René Descartes (sprich: De'kart), latinisiert Renatus Cartesius, (* 31. März 1596 in La Haye/Touraine, Frankreich; † 11. Februar 1650 in Stockholm, Schweden) war ein Philosoph, Mathematiker und Naturwissenschaftler.

Descartes wird als „Vater der neueren Philosophie“ bezeichnet; denn er begründete den modernen Rationalismus. Sein rationalistisches Denken wird daher auch Cartesianismus genannt.
Lebenslauf
Kindheit und Jugend
Descartes wurde als viertes Kind einer kleinadeligen Familie der Touraine geboren. Sein Vater war Gerichtsrat (Conseiller) am Obersten Gerichtshof der Bretagne in Rennes. Da seine Mutter gut ein Jahr nach seiner Geburt starb und der Vater rasch wieder heiratete, verlebte Descartes seine Kindheit bei einer Amme und einer Großmutter. Mit 8 kam er als Internatsschüler auf das Jesuitenkolleg von La Flèche, das er zehn Jahre später mit einer soliden klassischen, auch mathematischen Bildung und überwiegend positiven Erinnerungen an seine Lehrer und Mitschüler verließ, von denen einer, der spätere Pariser Privatgelehrte, Mathematiker und Naturforscher Marin Mersenne (1588-1648) sein Freund blieb.
Studien-, Lehr- und Wanderjahre
Bis 1616 studierte Descartes dann Jura in Poitiers und legte ein juristisches Examen ab. Anschließend absolvierte er an einer Pariser Académie für junge Adelige einen Lehrgang in Fechten, Reiten, Tanzen und gutem Benehmen und verdingte sich noch im gleichen Jahr bei dem berühmten Feldherrn Moritz von Nassau im holländischen Breda. Dort begegnete er auf den 6 Jahre älteren Arzt und Naturforscher Isaac Beeckmann, der ihn für die Physik begeisterte; dankbar für diese "Erweckung" hat er ihm sein erstes naturwissenschaftliches Werk gewidmet, das mathematisch-physikalisch orientierte Musicae compendium (1618).
Nach Reisen durch Dänemark und Deutschland verdingte sich Descartes 1619 erneut als Soldat, nunmehr bei Herzog Maximilian von Bayern, unter dem er auf kaiserlich-katholischer Seite an der Eroberung Prags teilnahm, d.h. den ersten Kämpfen des Dreißigjährigen Krieges.
Im November 1619, kurz nachdem er in Prag die Arbeitsstätte der Astronomen Tycho Brahe (1546-1601) und Johannes Kepler (1571-1630) besichtigt hatte, hatte er nach seiner autobiographischen Selbststilisierung eine Art Vision: ihm kam die Idee, dass es "eine universale Methode zur Erforschung der Wahrheit" geben müsse und dass er berufen sei, sie zu finden, wobei er keine Erkenntnis akzeptieren dürfe außer der, die er in sich selbst oder dem "großen Buch der Welt" endeckt und auf ihre Plausibilität und Logik hin überprüft habe.
1620 hängte Descartes den Soldatenrock an den Nagel, machte die Pilgerfahrt, die er der Jungfrau Maria zum Dank für die "Vision" gelobt hatte, und ging mehrere Jahre lang auf jeweils vielmonatige Reisen durch Deutschland, Holland, die Schweiz und Italien, wobei er Einblicke jeglicher Art zu gewinnen und mit unterschiedlichsten Personen und Gelehrten ins Gespräche zu kommen suchte.
1625 ließ er sich in Paris nieder, nachdem er sein Erbe angetreten und so angelegt hatte, dass es ihm ein auskömmliches Leben erlaubte. Hier verkehrte er mit Intellektuellen und in der guten Gesellschaft (bestand auch siegreich ein Duell), las, schrieb (z.B. den kleinen Traktat Regulae ad directionem ingenii, Regeln zur Leitung des Intellekts, 1628) und gewann als scharfsinniger Kopf zunehmendes Ansehen. Insbesondere beeindruckte er auf einer Abendgesellschaft den Präsidenten des Staatsrats und Gegenspieler von Kardinal Richelieu, den Kardinal Pierre de Bérulle so sehr, dass dieser ihn zu einer Privataudienz einlud und ihn danach aufforderte, seine Theorien ausführlicher darzustellen und damit die Philosophie zu reformieren.
Die Zeit der Reife und der philosophischen Werke
1929 zog Descartes nach Holland, wo ihn vielleicht die noch bestehende (aber bald in die Brüche gehende) Freundschaft mit Beeckmann sowie zweifellos das anregende geistige Klima reizte, das in diesem multireligiösen und wirtschaftlich blühenden Land mit großer Schul- und Hochschuldichte herrschte. Hier verbrachte er, zwar im Austausch mit Intellektuellen unterschiedlichster Ausrichtung und Herkunft, aber dennoch relativ zurückgezogen die nächsten 18 Jahre, wobei er seltsam unstet Wohnungen und Wohnorte wechselte (und mit einer seiner Dienstmägde ein Kind zeugte, ein Mädchen, dessen Tod mit fünf Jahren ihn erschütterte). Vor allem korrespondierte er intensiv mit seinem Pariser Freund Mersenne, der allein seine jeweilige Adresse kannte, Gelehrten aus ganz Europa sowie einigen geistig interessierten hochstehenden Damen.
Während seiner ersten Zeit in Holland arbeitete Descartes an einem Traktat zur Metaphysik, in dem er einen klaren und definitiven Gottesbeweis zu führen hoffte. Er legte ihn jedoch zugunsten eines großangelegten naturwissenschaftlichen Werks zur Seite, das in Französisch verfasst werden sollte und nicht mehr, wie seine bisherigen Texte, im bis dahin in der wissenschaftlichen Literatur dominierenden Latein. Diesen Traité du Monde (Abhandlung über die Welt), wie er heißen sollte, ließ er jedoch unvollendet, als er vom Schicksal Galileo Galileis erfuhr, der 1633 von der Inquisition zum Widerruf seiner die Forschungen von Kopernikus und Kepler bestätigenden Theorien gezwungen worden war.
1637 publizierte er im holländischen Leiden anonym seinen Discours de la méthode pour bien conduire sa raison et chercher la vérité dans les sciences, plus la Dioptrique, les Météores et la Géométrie qui sont des essais de cette méthode (dt. Titel: Abhandlung über die Methode des richtigen Vernunftgebrauchs und der wissenschaftlichen Wahrheitsforschung: wörtlich: Abhandlung über die Methode, seine Vernunft gut zu führen und die Wahrheit in den Wissenschaften zu suchen, dazu Die Lichtbrechung, Die Meteore und Die Geometrie als Essays zu dieser Methode). Dieser als populärwissenschaftliches Werk auf hohem Niveau angelegte Discours de la méthode, den auch Damen lesen können sollten, wurde Descartes' langfristig wirksamstes Buch, das nach Meinung vieler Franzosen das Denken in Frankreich stark zu einer auf Logik, Systematik und Ordnung bedachten analytischen oder rationalen Intellektualität - den "esprit cartésien" - geprägt hat. Kernpunkte des Discours sind eine Erkenntnistheorie, die nur das als richtig akzeptiert, was durch die eigene schrittweise Analyse und logische Reflexion als plausibel verifiziert ist; eine Ethik, gemäß der das Individuum sich im Sinne bewährter gesellschaftlicher Konventionen pflichtbewusst und moralisch zu verhalten hat; eine Metaphysik, die zwar (durch logischen Beweis) die Existenz eines vollkommenen Schöpfer-Gottes annimmt, aber kirchenartigen Institutionen wenig Raum lässt; eine Physik, die die Natur als durch zwar gottgegebene, aber allgemeingültige Gesetze geregelt betrachtet (Wunder also ausschließt) und dem Menschen ihre rationale Erklärung und damit letztlich ihre Beherrschung zur Aufgabe macht.
Langfristig weniger wirksam, aber in Fachkreisen Anlass zu intensiver Diskussion gebend waren die nächsten Werke von Descartes: die 1641 zunächst lateinisch gedruckten Méditations sur la philosophie première, dans laquelle sont démontrées l'existence de Dieu et l'immortalité de l'âme (so der Titel einer französischen Übersetzung von 1647: Meditationen über die Erste Philosophie, in der die Existenz von Gott und die Unsterblichkeit der Seele bewiesen wird) und die ebenfalls erst nachträglich ins Französische übersetzten Principia philosophiae (Grundlagen der Philosophie, 1644). Sie veranlassten Utrechter und Leidener Theologen zu einer derart aggressiven Polemik, dass Descartes 1645 an einen Umzug nach England dachte und in den Folgejahren Holland mehrmals fluchtartig zu Reisen nach Frankreich verließ.
Seine Erfahrungen in dieser Lage waren vielleicht Anlass für seinen Traktat Les passions de l'âme (Die Leidenschaften der Seele, 1649), den er für seine eifrigste Briefpartnerin Elisabeth von Böhmen verfasste. Hierin interpretiert Descartes nicht nur die direkten Reflexe, z.B. Angst, sondern auch die spontanen Gefühlsregungen, z.B. Liebe oder Hass, als nur zu natürliche Ausflüsse der kreatürlichen Körperlichkeit des Menschen, verpflichtet diesen als ein zugleich mit einer Seele begabtes Wesen aber zu ihrer Kontrolle durch den Willen und zu ihrer Überwindung durch vernunftgelenkte Regungen wie z.B. selbstlosen Verzicht oder großmütige Vergebung.
Das tragische Ende
Im November 1649 folgte Descartes einer Einladung Königin Christines von Schweden, einer langjährigen Briefpartnerin, nach Stockholm, wo er jedoch die erhoffte Ruhe nicht recht fand, u.a. weil er morgens um fünf am königlichen Frühstückstisch erscheinen musste. Auf einem seiner Wege dorthin erkältete er sich und erlag Anfang 1650 einer Lungenentzündung. Es gibt aber auch Theorien, die besagen, dass Descartes mittels Arsen vergiftet wurde.
Descartes' Ethos der Pflicht und der Selbstüberwindung hat die Literatur der französischen Klassik des 17. Jahrhunderts stark beeinflusst. Die berühmte Maxime "cogito, ergo sum" (ich denke, also bin ich), die seiner Erkenntnistheorie zugrundeliegt, ist gebildeten Europäern bis heute geläufig. Als die dauerhafteste geistige Leistung Descartes' sollte sich allerdings sein Beitrag zur Mathematik erweisen: die Entwicklung der analytischen Geometrie..
Philosophie
Methode
Descartes stellt seine Methode des philosophischen Denkens erstmals im Discours de la méthode vor. In einer späteren, posthum veröffentlichten, unvollendeten Abhandlung führt er vier Regeln auf, nach denen man vorgehen müsse, um zum wahren Wissen zu gelangen:
- Nichts für wahr halten, was nicht so klar und deutlich erkannt ist, dass es nicht in Zweifel gezogen werden kann.
- Schwierige Probleme in Teilschritten erledigen.
- Vom Einfachen zum Schwierigen fortschreiten.
- Stets prüfen, ob bei der Untersuchung Vollständigkeit erreicht ist.
Erkenntnistheorie
Die neue Erkenntnistheorie führt Descartes in seinen sechs Meditationes de prima philosophia von 1641 aus.
Entsprechend seiner Methode handelt der erste Abschnitt von "dem, woran man zweifeln kann". Die gängige Annahme, dass wissenschaftliche Erkenntnis aus sinnlicher Wahrnehmung und Denken entspringt, muss hinterfragt werden. Keiner der beiden Quellen darf man ungeprüft vertrauen. Unsere Sinne täuschen uns oft, beispielsweise bei optischen Täuschungen oder bei Wahrnehmungen im Traum. Aber auch dem Denken darf man nicht ungeprüft vertrauen, denn ein Dämon könnte so auf einen einwirken, dass man zu falschen Schlüssen kommt und sich täuscht. Deshalb ist zunächst einmal an allem zu zweifeln.
2. Meditation: Wenn ich aber zweifle, so kann ich selbst in einem Fall, wo ich mich täusche, nicht daran zweifeln, dass ich zweifle und dass ich es bin, der zweifelt, d.h. ich bin als Denkender auf alle Fälle existent. Der erste unbezweifelbare Satz heißt also: "Ich denke, also bin ich". Er ist, so Descartes, "notwendig wahr, sooft ich ihn ausspreche oder denke". Descartes analysiert dann dieses zweifelnde Ich und bestimmt es als ein urteilendes, denkendes Ding: als res cogitans.
Aurelius Augustinus (354-430) hatte diese Argumentation schon ähnlich formuliert: "si enim fallor, sum. nam qui non est, utique nec falli potest" (sSlbst wenn ich mich täusche, bin ich. Denn wer nicht ist, kann sich auch nicht täuschen. Vom Gottesstaat 11,26).
Zur Gewinnung weiterer Erkenntnisse geht Descartes davon aus, dass alles das wahr ist, was klar und deutlich erkannt werden kann. Dazu muss aber sicher sein, d.h. bewiesen werden, dass es keinen betrügenden Gott gibt, der den Denkenden willentlich täuscht. Darauf wendet Descartes folgende Argumentation an:
- Die Idee Gottes als vollkommenes Wesen impliziert die Existenz Gottes, denn wäre Gott nicht existent, wäre er nicht vollkommen. (Hier folgt Descartes dem anselmschen Gottesbeweis)
- Eine Ursache kann nicht weniger vollkommen sein als ihre Wirkung. Da meine Vorstellung von Gott weit vollkommener ist als meine eigene Vollkommenheit und Realität, kann ich daraus schließen, dass Gott existiert.
Anti-Aristotelismus
Das auch eine Teleologie einschließende Weltbild des Aristoteles wird ersetzt durch ein kausalistisches, in dem sich innerhalb der Objektwelt (der Welt der res extensa also) alles notwendig durch Druck und Stoß ergibt. Diese mechanistische Annahme ist im weiteren Voraussetzung für die Theoriebildung in vielen Erfahrungswissenschaften geworden und allgemein Kennzeichen mechanistischen Denkens.
Die aristotelische Hervorhebung des Organischen negiert Descartes. Selbst der menschliche Körper wird einmal als bloße „Gliedermaschine“, dann wieder als „Leichnam“ beschrieben. Diese Betrachtung hat eine Fortsetzung in der Denkweise, den Menschen körperlich als mechanischen Apparat, also als Maschine zu betrachten und sein Denken heute beispielsweise mit dem Funktionieren von Computern zu vergleichen, wenn nicht gleichzusetzen.
Kurioserweise erklärt Descartes in der zweiten Meditation indirekt – ganz aristotelisch – die Seele als das, was den Unterschied zwischen einem Leichnam und einem lebenden Menschen ausmacht. Descartes hat Aristoteles selbst allerdings kaum rezipiert, sehr wohl aber die Schriften der Scholastik, während der man sich vielfach auf Aristoteles bezog.
Dualismus
Für Descartes teilt sich Seiendes in res extensae und res cogitantes: in eine Objekt- und eine Gedankenwelt, in Leib und Seele, Körper und Geist. Er betont dabei, dass unter Seele nicht ein quasi Körperliches, "ein feines Etwas, nach Art eines Windes, Feuers oder Äthers" ( vgl. Kants "Seelending") zu verstehen sei, gemäß der vulgärreligiösen Vorstellung eines herumschwirrenden Geistes.
Eine res extensa ist ein physischer Körper, hat somit Ausdehnung, ist teilbar, dekomponierbar, zerstörbar, unterliegt den Regeln der Kausalität. Die res cogitans dagegen ist ausdehnungslos, unteilbar, unsterblich und verfügt über ein von ihm untrennbares und – auch im massivsten Zweifel – nicht aufkündbares Denken.
Dieser Dualismus führt allerdings zu einem zentralen Problem, nämlich zur Frage nach der Verbindung zwischen diesen radikal unterschiedlichen Seiten. Descartes sieht diesen Übergang in einer von Gott gefügten Verbindung über die Zirbeldrüse.
Fraglich ist, inwieweit dieser radikale Dualismus oder Substanzdualismus Descartes erst von seinen Interpreten nachträglich zugesprochen wurde. In seinem Briefwechsel mit Elisabeth von Böhmen führt er nämlich neben den irreduziblen Begriffen von Körper und Seele auch noch den Begriff der Verbindung von Körper und Seele an. So wie der Körper vor allem durch die Mathematik erfasst wird und die Seele von der Metaphysik, so verstehe man die Verbindung von Körper und Seele, indem man aufmerksam sein eigenes alltägliches Leben verfolgt.
Physiologie: Der Mensch als Maschine
Für Descartes waren physiologische Modellvorstellungen integraler Bestandteil seiner Philosophie. Er reduzierte den lebenden Organismus des Menschen auf dessen Mechanik und wurde damit zum Begründer der neuzeitlichen Iatrophysik, wo Menschenmodelle und (versuchte oder gedachte) Konstruktionen von Menschenautomaten eine wichtige Rolle spielten. Aus Furcht vor der Inquisition veröffentlichte Descartes seine Schrift Traité de l'homme (Abhandlung über den Menschen, (1632) zeitlebens nicht; sie erschien erst 1662 unter dem Titel De homine.
Mathematik
In der Mathematik ist er vor allem für seine Beiträge zur Geometrie bekannt, da er das kartesische Koordinatensystem einführte und so der analytischen Geometrie den Weg ebnete, da sein Koordinatensystem das Rechnen mit geometrischen Objekten dramatisch vereinfachte.
Um 1640 leistete er einen Beitrag zur Lösung des Tangentenproblems der Differentialrechnung. Descartes wählte einen algebraischen Zugang, indem er an eine Kurve einen Kreis anlegte. Dieser schneidet die Kurve in zwei Punkten, es sei denn der Kreis berührt die Kurve. Damit war es ihm für spezielle Kurven möglich, die Steigung der Tangente zu bestimmen. Dieser Ansatz fand unter seinen Zeitgenossen große Beachtung, trug allerdings kaum zur tatsächlichen Lösung des Problems bei, da man auf diese Weise dem Ableitungsbegriff nicht näherkam.
Wirkungsgeschichte
Descartes hat die Philosophie bis in die Gegenwart hinein stark beeinflusst, vorwiegend dadurch, dass er Klarheit und Differenziertheit des Denkens zur Maxime erhob. Auch die Geisteshaltung des Szientismus geht zum Teil auf ihn zurück.
- G.W.F. Hegel
- In seinen Geschichtsvorlesungen lobt Hegel Descartes ausdrücklich für seine philosophische Innovationskraft: Bei Descartes fange das neuzeitliche Denken überhaupt erst an, seine Wirkung könne nicht breit genug dargestellt werden. Hegel kritisiert allerdings, dass Descartes die Unterscheidung zwischen Verstand und Vernunft noch nicht mache.
- In Descartes' archimedischem Denkpunkt des "cogito ergo sum" sieht Hegel einen Beleg dafür, dass Denken und Sein eine "unzertrennliche Einheit" bilden (vgl Parmenides), weil an diesem Punkt Verschiedenheit und Identität zusammenfallen. Hegel übernimmt dieses Anfangen im reinen Denken für seine idealistische Systematik.
- Friedrich Nietzsche
- Selbst Nietzsche findet zunächst lobende Worte für Descartes, weil dessen Hinwendung zum Subjekt ein "Attentat auf den alten Seelenbegriff" und somit ein "Attentat auf das Christentum" sei. Descartes und die Philosophie nach ihm seien also "antichristlich, keineswegs aber antireligiös". Er nennt Descartes den "Großvater der Revolution, welche der Vernunft allein die Autorität zuerkannte". (Jenseits von Gut und Böse)
- Nietzsche lehnt aber Descartes' Dualismus ab und stellt ihm seine eigene monistische Theorie vom "Willen zur Macht" gegenüber. Er wehrt sich darüber hinaus gegen die "dogmatische Leichtfertigkeit des Zweifelns", und deutet damit an, dass der radikale Zweifel nicht voraussetzungsfrei stattfinden kann. (Siehe weiter unten die Einwände von Peirce und Wittgenstein)
- Martin Heidegger
- Heidegger sieht in Descartes den Schlüssel zur Wissenschaftsgenese der Neuzeit, die durch die (anti-aristotelische) Einklammerung der Qualitäten des Organischen und durch Fixierung auf die Quantifizierung der Objektwelt zur unheilvollen technischen Beherrschung der Welt schreite. Für Heidegger ist der Zweifelsansatz nur scheinbar neu, denn Descartes sei noch fest in der Scholastik verankert.
- Im "cogito ergo sum" sieht Heidegger die "Pflanzung eines verhängnisvollen Vorurteils", denn Descartes erkunde zwar die cogitatio, nicht aber die "Ontologie des sum".
- Bertrand Russell
- Der frühanalytische Philosoph Bertrand Russell nennt Descartes in seiner History of Western Philosophy den "Begründer der modernen Philosophie ", wendet aber negativ ein, dass er noch vielen scholastischen Ideen (z.B. Anselms Gottesbeweis) verschrieben sei. Russell schätzt allerdings seinen zugänglichen Schreibstil und würdigt, dass Descartes als erster Philosoph seit Aristoteles ein völlig neues Denksystem errichtet habe. Er hebt dabei v.a. seinen radikalen Zweifelsansatz hervor.
- Russell hält Descartes' Erkenntnis für zentral, dass alle Objekte bzw. überhaupt jede Art von Gewissheit gedanklich vermittelt sind. Dieser Gedanke wird eine inhaltliche Superdominante bei den Rationalisten einnehmen. Während die Idealisten diese Einsicht "triumphalistisch" übernehmen, nehmen die britischen Empiristen sie bedauernd zur Kenntnis, so Russell.
- Russell kritisiert auch, dass "Ich denke" als Prämisse ungültig sei. In Wirklichkeit müsste Descartes sagen: "There are thoughts." Schließlich sei das Ich ja nicht gegeben.
- Blaise Pascal
- Blaise Pascal lehnt die Gottesbeweise als rational unentscheidbar ab und kritisiert, dass Gott bei Descartes zum bloßen "Lückenbüßer" verkommt, der die Verbindung zwischen res cogitans und res extensa parallelisierend herstellen müsse: "Der Gott Abrahams ist nicht der Gott der Philosophen", schreibt Pascal in seinen Pensées. Pascal wandelt Descartes' Dualismus in eine dreifach konnotierte Systematik ab: An die Seite von res extensa (Körperliches) und res cogitans (Gedankliches) stellt er das "Herz" oder den "Geist des Feinsinnes".
- Charles Sanders Peirce
- Charles Peirce hält Descartes' radikalen Zweifelsansatz in einem Punkt für übertrieben: Jeder formulierte Zweifel setze nämlich eine "hinlänglich funktionierende Alltagssprache" voraus. Auch Schelling schlägt in diese Kerbe: Sprache lasse sich nicht aus einer ersten vorsprachlichen Gewissheit heraus erst neu konstruieren, denn "wo würden wir beginnen?"
- Ludwig Wittgenstein
- Auch Ludwig Wittgenstein wendet ein, dass ein absolut sicher gewusstes (vorsprachliches) Fundament gedanklich nicht vollständig einholbar sei, denn alles geschehe immer schon innerhalb eines präsupponierten Systems.
In der Physik gehen der erste Erhaltungssatz und das Brechungsgesetz auf Descartes zurück. In der Mathematik beschäftigte er sich mit analytischer Geometrie (siehe dazu: kartesische Koordinaten) und Gleichungen.
Zitate
Vorlage:Wikiquote1 "Ich denke, also bin ich" (lat. "cogito ergo sum", franz. "Je pense, donc je suis.")
Das vollständige Zitat lautet: "dubito, ergo sum, vel, quod idem est, cogito, ergo sum" (=Ich zweifle, also bin ich, oder was dasselbe ist, ich denke, also bin ich).
Abhandlung über die Methode des richtigen Vernunftgebrauchs
- Die erste war: niemals eine Sache als wahr anzunehmen, die ich nicht als solche sicher und einleuchtend erkennen (évidemment connaître; certo et evidenter cognoscere) würde, da heißt sorgfältig die Übereilung und das Vorurteil zu vermeiden und in meinen Urteilen nur soviel zu begreifen, wie sich meinem Geist so klar und deutlich (clairement et distinctement; clare et distincte) darstellen würde, dass ich gar keine Möglichkeit hätte, daran zu zweifeln.
- Die zweite: jede der Schwierigkeiten, die ich untersuchen würde, in so viele Teile zu zerlegen (diverser) als möglich und zur besseren Lösung wünschenswert wäre.
- Die dritte: meine Gedanken zu ordnen; zu beginnen mit den einfachsten und fasslichsten Objekten und aufzusteigen allmählich und gleichsam stufenweise bis zur Erkenntnis der kompliziertesten, und selbst solche Dinge irgendwie für geordnet zu halten, von denen natürlicherweise nicht die einen den anderen vorausgehen.
- Und die letzte: überall so vollständige Aufzählungen und so umfassende Übersichten zu machen, dass ich sicher wäre, nichts auszulassen.
Einwände gegen Descartes' Philosophie
- Descartes meinte, als Schnittstelle zwischen Leib und Geist würde die Zirbeldrüse dienen, ein zentral gelegenes unpaariges Organ im Gehirn. Die neurobiologische Forschung hat es hingegen als eine hormonproduzierende Struktur identifiziert, das in die Regulation biorhythmischer Prozesse des Organismus eingebunden ist.
- Descartes unterschied nicht Geist und Bewusstsein. Für ihn war jedes menschliche Denken auch bewusstes Denken. Heute wird auf die entgegengesetzte Gefahr hin, Denkvorgänge nunmehr mit Neuronenaktivität gleichzusetzen, ähnlich wie von Freud weithin angenommen, dass Denkprozesse in unserem Gehirn auch unbewusst ablaufen.
- Descartes ging in seinem Denken von einer grundlegenden Zweiteilung aus, die er sich als religiös geprägter Denker der theologischen Zweiteilung in eine diesseitige und jenseitige Welt analog dachte: einerseits der körperllos gedachten res cogitans, die er mit "dem Geist" oder "der Seele" gleichsetzte, und der res extensa, die er als "ausgedehnte", also räumlich gedachte 'Sache' oder Körper mit "der Materie" bzw. mit allem Materiellen identifizierte.
- Für Descartes hatten Tiere keine Seele. Er stellte sie sich eher wie mechanische funktionierende Organismen vor. Zwar schreibt er in der Einleitung zu seinem Discours de la méthode, dass er im fünften Teil den Unterschied zwischen der "tierischen" und der "menschlichen Seele" beschreiben wolle. Doch lässt er dort offen, ob Tiere eine wie immer geartete Seele haben; deren Natur müsste jedoch von derjenigen der Menschen verschieden sein.
- Kant meinte, Descartes Gottesbeweis widerlegen zu haben.
- Hegel suchte Descartes’ Gottesbeweis in Kritik der Überlegungen Kants dagegen weiter zu entwickeln (1831).
- Der Münchener Philosoph Thomas Buchheim hat vor kurzem das fundamentale Selbstmissverständnis von Descartes und damit die Grundlage seines Substanddualismus aufgedeckt: Buchheim weist darauf hin, dass Descartes sein Cogito trotz eindeutiger Bedeutung von "ich denke" nicht als Ausdruck eigenen Denkens und damit als spezifische menschliche Tätigkeit auffasst, wie sie schon Homer in der Figur des Odysseus paradigmatisch geschildert hat, sondern als Ausdruck der Tätigkeit eines metaphysisch vorausgesetzten Geistes (s. Buchheims "...perspektivische Einführung in das 'Leib-Seele-Problem")
Siehe auch
Werke
- Musicae compendium (1618)
- Regulae ad directionem ingenii (ca. 1628)
- Discours de la méthode pour bien conduire sa raison et chercher la vérité dans les sciences. 1637 (Von der Methode des richtigen Vernunftgebrauchs und der wissenschaftlichen Forschung)
- Anhänge: Dioptrique (=Lichtbrechungslehre)
- Les Météores
- La Géométrie (die Grundlegung der neuzeitlichen Geometrie)
- Meditationes de prima philosophia. 1641 (=Meditationen über die Grundlagen der Philosophie - eines der Hauptwerke des Rationalismus.)
- Principia philosophiae. 1644 (=Die Prinzipien der Philosophie)
- Inquisitio veritatis per lumen naturale (ca. 1647)
- Les Passions de l'âme (1649) (=Die Leidenschaften der Seele)
- De homine (posth. 1662)
Literatur
Einführungen
- Perler, Dominik (1998). Rene Descartes, München 1998 (Beck'sche Reihe Denker). (sehr empfehlenswert als Überblick über Descartes' Werk und seine Voraussetzungen und zur Einführung), ISBN 3406419429
- Specht, Rainer (2001). Rene Descartes (9. Aufl.). Reinbek b. Hamb.: Rowohlt (Behandelt vor allem die Biographie und die Zeithintergründe, weniger das Werk) (rororo Monographien Nr. 50117). ISBN 3499501171
- Peter Prechtl: Descartes zur Einführung, Hamburg: Junius, 2004, 2. Auflage, ISBN 3885069261
- Poser, Hans: René Descartes. Eine Einführung. Stuttgart 2003 (Reclam). ISBN 3150182867
Weiteres
- Hager, Maik: Zur Definition und Interpretation des Begriffs Intuition in René Descartes' Regulae ad directionem ingenii. TU Berlin WiSe 2001/2002 (www.leistungsschein.de)
- Kamlah, Wilhelm: Der Anfang der Vernunft bei Descartes - autobiographisch und historisch. Arch. Gesch. Philos. 43(1961)70ff; überarbeitet u.d.T. Der Aufbruch der neuen Wissenschaft - Descartes' Descartes-Legende. ern. in: ds.: Utopie, Eschatologie, Geschichtsteleologie - Kritische Untersuchungen zum Ursprung und zum futurischen Denken der Neuzeit. Bibliogr. Institut, Mannheim 1969, S. 73-88
- Perler, Dominik (1996). Repräsentation bei Descartes Freiburg 1996 (Klostermann), ISBN 3465029100
- Röd, Wolfgang, Die Genese des Cartesianischen Rationalismus, 3. Aufl., München 1995, ISBN 340639342X
- Schultz, Uwe (2001). Descartes. Europäische Verlagsanstalt. ISBN 3434505067
- Williams, Bernard (1996). Descartes: Das Vorhaben der reinen philosophischen Untersuchung (3. Aufl.). Weinheim: Beltz Athenäum. (Orig. ersch. 1978), ISBN 3895471038
Weiterführende Informationen
Siehe auch: Leib-Seele-Problem, Gottesbeweis, Skeptizismus, Szientismus, logistica speciosa, Genius malignus; Franciscus Vieta, Ikone (Medien)
Nach Descartes benannt
- descartes Ein open-source-Funktionenplotter, benannt nach Descartes als Erfinder des Koordinatensystems
- Cartesischer Taucher Bezeichnet ein Objekt, welches auftauchen, abtauchen oder im Wasser schweben kann.
Weblinks
- Vorlage:PND
- Die Meditationes de prima philosophia (lateinisch, englisch und französisch)
- Artikel in "Namen, Titel und Daten der franz. Literatur" (Quelle für Descartes' Lebenslauf)
- Discours de la méthode (französisch)
- Descartes in der Bibliotheca Augustana (lateinisch)
- Meditationen über die Grundlagen der Philosophie (Auszug aus der 4. Meditation auf deutsch)
- Bibliographie lieferbarer Bücher
- Descartes Ich denke, also bin ich Symposionsvortrag des Club Dialektik
- Museum Online über Descartes
Personendaten | |
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NAME | Descartes, René |
KURZBESCHREIBUNG | Philosoph, Mathematiker und Naturwissenschaftler |
GEBURTSDATUM | 31. März 1596 |
GEBURTSORT | La Haye, Frankreich |
STERBEDATUM | 11. Februar 1650 |
STERBEORT | Stockholm |