch Jacob Viner, argumentiert, dass der Merkantilismus einfach ein eingängiges System gewesen sei und die Leute in der damaligen Zeit einfach nicht die analytischen Möglichkeiten gehabt hätten, um festzustellen, dass dieses System in Wahrheit sehr trügerisch war. Eine zweite Gruppe, vertreten durch Leute wie Robert B. Ekelund, behauptet, der Merkantilismus sei überhaupt kein Fehler gewesen, sondern das bestmögliche System für seine Entwickler. Diese Schule argumentiert, der Merkantilismus sei von gewinnorientierten Kaufleuten und Regierungen geschaffen worden. Die Kaufleute profitierten kräftig von den erzwungenen Monopolen, Ausschluss von ausländischen Wettbewerbern und Armut in der Arbeiterklasse. Die Regierungen profitierten von den hohen Zöllen und den Zahlungen der Kaufleute. Während spätere wirtschaftliche Ideen von Akademikern und Philosophen entwickelt wurden, waren fast alle merkantilistischen Autoren Kaufleute oder Regierungsbeamte.

Der Merkantilismus entwickelte sich zu einer Zeit, in der sich die europäische Wirtschaft in einer Übergangsphase befand. Technische Verbesserungen in der Schifffahrt und das Wachstum der großen Städte führten zu einem schnellen Wachstum des internationalen Handels. Durch die Einführung der doppelten Buchführung und der modernen Bilanzierung konnten Zu- und Abflüsse von Geld leicht nachvollzogen werden. Die isolierten, auf Naturalwirtschaft beruhenden feudalen Grundherrschaften wurden durch zentralisierte, auf Geldwirtschaft beruhende Nationalstaaten ersetzt.

Vor dem Merkantilismus strebten die mittelalterlichen Scholastiker ein Wirtschaftssystem an, das zu der christlichen Lehre von Gerechtigkeit und Frömmigkeit passte. Sie konzentrierten sich hauptsächlich auf die Mikroökonomie und Tauschvorgänge zwischen Individuen. Der Merkantilismus gehörte zu den Theorien und Ideen, welche das mittelalterliche Weltbild ersetzten. Machiavellis kaltblütiges Politikmodell und das Prinzip der Staatsräson wurden zum Leitbild staatlicher Politik. Die merkantilistische Idee, dass jeglicher Handel ein Nullsummenspiel sei, in welchem jede Seite den anderen in skrupellosem Wettbewerb zu betrügen versuchte, wurde in die Arbeit von Thomas Hobbes integriert. Diese dunkle Seite der menschlichen Natur passte ebenfalls gut in die puritanische Weltsicht und einige der schärfsten merkantilistischen Gesetze, wie die Navigations-Akte, wurden von der Regierung Oliver Cromwell eingeführt.

Politik

Merkantilistische Anschauungen waren in der Frühmoderne die vorherrschende wirtschaftliche Ideologie in ganz Europa, und die meisten Staaten haben diese Anschauungen bis zu einem gewissen Grad übernommen. Die Zentren des Merkantilismus waren England und Frankreich, und in diesen Staaten wurde auch die merkantilistische Politik auch am häufigsten eingesetzt.

Frankreich

Jean-Baptiste Colbert

Der Merkantilismus erhob sich in Frankreich im frühen 16. Jahrhundert, bald nachdem die [Monarchie] die wichtigste Macht in der französischen Politik wurde. 1539 wurde eine Verordnung erlassen, derzufolge Wollgüter aus Spanien und Teilen Flanderns nicht mehr eingeführt werden durften. Ein Jahr später wurden zahlreiche Restriktionen gegen den Export von Gold in Kraft gesetzt. Über das restliche 16. Jahrhundert wurden weitere protektionistische Maßnahmen eingeführt. Der Höhepunkt des französischen Merkantilismus ist eng verknüpft mit Jean-Baptiste Colbert, der dort im 17. Jahrhundert 22 Jahre lang Finanzminister war. Dies geht soweit, dass der französische Merkantilismus manchmal Colbertismus genannt wird. Unter Colbert kontrollierte die französische Regierung ihre Wirtschaft in sehr hohem Maße, um die Exporte zu erhöhen. Protektionistische Verordnungen wurden in Kraft gesetzt, um Importe zu begrenzen und Exporte zu fördern. Die Industrie wurde in Gilden und Monopole aufgeteilt, wurde durch den Staat durch mehr als tausend Anweisungen geregelt, wie verschiedene Güter produziert werden sollten. Um die Industrie zu fördern, wurden ausländische Arbeitskräfte ins Land geholt. Colbert ergriff auch Maßnahmen, um interne Handelsbarrieren zu vermindern, reduzierte interne Zölle und schuf ein umfassendes Netzwerk an Straßen und Kanälen. Colberts Maßnahmen waren sehr erfolgreich, und Frankreichs Produktion und Wirtschaftsmacht wuchsen in dieser Zeit so beträchtlich, dass Frankreich zur führenden europäischen Macht aufstieg. Weniger Erfolg hatte Colbert dabei, aus Frankreich eine führende Handelsmacht zu machen, wo Britannien und die Niederlande vorherrschend waren.

Britannien

In Großbritannien erreichte der Merkantilismus seinen Höhepunkt während des königsfeindlichen Langen Parlaments, obwohl die merkantilistische Politik auch während großer Teile der Tudor- und Stuart-Perioden Anwendung fand. Auch Robert Walpole (1721–1742) gilt als später Anhänger merkantilistischer Politik.

In Großbritannien war die staatliche Kontrolle über die Binnenwirtschaft wesentlich geringer als auf dem Kontinent und wurde durch das Common Law und die wachsende Macht des Parlaments begrenzt. Staatlich kontrollierte Monopole waren besonders vor dem englischen Bürgerkrieg üblich, aber umstritten. Die merkantilistischen Gelehrten in Großbritannien vertraten keine einheitliche Meinung über die Notwendigkeit einer kontrollierten Binnenwirtschaft, so dass sich der britische Merkantilismus auf die Kontrolle des Außenhandels konzentrierte. Eine Vielzahl von Regulierungen wurde eingesetzt, um Exporte zu fördern und Importe zu unterbinden. Auf Importe wurden Zölle gesetzt, auf Exporte gab es Fördergelder. Der Export von Rohstoffen wurde vollständig verboten. Die Navigations-Akte schloss ausländische Händler aus Britanniens heimischen Handel aus. Die Nation strebte in aggressiver Weise nach Kolonien, denen die Produktion von Rohstoffen und der ausschließliche Handel mit Großbritannien vorgeschrieben wurde. Dies führte zu Spannungen mit den Einwohnern der Kolonien, und die merkantilistische Politik gilt als eine der Hauptursachen für die Amerikanische Unabhängigkeitsbewegung. Durch die merkantilistische Politik wuchs Großbritannien jedoch zu einer der weltgrößten Handelsnationen und zu einer internationalen Supermacht heran.

Der Merkantilismus prägte das Landschaftsbild in einigen Regionen Großbritanniens durch Trockenlegung von Sümpfen und ähnliche Projekte, weil die Maximierung der landwirtschaftlichen Produktion durch Umwandlung von „nutzlosem Land“ in Agrarfläche nach merkantilistischer Auffassung auch die wirtschaftliche Stärke einer Nation erhöhte.

Übriges Europa

Die anderen Nationen Europas übernahmen den Merkantilismus ebenfalls in unterschiedlichem Umfang. Die Niederlande, die durch ihre Handelsvormachtstellung zum Finanzzentrum Europas geworden waren, hatten wenig Interesse an Handelsbeschränkungen und übernahmen wenige merkantilistische Handlungsweisen. In Zentraleuropa und Skandinavien wurde der Merkantilismus nach dem dreißigjährigen Krieg populär, mit Christina I. von Schweden und Christian IV. von Dänemark als nennenswerten Befürwortern. Die habsburgischen römisch-deutschen Kaiser waren seit langem an der merkantilistischen Politik interessiert, aber die großflächige und dezentrale Struktur ihres Reiches machte die Umsetzung schwierig. Einige Staaten dieses Reiches nahmen den Merkantilismus an, am erwähnenswertesten Preußen, das unter Friedrich II. die wohl am stärksten kontrollierte Wirtschaft in Europa hatte. Während des wirtschaftlichen Zusammenbruchs im 17. Jahrhundert hatte Spanien wenig kohärente Wirtschaftspolitik, aber unter Philipp V. wurden die französische Politik mit einigem Erfolg eingeführt. Russland versuchte unter Peter dem Großen den Merkantlismus einzuführen, hatte jedoch wegen der fehlenden Kaufmannsklasse oder der schwachen industriellen Basis wenig Erfolg.

Der Merkantilismus förderte auch die immense Gewaltausbreitung im 17. und 18. Jahrhundert in Europa. Da das Welthandelsvolumen als konstant angesehen wurde, glaubte man, das eigene Handelsvolumen nur dadurch erhöhen zu können, indem man anderen ihren Handel wegnahm. Mehrere Kriege, z. B. die englisch-niederländischen Seekriege sowie der französisch-niederländische_Krieg können direkt auf merkantilistische Theorien zurückgeführt werden. Die nicht endende Kriegsführung dieser Periode verstärkte wiederum den Merkantilismus, der als notwendige Komponente erfolgreicher Kriegsführung gesehen wurde. Ebenso verstärkte es den Imperialismus dieser Zeit, da jede Nation versuchte, neue Kolonien als Rohstofflieferanten und exklusive Handelspartner zu gewinnen. Während der merkantilistischen Periode breitete sich die europäische Macht rund um den Globus aus. Wie in der heimischen Wirtschaft, geschah dies oft unter der Führung von Unternehmen mit staatlich garantierten Monopolen ein bestimmten Teilen der Welt, wie der Niederländischen Ostindien-Kompanie oder der Hudson's Bay Company.

Kritik

Ein Großteil von Adam Smiths Wohlstand der Nationen ist eine Attacke auf den Merkantilismus

Gelehrte wie Dudley North, John Locke, und David Hume kritisierten den Merkantilismus lange bevor Adam Smith seine klassische Theorie formulierte. Die Merkantilisten konnten den Begriff des komparativen Vorteils (der 1817 von David Ricardo ausgearbeitet wurde) und den Nutzen des Freihandels nicht nachvollziehen. Beispielsweise konnte Portugal den Wein kostengünstiger als England produzieren, während England vergleichsweise günstig Textilien herstellen konnte. Wenn also Portugal sich auf die Produktion von Wein und England auf die von Textilien spezialisieren würde, und beide Handel treiben würden, so hätten beide Länder am Ende einen Vorteil. Handel sei kein ruinöses Nullsummenspiel, sondern könne für beide Seiten vorteilhaft sein. Durch Importbeschränkungen und Zölle würde beiden Nationen dieser Vorteil entgehen.

David Hume zeigte die Unmöglichkeit einer konstant positiven Außenhandelsbilanz, die von den Merkantilisten angestrebt wurde. Wenn Geld in ein Land fließt, so werde der Wert des Geldes in diesem Land beständig sinken, da das Angebot steigt. Damit würden die Güter immer teurer werden. Umgekehrt würden in dem Land, das Geld exportiert, die Preise langsam fallen. An irgendeinem Punkt wäre es dann nicht mehr kosteneffektiv, Güter von einem Hochpreisland in ein Niedrigpreisland zu exportieren und die Außenhandelsbilanz würde sich umkehren. Die Merkantilisten unterschätzten diesen Vorgang und glaubten, dass die Ausweitung des Geldangebots alle reicher machen würde.

Die Wichtigkeit, die den Geldreserven beigemessen wurde, war ebenfalls ein zentrales Ziel der Kritiker, auch wenn viele Merkantilisten von selbst begonnen hatten, Gold und Silber als weniger wichtig zu sehen. Für Adam Smith war Gold ein Gut wie jedes andere, nichts anderes als ein gelbes Mineral, das nur aufgrund seiner Seltenheit so gefragt war.

Die Physiokraten in Frankreich bildeten die erste Schule, die den Merkantilismus komplett ablehnte. Auch die physiokratische Theorie war umstritten, so dass erst Adam Smith 1776 mit seinem Buch Wohlstand der Nationen eine überzeugende Alternative veröffentlichte. Dieses Buch beschreibt die Grundsätze dessen, was heute als die klassische Ökonomie bekannt ist. Smith verwendet einen beträchtlichen Anteil des Buches dafür, Argumente der Merkantilisten zu widerlegen, obwohl er oft vereinfachte oder überzogene Versionen derselben bemüht.

Die Gelehrten streiten auch über die Gründe, warum der Merkantilismus zu Ende ging. Diejenigen, die ihn für einen Irrweg halten, glauben, dass seine Ersetzung durch das präzisere Modell vom Adam Smith unausweichlich gewesen sei. Andere Wissenschaftler betrachteten den Merkantilismus als eine Einrichtung gewinnsüchtiger Kaufleute und Regierungen, der durch größere Machtverschiebungen endete. In Großbritannien verblasste der Merkantilismus, als das Parlament das Recht zur Vergabe von Monopolen erhielt. Der zeitliche und finanzielle Aufwand zum Erreichen einer parlamentarischen Mehrheit wurde so groß, dass kaum noch neue Monopole vergeben wurden, obwohl die reichen Kapitalbesitzer das Parlament kontrollierten.

Die merkantilistischen Regulierungen wurden in Britannien im Laufe des 18. Jahrhunderts kontinuierlich abgebaut, und während des 19. Jahrhunderts übernahm es vollständig den Freihandel und Smiths Laissez-faire-Haltung. Auf dem europäischen Kontinent verlief die wirtschaftliche Liberalisierung etwas langsamer. In Frankreich verblieb die Kontrolle über die Wirtschaft in den Händen der königlichen Familie und der Merkantilismus setzte sich bis zur Französischen Revolution fort. In Deutschland blieb der Merkantilismus vom späten 19. Jahrhundert bis ins frühe 20. Jahrhundert, als die Historische Schule ihren Höhepunkt hatte, eine wichtige Ideologie.

Nachwirkungen

In der englischsprachigen Welt wurde Adam Smiths Ablehnung des Merkantilismus ohne Widerspruch akzeptiert, allerdings stimmen heute die meisten Ökonomen überein, dass der Merkantilismus in einigen Bereichen richtig gewesen sei. An prominentester Stelle unterstützte John Maynard Keynes explizit einige der Lehren des Merkantilismus. Adam Smith lehnte es ab, sich mit der Geldmenge zu befassen, weil Güter, Menschen und Institutionen die Grundlagen des Wohlstands seien. Keynes hielt dagegen, dass die Geldmenge, die Außenhandelsbilanz und die Zinssätze von großer Bedeutung für eine Volkswirtschaft seien. Diese Ansichten wurden später zur Basis des Monetarismus, eine der wichtigsten modernen Theorien der Wirtschaft.

Adam Smith lehnte die merkantilistische Konzentration auf die Produktion ab, er glaubte, Konsum sei der einzige Weg zu Wirtschaftswachstum. Keynes argumentierte hingegen, die Förderung der Produktion sei genauso wichtig wie die Förderung des Konsum. Keynes erkannte auch, dass in der Frühmoderne das Streben nach größeren Metallreserven vernünftig gewesen sei. Vor der Einführung des Papiergeldes sei die Erhöhung der Goldmenge der einzige Weg gewesen, um das Geldangebot zu erhöhen. Keynes und andere Ökonomen seiner Zeit erkannten die Bedeutung der Zahlungsbilanz und seit den 1930ern kontrollieren alle Nationen den Zu- und Abfluss des Kapitals, weil die meisten Ökonomen eine positive Handelsbilanz für wünschenswert halten. Keynes übernahm auch die merkantilistische Idee der staatlichen Eingriffe in die Wirtschaft. Keynes' Theorien wurden von vielen politischen Parteien aufgegriffen, Franklin D. Roosevelts New Deal-Programm in den USA war das umfangreichste staatliche Beschäftigungsprogramm. Diese Politik wurde von allen Parteien bis Mitte der 1970er Jahre weitergeführt. Während Keynes' ökonomische Theorien große Auswirkungen hatten, blieben seine Bemühungen, den Begriff „Merkantilismus“ zu rehabilitieren, ohne Erfolg. Bis heute bleibt dieses Wort ein abwertender Begriff, der oft benutzt wird, um protektionistische Maßnahmen bloßzustellen. Die Ähnlichkeiten zwischen dem Keynesianismus (und nachfolgenden Ideen) und dem Merkantilismus, führten dazu, dass Anhänger dieser Theorien oft „Neomerkantilisten“ genannt werden. Andere Systeme, die einige merkantilistische Verhaltensweisen tatsächlich kopieren, wie das Wirtschaftssystem Japans, werden ebenfalls Neomerkantilisten genannt.

In der merkantilistischen Periode etablierten sich viele moderne wirtschaftliche Institutionen, wie die Börse, das moderne Bankensystem und die Versicherungsindustrie.

In einigen Fällen hatten protektionistische merkantilistische Richtlinien wichtige und postitive Auswirkungen auf die Volkswirtschaften, die sie in Kraft gesetzt hatten. Smith selbst lobte beispielsweise die Navigations-Akte, da sie die britische Kaufmannsflotte vergrößerte und eine zentrale Rolle spiele, Britannien in eine ökonomische Supermacht zu verwandeln, die sie über mehrere Jahrhunderte blieb. Einige Ökonomen wie Friedrich List hielten es für sinnvoll, junge Industrien zu schützen, weil der langfristige Nutzen den kurzfristigen Mehraufwand übertreffe.

Merkantilisten, die ja im allgemeinen Kaufleute oder Regierungsbeamten waren, sammelten riesige Mengen an Handelsdaten und verwendeten diese für ihre Forschung und ihre Publikationen. William Petty, ein starker Anhänger des Merkantilismus, wird üblicherweise als der erste gesehen, der empirische Datenanalyse in der Wirtschaftsforschung benutzte. Smith lehnte diese Methode ab und argumentierte, dass nur deduktives Schließen zur Entdeckung ökonomischer Gesetze führe. Heute weiß man, dass beide Methoden wichtig sind.

Literatur

  • Eli F. Heckscher: Der Merkantilismus. 2 Bände. Fischer, Jena 1932
  • Fritz Blaich: Die Epoche des Merkantilismus. Steiner, Wiesbaden 1973
  • Rainer Gömmel: Die Entwicklung der Wirtschaft im Zeitalter des Merkantilismus 1620–1800. Oldenbourg, München 1998. ISBN 3-486-55757-2

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