Ehrenamtlicher Richter

Richter, der keine juristische Ausbildung hat
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Ein ehrenamtlicher Richter, abwertend auch Laienrichter, ist an Gerichtsverfahren als Richter beteiligt, jedoch im Gegensatz zum Berufsrichter kein Volljurist. Teilweise tragen ehrenamtliche Richter die Bezeichnung Schöffe oder Geschworener.

Allgemeine Geschichte

Vor der Einführung einer zentralen Gerichtsbarkeit gab es in Dörfern neben dem Schulzen die Gerichtsschöppen. Diese waren zumeist Bauern des Dorfes, die im allgemeinen vom Lehnsherren auf Zeit ernannt und durch einen feierlichen Eid verpflichtet wurden, weswegen sie oftmals auch als geschworene Schöppen erwähnt wurden. Ihre Aufgabe bestand darin, den Schulzen - später dem Richter - beim Jahrgericht im Orte bei der Rechtsfindung behilflich zu sein. Bei den Landgerichten gab es die Landschöppen (auch Amtslandschöppen genannt). Das Schöppenamt konnte auch an den Besitz bestimmter Güter gebunden sein, so genannten Amtslandschöppengüter oder Saupengüter, so zum Beispiel im sächsischen Amt Rochlitz.[1] Diese Saupen konnten sich über mehrere Dörfer verteilen, welche eine Art Gemeinde mit einem eigenen Saupenrichter bildeten.

Analog dazu gab es schon in den mittelalterlichen Stadträten eine Schöffenbank, so nachgewiesen für verschiedene Städte wie Köln, Frankfurt am Main und Nürnberg. Obwohl auch diese Schöffen in Rechtsfragen zu entscheiden hatten, in der Regel sogar ohne dass die Appellation an ein anderes städtisches Gericht möglich war, blieben sie doch bis weit in das 17. Jahrhundert hinein ohne Kenntnis der gelehrten Rechte.[2]

Das Amt des ehrenamtlichen Richters geht auf die politische Aufklärung im 19. Jahrhundert und die Emanzipation des Bürgertums zurück. Die Beteiligung von Nichtjuristen an der Rechtsprechung sollte den Einfluss der Obrigkeit verringern. Ehrenamtliche Richter bringen im Ideal ein vom rein juristischen Denken unabhängiges Verständnis mit in die Urteilsfindung ein, das stärker in der Lebenswirklichkeit verwurzelt sein kann.

Deutschland

 
Entschädigungsformular
verwendet am Landgericht

Grundlegende Vorschriften sind die §§ 44–45a des Deutschen Richtergesetzes. Im übrigen bestimmen sich die Rechte und Pflichten der ehrenamtlichen Richter nach den für die einzelnen Gerichtszweige geltenden Vorschriften.

Einsatzbereiche

Ehrenamtliche Richter werden bei folgenden Gerichten eingesetzt:

Bei den Oberlandesgerichten (§ 122) und dem Bundesgerichtshof (§ 132,§ 139) werden weder in der Zivil- noch in der Strafgerichtsbarkeit ehrenamtliche Richter eingesetzt.

Namensgebung

In Strafsachen werden ehrenamtliche Richter als Schöffen bezeichnet. Bei den Kammern für Handelssachen werden sie als Handelsrichter bezeichnet. Die ehrenamtlichen Beisitzer in hessischen Ortsgerichten die Bezeichnung Ortsgerichtsschöffen. In gerichtlichen Disziplinarverfahren heißen die ehrenamtlichen Richter Beamtenbeisitzer.

Arbeitsgericht

Für Arbeitsgerichte enthält § 20 ArbGG die grundlegenden Voraussetzungen für das Amt als ehrenamtlicher Richter und die §§ 22 bzw. 23 treffen die Regelung, aus welchen Personengruppen die ehrenamtlichen Richter aus dem Kreise der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer ausgewählt werden dürfen. Das Bundesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 19. August 2004 sogar ausdrücklich festgehalten, dass das Auftreten vor den Arbeitsgerichten in fremden Angelegenheiten der Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter grundsätzlich nicht entgegensteht. Die Kammer des Arbeitsgerichts ist mit einem hauptberuflichen Richter und zwei ehrenamtlichen Richtern besetzt. Die letzteren je aus den Reihen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer. Bei der Güteverhandlung sind die ehrenamtlichen Richter regelmäßig nicht anwesend.

Faktensammlung

An den meisten Gerichten können Notare, Rechtsanwälte und Polizeivollzugsbeamte keine ehrenamtlichen Richter sein. Dies gilt laut § 22 Nr. 5 VwGO für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und laut § 19 Nr. 5 FGO für die Finanzgerichtsbarkeit.

Bis zur sogenannten „Emminger-Verordnung“ im Jahre 1924 sah die deutsche Strafprozessordnung in Schwurgerichtssachen noch ein echtes Geschworenengericht vor, bei dem die „Laienrichter“, als Geschworene allein über die Schuldfrage entschieden, die Berufsrichter waren nur für die Verhandlungsleitung und die Strafzumessung zuständig. Heute kommt dem Namen Schwurgericht nur noch eine historische Bedeutung zu. Sachliche Unterschiede zur sonst zuständigen „normalen“ großen Strafkammer des Landgerichts sind damit nicht mehr verbunden. Die Besetzung des Schwurgerichts besteht heute aus drei Berufsrichtern und zwei Schöffen. Dabei sind Schöffen keine Geschworenen mehr.

Ein ehrenamtlicher Richter ist in Deutschland in gleichem Maße sachlich unabhängig wie ein Berufsrichter. Er hat seine Pflichten getreu dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) und dem Gesetz zu erfüllen, nach bestem Wissen und Gewissen ohne Ansehung der Person zu urteilen und nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen. Auf diese Pflichten leistet er einen Eid. Er hat das Beratungsgeheimnis zu wahren.

Ein Richter kann unter engen Voraussetzungen von der Ausübung seines Amtes ausgeschlossen sein, nach §§ 41, 42 ZPO und nach §§ 22, 23 StPO. Ehrenamtliche Richter haben bei der Urteilsfindung wie der Berufsrichter das volle Stimmrecht. Sie können mehrheitlich den Berufsrichter überstimmen.

In privaten Schiedsgerichten können Richter im so genannten „Schiedsverfahren nach Billigkeit“ auch als alleinige Entscheidungsinstanz auftreten. Der Einsatz ist allerdings normalerweise nicht ehrenamtlich. In solchen Schiedsverfahren soll meist nicht nach geltendem Recht, sondern nach sachlichen Gesichtspunkten entschieden werden.


Ehrenamtliche Richter als Rechtsberater

Ehrenamtliche Richter dürfen laut Rechtsdienstleistungsgesetz als Bevollmächtigte vor Gericht auftreten, ausgenommen ist nur der Spruchkörper, dem sie angehören. Diese Regelung ist in Kraft seit dem 1. Juli 2008. Im Einzelnen ist dies geregelt im

  • Zivilprozessverfahren im § 79 Abs. 4 ZPO n.F.
  • Arbeitsgerichtsverfahren im § 11 Abs. 5 ArbGG n.F.
  • Sozialgerichtsverfahren im § 73 Abs. 5 SozGG n.F.
  • Verwaltungsgerichtsverfahren im § 67 Abs. 5 VerwGO n.F.
  • Finanzgerichtsverfahren im § 62 Abs. 5 FGO n.F.

Schöffen

Als Schöffen werden in der Bundesrepublik Deutschland die ehrenamtlichen Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit bei der Strafgerichtsbarkeit der Amts- und Landgerichte bezeichnet. In Deutschland gab es im Jahr 2009 laut Bundesamt für Justiz 36.956 Hauptschöffen.[6]

Das Schöffengericht des Amtsgerichts ist gemäß § 29 – wie die kleine Strafkammer des Landgerichts – regelmäßig mit einem Berufsrichter und zwei Schöffen besetzt. In der großen Strafkammer des Landgerichts wirken zwei Schöffen neben drei Berufsrichtern mit.

Rechte und Pflichten

Schöffen an Amts- und Landgerichten haben die gleichen Rechte und Pflichten. Der ehrenamtliche Richter übt als Vertreter des Volkes neben dem berufenen Richter „das Richteramt in vollem Umfang und mit gleichem Stimmrecht“ aus (Definition aus § 30. Dieser Paragraph besagt im Wesentlichen folgendes:[7]

  • Schöffen sind - in der Hauptverhandlung - mit dem Berufsrichter gleichberechtigt, sowohl bei der Urteilsfindung als auch bei der Festsetzung des Strafmaßes
  • sie nehmen an allen Entscheidungen im Laufe der Hauptverhandlung teil, auch an solchen, die nicht das Urteil, sondern das übrige Verfahren betreffen
  • wenn ausnahmsweise die Schöffen an einer Entscheidung nicht teilnehmen, muss dies ausdrücklich in einem Gesetz geregelt sein

Schöffenauswahl

Amtsperiode Dauer
1989–1992 4 Jahre
1993–1996
1997–2000
2001–2004
2005–2008
2009–2013 5 Jahre
2014–2019

Die Amtsperioden für Schöffen betragen zur Zeit fünf Jahre. Die aktuelle Periode begann am 1. Januar 2009 und endet am 31. Dezember 2013. Für die nächste Amtsperiode werden ab Ende 2012 wieder Schöffen gesucht. Bewerbungen für das Schöffenamt sind in vielen Gemeinden möglich. Letztlich werden die Schöffen dann im Laufe des Jahres 2013 berufen; sollten sich nicht genug geeignete Bewerber gefunden haben, auch einige, die sich nicht beworben haben. Die Berufung zum Schöffen kann nur in wenigen begründeten Fällen abgelehnt werden. Schöffen sollen mindestens 25 Jahre alt sein, die deutsche Staatsbürgerschaft haben und einigen bestimmten Berufsgruppen (wie Polizeivollzugsbeamte, Pfarrer, politische Beamte) nicht angehören. In der Regel sind Schöffen nur zwei Wahlperioden, also maximal zehn Jahre, tätig. Für ehrenamtliche Richter wie Schöffen gilt gemäß einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Mai 2008 eine auswahlrelevante "besondere Verfassungstreue".[8] Mit einer Reform im Sommer 2010 wurden ausreichende Deutschkenntnisse für Schöffen in Deutschland festgeschrieben.[9] Das Schöffenamt sollen zukünftig nur Personen ausüben, die der deutschen Sprache mächtig sind und daher der Hauptverhandlung folgen können.[10][11]

Aufwandsentschädigung

Schöffen erhalten für die Zeit, die sie bei Gericht waren und für die Fahrzeit und die damit verbundenen Kosten eine Entschädigung. Diese liegt bei mindestens 5 Euro pro Stunde und kann bei nachgewiesenem Verdienstausfall auf bis zu 20 Euro die Stunde ansteigen.

Haupt-, Hilfs- und Ergänzungsschöffen

Man unterscheidet zwischen Haupt-, Hilfs- und Ergänzungsschöffen. Den Hauptschöffen werden vor Beginn eines jeden Geschäftsjahres die Verhandlungstermine (meist 12) für das ganze Jahr mitgeteilt. Falls ein Hauptschöffe an einer Verhandlung nicht teilnehmen kann, wird statt seiner ein Hilfsschöffe eingesetzt. Dieser hat die gleichen Rechte wie der Hauptschöffe. Ergänzungsschöffen werden bei umfangreichen Prozessen eingesetzt, um bei Ausfall eines Hauptschöffen einspringen zu können. Um diese Funktion wahrnehmen zu können, muss der Ergänzungsschöffe während des ganzen Prozesses quasi als „Zuschauer“ jeder Verhandlung beiwohnen. Ergänzungsschöffen nehmen an den Beratungen des Gerichts (hauptamtliche Richter und Schöffen) nicht teil.

Österreich

In Österreich wird zwischen Schöffen und Geschworenen unterschieden.

Schöffensenate werden nur an den Landesgerichten eingesetzt und bestehen aus zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen. Die Schöffen werden durch Zufall ausgewählt. Es bestehen einige Einschränkungen, die jemanden von der Tätigkeit als Schöffe befreien kann. So darf eine Person, die jünger als 25 oder älter als 65 ist, nicht zum Schöffen berufen werden. Auch der Bundespräsident darf nicht als Schöffe auftreten.

Bei den schwersten Straftaten werden Geschworenengerichte tätig, welche aus acht Laienrichtern und drei Berufsrichtern bestehen.

Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass die Schöffen stets gemeinsam mit den Berufsrichtern entscheiden, während den Geschworenen die alleinige Entscheidung über die Schuldfrage zukommt und sie hernach mit den Berufsrichtern gemeinsam über das Strafmaß entscheiden.

Schöffen

In Österreich werden Schöffensenate nur an den Landesgerichten eingesetzt, und zwar bei einer Reihe von im Gesetz aufgezählten Delikten (§ 31 StPO), darunter:

  • der Tötung auf Verlangen (§ 77 StGB), der Mitwirkung am Selbstmord (§ 78 StGB) und der Tötung eines Kindes bei der Geburt (§ 79 StGB),
  • des Räuberischen Diebstahls (§ 131 StGB), der Gewaltanwendung eines Wilderers (§ 140 StGB) und des minder schweren Raubes nach § 142 Abs. 2 StGB,
  • der geschlechtlichen Nötigung (§ 202 StGB), des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person (§ 205 StGB) und des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen (§ 207 StGB),
  • des Landfriedensbruches und des Landzwanges (§§ 274 und 275 StGB),
  • des Mißbrauches der Amtsgewalt (§ 302 StGB)

sowie generell bei Verbrechen, die mit mehr als fünf, aber weniger als zehn Jahren (dann nämlich Zuständigkeit der Geschworenengerichte) Haftstrafe bedroht sind.

Diese Senate bestehen aus einem Berufsrichter und zwei Schöffen. Grundsätzlich sind zunächst alle österreichischen Staatsbürger, die zu Beginn des ersten Jahres, in dem sie tätig sein sollen, das 25., nicht aber das 65. Lebensjahr vollendet haben, zum Schöffenamt berufen. Daneben gibt es eine Reihe weiterer Ausschlussgründe (mangelnde Kenntnis der Gerichtssprache, fehlende körperliche oder geistige Eignung, Vorstrafe oder anhängiges Strafverfahren). Weiters sind die wichtigsten Berufspolitiker, Geistliche und Ordensleute, Richter, Staatsanwälte, Notare, Rechtsanwälte, Anwärter dieser Berufe, hauptamtliche Bewährungshelfer, Bedienstete des Innen- und des Justizministeriums sowie deren nachgeordneter Bundesdienststellen, schließlich auch Personen ohne Hauptwohnsitz im Inland vom Schöffendienst ausgeschlossen.

Auf Antrag sind weitere Befreiungsgründe zu beachten, vor allem nämlich wenn der Dienst „mit einer unverhältnismäßigen persönlichen oder wirtschaftlichen Belastung für sie selbst oder Dritte“ verbunden wäre.

Bei den schwersten Straftaten werden Geschworenengerichte tätig, welche aus acht Laien und drei Berufsrichtern bestehen. Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass Schöffen über alle Rechtsfragen stets gemeinsam mit den Berufsrichtern entscheiden, während den Geschworenen die alleinige Entscheidung über die Schuldfrage zukommt und sie danach mit den Berufsrichtern gemeinsam über das Strafmaß entscheiden. Im Gegensatz zu anderen Rechtssystem ist dabei keine Einstimmigkeit erforderlich, einfache Mehrheit genügt.

Schweiz

In der Schweiz ist die Situation von Kanton zu Kanton verschieden, da für die Zivil- und Strafrechtspflege grundsätzlich die Kantone zuständig sind.

Den Strafgerichten unterer Instanzen gehören in den meisten Kantonen auch Laienrichter an. Einige Kantone verfügen über die Einrichtung von Geschworenengerichten, die aus einem Präsident oder mehreren Berufsrichtern und einer Anzahl von Laien, den Geschworenen besteht. Tendenziell werden diese Geschworenengerichte, die eine lange historische Tradition haben, in den Kantonen durch Gerichte ohne Geschworene ersetzt. Dazu wird argumentiert, dass die Geschworenengerichte in der Regel zu langwierig, kostspielig und schwerfällig wären.

Auch in vielen kantonalen Zivilgerichten sind Laienrichter präsent (vgl. „Als Friedensrichter, Statthalter, Bezirksrichter und Ersatzrichter des Bezirksgerichtes ist jeder stimmberechtigte Bürger wählbar.“[12]).

Einzelnachweise

  1. Besitz-, Berufs- und Amtsbezeichnungen sächsischer Bauern
  2. vgl. Eberhard Isenmann: Gelehrte Juristen und das Prozessgeschehen in Deutschland im 15. Jahrhundert, in Franz-Josef Arlinghaus et al.: Praxis der Gerichtsbarkeit in europäischen Städten des Spätmittelalters, Klostermann, Frankfurt 2006, S. 307, Fußnote 11
  3. WDO § 71
  4. § 74
  5. § 75
  6. [1] BMJ
  7. Hasso Lieber, Fit fürs Schöffenamt - Ein Kursbuch des Deutschen Volkshochschulverbandes und des Bundesverbandes ehrenamtlicher Richterinnen und Richter
  8. "ARD-Magazin «Fakt»: NPD will Mitglieder gezielt ins Schöffenenamt bringen", Beck-Aktuell, 11. August 2009
  9. Bundestag:Die Gerichtssprache ist Deutsch
  10. Hinreichende Deutschkenntnisse von Schöffen gefordert NJW:Hinreichende Deutschkenntnisse von Schöffen gefordert
  11. Rheinische Post: Schöffen müssen künftig Deutsch beherrschen
  12. § 4 des aargauischen GOG