Totengericht

religiöse Vorstellung
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Das Totengericht oder besser Jenseitsgericht ist eine in vielen Religionen ausgebildete Vorstellung, die eindeutig nachweisbar erstmals in der ägyptischen Mythologie auftaucht und ein religiöses Konzept umschreibt, in dem der Mensch entweder direkt nach dem Tod oder eschatologisch oder wie zum Beispiel im Islam beides vor ein göttliches oder ähnlich geartetes metaphysisches Gremium gestellt wird,[1] das über sein jenseitiges Schicksal meist aufgrund ethischer Maßstäbe entscheidet. Dabei können aber stattdessen, wie bei den alten mesoamerikanischen Kulturen, andere, auch gesellschaftliche Kriterien eine Rolle spielen. Im weiteren, hier behandelten Sinne bezeichnet der Begriff jedoch alle postmortalen, meist personalen Auswahlmechanismen. Die apokalyptischen Vorstellungen eines Letzten Gerichtes verschmilzt dabei häufig mit denen des Totengerichtes. Beispiele finden sich außer in der ägyptischen Religion unter anderem im Judentum, Christentum und Islam sowie im Zoroastrismus (Parsismus).[2]

Altägptisches Totengericht: Das Wiegen des Herzens. Szene aus dem Totenbuch des Schreibers Ani. Links: Ani und seine Frau Tutu betreten die Götterversammlung der Unterweltrichter. Mitte: Anubis wiegt Ani's Herz gegen die Feder der Ma'at, beobachtet von den Göttinnen Renenutet und Meshkenet, dem Gott Shay und Anis Ba-Seele. Rechts: Das Monster Ammut, das Anis Seele verschlingen wird, wenn er die Prüfung nicht besteht, indes der Gott Thoth der Bericht darüber vorbereitet. Oben: Die als Richter fungierenden Götter Hu und Sia, Hathor, Horus, Isis und Nephthys, Nut, Geb, Tefnut, Shu, Atum und Re-Herachte.

Konzept und Intention

Bevor die einzelnen Formen des Totengerichtes in den verschiedenen Religionen und ihre jeweiligen Implikationen beschrieben werden, müssen zunächst die wesentlichen, mit diesem ja sehr verbreiteten Phänomen einhergehenden und es bedingenden Grundlagen, Konzepte und Begrifflichkeiten betrachtet werden, da ohne sie ein Verständnis auch der religionshistorischen Entwicklungen nur sehr schwer möglich ist.

Wesentliche Grundbegriffe und Konzepte

Sichtet man die verschiedenen Formen des Totengerichtes und die damit notwendigerweise zusammenhängenden Jenseitsvorstellungen in den alten und aktuellen Religionen, so wie sie weiter unten en détail dargestellt sind, findet man, dass sie jeweils ein bestimmtes Weltverständnis reflektieren.[3] Es tauchen dabei in diesem Zusammenhang immer wieder mehrere philosophisch-religiöse, aber auch eher gesellschaftlich determinierte Grundbegriffe auf, die von zentraler Bedeutung sind, allerdings oft vor allem im Begriff und Konzept des Totengerichtes und der Eschatologie ineinander übergehen und häufig nicht klar umrissen sind, dazu je nach dem kulturell-religiösen Hintergrund in oft hoher, stark differierender Komplexität und unterschiedlicher Gewichtung auftreten. Sie seien daher hier einmal im Vorfeld der Einzelbetrachtungen summarisch aufgelistet:

Dazu treten natürlich und quasi als ständige Unterströmung auch die generell für den Homo religiosus typischen, zur Mythenbildung führenden kognitiven und emotionalen Phänomene auf wie Transzendenz und Symbolismus des Denkens, die Angst vor dem Tod und dem Danach verbunden mit der Hoffnung auf ein befriedigendes Weiterleben nach dem Tod, das Streben nach Glück, der Gehorsam gegenüber den religiöse Institutionen und dem von ihnen propagierten Willen der Götter in Verbindung mit dem Glauben an metaphysische Entitäten und ihren Einfluss auf Lebende und Tote, all dies häufig in Verbindung mit bestimmten Bestattungsritualen.[9]

Einige Phänomene und Denkfiguren

Es geht hier vor allem um häufig auch bildlich imaginierte Vorstellungen wie Diesseits/Jenseits, Hölle, Unterwelt und Paradies,[10] Gerechtigkeit, Bestattung, Seele und Seelenwanderung sowie die sie begleitenden Erscheinungen im Rahmen von Glaubensvorstellungen, insbesondere, was ihren Stellenwert im Zusammenhang mit dem Totengericht betrifft. Man muss dabei im Auge behalte, dass die Vorstellung vom Tod als endgültigem Schlusspunkt eine relativ junge Erscheinung ist. In Asien trat sie erstmal im 6. vorchristlichen Jahrhundert mit dem Buddhismus auf, in den mediterranen Kulturen sogar erst mit Epikur, so dass im Mittelpunkt des religiösen Denkens jener Zeit vor allem die Todesfurcht, das Bewusstsein der eigenen Sterblichkeit stand,[11] die man durch Konzepte des Jenseits und diesseitige Maßnahmen wie Begräbnisriten, Ahnengedenken, Grabbeigaben etc. nachweisbar schon ab dem Mittelpaläolithikum zu überwinden trachtete.[12] Ingesamt geben die unterschiedlichen Bestattungsformen archäologisch Hinweise auf die potentiellen Jenseitsvorstellungen ihrer Urheber.[13]

 
Sitzend bestattete Mumie der Moche-Kultur, einer Vorläuferkultur der Inkas in den Anden.

Als in diesem Zusammenhang interessantes, weil besonders bekanntes äußerliches Phänomen einer das Diesseits im Jenseits fortsetzenden Konzeption, das vor allem im Alten Ägypten[14] für Jenseits und Totengericht essentiell war, mag hier zunächst der Mumienkult gelten, wie er auch in anderen Teilen der Welt, vor allem in Mittel- und Südamerika, aber z.B. auch in Ostasien hie und da üblich war. Mumien – gemeint sind hier ausschließlich bewusst herbeigeführte, artifizielle Mumifizierungen – waren dazu gedacht, den weltlichen Körper zu erhalten, um ihm so ein Fortleben im Jenseits zu erlauben[15] (Judentum, Islam und Katholizismus verbieten bzw. missbilligen ja aus diesem Grunde bis heute die Feuerbestattung). Das heißt aber auch, dass man die jenseitige Welt ohne derartige diesseitige Eingriffe nicht für fähig hielt, ein Weiterleben allein der Seele, von denen der Ägypter ja drei, Ba, Ka und Ach, bei Pharaonen bis zu sechs zu haben glaubte (eine alte schamanische Vorstellung der Mehrfachseele), zu gewährleisten, dass also die alte Vorstellung von den Ahnen, wie sie teils bis heute in sog. Naturreligionen, aber auch im Katholizismus und anderen Religionen als Überrest z.B. auch im Heiligenkult zu beobachten ist,[16] sich somit strikt säkularisiert und auf Einwirkungen aus dieser Welt ausgerichtet hatte. Dieser Gedanke ist seit dem Neolithikum geprägt von der Idee einer generellen Manipulierbarkeit der Welt,[17] die sich hier sogar über den Tod hinaus erstreckt und nun häufig auch vom diesseitigen Status und den ökonomischen Möglichkeiten des Toten bestimmt wird (mit dem späteren Exzess zum Beispiel des Ablasshandels). Solche Vorstellungen gab es aber so ähnlich zum Beispiel auch bei den Mayas und Azteken, ebenso in der heterogen aus buddhistischen, taoistischen und konfuzianischen Konzepten amalgamierten chinesischen Religion, und sie wurden schon sehr früh zum Beispiel durch Grabbeigaben und Manipulationen an den Toten manifest, die hier wie dort ursprünglich allerdings, typisch für stark geschichtete Gesellschaften, der Adelsschicht vorbehalten gewesen sind. Diesseitige Ungleichheiten wurden so auch ins Jenseits transportiert. Generell weisen Prunkgräber stets auf diesen Sachverhalt, selbst dort, wo keine oder kaum schriftlichen Zeugnisse vorhanden sind, wie etwa bei den Kelten, Skythen und Etruskern, den Mould-Buildern Nordamerikas oder den Inkas. Dass es bei einer derart säkular ausgerichteten Totenwelt (die ägyptischen Mastabas und Pyramiden sind nur der spektakulärste Fall), von der das Grabmal, das der Tote nun „bewohnen“ oder das den Kontakt mit ihm ermöglichen sollte, nur ein Teil war, natürlich als eine Art die Ungerechtigkeiten der Welt ausgleichendes und eine Heilsgewissheit (bei entsprechender Lebensführung) suggerierendes Filter das Totengericht gab, ist so gesehen nur natürlich. Dasselbe gilt für die Tatsache, dass dieses immerhin in Ägypten von der Gerechtigkeitsgöttin Ma’at überwachte und vom alten Vegetationsgott Osiris geleitete Totengericht auch magisch beeinflusst (die sog. Pyramidentexte und Totenbücher sind dafür ein Beispiel), gar beschwindelt werden konnte, wobei die Strafen durch mitgebrachte Uschebti-Tonfiguren übernommen wurden, um dem Toten ein angenehmes, ja luxuriöses Leben im Jenseits zu ermöglichen. Eine Ausnahme stellten hier allerdings die Pharaonen dar, von denen man annahm, dass sie direkt zu den Göttern reisten, zu denen sie ja gehörten. Allerdings hatten sie in einer anderen theologischen Variante durchaus vor dem Totengericht zu erscheinen. Das Jenseits der Unterwelt enthielt mitunter sogar wie in der griechischen Mythologie ein spezielles Gefängnis für Titanen (Tartaros) und sonstige Unerwünschte, ein willkürlicher Strafort, aus dem sich später die christlich-jüdisch-islamische Hölle entwickelte. Im Islam gibt es denn auch gleich sieben davon, aber auch das Christentum hat mehrere wie etwa das Fegefeuer mit sieben funktionalen Kreisen und und die eigentliche, scholastischen Strukturvorbildern folgende Hölle nach Dante (vgl. Die Göttliche Komödie: Inferno und Purgatorio) wiederum mit deren neun, die alle jeweils wieder in mehrere Sektionen unterteilt sind, die von spezifischen Vergehensarten bestimmt werden. In den chinesischen Religionen wiederum ist die Unterwelt regelrecht ein Spiegelbild der Oberwelt mit Institutionen, Bürokratien (eine Bank und ein Passamt darunter)[18] und Herrschern, die sogar dem diesseitigen Kaiser unterstellt sind.
Diese und andere Phänomene sind wie die Seelenwanderung der Orphik und der Pythagoräer, vor allem aber der östlichen Religionen Hinduismus und Buddhismus sogar derart über den Dharma- und Karma-Gedanken in die Glaubenssysteme strukturell integriert, dass der ethische Dualismus von Gut und Böse oder der spiritualistische von Hell und Dunkel hier in einen ontologischen von vergänglichem Sein und ewiger Ordnung und Harmonie umgewandelt ist, [19] so dass ein eigentliches Totengericht nicht mehr nötig wurde und allenfalls noch peripher in Erscheinung tritt. Sie sind symptomatisch für das Verlangen nach einem schon im Diesseits bestimmbaren Erlösungsweg, wie ihn etwa Max Weber in seiner Religionssoziologie darstellt.[20] Max Weber geht hier sogar noch weiter, wenn er unter Einbeziehung gesellschaftlicher Faktoren schreibt:

„Die Regel, zumal bei Religionen, die unter dem Einfluss herrschender Kreise stehen, ist ... die Vorstellung, dass auch im Jenseits die diesseitigen Standesunterschiede nicht gleichgültig bleiben werden, weil auch sie gottgewollt waren, bis zu den christlichen „hochseligen“ Monarchen hinab. Die spezifisch ethische Vorstellung aber ist „Vergeltung“ von konkretem Recht und Unrecht aufgrund eines Totengerichts, und der eschatologische Vorgang ist also normalerweise ein universeller Gerichtstag ... Himmel, Hölle und Totengericht haben fast universelle Bedeutung erlangt, selbst in Religionen, deren ganzem Wesen sie ursprünglich so fremd waren wie dem alten Buddhismus“

Max Weber: Religionssoziologie, S. 316f

Vorkommen in verschiedenen Kulturkreisen

Vorbemerkungen

Grundlegend für das Verständnis des Konzeptes Totengericht ist vor allem die später insbesondere in Griechenland auch philosophisch ausgeführte und diskutierte Idee der Gerechtigkeit, die zunächst ausschließlich auf göttliche Ursprünge zurückgeführt wird.[21] Zuerst vor allem im mediterranen und indoeuropäischen Raum entwickelten sich demnach Vorstellungen von einer endgültigen, ins Jenseits an eine Totengericht verlagerten Gerechtigkeit (bei unterschiedlich luxuriöser oder auch karger Ausstattung der Unterwelt), welche den Menschen aufgrund religiöser, ethischer und gesellschaftlicher Kriterien bewertete und so in gewissem Sinne diesseitig begangenes oder erlittenes Unrecht auszugleichen vorgab, häufig unter Bezugnahme auf diesseitige Rechtsnormen. Dies ist ein ziemlich deutlicher Hinweis auf die Existenz einer geschichteten Gesellschaft und deren hierarchische Machtansprüche samt einer mit diesen meist verschwisterten systematisierten Religion, wobei die zunächst metaphysischen, später pseudorationalen Formeln jede beliebige gesellschaftliche Ordnung als gerecht rechtfertigen konnten, also in diesem Sinne sehr nützlich waren.[22]
Damit entstand allerdings notwendigerweise das Problem, das vor allem in monotheistischen Religionen die Theologen und Philosophen bis heute beschäftigt und von keinem irgend gearteten jenseitigen Gericht aus der Welt geschafft werden kann und das seit Leibniz unter dem Begriff der Theodizee zusammengefasst wird. In der Theodizee (aus griech theós = Gott und díkē = Gerechtigkeit; der Begriff wurde von Leibniz 1710 in Essais de theodicée geprägt) wird die Frage zu lösen oder eher zu umgehen versucht, warum das Böse, wie es die jeweiligen Glaubensrichtungen definieren, trotz göttlicher Allmacht in die Welt gekommen ist und dort permanent so viel Unheil anrichtet trotz aller Opfer und Gebete,[23] wobei meist unberücksichtigt bleibt, dass das Gute und Böse als solches ohnehin weitgehend relativ zur Religion, Gesellschaft und Kultur als Ausdruck von Macht und Interessen bestimmbar ist (was etwa im Calvinismus oder Pietismus wiederum dazu führt, dass Erfolg und Reichtum als Ausdruck göttlicher Gnade gewertet werden[24]). In einigen Religionen tritt diese göttliche Allwissenheit und Allmacht sogar in ihrer extremsten und im Grunde auch logischsten Form als Prädestinationslehre auf. All diese Fälle haben ein an sich dann per definitionem unsinniges Totengericht etabliert mit Hölle, Himmel, Apokalypse usw., die schließlich nur Sinn machen, wenn Gut und Böse, einmal abgesehen von allen kulturanthropologischen, sozialpsychologischen etc. Relativierungen, wie etwa im Buddhismus in der alleinigen Entscheidung des Menschen liegen (weil er sonst ja von Gott nicht bestraft werden könnte), der also mit einem freien Willen und einem analogen Gewissen ausgestattet sein muss. In anderen Religionen wiederum, vor allem den östlichen, unterliegen selbst die Götter und ihre Macht dem Gesetz des Karma und sind wie besonders im Taoismus nur Teil einer allumfassenden kosmischen Harmonie, die es anzustreben gilt, wobei das Diesseits wie im Taoismus sogar relativ bedeutungslos wird und damit auch jedes irgend geartete Totengericht.
Im Judentum und Christentum (nicht hingegen im Islam) kommt dann noch erschwerend die Idee der Erbsünde hinzu, die als angeborenes Element ebenfalls von der Willensfreiheit nicht berührt ist und die Vorlage abgibt für ein grundsätzlich dualistisches Wesen des Menschen, und zwar nicht nur ontologisch als Körper und Seele bzw. Geist, sondern auch ethisch als Gut und Böse. Beide Dualismen sind, und zwar auch abhängig auch davon, ob sie in ein lineares oder zyklische Zeitverständnis eingebettet waren, entsprechend im Laufe der Menschheitsgeschichte wesentliche Grundlagen metaphysischer Überlegungen gewesen und haben zu vor allem drei ganz unterschiedlichen Lösungs-, das heißt Erlösungsansätzen geführt (s. unten).
Das instabile und religiös hochvariable Spannungsfeld zwischen freiem Willen (bzw. Gewissen) samt Erlösungssehnsucht auf der einen und den oft machtpolitisch instrumentalisierten göttlichen Ansprüchen[25] auf der anderen Seite bestimmt denn auch wesentlich die Ausgestaltung der Totengerichte. Hans Kelsen, einer der bedeutendsten Rechtstheoretiker des 20. Jahrhunderts, notiert dazu:[26]

„Aber das Bedürfnis nach absoluter Rechtfertigung scheint stärker zu sein als alle rationalen Erwägungen. Daher wendet sich der Mensch zur Religion und Metaphysik, um hier diese Rechtfertigung, d.h. die absolute Gerechtigkeit, zu finden. Das bedeutet aber, dass die Gerechtigkeit von dieser Welt in eine andere, transzendente Welt verlegt wird. Sie wird die wesentliche Eigenschaft und ihre Verwirklichung die wesentliche Funktion einer übermenschlichen Autorität, einer Gottheit, deren Eigenschaften und Funktionen ihrem Wesen nach menschlicher Erkenntnis unzugänglich sind. Der Mensch muss an die Existenz Gottes, und das heißt an die Existenz einer absoluten Gerechtigkeit glauben, aber er ist unfähig, sie zu begreifen, das heißt sie begrifflich zu bestimmen.“

Hans Kelsen: Was ist Gerechtigkeit?

Historische Religionen

Tokarew notiert, dass tröstliche Hoffnungen auf eine Belohnung im Jenseits in den frühen Klassengesellschaften ebenso fehlen wie noch in der Urgesellschaft in den frühen Religionen. Sie tauchen erst später nach Verschärfung der Klassengegensätze auf, die derartige Mechanismen offenbar notwendig machten.[27] Geschieht dies, wird das Ziel der Erlösung hier wie auch später vor allem auf drei Wegen erreicht:[28]

  1. In den ältesten Glaubensformen vor allem durch magische Rituale, z.B. im Schamanismus, in der altägyptischen Religion und in den alten Mysterienkulten.
  2. Später durch eigene Anstrengungen, gewöhnlich durch die Erlangung esoterischen Wissens, Askese oder Heldentod, so zum Beispiel in der Orphik, im Hinduismus, Buddhismus und Islam sowie im Zoroastrismus, aber auch in der Religion der Germanen (Walhall) und den griechischen Konzepten vom Elysion.
  3. Schließlich durch göttliche Hilfe, etwa im Christentum (insbesondere in der Rechtfertigungslehre), im Judentum (vor allem im späteren, nachexilischen) und im Islam, die daher auch Erlösungsreligionen heißen (für den Buddhismus, der mitunter auch dazu gerechnet wird, gilt jedoch das Motiv der göttlichen Erlösung durch Gnade eben nicht).

Die Formen treten selten rein auf, und aus den drei Hauptformen haben sich im Laufe der Zeit meist Mischformen herausgebildet, die in unterschiedlichen Anteilen und Gewichtungen von allem etwas enthalten, z.B. ein Totengericht im Hinduismus und Buddhismus, aber auch in den chinesischen Ahnen-Religionen, magische und Ahnen-Rituale in den abrahamitischen Religionen, Prädestination und magische Rituale im Islam, Seelenwanderung in der Orphik und im jüdischen Chassidismus usw.[29] Überdies gib es in jüngeren, noch lebenden Religionen oft auch noch Phänomene aus älteren (z. B. magische Rituale, Ahnenkult usw.).
Limitierender Faktor der Beurteilung bei älteren Religionen ist wie stets in solchen Fällen die meist nur archäologische Überlieferungslage und ihre wissenschaftliche Interpretation. Der Vermerk „kein Totengericht“ bedeutet im Folgenden vor allem bei den frühen historischen Religionen daher nicht, dass es effektiv keines gegeben hat, sondern nur, dass nichts davon überliefert ist und man hier nur aufgrund der bekannten, oft spärlichen, gelegentlich sekundär verfälschten Informationen (z.B. Römer über Etrusker, Kelten udn Germanen) über den jeweiligen religiösen Bestand und durch interreligiöse Vergleiche davon ausgeht, dass dies möglicherweise zutrifft. Für die alten vorklassischen Hochkulturen sind vor allem in Ägypten und Mesopotamien aber auch ausführlichere Schriftdokumente erhalten.

Altorientalische Hochkulturen

Die altorientalischen Vorstellung von Gerechtigkeit reichen schon bis ins Jenseits, wie der in Ägypten um 2400 während der 5. Dynastie[30] entstandene Osiriskult mit seiner Vorstellung von einem Totengericht zeigt, in dem bereits eine individuelle „Schuld“ nach dem Tode abgerechnet wird, wobei diese „Schuld“ praktischerweise auf der Nichteinhaltung von effektiv diesseitigen Regeln beruht, die die jeweiligen Machthaber im Dienste ihres Macherhaltes erlassen haben und den Druck, diese auch einzuhalten mit der Drohung einer Strafe sogar noch jenseits des Todes verstärken. (In den abrahamitischen Religionen heißt das Sünde, der Strafort im Christentum heißt Fegefeuer und Hölle.) Das Prinzip (bei den Griechen gibt es dagegen vor allem bei den Pythaogoräern Vorstellungen einer Seelenwanderung) gilt für die anderen Erlösungsreligionen und die den mittelmeerischen Mysterienkulten angehörenden Glaubensvorstellungen ebenso. Seine Durchsetzung wird durch eine nun meist bestehende gottähnliche Stellung des Herrschers und eine entsprechend eingestellte Priesterkaste stark gefördert, welche die geltende Weltinterpretation in den jeweiligen, nun durch die Herrschaft über die Nahrungsmittelproduktion definierten Sozialverhältnissen, für den Einzelnen jetzt nicht mehr zur Disposition stellte.[31] Der urtümliche, später auch in den frühen afrikanischen Königreichen[32] geübte Brauch (in Ägypten war das Sedfest möglicherweise ein Überbleibsel), sich jedes Jahr einen neuen König zu wählen und den alten rituell zu opfern, um so gar nicht erst eine Herrschaftskonstanz entstehen zu lassen, wurde dabei recht bald durch allerlei Tricks – man ernannte etwa bei den Hethitern oder in Mesopatamien für diesen Termin einen „König für einen Tag“ oder Ersatzkönig[33] – ad absurdum geführt.

Altes Ägypten
 
Faksimile einer Vignette aus dem Totenbuch des Ani. Die Ba-Seele des toten Ani erhebt sich über seine Mumie. Die Wiedervereinigung der Ba-Seele mit dem Körper wurde für das Weiterleben nach dem Tode als notwendig betrachtet. Dazwischen lag das Totengericht. Die Ba hält hier einen, Schutz und Ewigkeit symbolisierenden Schen-Ring umklammert (Anch).

Da das alte Ägypten, wo das Totengericht samt Jenseitsvorstellungen[34] erstmals ausführlich nachweisbar ist, relativ modellhaft gewirkt hat und viele seiner Vorstellungen später von benachbarten Religionen übernommen wurden bis hinein in die abrahamitischen, soll es hier etwas ausführlicher dargestellt werden.
Die Idee eines Totengerichtes bildete sich erst gegen Ende des Alten Reiches aus und findet sich etwa in den Pyramidentexten noch nicht. Nach dem Tod und dem Totengericht vereinigte sich nach den Vorstellungen der Ägypter im Erfolgsfalle die vor allem in Vogelgestalt erscheinende Ba-Seele als Träger der unvergänglichen Kräfte in der Unterwelt wieder mit dem Körper des Toten, der daher als Mumie unbedingt zu erhalten war. Die Vorstellung vom Jenseits war beeinflusst von der Welt, die die Ägypter sahen: ein lebensspendender, im Norden ein weites, fruchtbares Delta bildender Fluss, umgeben von Wüsten im Westen und Osten, Orten des Todes (der Westen, Ort der untergehenden Sonne, war synonym für das Totenreich). Die Seele hatte zunächst eine heikle, ständig von Dämonen und anderen Gefahren bedrohte Reise durch die Unterwelt zu bestehen.

Das eigentliche Totengericht, vor das jeder Verstorbene, in einigen Traditionen selbst der göttliche Pharao zu treten hatte, bestand aus einem von Osiris geleiteten Tribunal aus 42 Totenrichtern (Gaugötter) als Symbol der 42 Sünden (in anderen Traditionen auch die Neunheit von Heliopolis), die nach dem Amduat, Pfortenbuch und dem Totenbuch darüber entschieden, welche Ba-Seelen in die Unterwelt übertreten durften (Amduat) und damit auch die Erlaubnis zur Wiedervereinigung mit ihrem als Mumie bewahrten Körper erhielten. Grundvorstellung war, dass es dem Toten auch im Jenseits möglich sein sollte, seine Rechte vor einem ordentlichen Gericht zu wahren, das seinen rechtlichen Anspruch auf Verklärung feststellte. Das Totenbuch, dessen Besitz dabei bereits einen magischen Schutz vor der Gefährdung durch das Totengericht bedeutete, enthält in Kap. 125 eine Aufzählung aller Dinge, die der Tote nicht getan haben will. (Es sind 78 Punkte dieses negativen Sündenbekenntnisses, das dem apodiktischen Rechtsverständnis der frühen Kulturen entspricht, wie es auch im Dekolog enthalten ist[35]). Dabei handelt es sich um Vergehen im juristischen Sinn, Verletzung von Anstandsregeln und Übertretung von kultischen Regeln, weniger um moralisch-ethische Vergehen, die lediglich in den aus den Pyramidentexten hervorgegangenen sog. Sargtexten (sie waren an den Innenseiten der Särge angebracht) sowie anderen Spruchsammlungen wie den „Lehren“ (religiöse Schultexte) und den „Biografien“, den Selbstdarstellungen der Toten in den Grabausstattungen anklingen.
Der Tote betrat das Gericht unter Führung des schakalköpfigen Gottes Anubis, der hier die uralte und bereits im Schamanismus wichtige Rolle des Seelenbegleiters einnahm (Psychopomp). Eine entscheidende Rolle bei der eigentlichen Prüfung kam der als Feder symbolisieren Göttin Ma'at zu, die eigentlich ein altes, erst später personifiziertes Harmonie- und Gerechtigkeitssymbol darstellt, das auch in der Signatur des Pharaos eine zentrale Stellung einnahm.[36] Sie bildete in Gestalt einer Feder, wenn das Herz des Toten gewogen wurde, das Gegengewicht auf der Waage der Gerechtigkeit in der Totengerichtsszenerie. Zudem fungierte ihr Gatte, der ibisköpfige Thot, Herr des Wissens, Schreibens und Berechnens sowie Schutzgott der Beamten, als Totengott und Helfer des den Vorsitz führenden Osiris während des Totengerichtes als Protokollant des Verfahrens. Waren Herz und Ma’at im Gleichgewicht, hatte der Tote die Prüfung bestanden und wurde von Gott Horus, Sohn des Osiris und Schutzgott des Pharaos, vor den Thron des Osiris geführt, um dort sein Urteil entgegenzunehmen; war das Urteil aber negativ, wurde das Herz einem krokodilköpfigen Ungeheuer, der Fresserin, zum Fraße vorgeworfen. Die Übereinstimmung von Herz und Ma’at bewies die richtige Lebensführung.

Jenseitsvorstellungen: Bestand man das Totengericht, konnte man durch die Unterwelt Duaru in den lichten Ort Earu (Binsengefilde, konzipiert nach dem fruchtbaren Nildelta) im Osten weiterreisen. Hier erwartete einen die Fortsetzung des angenehmen diesseitigen Lebens, wobei einem die Uschebti die Arbeit abnahmen. Unter dem Totenreich, in dem man je nach Grabausstattung[37] mehr oder weniger sicher und angenehm lebte, gab es jedoch eine Art Hölle, die Dat bzw. der Gegenhimmel Nenet, wo die Gefressenen ihre Strafen erlitten (die aber auch von den Uschebti übernommen werden konnten), eine Vorstellung, die möglicherweise wie so manch anderes auch von hier sogar ins Christentum eingedrungen ist, denn zumindest im vorexilischen Judentum gibt es einen derartigen Strafort ja nicht, nur eine allerdings öde Unterwelt (Scheol), die dann erst später in der hellenistischen Epoche durch einen Strafort Gehenna ergänzt wurde; ähnlich in Mesopotamien. Dafür fürchteten sich die Ägpter ebenso wie andere Völker vor ihren Toten und ihrer potentiellen Wiederkehr, denn sie konnten sich helfend oder schädigend in die Welt der Lebenden einmischen und man konnte sich sogar brieflich an sie wenden. Das Grab war in einer Vorstellungsvariante sogar als „Haus der Ewigkeit“ regelrecht ihr Wohnort mit einer Scheintür nach Westen als Zugang zur Unterwelt. Das beste, was einem Toten passieren konnte, war jedoch das „Herausgehen am Tage“, das heißt, mit dem Sonnengott Re auf der Sonnenbarke über den Himmel zu fahren und mit ihm die gefährliche, von dem Schlangenmonster Apophis bedrohte Nachtfahrt zu bestehen, ein Schicksal, das allerdings vor allem Pharaonen vorbehalten blieb, die nach ihrem Tod zu den zirkumpolaren Sternen, vor allem den Plejaden aufstiegen.
Das Totengericht hatte bei den Ägptern wie überhaupt die gesamte Fürsorge für das Jenseits große Bedeutung, denn man hoffte, das dortige Leben werde unter möglichst denselben angenehmen oder gar besseren Bedingungen verlaufen wie das diesseitige. Dabei war der Tote auf Speisung (Opfer) angewiesen. Die Unterwelt, durch die jede Nacht auch die Sonnenbarke fuhr, wurde als unsicher begriffen, ein Ort, wo zahlreiche Gefahren drohten, oft in Gestalt von Tierdämonen. Man hatte also unbedingt dafür vorzusorgen, dass man diesen Ort mied, der sogar ganz präzise in der Westlichen Wüste, also der Sahara westlich des Nils angenommen wurde. Bestand man hingegen vor dem Totengericht, wandelte man „auf den schönen Wegen des Westens“, wo ja auch die Sonne untergeht.

Religionssoziologie: Dass das westliche Totenreich zum einen als Schreckensort verstanden wurde, zum anderen paradoxerweise jedoch auch durchaus positiv liegt an der Vermischung chthonischer Vorstellungen eines Fruchtbarkeitskultes, in dessen Zentrum Osiris stand, mit den solaren eines alten, vom Weltengott Re bestimmten Sonnenkultes. Dabei treffen alte bäuerliche und alte nomadische Konzepte aufeinander, wie sie in der Mythologie durch den Kampf zwischen Osiris und Seth thematisiert sind und offenbar sehr alte prähistorische Bevölkerungskonflikte reflektieren, die mit der Aridisierung der Sahara im Verlaufe der Geschichte Nordafrikas und zu Beginn des altägyptischen Reiches zwischen 3500 und 2800 v. Chr. zusammenhängen und möglicherweise überhaupt erst der Auslöser für die Reichsbildung waren, da offenbar der Bevölkerungsdruck zu einer zunehmenden Versklavung der ins Niltal drängenden Nomaden führte.[38] Insgesamt sind die ägptischen Totengerichts- und Jenseitsvorstellungen somit eine recht heterogene Mischung aus mehreren verschiedenen religiösen Traditionen, in deren Verlauf eine „verwischende Theologie“[39] etwa mit Antagonismen zwischen Re und Osiris auffällt, bei der auch an sich Unvereinbares zusammengefügt wurde. Insgesamt überwogen im Jenseitglauben der Ägypter magische Vorstellungen gegenüber religiös-sittlichen Ideen, und die Konzeption wurde nach Tokarew „offenbar von den Priestern im Interesse der herrschenden Klasse als Reaktion auf die wachsenden Klassengegensätze entwickelt“. Der marxistische Ethnologe und Religionswissenschaftler schreibt weiter: „Die Sklavenhalter und Priester waren darauf bedacht, die abergläubische Masse des geknechteten Volkes durch Androhung von Strafen im Jenseits einzuschüchtern und mit der Hoffnung auf Belohnung im Jenseits zu trösten. Für die Epoche des Mittleren Reiches, besonders für die Zeit der schweren sozialen Erschütterungen im 18. Jahrhundert v. Chr. ... ist dies sehr bezeichnend. Sicherlich hat später die ägyptische Lehre vom Totengericht die Entwicklung ähnlicher Vorstellungen im Christentum in gewissem Maße beeinflusst.“[40]

Mesopotamien
 
Eine Keilschrifttafel des Gilgameschepos, der Hauptquelle für die mesopotamischen Totengerichts- und Jenseitsvorstellungen, hier mit dem Text der Noah- und Sintflutsage.

Während die Totengerichts- und Jenseitsvorstellungen des Alten Ägypten eher hoffnungsfroh konzipiert sind, sogar mit der Möglichkeit, die Götter magisch zu täuschen, stellen sich die einschlägigen mesopotamischen Konzepte eher als ein in ihrer Grimmigkeit absolut hoffnungsloses Gegenbild dar, das dann auch auf die alten kanaanäisch-jüdischen Vorstellungen der Scheol abgefärbt hat.[41]
Die Grundzüge der Jenseitsvorstellungen in der Religion Mesopotamiens waren extrem pessimistisch, die Totenverehrung von der Furcht vor den Toten und vor dem Grausen über ihr elendes Schicksal in der durch sieben schreckliche Tore zu betretenden Unterwelt gepägt, ein Schicksal, das Gute wie Böse gleichermaßen traf, soweit diese Kriterien hier überhaupt vorkommen. Die Furcht vor dem Tod und die Suche nach Unsterblichkeit ist hier erstmals in der Weltliteratur geschildert (Gilgamesch-Epos). Grundlage war die Vorstellung, der Mensch sei den Göttern völlig untergeordnet und stehe ihnen zu Diensten. Mit Hilfe von Vorschriften und Beschlüssen (den Me-Prinzipien, die dem alten Ma'at-Konzept der Ägypter ähneln) bestimmten die Götter das Schicksal jedes einzelnen Menschen und legten es auf göttlichen Schicksalstafeln nieder. Aufgabe der Menschen war es dann, diese Beschlüsse in absoluter Unterwerfung auszuführen. Das Leben erstreckte sich linear und war mit dem Tod zu Ende, der den Menschen als Schattenexistenz in die Unterwelt entließ, die vom Gott Nergal beherrscht wurde.[42] Entsprechend gestalteten sich schon die diesseitigen Riten mit ihrer Betonung der Reinigungsszeremonien zur Entsühnung.

Eigentliches Totengericht und Unterwelt: Jeder, der den Totenfluss überquerte, musste sich einem Totengericht unterwerfen. Das Verfahren ist im Gilgamesch-Epos (Sintflutsage) fragmentarisch beschrieben. Heroen wie Gilgamesch traten dabei als bleiche Totenrichter auf, von denen es sieben gab, meist verstorbene und dann wie Gilgamesch deifizierte Großkönige.[43] Es gibt hier, und zwar ganz im Gegensatz etwa zu ägyptischen Vorstellungen, aber kaum Belohnung oder Bestrafung im Jenseits, also auch keine persönliche Verantwortlichkeit und kein Vergeltungsprinzip,[44] denn das Schicksal war ja von den Göttern vorherbestimmt; nur gefallene Krieger wurden besser behandelt, desgleichen die von den Lebenden durch Totenopfer gut Versorgten, auch Väter mehrerer Söhne hatte es besser, wie Enkidus Bericht aus dem Totenreich ausweist.[45] Generell liegt jedoch dasselbe dunkle Schicksal über jedem Toten: er frißt Dreck, friert, hungert, dürstet und ist wie ein Vogel gefiedert, und wenn er Glück hat, kann er fliehen und im Diesseits entsprechend der ausgeprägten Dämonenfurcht der Mesopotamier als böser Dämon die Lebenden erschrecken (so noch in den altarabischen Religionen und von da im Islam, z.B. die Dschinn, aber auch noch im Christentum, etwa in den Halloween-Bräuchen). Totenrituale und Totenopfer hatten hier vor allem den Sinn, dieses Schicksal der Toten zu mildern, sie etwa durch Trankopfer wenigstens mit reinem Wasser zu versorgen.
Die von Leonard Woolley entdeckten sumerischen Königsgräber von Ur (um 2700 v.Chr.) allerdings zeigen noch eine sehr alte und archaische Schicht, die von massiven Menschenopfer zeugen, die während einer Bestattung vollzogen wurden, wie man sie so nur noch in Kiš gefunden hat.[46] Ob dies bedeutet, dass der tote Herrscher glaubte, Frauen, Helfer und Ausstattung ins Jenseits mitnehmen zu können, ist unklar, doch finden sich auch in anderen frühen Kulturen ähnliche Beispiele, die als Zeichen einer Vergöttlichung gewertet werden, die dem König jeweils die Unterwelt ersparte und wie sie auch den Pharaonen zustand, die allerdings längst das in Ägypten in der Frühzeit praktizierte Menschenopfer aufgegeben hatten, wie sie noch in der 1. Dynastie praktiziert wurden, und sich im Grab mit Uschebtis begnügten.[47]

Parallelen und Bezüge: Die jüdische Religion hat, soweit es sich nicht ohnehin um Relikte der Patriarchenzeit (der biblische Abraham war aus dem südmesopotamischen Ur zugewandert) handelt, diese mesopotamischen Vorstellungen vor allem während der Exilzeit dann wohl für ihre eigenen Hölle Gehenna (Gehinnom) übernommen und sie entspricht in etwa auch dem Hades, der ja ebenfalls ein Höllen-Pendant, den Tartaros hat. Auch zwischen Gilgamesch-Epos, Osiris-Mythos und Orpheus-Mythos gibt es interessante Parallelen, die darauf hindeuten, dass es sich hier um sehr alte mediterrane Mythenstränge handelt, die miteinander verwoben sind und deren altorientalische Traditionen bis in die Antike nachwirkten.[48] Es existiert dazu überdies wie in Ägypten ein (Fruchtbarkeits-)Mythos, hier vom Höllengang der Göttin Inanni bzw. in einer anderen Fassung Ischtar, die beim Durchschreiten jedes Tores eine ihrer göttlichen Fähigkeiten einbüßt und nach dem siebten nackt und ohne Macht wie ein Mensch vor der Unterweltgöttin Ereschkigal, der Unterweltmanifestation der Ischtar steht, deren Todesblick sie nun ausgeliefert ist und dem sie nur durch einen vorausschauenden Trick entkommen kann.

Weitere Entwicklung: Ob der Tod eher als etwas Angenehmes oder Düsteres vorgestellt wird, hat natürlich auch massive Auswirkungen auf das Gegenwärtige und die Ethik der Lebenden. Entsprechend hat diese Furcht später dann auch zu einem gewissen Zweifel am Sinn des Ganzen geführt, und man wollte sich nicht so ohne weiteres dem unerforschlichen Ratschluss der Götter unterwerfen, ohne dabei auch nur die geringste Gerechtigkeit einfordern zu können, so dass es gelegentlich sogar zu einem sehr diesseitigen Hedonismus kam oder aber im Gegenteil zu einer völligen Negierung des Diesseitigen.[49]

Die Elamiter, die östlich des Tigris im heutigen Westiran ab 3000 v. Chr. ein Reich errichteten, hatten etwas abweichende Vorstellungen. Ihr Jenseitsglaube war stark anthropomorph strukturiert, man fand viele Grabbeigaben, die auf eine Fürsorge für das Jenseits schließen lassen. Ein ausgeprägter Fruchtbarkeitskult scheint dabei ebenfalls eine Rolle gespielt zu haben. Der Totengott Inschuschinak (sumer.: Herr von Susa) bildete zusammen mit den Göttern Humban und Chutran eine oberste Dreiheit. Die Toten wurden von dem hier als Psychopomp fungierenden Götterpaar Ischnikorat und Legamel in einem Zwischenreich in Empfang genommen und vor den Totengott geführt, der sie richtete.[50]

Altiranische Religion und Zoroastrismus
 
Darstellung einer Gestalt, von der man annimmt, es könne sich um Zarathustra handeln. Arkosolium (Wandgrab unter einer Bogennische) am Mithraeum von Dura-Europos, Syrien, 3. Jh. v. Chr. Die Gestalt war ursprünglich in Rot ausgeführt.

Der Zoroastrismus,[51] der hier, obwohl es vor allem in Indien noch Reste davon gibt (Parsismus), unter den historische Religionen besprochen wird, stellt im Vergleich zur altägyptischen Religion mit ihren von magischen Vorstellungen bestimmten Jenseitshoffnungen und im Vergleich zu den Jenseitsvorstellungen der Mesopotamier mit ihrer Erbarmungslosigkeit und Hoffnungslosigkeit einen dritten Grundtypus dar, in dem die Selbstverantwortung des Menschen im Rahmen eines sich in ethischen Qualitäten äußernden kosmischen Dualismus die Hauptrolle spielen.
Über die altiranische Religion vor Zarathustra ist relativ wenig bekannt. Da dieser jedoch von den altiranischen Religionsformen ausging, nimmt man an, dass Ähnlichkeiten zu dem von ihm dann entworfenen Religionskonzept bestanden haben müssen. Ausgeprägte kulturelle und religiöse Details oder gar eine Einheitlichkeit der Kultur und Religion im iranischen Hochland dieser Periode, in der sich zudem zahlreiche verschieden Völker drängelten, lassen sich aus den wenigen Funden aber nicht ableiten. Dies wird erst mit Kyros II. in der Achämenidenzeit anders. Damals war der Glaube an Ahura Mazda als höchstes Wesen weit verbreitet, den auch Zarathustra ebenso wie den alten Feuerkult übernahm und zum Monotheismus einer Offenbarungsreligion weiter entwickelte. Auffallend ist die Ähnlichkeit (Feuerkult, Ahnenkult, heiliger Trank, heilige Tiere, Gott Mitra, böse Geister etc.) zur vedischen Religion.

Im Zoroastrismus (auch Parsismus und Mazdaismus) wird der Gut-Böse-Dualismus, personifiziert durch Ahura Mazda und Ahriman, erstmals in der Geschichte der Religionen auf die Spitze getrieben und steht im Zentrum der Vorstellungen. Ein Dualismus von Körper und Geist wird dabei allerdings strikt abgelehnt, vielmehr ist das Böse durch Ahrimans Eingriff, welcher die ursprüngliche Harmonie zerstörte, entstanden. Gut und Böse sind demnach primär kosmische, nicht ethische Konzepte, die sich nur sekundär in ethischen Phänomenen äußern als Zeichen der gestörten Harmonie (ganz ähnliche Grundvorstellungen gibt es dann in den östlichen Religionen Hinduismus, Buddhismus und Taoismus). Entsprechend kennt der Zoroastrismus auch keinen eigentlichen und kataklysmischen Weltuntergang, sondern eine Erneuerung der ursprünglichen Harmonie. Dieser Dualismus bestimmt auch als zentrales Element die Vorstellungen vom Jenseits und vom Totengericht. Gerechtigkeit ist hier absolut menschlich, da der Zoroastrismus dem Menschen erstmals einen freien Willen zubilligt. Prädestination, Magie, Protektion etc. fehlen hingegen völlig.

Totengericht und Jenseits: Die iranischen Konzepte, wie sie vor allem in den Gathas beschrieben sind, ähneln stark den indisch-vedischen der Upanischaden. Der körperliche Tod steht mit den Mächten des Bösen in Verbindung, daher verunreinigte sich jeder, der einen Leichnam berührt, der daher in den Türmen des Schweigens vermoderte. Die Knochen wurden dann eingesammelt, um im Grab das Letzte Gericht zu erwarten. Auch das heilige und reine Feuer durfte damit nicht in Berührung kommen. Die Seele wird dabei als geistiges Prinzip gedacht, das des Körpers nicht bedarf. Himmel und Hölle sind im Jenseits Orte, die jeweils als Ergebnis von Gedanken, Worten und Taten zugemessen werden. Es gibt somit eine Rechenschaftspflicht des Menschen gegenüber Ahura Mazda (auch: Ohrmuzd), und damit wird auch ein Totengericht notwendig, wo zunächst nach dem Tod in einem ersten Richterspruch auf einer Waage der Gerechtigkeit individuell Strafen entsprechend dem Verhalten im Leben ausgesprochen werden (vgl. Islam), so dass auch diesseitige Moralprinzipien wie Gerechtigkeit wieder größere Bedeutung erlangen, vor allem die Hauptpflicht des Gläubigen: die Förderung der Guten Schöpfung, wobei der geistige wie körperliche Welt verbindende Harmoniegedanke eine bedeutende Rolle spielt. Wenn die guten Gedanken, Taten und Worte des Menschen die bösen übertreffen, nimmt an der Brücke der Auslese (Činvat-Brücke) eine schöne Jungfrau seine Seele in Empfang und führt sie darüber (vgl. Huris im Islam). Dort erwartet ihn Amescha Spenta, die Gute Gesinnung, und führt ihn in den Himmel. Andernfalls begegnet er einer Hexe als Personifizierung seines Gewissens und stürzt von der nun messerscharf schmalen Brücke in die von Angra Mainyu (= Ahriman) beherrschte Hölle (das entspricht altägyptischen Vorstellungen). Auch einen nicht näher bezeichneten dritten Ort gibt es für die Seelen, bei denen sich Gut und Böse die Waage halten. Die Höllenstrafen entsprechen dabei der Schwere der Vergehen, denn das Ziel ist, den Menschen zu erziehen. Die größte Tugend des Menschen besteht dabei in der sorgfältigen Bestellung des Bodens, er soll Verträge halten, rechtschaffen sein und gute Werke tun; die schwersten Verstöße sind die gegen die rituelle Reinheit, die den Menschen zum ewigen Tod verdammen: Verbrennen einer Leiche, Essen einer Leiche, widernatürliche Sexualität (Sodomie).
In späterer Zeit fand das Gericht dann jenseits der Brücke statt, erst durch einen Richter, später durch ein Dreierkollegium, dem Mithras vorsaß,der später im Zentrum der Mysterien des Mithra stand und als Vertragsgott Mitra auch in der vedischen Religion eine bedeutsame Rolle spielte, ebenso wie Varuna, dem Gott der Wahrheit. Wesentlich war neben dem Lebenswandel dabei vor allem, ob der Tote die rechten oder die falschen Götter angebetet hatte.
Nach einem bestimmten Zeitpunkt werden die Toten aus Himmel und Hölle zurück geschickt, um sich einem zweiten Gerichtsspruch anlässlich der Auferstehung der Welt am Ende der zoroastrischen kosmischen Zyklen von 12.000 Jahren zu unterziehen. Entscheidend dabei ist, ob der Mensch mit beiden Aspekte des Seins in Harmonie gelebt hat. Der Mensch muss sich deshalb zwei Urteilsspüchen stellen, weil es zwei Aspekte des Seins gibt: menok und geti, die geistige und die materielle Gestalt der Welt. Die zukünftige Wiederauferstehung des Fleisches und das Jüngste Gericht – beides Vorstellungen, die wie Himmel und Hölle etc. das Christentum und später der Islam wohl auch vom Zoroastrismus bezogen haben –, auf die das ewige Leben für Leib und Seele folgen, sind entsprechend das endgültige „Wieder gut machen“ von Ohrmuds „guter Schöpfung“, die Entfernung des Bösen aus ihr und die Vereinigung mit ihm. Eine ewige Hölle gilt allerdings als unmoralisch, und somit werden alle Menschen früher oder später nach Abbüßung ihrer Höllenstrafen (vgl. das Fegefeuer des Katholizismus, Dantes „Läuterungsberg“: Purgatorio, also eigentlich Ort der Reinigung) unsterblich werden, nachdem sie sich anlässlich der Wiederauferstehung der Welt dem zweiten Richterspruch unterzogen haben, bei dem allerdings dann doch die Sünder zusammen mit Ahriman aus der Welt entfernt, also vernichtet werden, so dass man hier durchaus nach Tokarew davon sprechen kann, die Jenseitsvorstellungen des Zoroastrismus seien im Grunde „durchdrungen von der moralischen Idee der Vergeltung“.[52]

Religionssoziologie:[53] Der Ursprung dieses strikten, bis weit über den Tod hinausreichenden Dualismus der Avesta wird inzwischen in der Feindschaft der sesshaften Bauern und den nomadisierenden Viehhirten der Indoarier gesehen, der sich ja auch in der Geschichte von Kain und Abel wiederfindet und durchaus auch in Kämpfen zwischen den iranischen Ahura-Anbetern und den indischen Daeva-Anbetern zum Ausdruck kam.[54] Auch die sorgfältige Bodenbestellung als Haupttugend weist in diese Richtung, ebenso die Pflicht zur Einhaltung von Verträgen usw., zumal die anderen Tugendpflichten relativ verschwommen gestaltet sind (gute Werke, Rechtschaffenheit, nicht lügen usw.). Seine endgültige Form nahm der Zoroastrismus erst mit Beginn der Achämenidenzeit ab dem sechsten vorchristlichen Jahrhundert nach der machtpolitischen Ablösung der Meder an, wo er vor allem unter den Sassaniden zu einem zentralistischen Priesterkult wurde. Nach Tokarew reflektiert die Entwicklung des Zoroastrismus die Entwicklung der iranischen Staaten mit der Zuspitzung von Klassengegensätzen.[55]
Der spätere, aus dem Zoroastrismus hervorgegangene Gnostizismus und der Manichäismus haben dann erheblichen Einfluss auf das Christentum ausgeübt. Später finden sich die dualistischen Grundgedanken im Christentum vor allem bei den Sekten der Paulikianer (7. Jh.), der Bogomilen (10. Jh.), der Katharer und Albigenser wieder (12./ 13. J.).

Alte vorderorientalische Religionen

Es sind dies die in Kleinasien und Palästina, also im mediterranen Osten praktizierten Religionen, die einige Gemeinsamkeiten zeigen, vor allem dualistische Fruchtbarkeitskulte (Baal gegen Mot), und teilweise auch stark synkretistisch geprägt sind, zumal sie auch Elemente aus Mesopotamien enthalten. Vor allem Palästina war durch Stadtstaatkulte geprägt, da sich hier aufgrund sich überlappender Einflusszonen aus Ägypten, Mesopotamien, dem Iran und Kleinasien nur selten und kurz größere selbständige Flächenstaaten bilden konnten.

Syrien und Palästina
 
Das Hinnom-Tal südwestlich von Jerusalem als Fortsetzung des Kidrontals. Hier befand sich in alttestamentarischer Zeit eine Kultstätte des Gottes Moloch, wo ihm Kinder als Brandopfer dargebracht wurden. Jeremia nannte es daher „Würgetal“ (Jer. 7,31 f.). Der Name der hebräischen Strafhölle Ge-(Ben-)Henna (zu Ge-Hinnom) ist von diesem Ort abgeleitet, ebenso die Verbindung zum strafenden Feuer der Hölle.[56]

Die frühe syro-kanaanäische Religion,[57] zu deren Abkömmling im Prinzip auch die weiter unten ausführlicher dargestellte jüdische gehört, ist vor allem von Vegetationsmythen bestimmt, zeigt in ihren historischn Abläufen jedoch wegen der sich zahlreiche überkreuzenden Kulturen besonders bewegte Abläufe.
Zumindest in der neolithischen Phase gab es offenbar keinen Ahnen- und Totenkult, vielmehr bestand wohl eine vegetativ-polare Vorstellung, bei der der unteren, irdischen Welt eine obere, himmlische entsprach und bei der die Erde weiblich, der Himmel männlich vorgestellt wurde (oft als Stier personifiziert) und beide Urmächte alles Lebendige miteinander gezeugt hatten. Beim Tod wurde dann die Asche der Erde zurückgegeben als ihr Anteil, der Himmel erhielt den seinigen, also Seele oder Geist. Die tief im Erdinneren angelegten Totenverbrennungsstätten deuten jedenfalls in diese Richtung. Ein irgend geartetes Jenseits mit Totengericht war somit überflüssig.
Spätneolithisch findet sich in Palästian-Syrien dann ein Megalithkult mit Menhiren, die besonders den Toten gewidmet waren, von denen man glaubte, sie wohnten in ihnen und schickten gelegentlich, wenn man dort schlief, Offenbarungsträume. Die Bedeutung ist nicht klar. Es scheint aber eine Furcht vor Totengeistern gegeben zu haben, eventuell in Verbindung mit einem Ahnen- oder Totenkult, denn man spendete den Toten nun Speise- und Trankopfer. Als dieses „Volk der Totengeister“, so nannten die späteren Völker sie, verschwunden war, übernahmen die Kanaaniter (eigentlich ein Sammelbgriff für die hier lebenden Ethnien), Aramäer und Israeliten die heiligen Orte und deuteten sie für ihre Zwecke um, übernahmen überdies die Sitte der Träume, wie vielfach in der Bibel belegt, z.B. bei Jakob in Bethel, dem Haus des Himmelgottes El der Kanaaniter, den später auch die Israeliten als Titulatur Jahwes verwendeten) sowie bis heute beim Gräberschlaf der Tuareg.[58] Aus der alten Kultstätte des Gottes Moloch im Hinnomtal südlich von Jerusalem wurde dann später im Judentum Gehenna, die Hölle als Strafort.[59]
Die betreffenden semitischen Völker waren möglicherweise aus den arabischen Halbinsel, dem Sinai und/oder Mesopotamien sowie der syrischen Wüste im 3. und 2. vorchristlichen Jahrtausend zugewandert, und zwar vermutlich ebenfalls aufgrund der Aridisierung die schon die Niltalkulktur in Ägypten ausgelöst hatte.[60] Ihre Religionen weisen mit ihren Geistern und Göttern teilweise Ähnlichkeiten mit den altarabischen auf, wie sie noch Mohammed Ende des 6. nachchristlichen Jahrhunderts vorfand und bekämpfte (vgl. Satanische Verse) bzw. Elemente wie den Megalitkult der Ka'aba[61] oder den Geisterglauben daraus übernahm und die wiederum zahlreiche Traditionen aus Mesopotamien bezogen.[62]

Außer den Juden der Frühzeit im zweiten vorchristlichen Jahrtausend und bis zur Zeit der Reformen des Hiskia, vor allem aber des Josia hatten hier aber auch die Ugariter und Phönizier ihre religiösen Wurzel im Kult um den Himmelsgott El und Baal, um Aschera sowie diversen palästinensischen Stadt- und Unterweltsgöttern wie Melkart bzw. dem ugaritischen Mot und der palästinensische und phönizische Choron. Mit dem Adoniskult gab es zudem einen Vegetationsgott im Rahmen des gemeinmediterranen Mythos vom „Sterbenden Gott“. Die Riten wurden von einer mächtigen Priesterschaft und einem sakralen Königtum getragen, waren magisch, ja orgiastisch bestimmt und imponierten häufig als Mysterienkult. Ähnlichkeiten zu Ägypten, Mesopotamien wie Griechenland fallen auf. Die Religion der Philister enthält zwar einige altägäische und ägyptische Elemente, ist ansonsten aber identisch mit der der übrigen palästinensischen Völker.[63]
Die Unterweltvorstellungen sind generell eher diffus, gelegentlich von polaren Götterkampfmythen bestimmt (Mot verschlingt Baal). Ein Totengericht gab es wie im frühen und mittleren Judentum offenbar nicht oder es ist nicht nachweisbar und aufgrund der vegetatiosnmythischen Struktur dieser Religionen auch nicht sehr wahrscheinlich. Ähnliches gilt für andere bronzezeitliche semitische Stämme der Region wie die Moabiter (Gott Kemasch), Ammoniter, die Moloch anbeteten, die Edomiter, Amoriter, Nabatäer (Petra) und andere meist ursprünglich nomadische Völker, die in Konkurrenz zu Israel mitunter kleinere Nationalstaaten ausbildeten, die später teilweise von Israel oder den umliegenden Großmächten absorbiert wurden.

Die lediglich als Staatskult überlieferte Religion der Hethiter[64] ist stark synkretistisch geprägt und nahm aus Anatolien sowie von vielen benachbarten Völkern Vorstellungen, Mythen und Götter auf, vor allem die sehr archaischen Mythen Anatoliens. Für die als göttlich betrachteten Könige gab es umfangreiche Totenrituale, aber auch der einfache Tote ging in die jenseitige Welt, und zwar endgültig, und ein Umgehen der Totengeister gab es nicht. Vor allem für die Könige ist auch ein Ahnenkult mit Opfern bezeugt. Ein Totengericht gab es jedoch offenbar nicht.

Die Religion von Urartu (Chaldäer)[65] ist durch den Rechtsanspruch der Götter gegenüber den Menschen geprägt. Über die Jenseitsvorstellungen ist so gut wie nichts überliefert, auch Bestattungen wurden außer einem Fürstengrab keine gefunden. Aus den einzelnen Kammern schließt man, dass sie wohl als Wohnort des Verstorbenen gedacht waren. Es gab einen ausgeprägte Opferkult. Über ein Totengericht ist nichts bekannt.[66] Gleiches gilt für die Phrygier, über deren Religion kaum etwas bekannt ist, außer dass in ihrem Mittelpunkt eine Muttergottheit, Cybele, stand.

Die phönizische Religion[67] steht der frühen kanaanäischen Religion sehr nahe; wichtigste Götter waren Baal, Melkart und der höchste Gott El sowie Astarte (Aschera) und der Todesgott Mot. Zentral ist ein Fruchtbarkeitskult mit dem Mythos des sterbenden Gottes (Baal und Adonis), wie er dann später unter anderem für das Christentum wesentlich wurde. In den einzelnen phönizischen Städten variierten die kultischen Vorstellungen allerdings stark, und sie waren vor allem von spezifischen Stadtgöttern geprägt. Die phönizische Religion breitete sich später im ganzen Mittelmeerraum aus. Über das phönizische Jenseits und die damit zusammenhängenden Vorstellungen wissen wir abgesehen von seiner Bedeutung als vegetationsmythischem Ort wenig; von einem Totengericht ist nichts bekannt.

Religionen der antiken Klassik

 
Persephone beaufsichtigt Sisyphos mit seinem Stein in die Unterwelt. Seite A von einer schwarzfigurigen attischen Amphore, um 530 v. Chr. Aus Vulci.

Die alten Religionen des Mittelmeerraumes waren vor allem Religionen, die auf bestimmten formalen Verhaltensweisen beruhten, die in den komplexen Beziehungen zwischen Göttern und Menschen sowie deren Ahnen, sogar des Kosmos ingesamt ihren Ausdruck fanden. In diesem Beziehungsgeflecht hatte jeder seine Platz zu suchen und auszufüllen. Der Wille der Götter wurde durch Orakel, Astrologie und Wahrsagerei erforscht.[68] Vorstellungen von einem Totengericht sind daher bei Griechen, Etruskern und Römern wenn überhaupt, dann eher schwach ausgeprägt und orientieren sich, so vorhanden, vor allem an Äußerlichkeiten und der Einhaltung der Totenriten und weniger an ethischen Normen. Alle drei Religionen weisen nicht zuletzt wegen ihrer indoeuropäischen Herkunft und der ihren Gesellschaften zugrunde liegenden dreigeteilten Sozialstruktur aus Priester, Kriegern und Bauern/Handwerkern, wie sie vor allem Georges Dumézil postulierte, starke Parallelen und Abhängigkeiten auf,[69] so dass sie sinnvollerweise miteinander besprochen werden. Vor allem der Begräbniskult war bei Etruskern und Römern stark ausgeprägt, doch eher als Symptom einer Führungsschicht, bei der ein großer Aufwand in diesem Punkte auch als Statussymbol galt. Zudem finden sich bei beiden starke Rest eines manischen Ahnenkultes als möglicherweise altitalisches Erbe. Da ein derartiger Ahnenkult jedoch gewöhnlich Totengerichtsvorstellungen ausschließt oder nur in reduzierter Spätform bzw. Überschichtung beinhaltet, wie andere Religionen, vor allem die ethnischen Afrikas, Asiens (insbesondere Chinas und Japans) und Amerikas zeigen, sind diese, so vorhanden wohl als griechische Übernahmen zu verstehen.[70]

Griechen

Der Jenseitsglaube der Griechen jener Zeit[71] ist eher heterogen und hat sich im Laufe der Jahrhunderte auch stark gewandelt bis hin zum Seelenwanderungsglauben der Pythagoräer. Man glaubte nach Hesiod und Pindar sowie bei Homer und Platon (z.B. in Der Staat, Buch 10) zunächst an eine Art Insel der Seligen, Elysion, wo außer den Götterverwandten und Heroen der, der sich in drei Reinkarnationen auf der Erde bewährt hatte, hin durfte, nur Herakles wurde direkt auf den Olymp versetzt. Vor allem die Pythagoräer nahmen dann diese Vorstellung der Seelenwanderung auf. Die spätere Vorstellung eines Strafortes Tartaros, in der die gestürzten Titanen und andere Übeltäter oder ehemalige göttliche Machtkonkurrenten leiden, die sich gegen den göttlichern Willen vergangen hatten (Hybris) und einer etwas milderen, aber öden Unterwelt Hades sowie ein paradiesischer Ort, das Elysion, repräsentieren die alte kosmologische Dreiteilung.
Die Unterwelt ist Gott und Ort in einem. Dort hausen die schwächlichen Totenschatten, die man durch Speise- und Trankopfer ständig stärken muss, damit sie überhaupt sprechen können. Die Toten werden von Hermes bis zum Unterweltsfluss Styx geführt, den sie mit Hilfe des Fährmannes Charon überqueren, der dafür auch noch zu bezahlen ist (man legte den Verstorbenen daher eine Münze zu diesem Zweck in den Mund).
Es existiert hier nun ein eindeutiges Totengericht. In seinem Richteramte stehen dem als Unterweltgott unerbittlich strengen Hades nach späterer Überlieferung die drei Totenrichter Minos, Rhadamanthys und Aiakos freudlos auf der Asphodeloswiese zur Seite. Die Seelen der Gerechten werden in die von der Lethe, „dem Strom des Vergessens“, umflossenen, glückseligen Elysion-Gefilde gewiesen, der alten Insel der Seligen. Nach einem negativen Urteil mussten die Sünder hingegen lange Reinigungszeremonien durchmachen, bevor sie den Status eines Seligen ereichten und, nachdem sie ebenfalls aus Lethe, dem Fluss des Vergessens getrunken hatten, nach Elysion gehen durften. Zuvor wurde ihnen jedoch gewährt, ihre zukünftige Inkarnation selbst zu wählen. Andere, die besonders schwer gesündigt hatten, blieben aber für immer verdammt. Es gibt nun auch die Idee der Bestrafung von Frevlern, die den Zorn der Götter erregt haben; sie werden in den Abgrund des Tartaros, den schrecklichen Ort der Verbannung gestoßen, wo sie auf mancherlei Weise für ihre Untaten zu büßen haben (Sisyphos, Tantalos, die Danaiden, Prometheus, Minos usw.). Der Hades bleibt indes nur wenigen auserwählten Menschen erspart, die vergöttlicht werden.
Verbreitet war die Überzeugung, dass das Schicksal der Toten davon abhänge, ob die Lebenden an der Leiche die obligaten Zeremonien ausführten, weshalb diese in der griechischen Religion eine zentrale Stellung einnahmen. Die Seelen Unbestatteter fanden hingegen keine Ruhe. Totenopfer zur Speisung der Seelen wurden für sehr wichtig gehalten und gelten als Reste des uralten Fruchtbarkeitskultes.
Der Hades, dieser öde und endlose Ort ohne Wiederkehr, ähnelt stark mesopotamischen und jüdischen Vorstellungen. Es ist schon aus diesem Grunde kein Wunder, dass sich die Göttervorstellung der Griechen schnell verweltlichten und nach und nach nicht mehr allzu ernst genommen wurden, etwa bei Xenophanes. An die Stelle solch religiöser Vorstellungen traten etwa bei Platon dann philosophische, in denen der Begriff der Tugend (Areté) an Bedeutung gewann und derart dem Menschen ein selbstbestimmtes Mittel in die Hand gab, solche dunklen Vorstellungen zu überwinden. Die Orphik wiederum, in deren Zentrum die Lehre vom Schicksal der Toten stand, versuchte durch mystische Zeremonien, den Gläubigen ein seliges Leben im Jenseits zu sichern.

Etrusker

Die Struktur der von einem ausgeprägten Totenkult in Nekropolen geprägten etruskischen Religion[72] ist archaisch, von Vegetationsmythen und einem strengen Determinismus bestimmt, der Züge einer kosmologischen Prädestination trägt und als religionsphilosophisches System überaus komplex ist. Weiter sind Geister- und Dämonenglaube ausgebildet. Ob es ein eigentliches Totengericht gab, weiß man nicht. Auch einen eindeutig nach dem Muster des griechischen Unterweltschiffers Charon gebildeter „Charun“ mit ähnlicher Funktion gab es, aber auch dies ist erst ab dem 4. vorchristlichen Jahrhundert bezeugt, in dem auch die Paarung Persephone/Hades (Phersipnai/Eita) in der etruskischen Überlieferung offenbar unter griechischem Einfluss auftaucht. Es gab Todesdämonen. Eine Vergöttlichung der Toten war möglich; sie konnte durch Opfer erreicht werden. Auch glaubte man offenbar, die Toten blieben in ihren Körpern und könnten so die Opfer, die man ihnen brachte und die luxuriöse Grabausstattung direkt genießen. Ein Unterweltsglaube scheint daher im Gegensatz zum griechischen Hades nicht bestanden zu haben. Nach den Malereien und Plastiken in den Nekropolen zu urteilen glaubte man also an eine freudvolle Nachexistenz, möglicherweise auch, um die Toten derart an der Rückkehr zu hindern. Ob diese allerdings lediglich für die Adelsschichten zugänglich war, wie etwa in Südamerika und anderen frühen Kulturen, und welche Jenseitsvorstellungen in der Volksreligion lebendig waren, ist bisher in Ermangelung aussagefähiger Schriftzeugnisse nicht überliefert.

Römer

Über die römischen Jenseitsvorstellungen der Frühzeit ist wenig bekannt, insgesamt blieben sie aber auch später eher vage. Götter waren ursprünglich gestaltlose, erst später personifizierte Naturgewalten bzw., Numen, wenn ihr Wirken gemeint war, das Schicksal Fatum war wie bei den Etruskern weitgehend vorgezeichnet. Insgesamt findet man also eher bäuerliche Vorstellungen. Götterbilder kamen erst unter etruskischem und griechischem Einfluss auf. Der Ahnenkult war ausgeprägt, und man glaubte an ein Weiterleben der Seele in einem irgend gearteten Paradies und an eine Art reziprokes Vertrauensverhältnis zwischen Göttern und Menschen. Die Geister der Toten, Larvae oder Lemuren waren gefürchtet.[73]
Später übernahmen die Römer weitgehend die religiösen Vorstellungen der Griechen und amalgamierten sie mit etruskischen und altitalischen Konzepten zu einem politisch effektiven Staatskult, wobei es vor allem in der Kaiserzeit zu einer starken Verweltlichung kam. In der Volksreligion blieben jedoch archaisch-animistische Elemente lebendig mit Geisterfurcht und Angst vor der Wiederkehr Verstorbener. Gräber galten daher als sakrosankt, da man glaubte, sie würden von jenseitigen Mächten bewacht, und man glaubte ganz wie die Etrusker, einen komfortabel und prächtige Grablege würde die Toten von einer Rückkehr abhalten. In Vergils 6. Gesang der Ende des ersten vorchristlichen Jahrhunderts entstandenen Aeneis ist die Übernahme griechischer Jenseitsvorstellungen besonders gut bezeugt. In der römischen Mythologie wird Hades Pluto genannt (dem Namen nach eigentlich ein alter chthonischer Fruchtbarkeitsgott) und später mit diesem gleichgesetzt. Der Hades als Ort wird in der römischen Mythologie zum Orcus. Diese Unterwelten wurden im Christentum allesamt zur Hölle als Ort ewiger Verdammnis und verschmolzen mit der Hel der germanischen Mythologie. Ein eigentlich römisches Totengericht abseits von griechischen Konzepten ist in der ohnehin stark diesseitig orientierten römischen Kultur nicht ausgeprägt. Auch hier war jedoch die Einhaltung von Totenritualen sehr wichtig, um den Toten ein möglicherweise übles Schicksal zu ersparen.[74]

Alteuropäische Religionen

 
Räumliche Verteilung der alteuropäischen Völker und damaligen Mächte in Europa um 218 v.Chr.
Übersicht

Vor allem bei Kelten, Germanen und Slawen sowie erst recht bei den Skythen, Thrakern und Illyrern liegt die Schwierigkeit bei der Analyse ihrer Jenseitsvorstellungen und abgesehen von den Überlieferungsproblemen in zwei Faktoren begründet:

  1. Diese Völker waren keine homogene Gesellschaften, sondern in Stämme und lokale Herrschaften gegliederte lose, in ihrer Vorstellungswelt oft recht heterogene Kultgemeinschaften, die teils überhaupt nie, teils erst sehr spät und dann christliche Staaten ausbildeten (etwa in Spanien und Oberitalien) und über ganz Nord-, West, Ost- und Mitteleuropa verbreitet waren. Die Vandalen etwa kamen ja bis nach Nordafrika, die Goten bis Italien und Spanien, die Wikinger bis Grönland und Südrussland, wo sie das frühe russischer Reich gründeten (Kiewer Rus). Und die Kelten fielen unter anderem in Italien und Griechenland ein und kamen bis nach Kleinasien (Galater) und bildeten als Gallier in Frankreich lange Zeit die Hauptgruppe der Bevölkerung. Die Slawen wiederum hatten ein Siedlungsgebiet von der Elbe im Westen über den Balkan im Süden bis in die Ebenen Osteuropas.
  2. Der Einfluss des Christentums machte sich oft schon sehr früh und im Einzelnen oft heute nicht mehr genau identifizierbar bemerkbar. Aber auch alte griechische Vorstellungen wie die analog den drei Parzen gebildeten drei Nornen[75] und die Struktur der Unterwelt samt einigen Details, etwa die Brücke zur Unterwelt, der Höllenfluss Gjoll, der Höllenhund Garmr oder die die Brücke bewachende Riesin Modgud scheinen relativ früh, und hier vor allem bei den Germanen auf ihre Jenseitsvorstellungen eingewirkt zu haben; und bei vielem, was und heute als „germanisch“ überliefert ist (und zum Beispiel von Richard Wagner und später den Nazis dafür gehalten wurde), handelt es sich bereits um christlich beeinflusste Entwicklungsstufen, von den Schrecken der Hölle, der ethischen Aufteilung in Gut und Böse bis hin zur Eschatologie, wie sie uns etwa im altsächsischen Heliand begegnet.[76] Damit beginnen sich aber auch erste Vorstellungen von einem Totengericht auszubilden, das ja bei einer moralisch-ethischen Einstufung der Toten notwendig wurde, die es bis dahin nicht gegeben hatte.
 
Die Dolmen waren Tore zur Unterwelt. Hier die Feendolmen von Draguigna (Dép. Var) in Frankreich.

Die Religion der Kelten,[77] bei der es vergleichbare, jedoch nicht ganz so ausgeprägte Überlieferungsprobleme wie bei den Slawen gibt, ähnelt in manchem der der Etrusker, die wohl deren Ursprünge in der Urnenfelderkultur teilen. Da wie dort fehlt offenbar ein ausgeprägter oppositioneller Gut-Böse-Dualismus (im walisischen und irischen Sagenkreis allerdings kommt er aber möglicherweise als Spätentwicklung unter christlichem Einfluss vor) einschließlich der damit zusammenhängenden Götterkampfmythen samt Jenseitsfurcht und Totengericht, die ja der Urnenfelderkultur fremd gewesen sein dürfte, zieht man die Bestattungsbräuche mit heran. Erstaunliche Ähnlichkeiten der keltischen Mythologie bestehen zur Mythologie der alten, wiederum stark durch die altiranischen Kulturen beeinflussten Slawen, ja sogar zum frühen Hinduismus.[78] In der Mythologie ist nirgends die Rede von Schuld, Bestrafung und Gericht in einem Leben nach dem Tode, stattdessen gab es einen ausgeprägten Seelenwanderungs-Glauben (allerdings nicht im pythagoreischen Sinn) und eine Wechselwirkung zwischen Diesseits und einem durchaus angenehm gedachten Jenseits ohne Tod, Arbeit und Winter, das sich unter der Erde (etwa in den Dolmen), unter Wasser oder auf sagenhaften Inseln befand (z. B. Avalon) und in dem Götter, Feen, Geister und Tote miteinander wohnten.

Da die Skythen[79] wie die Slawen ein schriftloses Volk waren, ist über ihre religiösen Vorstellungen nur wenig bekannt. Ein Totengericht scheint es wie z.B. bei den Etruskern nicht gegeben zu haben, so dass vieles wie bei den Kelten auf die Vorstellung eines Kontinuums Diesseits – Jenseits deutet, wobei der vornehme (und dann einbalsamierte) Tote die reichen Gaben der Bestattung quasi mitnehmen konnte, ohne befürchten zu müssen, von strengen Richtern im Jenseits bestraft zu werden. Priester und Tempel gab es kaum. Die bekanntesten Hinterlassenschaften der Skythen und ihres Totenkultes sind die Kurgane, die mit enormem Arbeitsaufwand errichtet wurden, der darauf hindeutet, dass der verstorbene Fürst auch im Jenseits über seine oft mitbeerdigte Frau, sein Gefolge und seine Ausrüstung, ja sogar seien Pferde verfügen wollte.

 
Illustration aus einem 1895 erschienenen Buch von Karl Gjellerup „Den ældre Eddas Gudesange“ zur Völuspa Strophe 24, wo über den Qualort Nystrand der Unterwelt berichtet wird (die Sünder waten durch Gift und Schlangen). Es handelt sich hier aber bereits um eine christlich überformte Vorstellung, die man damals aber noch für rein germanisch hielt.

In der Religion der Germanen[80] war der Aufenthaltsort der Toten das lichtlose Hel, das jedoch ursprünglich nicht als Ort der Verdammten gedacht war, die dort an „Qualorten wie dem Nystrand“ (Totenstrand) eine Strafe abbüßen müssen (das ist bereits eine christliche Vorstellung, die hier stark auf die Völuspa eingewirkt hat!); und analog gibt es auch kein Totengericht. Im Norden entwickelte sich dann aus der örtlichen die persönliche Hel als Unterweltsgöttin. Der Ort Hel wurde dabei unter christlichem Einfluss zum Strafort Hölle, und die sittliche Beschaffenheit der Toten (hier zunächst seine Verdienste als Krieger) wurde nun zunehmend zum Zuweisungsgrund, wobei zunächst nur die Positivauswahl der Walküren auf dem Schlachtfeld ausschlaggebend war, bei der es sich im übrigen ebenfalls um eine sehr späte, aus der Völkerwanderungszeit (4. Jh. n. Chr.) stammende, erst im 9. Jahrhundert n. Chr. in der Snorra-Edda schriftlich überlieferte, vielleicht sogar um eine christlich motivierte Vorstellung handelt, denn, so Golther: „In Wirklichkeit sind eben Hel und Walhalla eins, das große, allumfassende Seelenreich“.[81]
Zunächst jedoch gab es aber für die Toten der vorchristlichen Germanen meist nur Hel, in der das Leben jedoch keinesweg elend gedacht war, vielmehr ähnelte es stark dem irdischen; und den Vornehmen wurde ein durchaus festlicher Empfang bereitet. Nur in einigen nordgermanischen Stämmen ist Walhalla als letztes Refugium einer spezialisierten Kriegerkaste überhaupt präsent. Auch der Däne Saxo Grammaticus spricht nur von unterirdischen Totenorten – solchen für Krieger mit angenehmen grünen Gefilden und für „Neidlinge“ in schlangentriefenden, im Norden liegenden Höhlen.
Die Germanen glaubten allerdings an eine Art Seelenwanderung und an die Wiedergeburt[82] – letzeres eventuell ebenfalls schon ein christlicher Gedanke –, so dass diese dunklen Vorstellungen vom Tod doch einigermaßen entschärft sind. Jedoch kann es geschehen, dass Hel sich weigert, eine Seele wieder herzugeben (Balder-Mythos) – eine jener alten Diskrepanzen, wie sie schon im Orpheus-Mythos zum Ausdruck kommen und die das Christentum als Erlösungsreligion später so erfolgreich nutzte.
Überdies herrschte vor allem nordgermanisch und hier insbesondere auf Island der Glaube an Schicksalsfrauen (Nornen, es waren zahlreiche, erst unter antikem Einfluss wurden es drei), die im Sinne einer kosmischen Prädestination wurd, das Schicksal jedes Einzelnen, in ihrem Gewebe oft sehr ungleich vorherbestimmten und deren Macht selbst die Götter unterworfen waren (es gab böse und gute Schicksalsfrauen in diesem Sinne; Reste davon sind noch im Märchen von Dornröschen enthalten). Die sittliche Qualität von Göttern und Helden und entsprechend ihre Behandlung in Hel richtete sich danach, wie sie wurd begegneten. Zu ihnen gehören auch die Walküren als besondere Schicksalsfrauen der Schlacht.[83]

Der altslawische Glaube[84] war noch stark animistisch bis totemistisch geprägt. Teilweise aufwendige Grabbeigaben deuten auf ausgeprägte Jenseitsvorstellungen dieses schriftlosen und sehr heterogenen Volkes bin. Es scheint eine Art Paradies gegeben zu haben sowie einen feurigen Ort, wo die Bösen litten (die Unterscheidungskriterien sind allerdings unklar). Bei den Ostslawen entscheidend war auch die Art des Todes (natürlich oder unnatürlich bzw. rein/unrein, vor letzteren hatte man Angst, da sie als Geister umgingen); ein Kult der Familienahnen scheint verbreitet gewesen zu sein. Es gab eine friedliche Vorstellung vom Leben nach dem Tode, entsprechend einen ausgeprägten Begräbniskult mit Grabbeigaben, kein Totengericht. Die Seele verließ nach dem Tod den Körper, blieb entweder vor Ort oder ging in ein Jenseits ein. Die Überlieferungslage für die altslawische Religion ist allerdings besonders schlecht und zudem stark christlich eingefärbt.

Über die Religionen der Illyrer ist recht wenig bekannt. Die Thraker weisen jedoch starke Ähnlichkeiten mit griechischen religiösen Vorstellungen auf. Nach Herodot, der ihnen eine regelrechte Todessehnsucht nachsagte, (Historiae V, 4) glaubten sie an die Unsterblichkeit der Seele und betrieben einen Mysterienkult mit Elementen der Seelenwanderung, wie man sie auch in der Orphik findet.[85]

Mesoamerikanische und andine Religionen

 
Statuette des aztekische Totengottes Mictlantecuhtli, der über das nördliche Totenreich herrschte (Brit. Museum). Er wird meist mit einem Totenkopf und herabhängenden Knochen dargestellt.
Übersicht

Die Religionen dieser präkolumbianischen Region[86] sind noch stark schamanisch geprägt. Wie in Alteuropa gilt auch hier, dass es erhebliche zeitliche (z.B. Olmeken, Zapoteken, Tolteken, Mixteken, Chavin, Nazca, Paracas, Mochica, Chimu usw.), regionale und lokale Unterschiede (z.B. La Venta, Teotihuacan, Monte Alban, Tikal, Palenque, Copan, Chichen Itza, Tenochtitlan, Tiahuanaco) bei Kult und Götterwelt gab, doch bestimmte Grundzüge und Mythen, die offenbar allen gemeinsam waren, etwa den Mythos vom Jaguarmann. Auch das Überlieferungsproblem stellt sich hier in aller Schärfe.
Eigentliche Jenseitsvorstellungen: Es gab im gesamten Altamerika Vorstellungen einer Seelenwanderung, bei der die Seele, man konnte auch mehrere haben (wie bei den Ägyptern), auf Tiere überging oder von Tieren auf Menschen, eine noch völlig schamanische Vorstellung. Die Jenseitsvorstellungen sind im Rahmen kultureller Unterschiede zwischen den einzelnen präkolumbianischen Kulturen Mesoamerikas relativ ähnlich.

Mesoamerika

Es gibt bei den Mayas und Azteken anders als etwa in der ägyptischen Religion kein eigentliches, auf das Abwägen von Verdiensten und Vergehen gerichtetes, also rechtlich orientiertes Totengericht, allerhöchstens ein von äußerlichen Ansätzen abgeleitetes, wie man es ja bereits von anderen alten Religionen kennt. Das gilt generell für alle präkolumbianischen Religionen, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, denn in Südamerika sind durchaus Mumienkulte in regelrechten Nekropolen nachweisbar, etwa die Paracas-Nekropole, die auf den Glauben an ein körpergebundenes Weiterleben nach dem Tode hinweisen. Dazu existierte dort generell ein Ahnenkult, der allerdings auch ein Fruchtbarkeitskult war, was wiederum auf eine relativ frühere Entwicklungsstufe von Religion schließen lässt. (Die mesoamerikanischen Götter sind meist Naturgötter für Regen, Mais usw.) Die Jenseitsvorstellung z.B. der Azteken ist nicht von der irdischen Lebensführung einer Person, sondern von der Todesart und der früheren beruflich-sozialen Stellung des Totenseele abhängig, deren Potenz sie mit ins Totenreich nimmt (deutliches Zeichen einer sich von der Volksreligion stark unterscheidenden Herrschaftreligion). Auch eine enge Beziehung zum Opferblut, also wiederum eine Verbindung zur Fruchtbarkeit, ist für alle präkolumbianischen Kulturen charakteristisch; ebenso ein teils exzessiver Opferkult mit Menschenopfern.
Kosmologisch gab es eine Dreiteilung der Welt in Oberwelt, feste und Wasserwelt und Unterwelt nach schamanischem Muster. Diese Hauptwelten waren wiederum teils extrem unterteilt in bis zu 13 Überwelten und 9 bis 13 Unterwelten, letzere als teils gefahrvolle Aufenthaltsorte der Seelen. Das Ganze wird überlagert von einem zyklischen kosmogonischen Viererprinzip (vier Weltzeitalter, vier Quadranten der vier Himmelsrichtungen u.s.w.). Beherrscht wurde diese Unterwelt von den zwölf dunklen Herren mit Namen wie „Eins-Tod“, „Hervorbringer des Eiters“, „Knochenstab“ oder „Blut ist seine Klaue“, also de facto schamanische Dämonen, wie sie ja auch die mesopotamische Unterwelt bevölkern. Wer starb, der musste nach der Vorstellung der Mayas und Azteken, aber wohl auch schon der ihnen vorausgehenden Völker, an einen Ort der Angst (Xibalba) hinabsteigen und geführt von einem Totenhund (ganz ähnlich dem Cerberos der Griechen) den gefährlichen Weg hinab auf sich nehmen und einen siebenarmigen Unterweltfluss überqueren. Von den Herren der Unterwelt wurden er dann geprüft und gedemütigt, bis diese die Seele wieder freiließen. Es scheint also, dass es eine Art allgemeines Totengericht doch in Ansätzen gegeben hat, jedoch weniger als eine Art Prüfinstanz, denn er herrschte ja offenbar dämonische Willkür (ähnlich der mesopotamischen Unterwelt), sondern eher als Verteilerfunktion. Auch ist das anschließende Verfahren nicht ganz klar (gerade die religiösen Texte wurden von den spanischen Eroberern vernichtet), sofern es so etwas überhaupt gab.
Es gab im Totenreiche auch vier Paradiese, entsprechend den vier Himmelsrichtungen: Die im Kampf getöteten Krieger gingen direkt in das östliche Paradies ein, das „Sonnenhaus“ Tonatiuhichan, wo sie mit den Menschen zusammentrafen, die den Opfertod gestorben waren. Ebenso gab es ein westliches Paradies, das „Maishaus“ Cincalco, für die im Kindebett Gestorbenen, denen ebenfalls Verehrung zuteil wurde. Ins südliche, als äußerst fruchtbar geschilderte Paradies gelangten die Toten, deren Tod mit dem Regengott Tlaloc assoziiert wurde, also Ertrunkene, vom Blitz Erschlagene, aber auch solche, die an Lepra oder anderen Krankheiten gestorben waren. Zum nördlichen Totenreich Mictlan führte hingegen kein direkter Weg. Dorthin gelangten nur die von der Sonne auserwählten Toten. Um Mictlan zu erreichen mussten an neun verschiedenen Orten Mutproben bestanden werden, bevor man nach vier Jahren dort eingelassen wurde. Auch einen Totengott Mictlantecuhtli gab es, der zusammen mit seiner Gattin Mictecacíhuatl das nördliche Totenreich beherrschte.
Das Schöpferpaar Ometecuhtli und Omecihuatl lebte im obersten der 13 (oder 9) Jenseitsbereiche. Hierher gelangte als einzige menschliche Toten die gestorbenen Kleinkinder. Noch jenseits dieses Himmels vermutete man Tloque Nahuaque, den „Allgegenwärtigen“ und vermutlich das, was im Schamanismus der eine oberste Weltengott gewesen war, wie er in fast allen Religionen irgendwo vorkommt.

Andine Religionen

Typisch für die Inkas[87] war ein Sonnen- und Mondkult, der vor allem als Staatskult imponierte, indes der Volksglaube wie auch in Mesoamerika noch stark animistisch-schamanisch geprägt blieb, denn in seinem Zentrum stehen Tier- und Ahnenkult (Vorfahren galten als heilig) sowie ein Kult von Göttern repräsentierten Naturerscheinungen und -kräfte (besonders Felsen), wie er sich etwa im teils bis heute lebendigen Kult der früher auch als Begräbnisstätten genutzten Huacas äußerte und wie er bis in die Moderne bei den nativen Indianerkulturen Südamerikas teilweise noch lebendig ist. Für den Inka selbst wurde angenommen, er nehme im Jenseits dieselbe gottgleiche Position ein wie im Diesseits, für den Adel, der einen reichen Begräbniskult entwickelte, galten entsprechende Abstufungen. Für die Inkas ist jedoch im Unterschied zu den mesoamerikanischen Kulturen ein Totengericht auch nicht in Ansätzen bekannt. Man weiß allerdings, dass die Unterwelt mit dem Gedeihen der Pflanzen zu tun hatte, so dass die Gedankenverbindung Tod und Fruchtbarkeit nahe liegt, zumal es im Zusammenhang mit dem Tod zahlreiche sexuelle Darstellungen gibt. Die Unterwelt galt somit als Quelle des Lebens, eine für frühe Bauernkulturen typische Haltung. Menschenopfer waren in diesem Zusammenhang häufig, denn nach altperuanischer Vorstellung tranken die Toten Blut.[88] In der Paracas-Kultur waren Mumifizierungen häufig, überhaupt deutet der Reichtum der Bestattungen vor allem der religiösen und weltlichen Führungsschicht schon in den Vorinka-Kulturen wie Mochia, Aymara, Chimu oder Nazca auf bestimmte Jenseitsvorstellung, die aber wegen des Fehlens einer Schrift nicht genauer verifizierbar sind, jedoch auf eine Wirkung der Toten auf die Fruchbarkeit hindeuten.[89] Die Chimu wie die Inkas glaubten offenbar zudem, ein Monarch oder Adeliger werde nach seinem Tod in seinem Palast weiterleben. Derart luxuriöse Begräbniskulte wie auch die Mumifizierungen signalisieren interkulturell aber häufig, dass man glaubte, die Beigaben könnten in eine jenseitige Welt mitgenommen werden, die entsprechend der diesseitigen sozial stark geschichtet und ein Spiegel des Diesseits war. Ob es dabei wie etwa in Ägypten Totengerichtsverfahren gab, ist unklar.

Lebende Religionen

Abrahamitische Religionen

 
Abraham war in Judentum, Christentum und Islam eine zentrale Figur und wird auch im Koran sehr häufig und ausführlich erwähnt (2. 6., 19., 21. Sure). Hier: Abraham will Isaak opfern, eine Abbildung aus dem islamischen Kulturkreis der Timuriden, Anfang 15. Jahrhundert.

Die abrahamitischen Religionen[90] werden nach der verbindenden Gestalt des alttestamentarischen Abraham so genannt und umfassen Judentum, Christentum und Islam nebst einigen von diesen abgeleiteten oder mit ihnen verwandten kleineren Religionen wie Bahai, Karäer, Samaritaner, Mandäer, Drusen usw.
Vor allem in diesen monotheistischen Großreligionen findet man eine starke Vermischung des Totengerichtskonzeptes mit eschatologischen Vorstellungen von Apokalypse, Auferstehung, Letztem Gericht und Erlösung. Vorhandene oder übernommene Totengerichtvorstellungen gehen schließlich darin auf, wobei Reste allerdings bestehen bleiben, oder sie werden durch äußere Einwirkungen und überkommene heidnische Traditionen verzerrt. Dies gilt vor allem im Christentum und im Islam mit ihren ausgeprägten und formalisierten Jenseitsvorstellungen, die, meist als mittelalterliche Spätentwicklungen, hochdifferenziert sein können und daher vor „Eintritt“ wiederum gewisse Prüfmechanismen erfordern. Diese sind allerdings oft relativ widersprüchlich, ja verschwommen oder sie werden gar wie im Christentum, insbesonder in seiner Gnaden- und Rechtfertigungslehre, abermals in den göttlichen und daher unerforschlichen Willen hineinverlegt, dem man aber sekundär menschliche Gerechtigkeitsvorstellungen unterschiebt, wie das besonders schön in Dantes „Göttlicher Kommödie“ mit ihren hochscholastischen Sündensystematisierungen und Strafdifferenzierungen zu beobachten ist und wie das vor allem für die Machtsicherung von Kirche und Staat in Spätantike, Mittelalter und Neuzeit nützlich gewesen ist.[91] (Es gibt alleine im Inferno mehrere Dutzend davon mit jeweils „zuständigen“ Höllenkreisen und Strafarten, entsprechendes gilt für das Purgatorio, ja sogar als Grad der Seligkeit für das Paradies).
Aus antiken, meist griechischen Traditionen sind hie und da insbesondere in das Christentum und Judentum (etwa in der Gnosis) und im Chassidismus) auch Gedanken der Seelenwanderung eingedrungen, haben sich meist jedoch nicht halten können, vor allem, wenn sie mit dem Auferstehungs- und Erlösungsgedanken konkurrieren mussten, der die potentiell endlosen Zyklen einer Seelenwanderung positiv überlagern konnte, sofern nicht ein unabänderlicher Aufstieg der Seele bis hinein in das Göttliche selbst imaginiert wurde. Im kabbalistischen Chassidismus hat die vor allem im Buch Sohar entwickelte Vorstellung der Seelenwanderung Gilgul allerdings seit dem späten Mittelalter Fuß gefasst.[92] Der Zoroastrismus hat ebenfalls mit seinem extremen Gut-Böse-Dualismus und den damit einhergehenden Totengerichtsvorstellungen auf die abrahmitischen Religionen wesentlich eingewirkt (etwa im Manichäismus und den von diesem abgeleiteten Sekten, die gewöhnlich von der Kirche massiv verfolgt wurden, da sie ihr Machtprivileg bedrohten).

Das Judentum[93] ist eine der wenigen Religionen des Altertums, die sich bis in unsere Zeit erhalten haben und spiegelt in seinen verschiedenen Entwicklungsstufen zahlreiche der in späteren Schwesterreligionen auftretenden Vorstellungen zu Tod, Jenseits und Eschatologie, weshalb es hier etwas ausführlicher betrachtet werden soll. Seine diesbezüglichen Konzepte sind allerdings außerordentlich heterogen und nur im historischen Längsschnitt vernünftig darstellbar, da sich in Palästina verschiedene historische und religiöse Entwicklungen überlagern. Grundsätzlich ergeben sich dabei 5 Phasen:[94]

Nomadenperiode und Vorexilzeit (Erstes Reich bis ca. 539 v. Chr.): Über die früheste Zeit des Nomadentumes und ihre Jenseitsvorstellungen ist wenig bekannt. Eine Vergeltung nach dem Tode gab es jedenfalls nicht. [95] Die Kulte ähnelten denen der übrigen vorpalästinensischen und palästinensischen Religionen mit ihren Fruchtbarkeitsmythen. Mit der Verehrung der Patriarchen und Erzmütter, später der Richter und von Gründergestalten wie Mose, Saul, David, Salomon und den Propheten zeigen sich auch Spuren einer auf die Kollektivität des Volkes bezogenen Ahnenverehrung, wie sie für frühe Nomaden, aus denen die Stämme Israels ja hervorgegangen sind, typisch waren. Und nicht umsonst führen sich auch die Sippen und Stämme Israels auf Stammesväter zurück.[96] Verbreitet war in dieser Periode der Glaube an Sippenschutzgötter(Teraphim) und eventuell Ahnengeister. Über den Bestattungskult weiß man wenig, ebenso über die Jenseitsvorstellungen. An eine Vergeltung nach dem Tode glaubte man aber nicht, denn Gott strafte die Menschen entweder im Diesseits oder in ihren Nachkommen.[97]
Die primären Jenseitsvorstellungen des Judentumes sind in der archaischen Periode Israels vor dem Exil extrem pessimistisch. Der Tod gehörte ursprünglich nicht zur Schöpfung, sondern war Folge des Sündenfalles; zudem sind die Darstellungen von Genesis 1–11 zur Entstehung des Bösen sehr uneinheitlich.[98] Auch eine Vorstellung von Leib und Seele gab es nicht (das war ein griechisches Konzept), vielmehr wurde das Leben einheitlich gesehen, und Blut galt als Seele. Zunächst ging man daher im frühen Judentum davon aus, dass es kein Weiterleben nach dem Tode gibt und damit auch keine Unsterblichkeit (außer indirekt durch Nachkommen). Man wünschte sich entsprechend ein langes irdisches Leben, um dieses Schicksal so lange wie möglich hinauszuschieben. Das Totenreich Scheol, in das unterschiedslos alle Toten gelangten, hatte kein Verbindung mehr mit Gott, unterlag allerdings seiner Oberhoheit. Es wurde als unterirdisch, kalt und dunkel vorgestellt und folgt offenbar mesopotamischen Vorbildern. Alle Unterschiede, auch gut und böse, hörten dort auf, es gab kein Denken, Fühlen und keine Weisheit. Ein hier überflüssiges Totengericht gab es somit nicht. Nur ganz wenige Menschen, die Gott direkt zu sich nahm, entrannen dem. Ewigkeitsvorstellungen bezogen sich stets auf das gesamt auserwählte Volk Israel. Die Striktheit der altjüdischen, vorexilischen Todesvorstellung hat allerdings paradoxerweise dazu geführt, dass sich zahllose Riten der Lebenden um den Tod entwickelten, die alle den Sinn hatten, das Gedächtnis an ihn bei den Lebenden so lange wie möglich zu erhalten, da er nur so in gewissem Sinne weiterlebte. Zudem verfuhr man mit dem toten Körper extrem sorgfältig, da er Eigentum Gottes sei und daher nicht zerstört werden dürfe (und später, als man eine Auferstehung für denkbar hielt, abermals unversehrt zur Verfügung stehen müsse).

 
Illumination zum Psalm 137 „An den Wasser zu Babel saßen wir und weinten“ (Chludov-Psalter, 9. Jh.). Aus diesem Babylonischen Exil brachten die Juden allerdings auch einige Elemente ihrer Religion mit, nicht zuletzt auch manche Jenseitsvorstellungen.

Babylonisches Exil und Nachexilzeit (Zweites Reich 539 v. Chr. bis 70. n. Chr.): In einer späteren, nachexilischen Periode kam es dann bereits zu einer ersten Differenzierung des Totenreiches, als man begann, die Scheol von der Gehenna zu unterscheiden, die nun als Strafort vorgestellt wurde (Eingang im Hinnomtal), entsprechend der griechischen Unterscheidung zwischen Hades und Tartaros, die wohl über den Hellenismus ins Judentum eingedrungen ist; und der Name Gehenna ist denn auch eine griechische Bildung zu Hinnom.
Die auch stark durch mesopotamische Vorstellunge beinflusste, später während der Perserherrschaft durch den Zoroastrismus zusätzlich angereicherte, eher verworrene Kosmologie der Juden verhinderte offenbar zudem eine deutliche Ausprägung von Jenseitsvorstellungen,und nach Tokarew ersetzte die bereits vorexilisch in Erscheinung getretene Idee des Auserwähltseins des Volkes Israel, die vor allem nachexilisch in der Zeit des Zweiten Tempels besonders auffällig in Erscheinung trat, nun mehr und mehr die Idee der Vergeltung nach dem Tode, da nach Verschärfung der Klassengegensätze die Notwendigkeit entstand, dem unterdrückten Volk eine Art religiösen Trost zu spenden, der in dem meisten Religionen als Vergeltung nach dem Tode und Belohnung im Jenseits für die Leiden im Diesseits entschädigt und damit ein Totengericht notwendig macht, das hier nun aber wegen der rein kollektiven Auserwähltseins-Vorstellung individuell überflüssig war, zumal die göttlichen Strafen das Volk stets bereits im Diesseits trafen. Auch die Reformen der Könige Hiskia und vor allem Josia zielten in diese Richtung.[99]
Das religionsphilosophische Gedankengut des Hellenismus hat hingegen trotz dessen zeitweilig großen Einflussse im östlichen Mittelmeer in dieser Periode kaum Spuren im Judentum hinterlassen, und seine abstrakten metaphysischen Begriffe sind nicht oder kaum in es eingedrungen. Jenseitsvorstellungen, Vorstellungen von der Unsterblicheit der Seele, von einer Vergeltung nach dem Tode usw. fehlen noch völlig. Gott belohnt und bestraft die Menschen hier auf der Erde, wenn nicht unmittelbar, so doch ihre Nachkommenschaft.[100] Später und bereits in der Endphase des staatlichen Judentumes der ersten beiden vorchristlichen Jahrhunderte gewann dann die Lehre von der Auferstehung des Leibes immer mehr Anhänger, wurde jedoch wie auch die Idee eines dann notwendigen Totengerichtes, etwa von den Sadduzäern strikt abgelehnt. Wichtig sind in diesem Zusammenhang die drei damals um die Zeitenwende konkurrierenden theologischen Strömungen des Judentums, Sadduzäer, Pharisäer und Essener, von denen letzlich nur die Pharisäer im Rabbinismus überlebten. Nach dem bedeutendsten jüdischen Historiker Flavius Josephus (37/38 – ca. 100 n. Chr.), dessen Überlieferungen hier jedoch unvollständig bis verzerrt sein könnten, glaubten die Sadduzäer, der Mensch habe einen freien Willen, die Essener glaubten an eine Prädestination des Menschen, während die Pharisäer einen freien Willen mit einem Vorherwissen Gottes lehrten (ähnlich die Aschariten im Islam). Die Pharisäer unterschieden sich darin weiter von den Sadduzäern, die die Jerusalemer Tempelpriester stellten, dass sie an eine Auferstehung der Toten glaubten, die unter der Erde gerichtet werden. Die Gerechten gehen in andere Körper über (womit keine Seelenwanderung gemeint sein dürfte, da es sich hier nicht um materielle Körper gehandelt hat), indes die Bösen auf ewig bestraft und in Gefangenschaft gehalten werden. Das ewige Leben verliert nach der Mischna nur, wer die Auferstehung der Toten, den göttlichen Ursprung der Thora, der bis heute wichtigsten religiösen Grundlage des Judentumes, oder die göttliche Fügung des menschlichen Schicksals leugnet. Die Leistung der Pharisäer bestand darin, die Ausrichtung des Judentums auf den Tempel zu überwinden, indem sie den Alltag durch Einhaltung jüdischer Vorschriften heiligten. Jesus stand in seiner Lehre sowohl den Essenern wie den Pharisäern nahe.

Talmudische Periode und Rabbinismus (bis ca. 700): Nach der Zerstörung des Tempels 70 n. Chr. und dem Beginn der Diaspora gewann die rabbinische Lehre vom Messias immer mehr Anhänger und hellenistisches Gedankengut setzte sich bedingt durch das Zusammenleben mit diesen Völkern zunehmend durch. Damit verbunden war der Glaube an eine leibliche Auferstehung des Körpers im Rahmen einer Eschatologie, der sich seither auch in strikten Begräbnisvorschriften wie dem Verbot der Feuerbestattung, der Autopsie und der den Körper ja teilweise zerstörenden Mumifizierung usw. niederschlägt. Das Judentum wandelte sich so von einer reinen, ethnisch und diesseitig bestimmten Offenbarungsreligion (durch die Erzväter, Moses und die Propheten) mit dem Ziel des „Gelobten Landes“ zur Erlösungsreligion mit jenseitiger Ausrichtung auf eine Auferstehung und ein ewiges Leben. Daraus ergab sich allerdings auch die theoretische Notwendigkeit, eine quasi vorselektierende Zwischeninstanz zu erdenken, welche die Menschen entsprechend verteilte in Hölle (Gehenna) und den Wartebereich Scheol für das Paradies nach einem Jüngsten Gericht, der nun ebenso notwendig blieb. Das Strafgericht, so glaubte man, werde in Gehenna zwölf Monate (bei Einhaltung des Sabbats auch dort, da an diesem Tage keine Feuer brennen dürfen) dauern und sich an der Rechtschaffenheit der Menschen orientieren, auch die der Nichtjuden.[101] Die an sich alte und vor allem durch Klassengegensätze beförderte Idee,[102] sich durch gute Werke im Diesseits (und das Studium der Thora) die ewige Seligkeit im Jenseits zu erwerben, gewann nun im Talmud an Bedeutung.

Das mittelalterliche Judentum (700 bis ca. 1750): Im rabbinischen Judentum der Diaspora hatte ein gravierender theologischer Wandel eingesetzt, und die Auferstehung (heute vor allem in Achtzehnbittengebet, dem Schemone Esre präsent) samt Jüngstem Gericht und ewigem Leben im Paradies wurde nun wohl auch durch Aufnahme christlichen Gedankengutes als solche akzeptierte, ein Vorgang, der bis zum 9. Jahrhundert abgeschlossen war, wobei die Orthodoxie von der leiblichen Auferstehung ausgeht, das moderne Judentum hingegen die Auferstehung als geistig-seelischen Erlösungsprozess versteht. Vor allem die mystisch orientierte Kabbala widmete sich dem Problem des Totengerichtes, indem sie ein hochkomplexe Struktur der menschlichen Seele entwarf, wobei nur deren niedrigste Stufe nefesh, die animalische Seele, göttliche Strafen zu erdulden hatte, die geistige Seele ruach jedoch in s Paradies eingelassen wurde und die unbefleckter Seele neschamah in Gott einging. Dabei entweickelten sich dann auch Vorstellungen einer Seelnewanderung Gilgul.

Das moderne Judentum ab 1750: Der Messianismus und der Auferstehungsgedanke sind heute ein zentraler Gedanke vor allem des orthodoxen Judentums (das rationalem Gedankengut anhängende reformierte Judentum der Haskala lehnte beides allerdings ab und meidet vor allem im 20. Jahrhundert alle Diskussionen um das Leben nach dem Tod), und sie waren als unverrückbare Hoffnung während der fast zweitausend Jahre der Diaspora wohl auch dringend notwendig, denn sie hielten wie die strikte Einhaltung der überkommenen Grundsätze und Riten das Volk zusammen, obwohl letzteres nicht wenig zu einer Isolierung der Juden in anderen Gesellschaften und damit zum Antijudaismus mit seinen immer wieder aufflammenden Pogromen beitrug, später ab dem 19. Jahrhundert vor allem in Polen und Russland den Antisemitismus mit anheizte. Allerdings liegt der Schwerpunkt im Judentum nach wie vor auf der diesseitigen Welt, da der Mensch nur hier das Gute aufnehmen und tun kann. Das Hauptinteresse des Judentums richtete sich seither auf die Wiederkunft des Messias und was dabei geschehen würde, Hoffnungen, in denen sich ekstatische Katastrophenfantasien mit Erlösungsvorstellungen vom Bau des dritten Tempels und eher realistischen historisch politischen Vorstellungen (Zionismus, Groß-Israel, Siedlerbewegung) kontrovers bündeln und etwa dem Staat Israel einen nicht geringen Teil seiner inneren wie äußeren Spannungen bescheren.
Die jüdische Theologie hat sich der Diskussion über eine praktische Ausgestaltung von Jenseits und Totengericht allerdings weitgehend entzogen, vor allem mit dem Kunstgriff, den Tod nun als Schlaf an einem rein geistigen Ort (so später der unter dem Einfluss aristotelischen Gedankengutes stehend Maimonides) anzusehen mit einem Erwachem beim Jüngsten Gericht, von dem die Gottlosen, also vor allem die Nichtjuden (und früher die Sklaven), allerdings ausgeschlossen bleiben (und die Christus dann durch seinen Tod samt Höllenfahrt erlöste, was vor allem in der Unterschicht des Römischen Reiches und den Sklaven zu seinem großen Erfolg erheblich beitrug). Es entstanden so zwei konträre, auch in den eschatologischen und Jenseitsvorstellungen unvereinbare theologische Strömungen, die das Judentum (und den Staat Israel) bis heute bestimmten: der letzlich zur Haskala, der jüdischen Aufklärung führende Rationalismus eines Maimonides und Moses Mendelssohn, der auch den Zionismus eines Theodor Herzl mit hervorbrachte, und die dem entgegengesetzte, in den Chassidismus und die Ultraorthodoxie führende Mystik der Kabbala, vor allem des Buches Sohar, die nicht zuletzt in die Siedlerbewegung etwa der Gusch Emunim mündete.[103]
Einen weiteren tiefen Einfluss auf diese Konzepte hat dann die Schoah ausgeübt. Wie sehr davon beeinflusste Straf- und Gerichtsvorstellungen noch heute das orthodoxe Judentum bestimmen, zeigt zum Beispiel eine Aussage des hochrangigen ultrakonservativen Rabbiners Ovadja Josef aus dem Jahre 2000: „Die sechs Millionen Juden, welche von den Händen der verfluchten Nazis ermordet wurden, waren wiederbelebte Seelen von Sündern, die gesündigt hatten und andere zur Sünde verleiteten, sowie alle mögliche (für Juden) verbotene Dinge taten. Ihre armen Seelen kamen zurück, um durch all die schlimmen Folterungen und durch ihren Tod von ihren Sünden gereinigt zu werden.“[104]

 
Botticellis Karte der Hölle zu Dantes Inferno.

Fragt man nach einem christlichen Totengericht,[105] so trifft man auf ein fast undurchdringliches Dickicht aus historisch wuchernden Vorstellungen, die jüdische, griechisch-hellenistische, orientalische und mittelalterliche Entwicklungen (Patristik, Scholastik, Mystik) und Einflüsse in sich vereinen und immer wieder auch politische Entwicklungen in sich aufnahmen (z.B. West- und Ostrom, Schismen, Zweischwerterlehre, Reformation), deren Machtansprüche auf Jenseitsglauben und Totengericht Einfluss nahmen (sehr schön bei Dante, der die ihm missliebigen Päpste und Fürsten in die Hölle verbannte) und diese sogar ökonomisch nutzten (z.B. Kreuzzüge,[106] der die Reformation mit auslösende Ablasshandel), so dass es schließlich etwa mit der Ketzer- und Hexenverbrennung und dem Kirchenbann bzw. der Exkommunikation sogar zu dem paradoxen Phänomen eines de facto ins Diesseits verlegten Totengerichtes kam, denn die Verbrennungen wurden damit begründet, dass die Opfer nur so der ewigen Verdammnis entgingen, weil so die Seele gereinigt würde, wofür die Kirche Ende des 12. Jahrhunderts sogar eine eigene gerichtliche Institution, die Heilige Inquisition, errichtete; und auch der Bann bedeutete den Ausschluss von der allein durch die Kirche vermittelten göttlichen Gnade mit, wie Heinrich IV. vor Canossa wusste, auch völligem weltlichen Machtverlust.
Tatsache ist außerdem, dass ein solches vorläufiges Gericht trotz aller Legenden über Dämonen, Todesengel, Geister, verirrter Seelen usw. (Halloween!) im Christentum des Neuen Testamentes als geschlossenes und in sich kompatibles Konstrukt wie etwa im Zoroastrismus oder Islam nicht eigentlich existiert und die Frage nach Art und Struktur des Jenseits vor der Apokalypse ohne genauere Antwort bleibt, die zudem wegen ihrer komplexen und nur Eingeweihten zugänglichen Symbolik eher irreführend wirkt. Der Grund für diesen Zustand ist einfach: Schon Christus und erst recht seine ersten Anhänger glaubten an eine von ihm ja geweissagte Apokalypse in nächster Zukunft und noch zur Lebenszeit der Evangelisten (Parusie). Weiterführende Konstrukte über Tod und Unterwelt waren daher schlicht zunächst nicht notwendig, eine dann im Laufe der Zeit verständlicherweise immer schmerzlicher empfunden Lücke, in die dann später leicht heidnische und regional oft sehr unterschiedliche volkstümliche Vorstellungen von teils äußerst brutalen Jenseitsbräuchen, wie sie etwa Dante beschreibt, eindringen und sie ersatzweise füllen konnten. Zudem darf nicht übersehen werden, dass die christliche Lehre von Tod und Auferstehung Gottes eng mit den orientalischen Mythen von sterbenden und auferstehenden Göttern (Osiris, Baal, Ischtar, Adonis usw.) zusammenhängt, wie sie bereits im alten Ägypten und später in Palästina im Rahmen von Fruchtbarkeits- und Vegetationskulten ausgeprägt waren.[107] Später kamen noch Vorstellungen der Gnostik und anderer philosophisch-theologischer Strömungen wie des Manichäismus hinzu (Augustinus etwa war einige Zeit Manichäer).

 
Hieronymus Bosch: Das Letzte Gericht (Triptychon).

Folgende wesentliche, teilweise schlecht miteinander verträgliche allgemeine Aspekte des christlichen Jenseits- und Totengerichtsglaubens, wie sie vor allem vom Apostel Paulus, einem Pharisäer, und den Kirchenvätern formuliert wurden, finden sich:

  • Die in der Praxis so gut wie unerfüllbaren, teilweise stoischem Denken entstammenden[108] ethischen Ansprüche Gottes wie Demut, Nächstenliebe, Feinden vergeben, linke/rechte Wange hinhalten usw., die quasi, da sie niemand einhalten kann, automatisch Sündhaftigkeit erzeugen, sind viel strenger als im Judentum, dessen übriges Erbe das Christentum allerdings übernimmt mitsamt den Vorstellungen zu Gehenna (Hölle), Auferstehung und Messias, wie sie zur Zeit Jesu theologisch diskutiert wurden.
  • Neu ist damit die Idee der Sündhaftigkeit des Menschen und seiner Erlösung durch göttliche Gnade, die zentralen Denkfiguren des Christentumes überhaupt, die dann auch das ethische Fundament des Totengerichtes bilden, wobei die Erlösung allerdings auch durch die bedingungslose Unterordnung unter die Kirche erst garantiert wird.[109]
  • Die dualistische Lehre der Gnosis mit der zentralen Idee des Logos ging ins Christentum ein, und der Logos verschmolz mit der Gestalt des Erlösers Jesus.[110] Damit war ein Gut-Böse-Dualismus etabliert, der nur in der Gestalt Jesu aufgelöst werden konnte, Voraussetzung für seine spätere Funktion als Weltenrichter, den es so im Judentum nicht gab. Die Lehre von der Dreieinigkeit, die mittelalterliche Mariologie und Heiligenverehrung stellte dann weitere Komponenten eines endzeitlichen Weltgerichts zur Verfügung, die als Fürsprecher oder Verteidiger fungieren konnten. Gleichzeitig wurde das Böse als Satan personifiziert, eine Rolle, die es so im Judentum auch nicht gab und die schon ikonographisch griechische Einflüsse aufnahm (Pan).
  • Zentral ist der Glaube an die Existenz eines Jenseits und an die Auferstehung sowie an die Existenz einer unsterblichen Seele, deren Identität im Zwischenreich allerdings unklar ist.
  • Das Schicksal der Toten orientierte sich ursprünglich an der klassischen dreistöckigen Kosmologie Himmel/Erde/Hölle wie sie noch Dante und John Milton beschrieben haben.
  • Der Tod ist Folge des Bösen, das durch Adam und Eva in die Welt gekommen ist (Erbsünde) und das nun jeder Mensch mit sich trägt als eine vor allem von Augustinus vertretene, unbarmherzige Idee, die daher auch in Ostrom nicht wie in Westrom personalisiert, sondern in kosmologische und heilstheoretische Zusammenhänge von Tod und Auferstehung eingebettet bleibt.[111]
  • Die Kirche repräsentiert ein weltliches Zwischenreich bis zur Wiederkunft Jesu mit der Auferstehung der Toten, die dann aber keinen materiellen Leib mehr haben, sondern einen spirituellen (soma pneumatikon). Allerdings ist auch dies heftig umstritten.
  • Wiedererweckt werden alle, erlöst jedoch nur die, die Jesus anhängen. Entschieden wird darüber beim Jüngsten Gericht. Das läßt wie die Lehre vom auserwählten Volk Israel die grundlegende Frage nach der Gerechtigkeit Gottes gegenüber allen seinen Geschöpfen offen.
  • Gnade und Liebe Gottes sind entsprechend als Mechanismus des eschatologischen Totengerichtes bis heute in ihrer Ausdehnung auf alle, nur christliche, nur gläubige oder gar nur besonders auserwählte Menschen umstritten. Auch für die damit zusammenhängende und besonders im Calvinismus grundlegende Prädestinationslehre gilt ähnliches.

Es ergaben sich entsprechend mehrere teils sich widersprechende und vor allem in den ersten Jahrhunderten durch Sektenbildung gekennzeichnete Entwicklungsphasen und Kernideen:

  • Nachdem die Naherwartung der Parusie sich nicht erfüllte, wandte man sich zunehmend dem allerdings stets sehr umstrittenen Zwischenzustand zwischen Tod und Auferstehung zu. Dabei machten sich nun wieder vorchristliche Vorstellungen breit, nach denen jeder Einzelne bereits im Tode gerichtet würde, um dann bei Gott zu sein oder aber ganz von ihm abgeschnitten.
  • Mit der Vorstellung vom Zwischenreich der Toten entstand neben der Idee eines sofortigen Eingehens ins Paradies nach dem Tod, das dieses Zwischentreich vermied, aber auch die Vorstellung von zwei Gerichten, dem persönlichen nach dem Tod und dem eschatologischen am Ende der Zeiten.
  • Ein weiteres Konzept postulierte den Schlaf der Toten bis zum Letzten Gericht. Das erschien aber ungerecht, da hier die Strafe der Sünder wie die Belohnung der Guten verzögert würden, und Kirchenväter wie Tertullian entwarfen deshalb später von der Byzantinischen Kirche Ostroms übernommene Hilfskonstruktionen, die zumindest den Seelen der Gerechten während dieser Periode eine Art Labsal zuteil werden ließen.[112]
  • Die Konzeption des Bösen, und sie ist ja Voraussetzung für ein ethisches Totengericht, blieb im Christentum vor allem in seiner Interaktion mit Kultur und Religion sehr uneinheitlich, konnte in ihrer inhärenten Problematik nie wirklich gelöst werden und mündete recht bald entweder in die religiöse Mystik des Volksglaubens oder in die philosophische Theodizee. Nach den Katastrophen des 20. Jahrhunderts und insbesondere der Schoah stellte sich das Problem erneut in voller Schärfe.[113]
  • Diffuse Chiliastische Vorstellungen von der Wiederkunft Christi in einem tausend Jahre währenden irdischen Reich (Off. 20,1–6) vor dem eigentlichen Weltende mit einer „Vorweg-Auferstehung“ der Gläubigen noch vor dem Letzten Gericht, eine christlichen Umprägung alter jüdischer Messias-Konzepte, trugen weiter zur Verwirrung bei, zumal auch dann bereits gerichtet und gereinigt wurde, Satan am Ende dann doch noch einmal die Oberhand gewann.[114]
  • All diese sehr inkohärenten Glaubenskonzepte, die zudem das Fehlen einer Möglichkeit zur Neuorientierung nach dem Tode unterstellten, führten im Katholizismus letztlich zur Entwicklung einer Vorstellung vom Fegefeuer, in dem eben diese Läuterung von minderen Sünden doch noch möglich war, die allerdings durch die Fürbitte der Kirche verkürzt werden konnte (Ablass). Das setzte nun aber wieder voraus, dass der Urteilsspruch Verdammnis oder Erlösung bereits beim Tode endgültig war, weshalb der Protestantismus diese Lehre strikt ablehnte und sie durch die bereits von Augustinus ausgehend von Paulus (Röm, 3,28) konzipierte Rechtfertigungslehre ersetzte, bei der letztlich ein individuelles Totengericht unnötig wurde und sich das kollektive durch die göttliche Gnade, die allerdings nur dem Gläubigen zuteil wurde, auf diesen einen Punkt, den des bemühten Glaubens reduzierte.

Man könnte also durchaus philosophisch argumentieren, dass es ein Totengericht im Christentum mit den notwendigen Ideen, Ikonographien, Instanzen und Verfahren zwar konzeptuell und vage gibt – diese aber sind nicht wirklich christlich im engeren, nicht machtpolitisch oder religionsgeschichtlich etc definierten, dazu auch noch in den Moderne akzeptablen Sinne.[115]
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang insbesondere die mittelalterliche Ikonographie des Gerichtes, die sich vor allem an der wegen ihrer hochgradigen und extrem esoterischen Bildsymbolismus meist missverstandenen[116] und erst nach 367 n. Chr. kanonisierten, von Martin Luther und Johannes Calvin als unpaulinische abgelehnten Apokalypse des Johannes (Kap. 21.) sowie am jüdischen (Garten Eden), Himmlischen Jerusalem und antiken Vorbildern orientiert, dazu auch andere heidnische, z.B. keltische, slawische[117] und germanische[118] Vorstellungen aufnahm bzw. auf diese rückwirkte (vgl. Germanen). Dabei wurde auf die Abschreckung großen Wert gelegt, andererseits die Hoffnung auf das Himmlische Jerusalem bei den Gläubigen durch besonders prächtige Darstellungen genährt, wohl auch, um so von der Hoffnungslosigkeit des irdischen Daseins, die das Leben der damaligen Menschen mit seinen sozialen Missständen meist beherrschte, abzulenken, indem Erlösung im Jenseits versprochen wurde. Der Volksglaube hat denn auch diese bildlichen Vorstellungen teils bis heute bewahrt, obwohl die moderne Theologie diese Konzepte etwa des Jüngsten Gerichtes mit einem thronenden Richter Jesus über der Schar der Engelschöre längst als mythologisch betrachtet.[119] Manche Sekten wie zum Beispiel die Zeugen Jehovas halten allerdings nach wie vor an derartigen endzeitlichen Gerichtsvorstellungen fest und haben sie teilweise noch weiter differenziert und mit oft elitären Auserwählseinskomplexen versehen.

Islam
 
Der Prophet Mohammed besucht mit Buraq und dem Erzengel Gabriel die Hölle, wo ein Dämon „schamlose Weiber“ peinigt, die ihr Haar Fremden gezeigt haben. Sie werden dafür über den Flammen an ihrem Haar aufgehängt und brennen ewig. Persien, 15. Jh.
 
Der Prophet Mohammed (oben rechts) besucht mit Buraq und dem Erzengel Gabriel (oben links) das Paradies. Darunter sieht man auf Kamelen reitend einige der legendären Huris. Persien, 15. Jh.

Die Vorstellungen des Islam zu Totengericht, Eschatologie und Jenseits[120] sind weit klarer als die der anderen beiden abrahamitischen Religionen, wenn auch nicht ganz ohne Widersprüche. Das ist vermutlich nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass der Islam weit jünger ist und zudem über den Koran verfügt, ein auf den Stifter Mohammed persönlich zurückgehendes heiliges Buch, das der späteren Ausdeutung Grenzen setzte trotz der starken Zersplitterung des Islam in unterschiedliche Glaubensrichtungen beginnend mit dem Schisma zwischen Sunniten und Schiiten. Auch die sog. „Traditionen“ (Hadith bzw. Sunna) trugen zu dieser auch inhaltlichen Klarheit und Formalisierung erheblich bei. Der Islam übenahm zudem altägyptische Vorstellungen (Wiegen der Seele) und passte sich dem christlichen Gedanken von Fürbitten und Erlösung an.[121]

Grundlagen:

  • Vorislamisch war in Arabien der Tod ein Bereich, in den man hinüber ging in einen unvergänglichen, aber unbelebten, vom lebendigen Diesseits völlig getrennten kosmischer Raum, über den andere Götter herrschten. Um die Ruhe des Toten zu gewährleisten, waren Bestattungsbräuche sehr wichtig. Ein Mord musste auch im Sinne der Stammesehre gerächt werden, damit der Tote ruhen konnte.
  • Mit diesen Sitten brach der Islam völlig. Alles untersteht nun Allahs alleiniger Herrschaft, dem absolute Treue und Unterwerfung gebührt. Allah bestimmt nun die Dauer des Lebens. Obwohl der Koran nichts dazu sagt, entwickelten sich bald ausgefeilte Bestattungsbräuche, damit der Tote am Tage der Auferstehung bereits sei. Ein Totenkult wurde in den Traditionen zwar untersagt, doch auch dieser bildete sich nach und nach mit prächtigen Grabmälern heraus.[122]
  • Eine weitere zentrale Grundlage ist die Prädestinationslehre des Islam, die innerislamisch schon bald kontrovers diskutiert wurde und theologisch zu mehreren Aufspaltungen führte:
    • Dschabrianer, sie leugnen jeden freien Willen. Sie sind eine radikale Abspaltung der Aschariten, mit denen sie in den meisten Punkten übereinstimmen,
    • Qadrianer, sie gestehen dem Menschen einen völlig freien Willen zu un d sind mit den Mutaziliten weitgehend identisch,
    • Aschariten, sie nehmen eine mittlere Position ein und billigen dem Menschen einen eingeschränkt freien Willen im Rahmen des ewigen göttlichen Willen zu.
      Diese Varianten haben naturgemäß jeweils wesentliche Auswirkungen auf die inhaltliche Gestaltung des Totengerichtes.[123]
  • Eine dritte Kernaussage des Islam ist die eschatologische Lehre vom Letzten Gericht und dem Leben nach dem Tode.

Totengerichte:[124] Es gibt im Islam nach dem Tode nicht nur ein Gericht, sondern wie im Christentum deren zwei, die allerdings weit klarer voneinander geschieden sind und auch was die Zeit dazwischen angeht besser definiert. Im Grunde kann man sogar, wenn man diese Zwischenzeit mit einbezieht, von drei Gerichten sprechen. Von dem unten geschilderten Ablauf gibt es zudem im Totenbuch des Islam mehrerer Varianten:[125]

  1. Zwischengericht: Eine besondere Bedeutung hat dabei der Todesengel Izra’il (diese Vorstellung gibt es auch im mittelalterlichen Christentum wohl als Übernahme aus anderen Religionen, wo es einen solchen Begleiter meist gibt, der andererseits in der Bibel nirgends erwähnt wird). Aufgabe des Todesengels ist es, die Seele Ruh direkt nach dem Tod vom Körper zu trennen (sanft bei Muslimen, grob bei Nichtmuslimen und „unreinen“ Seelen) und mit Hilfe zweier weißgesichtiger Engel zum Himmel zu führen, wo sie, sofern gerecht, aufgenommen in die höchsten Sphären vor Allah geführt wird, danach aber nochmals zu ihrem Köper auf die Erde zurückkehrt, wo dieser bis zur Auferstehung schläft. Gehört sie aber zu den Verdammten, also den Nichtmuslimen und Schlechtgläubigen (nur dieses Kriterium gilt!), wird sie, nachdem die Seele grob vom Köper getrennt wurde, von zwei schwarzgesichtigen, grünäugigen Engeln zum Himmel getragen, am untersten Himmelstor jedoch abgewiesen, auf die Erde zurück gestoßen und dort von den Höllenwärterengeln zu den anderen Verdammten gebracht.
  2. Befragung im Grab: Sie erfolgt nach der Bestattung. Der Verstorbene wird dabei von zwei Engeln Munkar und Nakir durch vier Fragen (Wer ist dein Gott? Wer ist dein Prophet? Was ist deine Religion? Wohin zeigt deine Gebetsrichtung?) auf seinen Glauben geprüft. Antwortet er richtig (die Antworten werden sogar von einem Schreiber notiert), nehmen sich seiner die Engel Mubashar und Bashir an, trösten ihn und verheißten ihm das Paradies. Ansonsten wird er bis zum Letzen Gericht in Ruhe gelassen. Bei falschen Antworten wird der Tote bereits im Grab von den Engeln Munktar und Nakir gepeinigt. Dieses Prinzip der doppelten Strafe ist zwar im Koran nicht direkt belegt, entwickelte sich aber schon früh.
    Daran schließt sich in einer Art Schlaf die Wartezeit zum durch die Auferstehung eingeleiteten Jüngsten Gericht an. Vor seinem Beginn kommt es aber nochmals zu einer vierzigjährigen Herrschaft des Anti-Christ. Diese Herrschaft wird in einer kosmischen Schlacht durch den Messias nach dem Muster von Armagedon beendet, dessen Sieg ein Goldenes Zeitalter bis zur Auferstehung einleitet.
  3. Jüngstes Gericht:[126] Während des Jüngsten Gerichts wird jeder Einzelne nochmals von Gott persönlich bewertet und abgeurteilt. Dabei spielen sein Lebensbuch, in dem alle Taten verzeichnet sind, eine Waage (ägyptisch), die gute und böse Taten sowie bereits Gesühntes bewertet und eine schmale Brücke, die über den Höllenbrand ins Paradies führt (zoroastrisch) eine wesentliche Rolle. Die Verurteilen müssen bis in alle Ewigkeit in der Hölle bleiben. Doch gibt es zwischen Paradies und Hölle noch einen dritten Ort, das A’raf, wo diejenigen bleiben, bei denen gute und böse Taten im Gleichgewicht sind (zoroastrisch). Ihr Aufenthalt dort ist jedoch zeitlich begrenzt und sie werden, sofern Muslime, später in das Paradies gelassen.

Die Hölle, die der Koran als brennendes Feuer schildert, ist wie im Christentum mehrfach unterteilt (7 Teile: Muslime, Juden, Christen etc haben z.B jeweils eigene Abteilungen). Der Aufenthalt ist nur für die Ungläubigen endlos, für Gläubige hingegen nach Abbüßung ihrer Sünden beendet (fast alle müssen einige Zeit dort büßen).
Das Paradies al-Dschanna (der Garten, Sure 54) wiederum ist in acht Himmel unterteilt, und die dort gebotenen durchaus sinnlichen Genüsse (Huris) sind durchaus diesseitig gedacht.
Die durch gewaltige, wohl der jüdischen Eschatologie entnommene Zeichen eingeleitete Auferstehung (Sure 75), die es so in den altarabischen Religionen ebenfalls nicht gab – sicher mit ein Grund für die schnelle Ausbreitung des Islam –, wird ganz lebenspraktisch als glückseliges, für Männer von Sex erfülltes Leben im Jenseits verstanden. Der Märtyrer (Schahid) fährt sogar ohne all diese Zeremonien direkt in dieses Paradies auf (ein Grund für die Märtyrerseligkeit islamischer Terroristen, denn der Märtyrertod ist das beste, was ihnen passieren kann[127]). Weshalb es im Islam diese noch dazu teils widersprüchliche (einerseits heißt es, alle Toten müssten eine Zeitlang in die Hölle, andererseits sollen die Reinen dem Jüngsten Gericht friedlich entgegenschlummern), teils überflüssige Filterfunktion gibt (ob Muslim oder nicht wird gleich zweimal geprüft), ist unklar. Im Gegensatz zum Christentum war er jedoch von vorneherein auch eine politische Bewegung, das heißt, ideologisch-religiöse Geschlossenheit war schon früh und fast von Anfang an dazu auch in Gestalt militärischer Potenz enorm wichtig, damit aber auch die Tatsache, dass eroberte Stämme und Völker den Islam übernahmen, um besser beherrscht werden zu können, wobei es regelmäßig zu Adaptionsprozessen mit lokalen Religionen und Bräuchen kam. Diese Instrumentalisierung, die sich vielfältig bereits im Koran findet, hat zweifellos ihre Parallelen zu den wuchernden und ebenfalls als Machtinstrument genutzten Jenseitsvorstellungen des Christentums, im Islam jedoch zusätzlich mit dem Hinweis, dass vor allem Nichtmuslime sich zu fürchten hätten, halbwegs fromme Muslime hingegen weniger oder gar nicht.
Das grundlegende Problem, das der Islam in diesem Zusammenhang allerdings hat, ist die teilweise als äußerst strikt verstandene Prädestinationslehre,[128] die an sich eine menschliche Verantwortung völlig ausschließt, da in ihr ein freier Wille nicht vorgesehen ist, zu dem sich der Koran allerdings widersprüchlich äußert. Es gab daher entprechend auch zahlreiche Kontroversen zu diesem Problem (und drei Denkschulen, s. oben), das zudem notwenigerweise in das Theodizee-Problem übergeht. Allerdings gibt es im Islam, im Gegensatz zum Christentum (Sünde), kein eigentliches Problem des Bösen, da es nicht als autonom mit dem Seinsgrund verbunden gedacht war, sondern rein individuell, so dass von daher das philosophische Problem der Theodizee entfiel. Das Böse wird vielmehr als Teil von Gottes Barmherzigkeit, als eine Art Prüfinstanz verstanden, der dem Menschen so die Möglichkeit gibt, das Gute zu tun.[129] Im Koran gibt es daher in Bezug auf menschliches Handeln zwei Ebenen: die der göttlichen Wirkung im Rahmen seines vorherbestimmenden Willens. Darunter existiert die Ebene des Menschen, auf der dieser seine Handlungen im Rahmen des göttlichen Vorwissens eigenverantwortlich ausführt. Die islamische Theologie beschreibt daher auch keine eigentliche Erlösung durch Gott aus Schuld und Sünde, denn es existiert ein „Mitbedenken Gottes in allen irdischen Angelegenheiten“.[130]

Süd- und ostasiatische Religionen

 
Das Rad des Schicksals, hier ein tibetisches Chakra mit der Hölle als einem der sechs Wege der Wiedergeburt. Im Hinduismus, Buddhismus und Jainismus repräsentiert es das zyklische Zeitverständnis dieser Religionen.

In den östlichen Systemen mit ihrer teils betonten Geringschätzung des Irdischen wird der ethische Konflikt, sofern man ihm überhaupt Bedeutung zugemessen hat, auf dem Wege der Seelenwanderung transpersonal weitergeleitet in jeweils neue, im wünschenswerten Falle stetig nach oben weisende, in der Selbstauflösung des Nirwana endende Existenzformen, deren Eigenart jeweils die Folgen der früheren sind (das kosmisch diesseitig sich manifestierende Dharma, welches das jenseitige Karma bestimmt), so dass man durchaus auch von einem Totengericht auf Raten sprechen könnte und eine Abrechnung mit dem irdischen Lebenswandel indirekt stattfindet, allerdings nach Kriterien, die vor allem Demut und Nächstenliebe zur Grundlage haben, somit wesensmäßig durchaus christlich sind (jedoch mit der dortigen, in himmlischen Sphären vor sich gehenden und von einem rigiden Strafgericht begleiteten Wiederauferstehung nichts gemein haben). Allerdings haben sich dann sekundär und vor allem im Buddhismus Höllenvorstellungen ausgebildet, und es gab im Hinduismus und Buddhismus einen Totengott Yama, der auch als Richter auftritt und gewisse Ähnlichkeiten mit Ymir aus der nordischen Sagenwelt und Yima aus der Götterwelt des Iran aufweist, was seine Herkunft aus der Götterwelt der arischen Invasoren vermuten läßt, zumal er da wie dort und wie sein Bruder Manu auch als erster Sterblicher erscheint, der somit auch den Tod als Erster erfuhr.[131]

Grundlagen und Begriffe, soweit für Jenseits und Totengericht relevant (sie sind auch für den Buddhismus zentral):
Der Hinduismus[132] ist keine monolithische Religion; vielmehr finden sich in ihm erstaunlich vielfältige Traditionen mit einer breiten Menge verschiedener Glaubensrichtungen und Praktiken in zahlreichen geographischen, kulturellen und sprachlichen Erscheinungsformen in ganz Indien und Hinterindien. Vor allem als[133]

  1. Klassischer Sanskrit-Hinduismus bzw. Brahmanismus.
  2. Volksreligion Südasiens und hinduistische Stammes- und Volksreligion mit starkem Polytheismus bis Animismus.
  3. Gestiftete Religionen mit meist asketischen, oft antibrahmanischen Zügen sowie Basistexten der charismatischen Stifter (z. B. Jainismus, Sikhismus), die gelegentlich als missionierende Erlösungsreligionen auftreten.

Entsprechend vielfältig sind auch die Jenseitsvorstellungen. Gemeinsam ist ihnen allen der Ursprung in den Veden, die eine Art Offenbarungsstatus genießen. Alle Hindu-Traditionen halten am Glauben an die Lehre vom Karma als einem Gesetz von Ursache und Wirkung fest, das die moralischen und spirituellen Dimensionen einschließt, die auch das Prinzip des freien Willens umfasst und keinesfalls fatalistisch gedeutet werden darf. Der Kreislauf von Geburt, Wiedergeburten und Tod Samsara wiederum ist eng verknüpft mit der Karma-Lehre. Endziel ist Moksha, die Freiheit von Unwissenheit als der eigentlichen Ursache von Leiden und Unfreiheit, das Wissen um die wahre Natur des Selbst (Atman), ein unwandelbares Wissen, das den Kreislauf der Wiedergeburten Samsara durchbricht.
Das Selbst ist in 3 Körper gekleidet. Vor allem die Art dieses vom Körper (Nicht-Selbst) geschiedene Selbst (Analogie: Haus und Bewohner), etwa im Körper oder außerhalb, wird in den verschiedenen Traditionen unterschiedlich interpretiert (manche Traditionen unterschieden sogar 5 Körper).

  1. Neben dem physischen, vergänglichen Körper sthula sarira tritt als zweiter der
  2. „feine Körpers“ sukshma sarira, der durch seine Fähigkeit zur Handlung, zur Sinneswahrnehmung sowie durch Geist und Verstand eine Zwischenposition einnimmt und durch den Tod nicht zerstört wird, sondern mit dem Selbst eine enge Verbindung eingeht, bis dieses die letzte Freiheit moksha erreicht. Er ist das individuelle Karma (quasi der Charakter) und trägt alle persönlichen Eigenschaften und das Muster aller Handlungen, Sehnsüchte etc. in sich.
  3. Ein dritter Körper schließlich ist karana sarira, der ursächliche Körper oder Körper des Nichtwissens, eine Art Embryonal- oder Traumzustand des feinen Körpers.

Alle drei Körper sind dem Wandel ausgesetzt, nur das Atman ist wissend und beherrschend. In hinduistischer Sicht ist der Tod die Trennung des feinen Körpers vom physischen Körper. Ist das Individuum nicht endgültig befreit, wird der feine Körper, erhellt vom Bewusstsein des Selbst und identisch mit dem eigenen Karma und den persönlichen Neigungen (Unterschied zum Buddhismus), sich einen anderen physischen Körper suchen, wobei von der individuellen Struktur des feinen Körpers, dem Bewusstsein zum Zeitpunkt des Todes auch Reise und Ziel nach dem Tode abhängen, so dass eine logische Kontinuität zwischen den einzelnen Leben existiert.

Grundzüge der historischen Entwicklung:[134]
Vorarische Vorstellungen : Über die religiösen Vorstellung der vorarischen Periode der Induskulturen von Harappa und Mohenjo Daro weiß man sehr wenig. Es gab wohl eine Art totemistischen Tierkult, der aber wohl noch kein entwickeltes Totengericht kannte. Damit verbunden war offenbar auch eine bei dravidischen Stämmen Indiens bis heute nachweisbare Reinkarnationsvorstellung.
Vedische Phase und früher Brahamanismus (ca. 1500–500 v. Chr.): Die vermutlich aus dem Gebiet nördlich des Kaspischen Meeres stammenden, dort wohl als Hirtennomaden lebenden, offenbar recht kriegerischen Arier brachten um 1500 v. Chr. einen umfangreichen, später 33 Götter umfassenden Pantheon nach Indien mit, dessen in zwei Gruppen, Asuras und Devas, sich feindlich gegenüberstehende Mitglieder vorzugsweise in Streitwagen gegen die Mächte der Finsternis kämpften, wie sie in den Veden dargestellt werden. Einer der wichtigsten Götter scheint Indra gewesen zu sein, dazu Varuna und andere, bis heute das hinduistische Pantheon bevölkernde Gottheiten. Zentral war der Opferkult. Priester, Idole und Tempel gab es in der frühen Phase offenbar keine. Daneben gab es einen Ahnenkult, wie er für in Sippen und Clans lebende Nomaden und Halbnomaden typisch ist; magische Rituale waren häufig. Die Jenseitsvorstellungen jener frühen Periode sind recht verworren. Von Vergeltung nach dem Tod ist noch keine Rede, auch eine Seelenvorstellung scheint es nicht gegeben zu haben, so dass die vedische Religion als vor allem diesseitig ausgerichtet charakterisiert wird.
Die spätere vedische Philosophie entwickelte dann Vorstellungen von einem unwandelbaren Gesetz, nach dem jeder für seine Taten verantwortlich war, nicht nur in diesem Leben, sondern auch in künftigen Wiedergeburten. Größter Wert wurde nun auf die korrekte Durchführung von Opferriten gelegt, und den Brahmanen, Priestern, die mit den Göttern verhandeln konnten, wurde höchst Achtung gezollt. Offenbar spielte hier die immer ungleicher werdende Gesellschaftsordnung eine wichtige Rolle bei der Entstehung dieser Vorstellungen, da diese Konzepte nun erlaubten, Ungerechtigkeiten des eigenen Lebens als Folge von Handlungen in früheren Existenzen darzustellen.[135]
Klassischer Hinduismus/Brahmanismus (500 v.–1000 n. Chr.): Mit der Entstehung der Brahmanen als Priesterkaste, deren Aufgabe das Studium der Veden war, hatte sich die auf einem Himmelskult basierenden religiösen Vorstellungen der arischen Eroberer zu einer aristokratischen Religion gewandelt, die nun als Herrschaftsinstrument fungiern konnte. Die offenbar aus alten einheimischen Vorstellungen stammende Idee der Wiedergeburt, entwickelte sich nach und nach unter dem Einfluss der beiden konkurrierende Religionssysteme und vor dem Hintergrund des entstehenden, zunächst nur vierteiligen, vermutlich als Abgrenzung der Eroberer gegenüber der eingeborenen Bevölkerung gedachten Kastensystems (heute gibt es etwa 3000 Kasten) zunächst zu einem Doppelsystem, das etwas unstet in der Mitte zwischen den indoeuropäischen Gut-Böse-Systemen und kosmisch geprägten Harmoniesystemen mit ihren rein weltlichen, ja manchmal regelrecht utilitaristischen Ausprägungen von Gerechtigkeit angesiedelt war, denn ausweislich des Rechtsbuches des Manu nahm die Seelenwanderung neben der sehr ausführlichen Darstellung von Höllenqualen, Dämonen und Götterkampfmythen in den Veden zunächst einen eher unbedeutenden Platz ein, um dann in späteren brahmanischen Schriften immer wichtiger zu werden, was allerdings de facto einer Verfälschung der ursprünglichen Veden gleichkam. Dabei spielte das Kastensystem als Regulativ der Wiedergeburt eine immer zentralere Rolle, denn der Sünder wurde in einer niedereren Kaste wiedergeboren. Tokarew schreibt: „Der alte Wiederverkörperungsglaube nahm also die Form des Dogmas von der Vergeltung nach dem Tode an und wurde dazu benutzt, der auf Ausbeutung beruhenden Kastenordnung die religiöse Weihe zu geben.“[136]
Ein weiteres Regulativ in Tokarews Sinne war dann der Dharma-Gedanke, das heißt die Erfüllung der Pflicht nach Maßgabe der persönlichen Lebensumstände. Das bedeutet letztlich, dass man zu tun hat, was einem nach Geburt, Stand und sozialer Rolle zukommt und nicht versuchen durfte, die Rolle anderer zu übernehmen. Dharma bringt damit auch für die Wiedergeburt die größte Belohnung und stützt so eine Ideologie, die Ungleichheit als gegeben ansieht, denn sie erklärt soziale Hierarchien, bildet neue und ist essentiell für das Karma.[137]
Die Religionsphilosophie versuchte dann, das ganze System mit der Idee des Karmas theoretisch zu untermauern, und diese Karma-Philosophie entwickelte im Laufe der Jahrhunderte ein enormes und hochdifferenziertes Eigenleben. Es entstanden nach und nach fast 250 Traktate, die Upanischaden. Von der alten arischen Religion der Veden, die dennoch bis heute im Hindudsmus zentral sind, blieb allerdings nicht mehr viel übrig, und viele Glaubensvorstellungen des Brahamanismus hängen eher mit vorarischen religiösen Vorstellungen zusammen.
Der ethische und metaphysische Mechanismus des Karma-Gedankens abseits sozialer Begründungen bestand jedoch vor alle darin, dass er den überkommenen oppositionellen Dualismus der Eroberer in den Menschen hinein verlagerte als etwas, das er selbst mit sich auszutragen und zu überwinden hatte, wobei weltliche Gerechtigkeit letztlich im Dieseits relativ bedeutungslos wurde und lediglich innerhalb des Karmas präsent blieb, hier jedoch nicht in Form eines institutionellen Totengerichtes wichtig war (abgesehen von der Hölle des Todesgottes Yama, s.u.), sondern als selbstverantwortetes Element auf der zu erstrebenden Stufenleiter der Existenzen mit dem letzten Ziel einer Durchbrechung des Zyklus der Wiedergeburten, in den sogar die Götter selbst und ihrer sich nun immer vielfältiger darstellenden hierarchischen Beziehungen und Aufgaben mit eingebunden waren, wobei andererseits die Stellung der die Schöpfung dominierenden und überwölbenden Trimurti ambivalant blieb als eine Art grundsätzliche kosmische Dreieinigkeit.
Im Widerstand gegen dieses immer mehr erstarrende Kastensystem und diese wenig trostversprechende Philosophie endloser Wiedergeburtsketten, in denen das persönliche Karma von den Taten der Vergangenheit bestimmt wurde entstanden dann fast gleichzeitig im 6. und 5. vorchristlichen Jahrhundert der von den Brahmanen heftig bekämpfte und aus Indien ab dem 12. Jahrhundert vertriebene Buddhismus und der Jainismus. Beide Religionen stellten die Macht der Götter in Frage und unterminierten die Autorität der Brahmanen als irdische Fürsprecher und Vollzieher von Sühnehandlungen.[138]
Im jüngeren Hinduismus ab 1000 n. Chr. sowie im Gefolge der für die abstrakten Gedankengänge der Brahmanen nicht empfänglichen Volksfrömmigkeit und in der Auseinandersetzung mit dem Islam, einer prophetischen, egalitären Religion mit Absolutheitsanspruch, die vor allem viel Menschen aus niederen Kasten und Kastenlose anzog, entstanden zudem zahlreiche Sekten, in deren Zentrum Avatare als Erlösungsgötter standen, die schließlich zum wesentlichen Merkmal des Hinduismus wurden und an deren Spitze gewöhnlich Gurus, wobei oft auch vorhinduistische Bräuche fortgeführt wurden.

 
Die Hölle der Hindus. In der Mitte der Totengott Yama, der auch als Totenrichter fungiert. 1895.

Grundzüge des hinduistischen Lebens nach dem Tode:
Vor allem die Upanischaden schildern bei allen Unterschieden im Detail fünf grundlegende Möglichkeiten.

  1. War das Leben böse und die Gedanken grausam und zerstörerisch, dann führt die Reise in Regionen der Dunkelheit oder zur Wiedergeburt in nicht-menschlichér Form, das so lange währt, bis die Wirkung der ursächlichen Taten aufgebraucht ist und man als Mensch wiedergeboren wird. Allerdings ist das Böse als Vorstellung und Begriff im Hinduismus nicht ausgebildet und findet sich eher als Negation des Guten, Geordneten, Tugendhaften, Wahren, Reinen etc., zeigt überdies in diesem Zusammenhang regional, sozial, historisch usw. teilweise sehr unterschiedliche Varianten. Entsprechend sind die wichtigsten Mittel zur Befreiung vom Bösen rituelle Entsühnung und Reinigung, Erlösung, Askese, Karmahygiene oder Gnade.[139]
    Doch existiert auch im Hinduismus die Vorstellung von einer Hölle, eben jene dunklen Regionen. Danach wird der mit solch schlechtem Karma Beladene nach dem Tode von den dämonischen Schergen des Todesgottes Yama brutal in einen Strafort gezerrt (diese Vorstellungen darüber sind allerdings im Hinduismus sehr uneinheitlich) und dort gequält. Da jeder Verstorbene durch sein Karma Schuld auf sich geladen hat außer den ganz wenigen zu Lebzeiten Erlösten, die nicht sterben, sondern vergehen, ist dieser Weg zunächst für alle gleich. Erreicht der Tote nach Überquerung des Unterweltflusses endlich den Palast Yamas, wird er einem regelrechten Totengericht unterzogen und anschließend in eine der acht Millionen Höllen eingewiesen (nach anderen Traditionen 8 oder 16). Nun zieht er von Hölle zu Hölle bis zum Ende des Weltzeitalters. Danach wird er als niederes Wesen, also Stein oder Tier, wiedergeboren. [140]
  2. Die Wiedergeburt als Mensch ohne Reise in andere Regionen: Dies geschieht dann, wenn positive und negative Taten sich die Waage halten oder der Mensch zwar tugendhaft ist, aber nicht an die Existenz anderer Regionen glaubt.
  3. Das Erreichen der himmlischen Welt (svargaloka) bei tugendhaften Menschen, die jedoch eine derartige Belohnung erwarten. Das dortige angenehme Leben währt aber nur so lange, bis die Verdienste aufgebraucht sind. Neue Verdienste können dort nicht erworben werden.
  4. Die Reise ins brahmaloka, die Welt des Schöpfers Brahma. Dieser erleuchtete Pfad ist jenen gestattet, die Gott um Gottes willen suchen. Da die Voraussetzungen dafür jedoch dualistischer Natur sind, gilt dieser Weg vielfach nicht als endgültig. Doch besteht hier die Möglichkeit weiterer geistiger Entwicklung, die in einem Verstehen der Identität des eigenen und des göttlichen Selbst gipfelt als Weg der graduellen Befreiung karma mukti.
  5. In der höchsten, nur für wenige erreichbaren Form gibt es keine Reise, vielmehr ist dies das Schicksal jener, die im diesseitigen Leben bereits die Identität von Atman und Brahman erkennen. Sie gelten bereits in ihrem Körper als Erlöste. Im Tod lösen sich physischer und feiner Körper auf, und es bleibt das ewige, befreite Selbst (nicht zu verwechseln mit dem buddhistischen Nirwana, im Hinduismus spricht man allenfalls vom Brahma-Nirwana, also das Aufgehen in Brahma).

Einen eigentlichen Totenkult als solchen gibt es in den indischen Religionen allerdings nicht. Der Körper wird vielmehr durch das reinigende Feuer von der ja reinkarnierenden Seele gelöst, also zerstört, und seine Bestandteile kehren zu ihrem Ursprung zurück. Der Tod hingegen wird als eine Art Schlaf der unsterblichen und unzerstörbaren Seele betrachtet.
Entsprechend dem zyklischen Charakter der Seelenwanderung gibt es im Hinduismus auch keine eigentliche Eschatologie, nur das Konzept zyklisch sich ablösender Weltalter (Yuga bzw. Kalpa), die beginnend mit dem Goldenen Zeitalter entstehen, verfallen und apokalyptisch durch Wischnu, der auch ihr Schöpfer war, untergehen und im Zyklus des Samsara durchlaufen werden.[141] Zur Zeit herrscht das Kali-Weltalter. Die gesamten Zeitalter sind identisch mit dem Leben Brahmas.
Der Tantrismus hat ein etwas abweichendes Zeitkonzept. Dort ist die Zeit eine nach abwärts führende Leiter. Der Tantriker will darauf niicht nach unten sondern anch oben steigen (Parawritti) und so den normalen Zeitablauf umkehren.[142] Zeit ist im klassischen Hinduismus eien kosmische Macht, die Glück und Unheil bringt.[143]

Sikhismus und Jainismus

Sikhismus:[144] Im monotheistischen, als Reformbewegung im 15. Jahrhundert entstandene Sikhismus wurden religiöse Konzepte des Hinduismus mit denen des Islam verschmolzen. Leitfiguren sind die zehn Gurus. Sikhs akzeptieren die Lehre von der Wiedergeburt. Im Gegensatz zu den Hindus lehnen sie aber den Glauben an eine sich wiederholende Reihe von Geburten als Mensch ab. Von der niedersten Gestalt bis zur höchsten Form, der menschlichen, steigt ein Wesen in Tausenden von Leben auf, denn nur ein Mensch kann sich mit Gott vereinigen. Es gibt keine prädestinierte Zukunft, vielmehr muss jeder aus seinem Schicksal das Beste machen. Askese wird nicht empfohlenm, vielmehr aktive Nächstenliebe. Sikismus ist damit eine soziale Religion und ethische Prinzipien im Rahmen der Gesellschaft ersetzen die Dharma-Vorstellungen des Hinduismus. Sie fordern ein Sich Ergeben in die gesellschaftliche Situation und sehen dies als ethisch an im Sinne einer späteren Erlösung in Brahma.

Jainismus:[145] Der Jainismus ist etwa gleichzeitig mit dem Buddhismus entstanden. Sein wesentliches Merkmal ist die Gewaltlosigkeit. Die Welt gilt dem Jainisten als ungeschaffen und von ewiger Dauer, und es gibt auch keinen persönlichen allmächtigen Gott (ähnlich wie später im Buddhismus), auch nicht als demiurgische Schöpfergestalt. Nach der dualistisch orientierten Vorstellung des Jainismus wechseln sich ein Zeitalter (Kalpa), in dem die menschlichen Tugenden und spirituellen Fähigkeiten wachsen, und eines des Niedergangs auf ewig ab. In jedem Zeitalter erscheinen 24 Tirthankaras (geistige Führer). Das gegenwärtige Äon gilt als ein Zeitalter des Verfalls. Wesentlich dabei ist, dass es weder einen Schöpfergott, noch ein institutionelles Totengericht oder gar ein Weltuntergangsszenario gibt, dass sich vielmehr der Zyklus von Geburt und Wiedergeburt unendlich fortsetzt. Jainas glauben allerdings, wie auch Hindus und Buddhisten, an die Karma-Lehre, Wiedergeburt (Samsara) und eine geistige Erlösung aus diesem Kreislauf durch eingehen in das Nirwana. Das Karma baut sich danach auch nicht wie im Buddhismus verschiedenen Teilen auf, die auch auf verschiedene Menschen übergehen können, sondern es treibt die hinduistische Vorstellung ins Extrem und klebt förmlich an der Seele. Der Jainismus ist vielleicht die Religion überhaupt, die ethische Grundsätze am striktesten fordert und das Gesamtheil der Seele ausschließlich davon abhängig macht, ohne eine Totengericht, Unterwelt, göttliche Gnade, Prädestination, Erbsünde oder ähnliche Straf- und Exkulpationsmechanismen zu bemühen: Jeder ist für sein Heil ausschließlich selbst verantwortlich, und jeder auch nur geringe Verstoß gegen ethische Prinzipien, der sich auf alles Belebte, ja sogar Unbelebtes beziehen kann, wirft die Seele auf ihrem Weg zur Erlösung in einem als Paradies konzipierten Endstadium zurück.

Buddhismus und Lamaismus
 
Der Totengott Yama wird in Tibet als ein Hüter spiritueller Praktiken verehrt und wurde dies vermutlich schon vor dem religiösen Wandel vom Bön zum Buddhismus dort im 7. Jahrhundert. Die Figur ist aus bemaltem Holz und über 1, 20 m hoch. Menschliche Schädel und Köpfe schmücken Krone und Halskette von Yama (Field Museum of Natural History, Chicago).

Grundzüge: Der Buddhismus[146] entstand als Reform des Hinduismus gegen die heiligen Schriften der Veden und die dabei zum Ausdruck kommende Volksreligiosität, gegen den brahamnischen Opferkult und die Upanischaden-Mystik.[147] Obwohl es mit Siddharta (später als Buddha, der Erleuchtete bekannt) eine Stifterperson gibt, ist er keine prophetische Erlösungsreligion im klassischen Sinne. Er ist ebenfalls, wenn auch bei weitem nicht in dem Ausmaß wie der Hinduismus heterogen und durch mehrere große philosophische Schulen geprägt, die sich vor allem mit seinen ausgeprägten erkenntnistheoretischen Aspekten sowie etwa im Zen mit intensiven Meditationspraktiken befassten. Er ist entsprechend weniger dogmatisch als logisch aufgebaut, verurteilt das Kastenwesen und empfiehlt die Selbsterfahrung seiner Anhänger.[148]
Die in im Zusammenhang mit Tod, Jenseits und Totengericht wesentlichsten Unterschiede stellen sich vor allem im Pali-Kanon wie folgt dar:

  • Der Buddhismus verneint die Existenz einer individuellen Seele. Das Individuum ist vielmehr aus Phänomenen zusammengesetzt, die sich in fünf Kategorien unterteilen lassen: physische, Gefühle, Sinneswahrnehmungen, Reaktionen darauf und Bewusstsein. Es gibt daher genau genommen auch keine Seelenwanderung, da es in diesen fünf Kategorien keinen Atman gibt. Buddhas Lehre handelt entsprechend vom Nichtselbst (Anatman). Die Identifizierung mit dem Selbst wie im Hinduismus hielt er für eine häufige Ursache des menschlichen Leidens. Durch Meditation kann man sich vom Trugbild des Selbst befreien.[149]
  • Die Rolle des Bewusstseins in der Seelenwanderung ist die eines Katalysators, der selbst nicht bei der Wiedergeburt in die dann neue Person eingeht. Lediglich die in einem karmischen „Konditionalnexus“[150] verbundenen Tatabsichten sind für den neuen Menschen bestimmend, ja sie wirken sogar auf die Auswahl der dann gebärenden Mutter und die in ihr ruhenden Erbanlagen ein.[151]
  • Das Ich wird entsprechend nicht als individuelle Einheit wie im Hinduismus wiedergeboren, und der Tod ist ein Zustand erhöhten Bewusstseins, der die Möglichkeit bietet, aus dem Kreislauf der Wiedergeburten auszubrechen. Das Totenbuch der Tibeter schildert diese Möglichkeiten.
  • Der Strom der Phänomene, aus denen die fünf geistigen Kategorien bestehen, wird vom Karma dazu getrieben, eine Verkörperung zu suchen, die den karmischen Gegebenheiten entspricht. Über die Art und Weise herrscht aber teilweise Uneinigkeit zwischen den großen Hauptschulen:[152]
  1. Der Theravada-Buddhismus, meist als Hinayana-Buddhismus (auch Shravakayana bzw. „Kleines Fahrzeug“) bezeichnet, ist die früheste Form. Seine Lehre ruht auf dem Pali-Kanon. Das Heil des Einzelnen steht hier im Vordergrund.[153]
  2. Der später entstandene Mahayana-Buddhismus („großes Fahrzeug“). Das Heil des Kollektivs steht im Vordergrund. Er zeigt die Möglichkeit auf, durch Bodhisattvas das eigene bereits erlöste Krama auf andere Menschen zu übertragen und so vorläufig auf das eigene Eingehen in das Nirwana zu verzichten, bis der Andere ebenfalls gerettet ist.[154]
  3. Der tibetische Tantrayana-Buddhismus (auch Vajrayana oder Mantrayana) bzw. Lamaismus.[155]
  4. Die ostasiatischen Formen Amida-Buddhismus und Zen (s. unten).
  5. Kleinere Schulen bzw. Nebenformen sind:[156]
    1. Der im 8. Jahrhundert in Bengalen entstande Sahajayana-Buddhismus, der alle Konventionen missachtet und Züge einer Verzückungsfrömmigkeit trägt.
    2. Der noch weitgehend mysteriöse, im 10. Jahrhundert entstandene Kalacakra-Buddhismus, ein System von Astrologie, das religiöse Bedeutung annahm.
  • Die buddhistische Kosmologie ist extrem strukturiert und enthält vor allem in der tibetisch-buddhistischen Fassung des Lamaismus drei Sphären der Existenz:[157]
  1. Die Sphäre der Begierden (Kamaloka) mit folgenden Ebenen in absteigender Reihenfolge: 6 niedere Himmel, wo Indra und andere hindu-buddhistische Gottheiten sowie die diese bekämpfenden Titanen leben, menschliche Welt, Tierwelt, Welt der hungrigen Geister und Höllen. Wiedergeburt ist in all diesen Reichen möglich, wobei das Menschenreich sehr schwer zu erreichen ist. Auch Götter werden wiedergeboren. Auch die Wiedergeburt in der Hölle ist aber befristet. Das Nirwana bleibt jedoch höchstes Ziel.
  2. Die feinstoffliche Sphäre Rupaloka der höheren Gottheiten.
  3. Die Sphäre der Körperlosen Arupaloka, in der die himmlischen Wesen der Sphäre des endlosen Raumes und des Bewusstseins leben. Der Vajrayana-Buddhismus kennt noch zwei weitere Spären
  • Die vier edlen Wahrheiten: Die Wurzel des Lebens ist Leiden (dukkha) (1), das durch Verlangen (tanha) nach Macht, Genuß und langem Leben entsteht (2). Erlösung im Nirwana (3) wird erreicht, indem man dieses Leiden überwindet und den achtfachen Weg beschreitet (4). Dukkha ist jedoch auch Vergänglichkeit, Unvollkommenheit durch Alter, Krankheit und Tod. Die Wurzel des Verlangens ist Anitja, eine falsche Vorstellung vom Wesen der Wirklichkeit.
  • Es gibt keinen Gott und keine Götter. Der Buddhismus ist die einzige atheistischen Religion. Buddha sprach sich allerdings nicht gegen Götterverehrung aus, warnte jedoch vor ihrer kritiklosen Anerkennung, da sie nicht zur Lösung der Leiden führe. Allerdings haben sich später dennoch göttartige Figuren ausgebildet und bestimmte Götter wie der Todengott Yama sind übernommen worden oder erhalten geblieben. Dort, wo Götter dennoch vorkommmen, sind sie jedoch weniger Eigennamen als Bezeichnungen bestimmter funktionaler Posten, welche von Personen eingenommen werden, die den Rang für einige Zeit verdient haben.[158]
  • Die Vorstellungen von der Hölle mit dem Totengott Yama entsprechen denen des Hinduismus. Allerdings lehrt der Lamaismus teilweise, die Hölle sei lediglich ein Produkt der Einbildungskraft. Hinayana und Mahayana allerdings halten sie hingegen für real und damit auch ein Totengericht.
  • Der Buddhismus kennt keine Sünde, keinen Verstoß gegen göttliche Gebote. Die Wiedergeburt ist keine Strafe, sondern nur die natürliche Folge der Existenz. Das Karma-Gesetz wirkt dabei mechanisch und bedarf keiner über die Taten richtenden Instanz. Dabei sind nicht die Taten als solche ausschlaggebend, sondern die Motive dafür, die Absichten.[159]
  • Ethik: Im Buddhismus ranken sich zahlreiche hochkomplexe Texte um das Böse.[160] Das Böse im moralischen Sinne ist genauso wenig als eigene Kategorie ausgebildet wie im Hinduismus sondern ausschließlich im soteriologischen, also erlösungsbedingten Sinn als alles, was der Erlangung des buddhistischen Heils im Wege steht, das heißt, die vollkommene Wahrheit/Freiheit nicht zum Durchbruch kommen lässt. Es wird als Ausgeliefertsein an die eigene Begierden verstanden. Die Menschen leben in einer selbst verursachten, sich mit jeder falschen Tat verfestigenden verkehrten Weltsicht, die ihnen Wünsche eingibt, Ängste einflößt und Vorschriften macht, die gerade nicht der Wirklichkeit entsprechen. Alle Aspekte des Bösen stehen untereinander in Verbindung, so dass das Böse nicht nur wie im westlichen Sinne subjektzentriert verstanden wird, sondern auch die objektzentrierten Aspekte wie etwa „die böse Welt“, „das böse Zeitalter“ usw. als transindividuelle Formen enthält, in deren Rahmen der Einzelne gar nicht anders handeln kann als böse. Ein moralisches Handeln kann zudem soteriologisch falsch sein. Die religiöse Ethik des Buddhismus fügt sich daher nicht in die klassischen ethischen Systeme des Westens, etwa Immanuel Kants (allenfalls gibt es Ähnlichkeiten zur Werteethik Max Schelers) mit seinem autonomen rationalen Subjekt, da dieses durch die Gesetzmäßigkeiten des Samsara mit der Selbstverwirklichung im Nirwana aufgehoben wird, die aber wiederum durch das ethische Ideal des Mahayana-Bodhisatava ausgeglichen werden kann. Letztlich ist aber der unausrottbare Wahn von eigenen, substantiellen, autonomen Selbst das Böse schlechthin oder radikal Böse in einem allerdings metaethischen Sinn. Dieses Selbst muss daher auch als Erstes aufgegeben werden, und zwar in der ersten Stufe des Achtfachen Pfades.[161] Damit könnte durchaus im Buddhismus eine eigentliche philosophische Ethik unmöglich sein und ihr geht der Buddhismus denn auch konsequent aus dem Weg, da sie wie gezeigt nur auf der Grundlage eines autonomen Selbst existieren kann und mit dem Begriff des Nicht-Selbst kollidiert.[162] Diesen Relativierungen unterliegen naturgemäß auch alle Vorstellungene von einem wie immer gearteten Totengericht bzw. einer Hölle, die somit keine metaphysischen Regionen sind, sondern Äußerungen der Selbsttäuschung, die und damit Samsara derart bis ins Jenseits hineinreicht, dort jedoch am ehesten durch die überhöhte Klarsicht während des Todes überwunden werden kann – eine der wesentlichsten Funktionen solcher „jenseitigen“ Konzepte überhaupt im Buddhismus.

Das tibetische Totenbuch:[163] Es wurde von einem tantrischen Meistern erstellt, steht im Zentrum des tibetischen Vajrayana-Buddhismus und enthält die ausführlichsten Darstellungen vom Sterben und der Wiedergeburt mit zahlreichen ausgeklügelten Bestattungsriten, die auch eine Mumifizierung beinhalten. Es hat den Zweck, dem Sterbenden im Augenblick des Todes, wenn er sich in einem Zwischenzustand befindet, die Erkenntnis des wahren Seins zu ermöglichen und so die Wiedergeburt in dieser Welt zu verhindern. Gelingt dies nicht und wiegt das karmische Erbe zu schwer, wird eine Wiedergeburt unvermeidlich. Wird das dazu nötige Gleichgewicht ebenfalls nicht erreicht, muss der Tote sich dem Urteil über seine früheren Handlungen stellen, das in einer Gerichtsverhandlung unter Vorsitz des Totenrichters Yama gefällt wird, während dessen Helfer den Toten mit einem Strick um den Hals vor ihn zerren und ihm in einem Spiegel seine Taten vorgehalten werden. Überwiegen die schlechten Taten, wird er gefoltert (Abhacken der Glieder), kann jedoch auch dann noch durch die Erkenntnis, dass diese Folter nur Projektion seines eigenen Geistes ist, das Blatt zu seinen Gunsten wenden. Schließlich wird er durch Bilder des Geschlechtsaktes zusätzlich erregt. Wenn er die Kraft findet, auch diesen letzten Reiz als Illusion zu erkennen, kann er ebenfalls der Wiedergeburt entrinnen, wenn nicht, bleibt er nach der Lotus-Sutra für die maximale Dauer eines Weltzeitalters (Kalpa) der Hölle überlassen[164] bzw. wird in einer niederen Daseinsform wiedergeboren.
Das Totengericht ist im Buddhismus also kein Gericht über ethische, gesellschaftliche etc. Verfehlungen, in dessen Folge ein persönliches Karma, das es im Buddhismus ja nicht gibt, gereinigt wird wie im Hinduismus, sondern es ist Teil des Karmaprozesses selbst und seine Funktion besteht vor allem darin, das Illusorische der Existenz zu erkennen und so Wiedergeburt zu vermeiden helfen, nicht jedoch, Strafen für Taten zu verhängen, die im Sinne der buddhistischen Metaphysik ohnehin nur Teil dieser rein erkenntnisabhängigen Welt sind.
Ostasiatische Varianten:[165] Vor allem zwei, beide in China entstanden:

  1. Der im 4. Jahrhundert entstandene Amida-Buddhismus, der die Erlösung in einem Zwischenreich erwartet.
  2. Der im 5. Jahrhundert entstanden, später in Japan heimisch gewordene Zen-Buddhismus, der sich als Reformbewegung gegen erstarrte Bräuche wandte, die Meditation als Instrument der Erleuchung über die Identität allen Seins in den Mittelpunkt stellte und dabei ein striktes Training entwickelte wobei er einen enormen Einfluss auf die japanische Kultur ausübte.
Taoismus und andere chinesische Religionen
 
Illustration zum Jade-Bericht (19. Jh.), der den Unterweltkönigs Biang-cheng zeigt, wie er in der sechsten Hölle den Vorsitz führt. Ein Assistent in Gelehrtentracht präsentiert den Bericht über den Sünder, ein Dämon wird die Bestrafung überwachen.

Allgemein: In China[166] sind neben dem uralten und in Bräuchen bis heute bestehenden Schamanismus der Taoismus, Konfuzianismus[167] und der oben bereits dargestellte Buddhismus nach und nach eine teils innige Verbindung eingegangen (San-kao). Eine geläufige Charakterisierung der chinesischen Religion lautet denn auch, dass alle drei Bekenntnisse eine einzige Religion seien. Dabei hielt man sich an den Konfuzianismus als Anleitung für das tägliche Leben, wandte sich an den Taoismus für rituelle Läuterung und Exorzismus und an buddhistische Priester bei Begräbnissen. Allerdings ist die Realiät wesentlich vielschichtiger. Die jenseitige Welt war vielmehr mit der diesseitigen verwoben und ihr Spiegelbild. Die dortigen Götter und Geister hatten ihre Existenz als Menschen begonnen, und Götter konnten aufgrund eines kaiserlichen Dekretes befördert oder abgelöst werden. Zusätzlich hatten sich noch viel schamanische Elemente einer Ahnenverehrung erhalten, und die chinesische Religion ist im Grunde bis heute ein auf einem Familien- und Sippenkult beruhender Ahnenkult geblieben.[168] Dieser Religionsmix sprach alle Schichten an und hielt sich daher bis in die Moderne sogar neben dem Kommunismus Mao Zedongs (mit Unterbrechung durch die Kulturrevolution), der überdies in sich zwar antihierarchisch, selbst auch konfuzianische Elemente enthielt oder sie doch immer wieder und vor allem seit den 80ern nutzte.[169] Mao selbst hat das in seinem „Roten Büchlein“ so formuliert:

„Wir alle müssen von ihm (Anm.: dem Volk) den Geist der Selbstlosigkeit und Uneigennützigkeit lernen. Davon ausgehend kann man ein Mensch werden, der dem Volke großen Nutzen bringt. Man kann mit größeren oder geringeren Fähigkeiten ausgestattet sein, aber wer nur eine solche Gesinnung besitzt, wird ein edler Mensch mit klarem Charakter und hohen moralischen Qualitäten sein, ein von niedrigen Interessen freier Mensch, der dem Volke nützlich ist.“

Mao Zedong: Worte des Vorsitzenden Mao Tsetung, Kap. XVII: Dem Volke dienen, S. 202f.

Frühe Konzepte: Bereits in der Shang-Dynastie (1766–1028 v. Chr.) glaubte man nachweislich an ein Weiterleben nach dem Tode. Das Weltbild umfasste die klassischen drei Ebenen Totenreich, Welt der Lebenden und Himmel (Götter und Ahnen). Beim Tod stiegen die drei oberen Seelenteile (hun) des Verstorbenen zum Himmel empor und gesellten sich zu den Naturgöttern, die sieben unteren Seelenteile (po) sanken in die Erde ins Totenreich. Die Toten nahmen aber weiter am Leben der Familie teil und erhielten tägliche Speise- und Trankopfer und zwar midesten fünf Generationen lang. Dieses System übernahm der Taoismus später mehr oder weniger.[170]

Der Konfuzianismus, der bis 1911 Staatskult war, ist jedoch keine Religion im engeren Sinne, da er keine oder kaum originären metaphysischen Konzepte entwickelte, sondern vor allem ein staatspolitisch-ethisches System der Alltagspraxis und der Politik war. Jenseitsvorstellungen sind ihm eher fremd, obwohl sie sich unter dem Einfluss des die altchinesischen, noch stark schamanisch geprägten Vorstellungen des I Ging aufnehmenden Taoismus und des Buddhismus später ebenfalls entwickelten.[171] Auch gibt es unter den konfuzianischen Büchern durchaus solche, die metaphysische Themen enthalten (Jenseits, Geister etc.), und Konfuzius selbst hat religiöse Bräuche sehr gewissenhaft beachtet, wurde später sogar vergöttlicht und ihn eigenen Tempeln verehrt. Seine metaphysische Basis ist allerdings nur die Legalisierung und Formalisierung des überkommenen Ahnenkultes in den Zeremonien (Li), ein eigenes metaphysisches System hat er nicht entwickelt, und ein eigenes konfuzianisches Priestertum hat es nie gegeben.[172] Nach dem Tode bleibt der Mensch über den Ahnenkult in einer fortgesetzten Kommunikation mit der Welt der Nachfahren. Hauptgegenstand des konfuzianischen Konzeptes ist jedoch bei Konfuzius wie auch bei seinen beiden wichtigsten Nachfolgern Mengzi und Xunzi (beide 3. Jh. v. Chr.) die moralische Qualität von Mensch, Welt und Staat, wobei Konfuzius und Mengzi postulierten, der Mensch sei von Natur aus gut, Xunzi hingegen meinte, das Böse sei ihm angeboren.

Der Taoismus ist hingegen die ursprünglichste und autochthone Religion Chinas. Laotse ( =„alter Meister“, vermutlich 6. Jh. v. Chr.) gilt als spiritueller Initiator dieser teilweise als Reaktion auf den Konfuzianismus entstandenen Religion, das Taoteking als seine grundlegende Schrift.
Wesen und kosmologischer Kontext:[173] Der Taoismus lässt das Problem der irdischen Gerechtigkeit und ihrer Ethik links liegen und beschäftigt sich vor allem mit dem Urgrund des Seins und den inhärenten Wandlungen (I Ging, Yin Yang), wobei er wieder stärker zu metaphysischen Inhalten bei gleichzeitiger Ablehnung der alten, von Göttern, Geistern und Dämonen wimmelnden Religion zurückkehrt und sich die Natur zum Vorbild nimmt, die dabei auch als Wesensquelle aller ethischen Normen angesehen wird, das Böse z.B. als entartete Natur, dem der Mensch allerdings nichts entgegenzusetzen habe und daher ganz im bedingungslosen Annehmen der eigenen Natur aufgehen müsse. Ideal ist hier das Nichtstun; das Tao ist verborgen und kann nicht erkannt werden. Ist Handeln aber notwendig, soll es dem Prinzip Wu Wei folgen: „tun, was natürlich ist“. Die Taoisten lehnten daher alle zivilisatorischen Entwicklungen, aber auch die soziale Ethik des Konfuzianismus ab, und ihr Ideal war eine Rückkehr zu steinzeitlichen Lebensbedingungen, die sie als hinreichend selbstgenügsam ansahen. Eine Zwischenstellung nimmt dabei die etwa gleichzeitig entstehenden Philosophie des Mohismus ein, die allerdings dem Konfuzianismus näher steht als dem Taoismus, jedoch das Jenseitige mehr einbezieht, während der Taoismus die alte schamanische chinesische Götter-und-Geisterreligion scharf ablehnt und eher mit frühen, noch nicht theistischen animistischen, jedoch philosophisch überwölbten Vorstellungen vergleichbar ist. Der häufig zentrale Dualismus vor allem der chinesischen Religionen wird nicht ethisch als Gut/Böse-Paar begriffen (das etwa in der dualen Yin/Yang-Symbolik nicht enthalten ist!), sondern als System grundlegender harmonischer Wechselwirkungen. Gerechtigkeit in diesem Sinne ist somit ein kosmisches Phänomen, dem sich letzlich sogar Götter zu unterwerfen haben, dessen weltliche Ausformung aber der kosmischen untergeordnet und in diesem Rahmen eher belanglos ist.
Tod, Jenseits und Totengericht: Im Taoismus gab es wie schon seit der Shang-Zeit zwei Seelen: Tji als unlösbar mit dem Leib zusammenhängende Leben und das Ling, die vom Leib trennbare Seele (auch po und hun ), die nach dem Tod entweder ein Gui, ein Teufel, oder ein Schön, eine Gottheit wurde, je nach den diesseitigen Qualitäten (vor allem Adeligen kamen in den Genuss des himmlischen Daseins).[174] Der Tod selbst wurde im alten China als nichts anderes gesehen als ein Teil eines nahtlosen Ganzen, einer universalen Ordnung, der man sich in gehöriger Reihenfolge anzunähern hatte. Störungen der inhärenten Harmonie, die stets wie auch alles Böse dem menschlichen freien Willen entstammten, führte automatisch zu Vergeltung. Allerdings konnte die Kraft der verschiedenen unterweltlichen und göttlichen Wesen bis zu einem gewissen Grade diese Folgen abwenden. Zunächst fand diese Einstellung in einem zuvor schon stark ausgeprägten Begräbnis- und Ahnenkult ihren Ausdruck, und Opferriten waren von überragender Bedeutung.
Mit der Ankunft des Buddhismus in China im 5. und 6. Jahrhundert n. Chr. systematisierten sich die bereits im Taoismus vorhandenen Himmel- und Höllenvorstellungen bis zum 9./10. Jahrhundert. Der verewigte Laotse und andere Heilige wohnten in einem Paradies, das beim Berg K'un-lun vermutet wurde. Andere, etwa zu Genien gewordene Asketen, wohnten auf den im Osten gelegenen fünf Inseln der Seligen. Besonders die Hölle wurde nun aber systematisiert Bisher war sie als eine Art Gefängnis verstanden worden, die unter der Verwaltung einer undurchschaubaren Büokratie stand (chin. di yu für Hölle bedeutet Erdgefängnis), in der die Toten ihre Strafen erlitten, etwa wegen nicht oder schlecht eingehaltener Totenrituale usw., weniger wegen ethischer Verfehlungen. Nun entstand ein System mit zehn Höllen, in denen man für seine Sünden schmerzlichst zu bezahlen hatte.[175] Bemerkenswert für alle religiösen Richtungen Chinas ist die Tatsache, dass es so etwas wie ein Totengericht als Instanz zur ethischen Bewertung diesseitiger Handlungen im Jenseits zunächst nicht gab, allerdings ein Höllengericht, das von einem der zehn Höllenkönige Janluo Wang verwaltet wird. Es beschäftigte sich ursprünglich jedoch nicht mit Missetaten der Seelen im Diesseits, sondern mit entsprechenden Verfehlungen in der Unterwelt, die als völliges Gegenbild zum Diesseits konzipiert ist und dem Kaiser ebenfalls untersteht. Die Höllenkönige haben bis zur Mitte der Han-Periode überdies keinen allzu hohen Rang; der höchst unter ihnen trägt den Titel „Enkel des Himmels“ , hat also in etwa den Rang eines kaiserlichen Provinzgouverneurs. Die Vorstellungen von den zehn Höllenkreisen bildete sich allerdings erst im 9. und 10. Jahrhundert n. Chr. aus, systematisiert durch den Konfuzianismus, wobei die Vorstellungen des Buddhismus hier allerdings völlig missverstanden wurde und in der chinesischen Religion nun tatsächlich so etwas wie Höllenstrafen für diesseitige Verfehlungen ausbildete (es gab der Vielfalt solcher Missetaten entsprechend 138 Strafplätze[176]), die formal ganz verblüffend Dantes Inferno gleichen, wo allerdings im Gegensatz zu diesen keine göttlich verordneten Strafen vollzogen werden, sondern Maßnahmen zur Wiederherstellung der Harmonie und auch wegen Nichteinhaltung von Totenritualen oder wegen gesellschaftlicher Regelverstöße im Diesseits. Solche Strafen konnten dann durch Opferzeremonien von Priestern abgewendet werden. Dabei gab es sogar regelrechte Unterweltkarrieren, wenn etwa im Diesseits unschuldig Verfolgte nach und nach göttliche Positionen oder die Funktion von Höllenrichtern einnahmen. Diese späte Phase der chinesischen Unterweltvorstellungen sind voller Fabeln und Fantasien, die für sich genommen wohl die Angst vor dem Tode mildern sollten, die andererseits aber auch eine wichtige Konstante der chinesischen Kultur gewesen sind. (In Legenden wurde sogar Höllenreisen Lebender gelegentlich beschrieben.) So machte man das Jenseits, und zwar Himmel wie Hölle, zu einer verständlichen Kopie des Diesseits, die zudem unter der Kontrolle des Kaisers stand und durchaus „Entfaltungsmöglichkeiten“ für im konfuzianischen Sinn verdiente Menschen bot. Damit war der Tod und das, was danach möglicherweise kam, aber auch nicht mehr so furchteinflößend, da es den diesseitigen Verhältnissen entsprach.
Ab dem 7. Jahrhundert während der Tang-Dynastie verlor der Taoismus allerdings stark an Einfluss, vor allem nachdem die konfuzianische Ordnung in die Geisterwelt und in die Verwaltung eingeführt wurde und die Konkurrenz des Buddhismus immer stärker wurde. Der Taoismus verlor seinen Einfluss auf das Volk und sank danach zu einer Mönchsreligion und zu einem Zauberkult herab.[177] Wie sehr zudem der missverstandene Buddhismus dann die chinesischen Unterweltsvorstellungen des Taoismus beeinflusste zeigt das Beispiel des Jade-Berichts aus dem 19. Jahrhundert (s. Abb.), denn hier gibt es nun ein regelrechtes „klassisches“, sogar mit dem Nimbus des mythischen Jadekaisers ausgestattetes Totengericht, das auch weltliche Verfehlungen der moralisch-ethischen Kategorie mit grausamen Strafen ahndet. Nach der Strafe werden die Seelen auf die Erde zurückgeschickt und in niederen Existenzformen reinkarniert.[178]
Der Tod war dennoch nichts, auf das man sich freute, und es gab daher im Luafe der chinesischen Geschichte ständig Versuche, ihm zu entgehe, insbesondere im Taoismus ausgedehnte Versuche, die Unsterblichkeit im Diesseits zu erlangen[179] oder in ein Paradies zu gelangen, das man sich gewöhnlich als eine Ort jenseits des Horizonts vorstellte. Es entwickelten sich also unter der Prämisse der Schrecken des Todes mehrere spekulative Ausweichmöglichkeiten, darunter auch eine philosophisch-konfuzianische, welche das rituelle Wiedereinfügen in den Kosmos durch allerlei Manipulationen der Geister propagierte. Die extreme Flexibilität der chinesischen Volksreligion erlaubte es in der Spätzeit schließlich, all dies Vorstellungen gleichzeitig und nicht als widersprüchlich anzunehmen, so das die Schrecken der zehn unerbittlichen Höllenkönige schließlch schwanden.

Japan und Korea: Schintoismus und Schamanismus

In Japan haben sich zwei Religionen durchgesetzt: der Buddhismus (s. oben: Zen-Buddhismus) und der im Vergleich zu dessen ausgefeilter Dogmatik altertümliche Schintoismus,[180] letzerer als rein nationale Religion, nachdem er bis zu Eindringen des Buddhismus im 6. Jahrhundert eine heterogene Ansammlung lokaler Ahnen- und Geisterkulte gewesen war mit Verehrung von Naturphänomenen und Fabelwesen sowie Fruchtbarkeitsritualen. Beider Verhältnis war im Laufe der Geschichte von teils komplizierten Wechselkwirkungen geprägt, wobei der Schintoismus, nachdem 1868 die Schinto-Buddhismus-Einheit durch ein kaiserliches Edikt aufgelöst worden war, mitsamt seiner Mythologie schließlich politisch instrumentalisiert und zum Staatsschintoismus mit kaiserlichen Gepräge wurde. Auch der Schintoismus ist allerdings nicht monolithisch, und man unterteilt ihn in eine Kaiserhaus-Schinto (Ursprung des späteren Staatsschintoismus), einen Schrein-Schinto, der im Zentrum offizieller und volkstümlicher Zeremonien steht, eine Sekten-Schinto und einen Volksschinto, die beide aus altertümlichen magischen etc. Ritualen bestehen.[181] Die drei ersten Untertypen werden durch keinerlei Dogmen oder heilige Bücher eingegrenzt, so dass mitunter die frage gestellt wird, ob dieser Schinto überhaupt als Religion zu bezeichnen sei.
Die Götter als solche heißen kami, und es gibt unzählige davon, auch sind sie nicht allmächtig oder allwissend. Zunächst verstand man darunter personifizierte Naturkräft; auch Bäume und Berge konnten kami sein. Sie haben gute und böse Seiten und besitzen entsprechend zwei Seelen, die ihre menschenähnlichen Körper verlassen und in andere eindringen können. Auch die Ahnen-Kami gehören zu ihnen. Kannuschi wiederum sind mächtige Mittlergestalten zwischen Menschen und Kami.[182]
Ethik: Der Begriff der Sünde im Schintoismus tsumi ist völlig anders strukturiert als etwa im westlichen Denken oder im Buddhismus. Er ist eine weltliche Belastung, von der man sich durch harae, Bußgeld, oder andere Kompensationen wieder befreit, die der Geschädigte oft selbst einfordert. Tsumi ist damit Teil der Rechtsordnung, nicht der Ethik. Sie trugen allenfalls Zeichen einer Reinigung wie sie etwa misogi, die kultische Reinigung mit Wasser darstellt. Dabei gibt es himmlische und irdische tsumi, also Dinge, die einem Menschen von Göttern auferlegt wurden, etwa Hautkrankheiten und andere Heimsuchungen. Irdische Tsumi waren hingegen Dinge, die der Mensch selbst tat, etwa Izest oder Hexerei.[183] Man kann also die ethischen Prinzipen des Schintoismus durchaus nach Eliade in dem Satz zusammenfassen: „Verehre die Gottheiten, halte die Reinheitsvorschriften ein“, sowie „Sei aufrichtig und gerade“. Schon von daher ergab sich keine Notwendigkeit, irgend geartete metaphysische Konzepte im Sinne eines Totengerichtes zu entwickeln, zumal man Vergehen nach dem Tode einfach in den Schlund der Unterwelt werfen konnte (s. unten).

 
Koshin-Rollbild mit den 3 Affen.

Das Vergeltungsprinzip wiederum, das einen weitere zentralen Bestandteil eines Totengerichtes ausmacht, hat sich vor allem im Koshin-Glauben erhalten, dem Rest eines ursprünglich komplexeren Systems aus Taoismus, Buddhismus, Schintoismus und Volksglauben , das während der Heian-Zeit nach Japan kam. Danach leben drei Würmer Sanshi in jedem menschlichen Körper. Sie spüren die guten und teilweise auch die bösen Taten in diesem Menschen auf. Am sog. Kōshin-Machi alle 60 Tage verlassen die sanshis den Körper während des Schlafes und begeben sich zum Ten-Tei (天帝), dem himmlischen Herrscher, um ihm darüber zu berichten. Ten-Tei entscheidet daraufhin, ob er den bösen Menschen bestraft, etwa durch Krankheit, Verkürzung seiner Lebenszeit oder in extremen Fällen auch durch den Tod. Anhänger des Kōshin-Glaubens bemühen sich daher, ihr Leben ohne böse Taten zu leben; jene allerdings, die Grund zur Sorge habe, versuchen während der Kōshin-Nächte wach zu bleiben, um so die Würmer am Verlassen des Körpers zu hindern. Das bekannteste Symbol des Glaubens sind die Drei Affen. Die wichtigste Gottheit des Koshin- Volksglaubens ist Shoumen Kongou, eine Furcht erregende Gestalt mit meistens vier Armen. Er ist die zentrale Figur auf den meisten Rollbildern. Die drei Affen die Augen, Ohren und Mund zuhalten werden oft, aber nicht immer abgebildet. [184]
Jenseitsvorstellungen: Im Schintoismus (Weg der Kami) als einer noch stark animistisch geprägte Religion existiert ein eigenes Totengericht nicht. Überhaupt interessiert er sich vor allem für das Diesseite, kaum für das Jenseits, und seine hauptsächliche ethische Forderung ist die Unterwerfung unter den Kaiser. Allerdings finden sich auch hier starke buddhistische Einflüsse. Die Unterwelt heißt Yomi-no-Kuni und ist der Herrschaftsbereich der Totengöttin Izanami als erste Verstorbene, als sie den Feuergott Kagutsuchi gebar; sie bildet zusammen mit ihrem den Himmel beherrschenden Bruder und Gatten Izanagi das Urgötterpaar, das zugleich Mensch und Gott war.[185] Das Reich der Toten oder „Land der Finsternis“ (Yomo-tsu-Kuni) bzw. „Land der Wurzeln“ oder auch „Tiefes Land“ hat zwei Zugänge: der erste verläuft sanft und kurvenreich ansteigend, der andere liegt in einer riesigen Höhle am Meerufer, und sie dringt geradewegs in die Erde vor. Dort hinein wirft man alle Makel mit allen Sünden, die vor allem, charkteristisch für Bauernkulturen, in der Beschädigung von Bewässerungsanlagen, Grausamkeit gegen Tiere und der Verunreinigung heiliger Stätten bestanden. Die unterirdische Welt wird von männlichen und weiblichen Geistern bewohnt, shiko-me (die hässlichen Frauen) oder hiso-me (die Frauen mit gerunzelter Stirn). Stirbt man, verlässt der Geist (kami oder mi) den Körper, um in die andere Welt zu gehen und mit dem Geist des Kosmos wiedervereint zu werden. Vor allem auf den Totenkult nahm der Buddhismus dann starken Einfluss.

In Korea[186] herrscht neben dem Buddhismus und Taoismus sowie dem Neokonfuzianismus vor allem ein sehr alter Ahnenkult mit stark schamanischen Zügen vor. Entsprechend gibt es dort auch keine Vorstellungen von einem Totengericht.

Ethnische Religionen

 
Verbreitung der Religionen weltweit.

Ethnische Religionen sind vor allem wegen der Vor- und Übergansstadien zum Toterngericht im Rahmen ihrer jeweiligen Jenseitsvorstellungen von großem Interesses, da sie ausweisen, unter welchen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen diese überhaupt erst entstehen können.
Die meisten indigenen Religionen Asiens, Afrikas, Ozeaniens und Australiens sowie Amerikas[187] kennen eine philosophisch ausgebildeten Begriff des für moralsiche Bewertungen essentiellen Begriff des Gewissens nicht, lediglich alltagspraktische Repräsentanzen, die sich jeweils aus der Umgebungs- und sozialen Situation ergeben und häufig in Gestalt von Tabus auftreten. Das gilt vermutlich auch für den Schamanismus, dem zahlreiche dieser Religionen noch recht nahe stehen und derart meist neben einem Totemismus einen für diesen charakteristischen mythischen Ahnenkult im Zentrum haben, der Totengerichtsvorstellungen ausschließt (der Kult wirklicher, personaler Ahnen ist eine historische spätere Entwicklung[188]). Im allgemeinen geht ein wie auch immer gearteter, vor allem jedoch ethisch-moralisch orientierter Gewissensbegriff in den Religionen meist einher mit dem Phänomen des Totengerichts und ist eher eine noch spätere Entwicklung, allerdings dann in einer strikt religiösen, häufig priesterlich-theologisch bestimmten Ausprägung als Instanz, welche den Vollzug göttlichen Willens (und damit auch des weltlichen) steuert. Entsprechend fehlt gewöhnlich auch ein ausgeprägter Gut-Böse-Dualismus. Die ethnischen Religionen zeigen jedoch vor allem im Zusammenhang mit chthonischen Fruchtbarkeitsvorstellungen verschiedene Frühstadien des Totenglaubens, die später in den entwickelteren Religionen zu einem Totengericht hinführen, weshalb sich eine nähere Betrachtung auch in diesem Zusammenhang lohnt.

Asien

In ganz Asien[189] haben sich neben den Hochreligionen auch Reste alter schamanischer bzw. animistischer Vorstellungen gehalten, entweder außerhalb der großen Religionen, etwa der Bön in Tibet und Nepal[190] oder den Adivasi des indischen Subkontinents, in der Mongolei (Tengrismus), aber auch synkretistisch im Innern der vorherrschenden Hochreligionen wie in vielen Teilen Indiens und Hinterindiens sowie in Indonesien und auf den Philippinen (z.B. Igorot). Ausgeprägte Totengerichtskonzepte gibt es vor allem außerhalb der Hochreligionen nicht. Das Jenseits wird wie in anderen schamanisch bzw. totemistisch bestimmten Religionen auch als Kontinuum des Diesseits begriffen, und die Funktion der dortigen, oft mythischen, später auch personalen Ahnen bezieht sich vor allem auf das diesseitige Kollektiv. Individuelle Vergeltungsformen fehlen hingegen.
Oft gibt es überhaupt keinen ausgeprägten Totenglauben, allenfalls die Vorstellung, die Toten verwandelten sich in Geister wie bei den Kubu Südostsumatras. Die nomadisierenden Semang auf der Malaiischen Halbinsel glauben, die Toten würden nach Westen entschwinden und nachts als Vögel zurückkehren. Die kulturell weiter entwickelten Andamanesen haben einen ähnlichen Geisterglauben, dazu allerdings Unterweltsvorstellungen, die aber auch auf christliche Einflüsse zurückgehen könnten. Vergleichbares gilt für die Wedda auf Ceylon. Insgesamt findet man überall mehr oder weniger Varianten derselben archaischen Glaubenvorstellungen, selbst bei den Ainu Hokkaidos.

Bei den zu den altindonesischen Völkern gehörenenden Batak Sumatras[191], die durchaus ähnlich Glaubensvorstellungen entwickelten, wenn auch mit starken regionalen und stammesgebundene Varianten, war ein bereits sehr komplexer Glaube mit Trinitätsvorstellungen entwickelt, der heute allerdings aufgrund des in manchen Zügen ähnlichen Christentums kaum noch existiert. Der Tod wurde als Übergang in einen Seelengeist tondi verstanden. Dieser hatte im Totenreich je nach der Position im Diesseits und den angewandten Riten beim Begräbnis, die sich über ein Jahr hinziehen konnten, eine unterschiedliche Stellung bis zur höchsten Position eines sombaon (Anbetungswürdiger), so dass man hier schon von einer Vorform des Totengerichts sprechen kann, da eine postmortale Einstufung im Jenseits erfolgt, die allerdings noch vom Diesseits aus definiert wird. Die mächtigsten Repräsentanten sind aber auch hier wiederum die auch in Bildnissen präsenten Ahnen mit ihrem Einfluss auf das Diesseits, die daher unbedingt günstig gestimmt werden müssen.
Bei den Wemale auf Seram findet sich die Vorstellung der Dema-Gottheit, ähnlich in den anderen altindonesischen Religionen, die allerdings später allesamt durch Hinduimus, Buddhismus, Islam und Christentum sowie durch die Religionen chinessicher Einwanderer überlagert wurden. Die Zahl der Götter, Geister, Dämonen und Kulturheroen ist enorm und regional vielfältig, ebenso sind es die entsprechenden Mythen, oft auch solche, die Götterstreitigkeiten zum Gegenstand haben, vor allem zwischen den Göttern der Ober- und Unterwelt. Zu Dämonen können die Seelen der Toten werden, die nicht auf „ordentliche“ Weise starben. Die Ahnen sind insgesamt eher individuell gedacht, haben aber als Stammesahnen oder rituell erhöhte Ahnen eine hohen Status, allerdings nur für Menschen, die in einer genealogischen Abolge stehen. Entsprechend hatte sich bei den altindonesischen Völkern auch eine Adelsschicht gebildet. Der Status wurde ins Jenseits mitgenommen, das nach einer durch einen Seelenbegleiter geführten beschwerlichen Reise erreicht wurde und als Seelendorf ein Abbild des Diesseits auch in sozialer Hinsicht war. Wurden aber die Riten im Diesseits eingestellt, verfiel auch das Seelendorf, denn die Einheit zwischen Toten und Lebenden war dadurch zerbrochen. Das Zerbrechen oder Sichauflösen eines solchen Kontinuums wiederum ist die Voraussetzung für die Existenz eines Totengerichtes als Zäsur zwischen Diesseits und Jenseits, wie es die eindringenden Hochreligionen allesamt entweder systematisiert oder institutionalisiert boten. Geistige Basis eines solchen Wandels ist nach Jensen die zunehmende Heilserwartung der Menschen, die zu einem Wandel vom sich in Urzeitereignissen verwirklichend Dema-Gott zur eingreifenden Gottheit mit sich brachte, wie sie für den Polytheismus typisch ist. Ein dazwischen geschalteter, diese Heilserwartungen zwar garantierender, aber ethisch voraussetzungloser Ahnenkult wäre hier störend gewesen, da die Götter ihr Eingreifen nun zunehmend mit ethischen Regeln verbanden, die darauf jene des ursprünglich lebenspraktischen und durch Ahnen kontrollierten Brauchtumes der Naturvölker ablösten.[192] An die Stelle der magisch wirkenden Ahnengeister traten dann andere, diesseitige (z.B. Priester) und jenseitige (Totengericht, Jenseits, Hölle) Kontroll- und Strafmechanismen. Max Weber notiert dazu:[193]

„Wo der Geisterglaube zum Götterglauben rationalisiert wird, also nicht mehr die Geister magisch gezwungen, sondern Götter kultisch verehrt und gebeten sein wollen, schlägt die magische Ethik des Geisterglaubens in die Vorstellung um: daß denjenigen, welcher die gottgewollten Normen verletzt, das ethische Mißfallen des Gottes trifft, welcher jene Ordnung unter seinen speziellen Schutz gestellt hat.“

Max Weber: Religionssoziologie
Afrika

Grundstrukturen afrikanischer Religionen:[194] Im allgemeinen glaubte man, der Tod sei quasi durch ein Versehen entstanden, und die Toten lebten unter der Erde in einer von einem oder mehreren Totengöttern beherrschten Totenreich; das dem Diesseits aber sehr ähnlich sei (etwa im Südwest-Bantu-Gebiet[195]; doch fehlt diese Vorstellung z.B. auf Madagaskar[196]). Die Toten seien aber auch im Diesseits durch magische Kräfte präsent und müssten bei Laune gehalten werden, und vor allem in Ostafrika glaubte man sogar, die Menschen ingesamt lebten unter der Gewalt von Göttern, Ahnen und Geistern, die die maßgebenden übernatürlichen Phänomene darstellten und entsprechend beeinflusst werden könnten, so dass Afrika auch der Kontinent der Magie genannt worden ist.[197] Besessenheitskulte wie etwa der zentralsudanesische isoki-Kult oder die holey-Kulte der Dogon sind verbreitet. Die afrikanischen Religionen, und zwar auch die großen und komplexeren wie die der Yoruba mit ihrem 401-köpfigen Pantheon sind entsprechend beherrscht von Ahnenkult,[198] der aber auch wie bei den Massai weitgehend fehlen kann. Jenseits- und Totenfurcht sind verbreitet, hie und da mit Reinkarnation oder vergleichbaren Vorstellungen, bei den Bantus in der Sambesi-Angola-Provinz und bei den Dogon und den Bambara am oberen Niger sogar mit dem Konzept einer Mehrfachseele, desgleichen und besonders komplex in der Obervolta-Provinz.[199] Ebenso finden sich gelegentliche Spuren eines alten Totemismus, meist als Sippen- bzw. Klantotemismus wie besonders ausgeprägt bei den Massai. In der Obervolta-Proviz tritt Totemismus in Form eines Nagualismus auf.[200] Gelegentlich glaubt man wie in Nordostafrika, die Toten kämen als Seelenvögel wieder.[201] Statt von Ahnenkult, den es aber zum Beispiel bei Hottentotten und Buschmännern sowie den Mbuti-Pygmäen nicht gibt,[202] spricht man in Afrika aber besser von der Verehrung der „Lebendtoten“, denn die Toten sind noch mehrere Generationen gegenwärtig, ihnen wird auf dem Hausaltar geopfert, und alles, was in der Sippe geschieht, wird ihnen berichtet. Das Verhältnis zu ihnen und zu jenseitigen Sphären ist harmonisch und lebensbejahend und die Hauptfrage der ethnischen afrikanischen Religionen ist nicht: Welches Schicksal erwartet uns im Jenseits? sondern vielmehr: Welchen Einfluss haben die Toten auf uns Lebende, und welche Taten, die wir unseren Mitmenschen zufügen, können diese später als Tote an uns rächen?[203] In den oft bis in unsere Tage neolithisch geprägten Völkern kommen dazu noch Fruchtbarkeitskulte. Die Sterne werden gelegentlich wie bei den Ethnien des südlichen Limpopo-Gebietes oder Nordostafrikas mit den Toten in Verbindung gebracht.[204]
Ein Totengericht gibt es nur sporadisch' und in Vor- bzw. Frühformen, etwa im Zentralsudan, wo der Erdgott dabei eine wesentliche Rolle spielt. Der Wiedergeburtsglaube ist verbreitet. Die Vorstellung von einem Totengericht ist den meisten Bevölkerungsgruppen aber fremd. Eine wesentliche Rolle spielt dabei die Subsistenzstrategie, denn Jäger und Sammler und frühe sog. Altpflanzer hängen eher dem Ahnenkult an; erst entwickelte Feldbauern zeigen im allgemeinen Tendenzen, mit dem Konzept der Unterwelt in Kombination mit zyklischen Fruchtbarkeitsvorstellungen nach und nach und parallel zu Götterpantheons auch Konzepte eines Totengerichtes zu entwickeln.[205] Allerdings ist die Fläche der dafür geeigneten Humusböden in Afrika relativ klein.[206] Die Kambara und Duka jedoch glauben, dass böse Taten bestraft und gute belohnt werden. Vergeltungsmaßnahmen im Jenseits kennen auch andere lokale Bevölkerungsgruppen des Zentralsudan. Die Djukun nennen das Totenreich „Haus der Wahrheit“, in dem Ana, die Erdgottheit, als oberster Richter herrscht. Ebenso glauben die Duru, dass der in der Erde wohnende Gott die Toten richtet. Im übrigen richtet sich die Position der Toten im Jenseits nach der Position im Diesseits.[207] Inwieweit in solchen Fällen islamische Einflüsse eine Rolle gespielt haben oder ob es sich dabei um autochthone Vorstellungen handelt, wie man sie im pazifischen Raum so ähnlich findet, ist strittig. In Liberia und Sierra Leone wird dies jedoch vermutet, denn dort werden nach dem Glauben der Vai die Geister der Verstorben während einer 40-tägigen auch über eine Totenfluss führenden Reise von den Toten, denen sie im Laufe ihres Lebens Unrecht getan haben, gepeinigt und streng befragt.[208] Die zentralafrikanischen Wute haben moralisch-dualistische Konzepte entwickelt, denn sie teilen die Totenseelen wie auch zahlreiche Naturgeister in gut und böse ein, ähnlich die benachbarten Mbum. Die Guten gingen zu Gott, die Bösen ins Feuer.[209] Bei den zentralfrikanischen Bongo lenkt loma als Macht aus dem Jenseits das Schicksal und bewertet es anch moralischen Kriterien, greift sogar direkt in das Leben ein. Sozialer und moralischer Rang bestimmen dann das Verhältnis zu loma im Jenseits.[210]
Die im Verlauf der Geschichte Nordafrikas vor allem im Falle des Islam bedeutsame Rolle der überwölbenden Hochreligionen ist wie in anderen Weltreligionen stets mit zu berücksichtigen. So finden sich etwa in der fandano genannten Religion der Hadiya in Nordostafrika islamische Eschatologievorstellungen, Fastenbräuche usw., ähnlich bei den Dar Fur. Die Daza und Tubu praktizieren noch einen Ahnekult und präislamische Agrarriten etc. Totenfurcht und der Glaube an Naturgeister sind noch bei den Tuareg lebendig geblieben, desgleichen in Nordafrika insgesamt Reste des alten Berberglaubens.[211] Oft wird der Islam aber wie etwa in der Oberniger-Provinz vor allem als Jenseitsreligion betrachtet, oder es wurden wie früher bei den Songhai nur äußerliche Bräuche übernommen.[212] Häufig praktizieren Afrikaner neben dem Islam oder Christentum zudem noch die Volksreligion, die allerdings nach und nach zu schwinden beginnt, da Islam und Christentum offenbar die im traditionellen Volksglauben ausgeprägte Angst von jenseitigen Mächten und ihrer Willkür bei einem sehr fernen, nicht eingreifenden und daher auch nicht verehrten otiosen Hoch- und Schöpfergott durch das mitfühlende Eingreifen des abrahamitischen Schöpfergottes besänftigt wird, so dass eine Heilsgewissheit entsteht, die ethische Maßstäbe zur Grundlage hat und durch ein nicht mehr willkürliches Totengericht auch garentiert wird, solange man sich an diese Maßstäbe hält, wobei überdies in der Gleichheit aller Gläubigen die in Afrika besonders verhängnisvollen ethnischen Grenzen aufgehoben werden.[213]

Ozeanien und Australien
 
Orientierungskarte Australien und Ozeanien.

Für die Völker Ozeaniens[214] ist die Existenz der Toten eine Aufgabe für das Gedächtnis der Lebenden. Doch gibt es stets Momente, wo die Toten diese gleichsam parallele Existenz zu den Lebenden verlassen um in die Unterwelt hinabzusteigen, die Orte des Vergessens.[215] Ein ausgeprägtes Totengericht findet sich in Ozeanien aber nicht, ebensowenig finden sich ausgeprägte Weltuntergangsszenarien. Grundlage vor allem in [[Melanesien] ist ein Weltbild mit einem ausgeprägten Ahnenkult, ebenso in Polynesien und Mikronesien, von dessen Religion aufgrund der radikalen Eroberungsgeschichte allerdings kaum noch etwas übrig ist. Das soziale System wird gelegentlich und vor allem in Polynesien von machtpolitisch orientierten diesseitigen Adelssystemen (vor allem auf Hawaii, wo es 11 Adelsränge gab) und Häuptlingssystemen mit Mana und Tabu (vor allem in Melanesien) überlagert,[216] besitzt aber im mehr oder weniger ausgeprägten Ahnenkult noch ein jenseitiges Korrektiv, das allerdings in einigen Fürstenherrschaften nur noch für die Adelsschicht gilt. Totemismus ist vor allem bei den Papuas Neuguineas verbreitet. Vor allem in Melanesien waren die Verwandtschaftsgruppen und Stammesverbände Träger des religiösen Lebens.
Allerdings finden sich vor allem dort, wo Götterpantheons existieren und damit kosmogonisch auch eine meist als Kopie des Diesseits vorgestellte Unterwelt, für Altpflanzer typische Früh- bzw. Vorformen eines Totengerichtes mit Seelenvorstellungen. Die Betonung liegt hier aber meist noch auf der als beschwerlich geschilderten schamanischen Seelenreise, deren Ziel die Vereinigung mit den früher verstorbenen Stammes- und Clanangehörigen ist, an deren Ende aber eine Art Eintrittszeremoniell mit einer Prüfung durch die Unterweltgottheit stehen kann und damit eine Vorform des Totengerichts. Eine wesentliche Rolle spielen in diesem Zusammenhang bei vielen Völkern die Nachweise, dass der Tote zu Lebzeiten gewisse Zeremonien durchgemacht hat, was etwa durch das Vorhandensein von Tätowierungen nachzuweisen ist. Ursprünglich scheint das Totenreich identisch mit dem Reich der Götter gewesen zu sein, hat sich dann aber offenbar mit der Vorstellung der Dema-Gottheit, die selbst weder gut noch böse ist, unter die Erde verlagert, da dort der Ursprung des Lebens und der Fruchtbarkeit imaginiert wurde, die durch den Tod der Dema-Gottheit erst geschaffen worden war, so dass eine enge Verbindung zwischen Sterben und Fruchtbarkeit entstand, die für alle Pflanzervölker typisch ist, wie sie A.E. Jensen insbesondere am melanesischen Volk der Marind-Anim beobachtete.[217] Bei den Maori gibt es mit Hine Ahua Rangi eine Unterweltsgöttin. Ihr Vater Tāne tritt als Organistor der Welt auf und als Repräsentant des Guten. Sein Gegenspieler Gott Tangaroa ist hingegen Verursacher des Bösen.[218] Wie anderswo werden auch bei den Maori mana und tapu an den Einzelnen weitervererbt, ebenso wie das Stammesland. Später bildeten sich dann Maori-Kirchen (z.B. Ringatu und Ratana), die die alte Religion mit der christlichen zu verschmelzen suchten, einschließlich der christlichen Jenseitsvorstellungen.

Die australischen Aborigines[219] wiederum haben diesen Kult der mythischen Ahnen, der kein Ahnenkult im engeren Sinne ist,[220] sondern die Verehrung mythischer Gestalten, Fantasiewesen, die verschiedenen Gestalten imaginiert werden, zu einem hochkomplexen mythisch-philosophischen System, der Traumzeit weiter entwickelt, in der ein Totengericht schon systembedingt ebenfalls keinen Platz findet, denn alle moralischen Gesetze und Sitten in der Welt leiten sich aus der Verbindung zwischen sichtbarem und spirituellem Universum ab. Lebende und Tote sind daher nicht zu trennen, und die Ahnen haben ihren Sitz in Naturerscheinungen und Totems.[221] Die Vorstellungen der Australier über das Leben der Seele nach dem Tode sind allerdings relativ unklar und uneinheitlich. Manche Stämme glauben, dass die Seelen über die Erde wandern, andere, dass sie nach Norden oder in den Himmel reisen oder dass sie sich kurz nach dem Tod in Nichts auflösen. Entsprechend fehlt die Vorstellung von einem Jenseits, und eine große Rolle spielen Seelenvorstellungen nicht.[222] In manchen Mythen wird davon berichtet, die Menschen seien früher wie der Mond ständig wiedergeboren worden, und die Menschen hätten schließlich den Wunsch geäußert, tot bleiben zu dürfen.[223]

Amerika

Amerika[224] gilt was die ethnischen Religionen angeht als Kontinent des Schamanismus. Wie andernorts auch sind die Jenseitsvorstellungen auch hier vor allem von der jeweiligen Subsistenzstrategie abhängig, das heißt Jäger und Sammler, nomadisierender Viehirte oder Bauer. Auch hier sind sowohl in Nord- wie in Südamerika schamanische Vorstellungen und Fruchtbarkeitsmythen vorherrschend, die per se ein Totengericht im allgemeinen ausschließen oder doch nur in Ansätzen zeigen. Totemismus ist meist als Sippen- oder Stammeskult verbreitet, der Geisterglaube ebenso, ein regelrechtert Ahnenkult fehlt hingegen gelegentlich, ist aber bei den ackerbautreibenden Stämmen wie den Pueblos vorhanden gewesen (Katchina). Insgesamt blieben vor allem in vielen Teilen Lateinamerikas noch alte Kulturmuster erhalten, und entsprechend sind im Ausstrahlungsbereich der alten mesoamerikanischen und südamerikanischen Hochkulturen oft auch noch Reste dieser Religionen lebendig, wobei hier vor allem eine auffällige Vermischung mit dem Katholizismus zu beobachten ist, zum Beispiel mit Christus als Sonnengott und Maria als Mondgöttin. Die Sonne erhebt sich dabei aus den „heiligen“ Bergen und „stirbt“ im Westen, im Land der Toten.[225]
Der Jenseitsglaube orientierte sich am Diesseits; in einigen Gebieten gab es Wiedergeburtsvorstellungen. Man lebte als Toter in der Art fort, wie man im Diesseits gelebt hatte.[226] Soweit vorhanden, sind neuere Vorstellungen von einem Totengericht vor allem in Iberoamerika oft wohl auch auf die Überprägung durch das meist katholische Christentum zurückzuführen, das vor allem in Lateinamerika gelegentlich lokale, nicht eigentlich mehr als christlich zu bezeichnende Mischformen hervorgebracht hat, denn selbst in den altamerikanischen Hochkulturen gab es solche Vorstellungen zwar, doch waren sie allenfalls in Mittelamerika deutlich vorhanden (s. oben).

Nordamerika[227]

In Nordamerika herrschte praktisch ausschließlich der von einem starken animistischen Geisterglauben begleitete Ahnenglaube vor. Die Inuit der Arktis etwa glaubten, die Toten hätten ihren Wohnsitz im Himmel; aber auch unter der Erde traf man mit den Ahnen wieder zusammen. Ähnliche Vorstellungen gab es in der Subarktis.[228] Bei den nordatlantischen Algonkin gab es statusabhängig Mumifizierungen und Zweitbestattungen, wenn man die Toten auf Wanderungen mitnahm.[229] Bei den Natchez und anderen nördlichen und Präriestämmen gab es die Vorstellung der Knochenseele, die erst nach der Reinigung der Knochen ins Jenseits gelangt. Die Comanchen glaubten an eine Art Paradies. An der pazifischen Nordwestküste und der Nordostküste gab es den Glauben an einen Hochgott, den Großen Geist, der bei den subarktischen Algonkin und Naskapi Manitu hieß und bereits ethische Anforderungen stellte, teilweise gab es dort Vorstellungen von einer Mehrfachseele. Bei einigen Stämmen des Großen Basins gab es einen Seelendualismus. Die Furcht vor Totengeistern war vor allem bei den kalifornischen Indianern verbreitet, die auch an einen speziellen Totengott Kuksu glaubten, dem umfangreiche Zeremonien gewidmet waren.</ref>Läng, S. 173, 244, 324, 350, 352.</ref> Die Indianer des Südwestens glaubten an ein Jenseits weit im Westen nach Sonnenuntergang oder im Himmel. Eine Seele kam erst dann dorthin, wenn ihr gewaltsamer Tod gerächt war. Häufig war vor allem in den Great Plains und im östlichen Waldland eine dualistische Zweiteilung einer sich bekämpfenden Götterwelt in Mächte der Höhe und Mächte der Tiefe. Insgesamt deuten die Bestattungen in Nordamerika auf einen weit verbreiteten Glauben an ein Lebe nach dem Tode hin. Im Oste Nordamerikas streute man zudem roten Ocker (meist Hämatit) über die Toten oder das ganze Grab. Grabbeigaben sind häufig. Auch die enormen, mit reichen Beigaben bestückten Sippengrabanlagen der sog. Moundbuilders der Adena- und Hopewell-Kultur, die teils einen den ägyptischen Pyramiden vergleichbaren Aufwand betrieben (es gab über 100.000 von ihnen, für die Mounds von Poverty Points etwa wurden 405.000 cm Erde bewegt, der größte erforderte etwa 3 Mio Arbeitsstunden[230]), deutet in diese Richtung.[231]
All dies sind Symptome eines schamanisch bestimmten Ahnenkultes, selbst dort, wo Ackerbau betrieben wurde, teilweise sogar mit einer städtischen Kultur wie etwa am mittleren Mississippi und unteren Ohio (z.B. Cahokia mit 20.000 Einwohnern).[232] Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang die ab 1860 vor allem in den Great Plains entstandene Geistertanzbewegung, die den Glauben an die Wiederauferstehung aller Indianer, die Vertreibung aller Weißen propagierte und messianische Züge trug.[233] Totengerichtsvorstelllunge gibt es auch in Vorformen in keiner der nordamerikanischen Ethnien.

Mittelamerika, nördliches südamerika und Karibik[234]

Dort finden sich neben dem Katholizismus vor allem in Nordmexiko Synkretismusformen mit den alten Eingeborenenreligionen bei einem dann ausgeprägten Schamanismus aber auch Restbestände der alten hochkulturellen Religionen mit Göttern und Geistern (s. oben), jedoch auch hier ohne wesentliche indigene Vorstellungen eiens Totengerichts außer den christlichen.

Südamerika[235]

Hier zeigt sich aufgrund der großen klimatischen und geographischen Unterschiede eine größere Variatiosnbreite bei den Religionen, die aber allesamt, wo nicht synkretistisch oder vom Christentum geprägt, ebenfalls das alte schamanische Bild aufweisen, wenn auch ein besonders vielfältiges, doch gibt es im gesamten Süsamerika keine Götter oder Kulturheroen, die allen Indianern gemeinsam sind, und die Mythen sind trotz großer Variationsbreite dennoch thematisch miteinander verflochten. Wie bereits in Mittelamerika sind auch hier außerhalb des Christentums keinerlei Formen eines Totengerichtes zu beobachten, obwohl Unterweltvorstellung als Aufenthaltsort der Toten existieren, wobei es wie bei den Xavante Zentralbrasiliens sogar Ordnungsprinzipien gibt, denn in deren Unterwelt werden etwa die Toten streng nach Blutsverwandtschaft voneinander geschieden, damit weltliche Konflikte sich nicht im Totenreich fortsetzen können. Die Jenseitsvorstellungen sind insgesamt aber häufig vom Ahnenkult bestimmt, auch dort, wo trotz des hier besonders extremen Völkermordes durch die Conquistadoren alte andine Religionsformen der Inkas und ihrer Vorgänger überlebt hatten, gelegentlich mit dem Glauben an einen otiosen Hochgott.

Neue Religionen

Unter dieser Rubrik[236] werden synkretistische Religionsformen zusammengefasst, die so stark von der dominierenden Religion abweichen, dass sie nicht mehr als Sekten angesehen werden können. Sie sind meist erst sehr spät und oft vor dem Hintergrund sozialer Umbrüche entstanden. Dies gilt vor allem für die afrokaribischen Religionen. Meist sind zwei Religionen beteiligt, mitunter aber auch mehr. Häufig mischen sich in ihnen wie etwa im Voodoo[237] archaische Geistervorstellungen mit christlichen Inhalten, wobei etwa im Voodoo erstere dominieren. Magische Inhalte sind entsprechend verbreitet, Besessenheitssymptomatiken und Trance sind häufig. Da sie meist in der Unterschicht verbreitet sind und auf soziale Ungerechtigkeiten reagieren, sind ihre Inhalte entsprechend ausgerichtet als Bewältigungsformen des als bedrückend empfundenen Diesseits und als schichtspezifisches Bindemittel, das durch Zeremonien stabilisierend wirkt. Über ihre Jenseitsvorstellungen ist relativ wenig bekannt.

Entwicklungen in der Moderne

Die Vorstellungen vom Jenseits, von Himmel, Hölle und einem Totengericht haben natürlich nach Ende des Mittelalters und vor allem nach der Aufklärung nicht aufgehört, die Menschen zu beschäftigen. Es ist daher nur zwangsläufig, auch die in den folgenden Perioden aktuellen Konzepte in diesem Zusammenhang zu sichten, auch wenn die Begrifflichkeit Totengericht nicht unbedingt expressis verbis im mittelalterlichen oder antiken Sinne auftaucht. Aber die Grundidee ist nach wie vor vorhanden, beschäftigt die Menschen, nutzt Gesellschaften und Staaten, und zwar nicht nur im konservativen, vielleicht sogar fundamentalistischen Sinne, sondern auch in moderner, säkularer und ideologisch transformierter Gewandung.[238]

Säkularisierung, Ideologisierung, Instrumentalisierung

Bereits Reformation, Rationalismus, Aufklärung, Positivismus, Empirismus, Utilitarismus und Idealismus hatten zu einer neuen Sichtweise der Religionen und der damit einhergehenden Phänomene geführt. Vor allem im 19. Jahrhundert bildeten sich dann eigene Gedankenkonstruktionen als Ideologien heraus, in denen wie in Nationalökonomie und Liberalismus vor allem gesellschaftliche und ökonomische Momente eine entscheidende Rolle spielten, wobei jenseitige Elemente nach und nach entweder säkular instrumentalisiert wurden (das war wenn auch religiös schon im Mittelalter mit machtpolitisch durchaus ähnlicher Ausrichtung der Fall gewesen) oder aber der völligen Missachtung anheim fielen.[239] Gemeinsam ist all diesen Entwicklung aber das seit längerem diskutierte Phänomen des Verlustes der Transzendenz oder wie Schaeffler in Eliades „Geschichte der religiösen Ideen“ feststellte: „Die Religionsgeschichte mündet in die völlige Verschleierung des ‚Heiligen‘, genauer, seine Identifikation mit dem ‚Profanen‘“.[240] Damit wurden aber auch religiöse Phänomene wie Totengericht, Auferstehung, Erlösung, Letztes Gericht usw. neu und meist sehr kritisch bzw. absolut negativ bewertet, selbst wenn künstlerische Bewegungen wie die Romantik oder die Präraffaeliten sie rein äußerlich überhöhten oder Faschismus und Kapitalismus sie machtpolitisch instrumentalisierten. Doch wurden solche Phänomene vor allem in Philsosophie und Wissenschaft nun zunehmend als entweder rein psychische Substrate, so etwa die Tiefenpsychologie, oder als sozial bedingte Mechanismen betrachtet, so vor allem im Marxismus-Leninismus.

Alle drei Richtungen stehen der Religion außerordentlich kritisch, ja ablehnend gegenüber, selbst wenn der Kommunismus das an sich eschatologische Konzept des „Paradieses der Werktätigen“ entwickelt hat, das durchaus heilsgeschichtliche Bezüge aufweist.[241] Der marxistische Ethnologe und Religionswissenschaftler Tokarew schreibt dazu in seiner Religionsgeschichte einleitend und wenn auch nicht expressis verbis durchaus auf Ideen wie das Totengericht bezogen:

„Die Religion ist eine Form des gesellschaftlichen Bewusstseins, eine Form der Ideologie. Jede Ideologie aber ist letztlich eine Wiederspiegelung des materiellen Seins des Menschen, der ökonomischen Struktur der Gesellschaft, und insofern kann man die Religion unter dem gleichen Gesichtspunkt betrachten wie etwa die Philosophie, die Moral, das Recht oder die Kunst. Aber die Religion nimmt unter diesen Formen der Ideologie eine Sonderstellung ein. Friedrich Engels sagte im „Anti-Dühring“ im Hinblick auf das Wesen der religiösen Weltauffassung: „Nun ist alle Religion nichts andres als die phantastische Widerspiegelung in den Köpfen der Menschen, derjenigen äußern Mächte, die ihr alltägliches Dasein beherrschen, eine Widerspiegelung, in der die irdischen Mächte die Form von überirdischen annehmen.“ (Aus: K.Marx/F.Engels: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung. Werke, Bd. 1, Berlin 1961, S. 378.) Die Religion ist ein verzerrtes Bewußtsein, eine verzerrte Widerspiegelung der wirklichen Welt. Das ist ihr erstes charakteristisches Merkmal. Als „Widerschein der wirklichen Welt“ (Marx) reproduziert die Religion jedoch in verzerrter Form die irdische Grundlage. Daher muß man, um eien bestimmte Form der Religion zu verstehen, von der irdischen Grundlage ausgehen, deren verkehrte Widerspiegelung die betreffende Religion ist.“

Tokarew, S. 17

Der europäische Faschismus[242], soweit er sich nicht wie in Spanien (etwa im Opus Dei) oder Italien der Kirchen in der Auseinandersetzung mit dem Marxismus-Leninismus bediente und auf die tiefe Verwurzelung religiöser Vorstellungen Rücksicht nahm oder sie sogar benutzte, bediente sich der in der christlichen Religion enthaltenen Heilserwartungen, die wie im Kommunismus auf das Endziel einer klassenlosen Gesellschaft ausgerichtet waren.
Entsprechend enthielt er durchaus manichäische und chiliastische Erwartungen, die vor allem im Nationalsozialismus im Begriff des Tausendjährigen Reiches zum Ausdruck kamen, ein aus der mittelalterlichen Heilserwartung übernommener, von Hitler allerdings bereits 1934 abgelehnter Begriff.[243] Dennoch enthielt die Nazi-Ideologie durchaus Komponenten eines als befreiende Heilstat verstandenen Gottesgerichtes (Endlösung), das aber nun auf die Regimegegner und unter rassischen Gesichtspunkten vor allem die Juden zielte und durchaus grauenhafte Realität wurde, indes Teile der Partei versuchten (vor allem Kreise um Heinrich Himmler, der sich mit der Wewelsburg sogar ein eigenes mythologisches Zentrum schuf), Mythologie und Rituale der alten Germanen wieder zum Leben zu erwecken (z.B. Ahnenerbe). Der hier agierende Gott und Erlöser war allerdings nun mehr und mehr der „Führer“ Hitler selbst, und zahlreiche Zitate belegen diese für die Juden endzeitlichen Ankündigung einer Vernichtung, nach der ein die Welt beherrschendes Deutsches Reich aus germanischen Übermenschen entstehen würde, wie dies bereits von Alfred Rosenberg in seinem 1930 erschienenen Mythus des 20. Jahrhunderts postuliert worden war, das vor allem in seinem dritten Teil durchaus eschatologische Züge aufweist. „Die Religion ist der archimedische Punkt der völkischen Weltanschaung. Sie lieferte nicht nur die Rechtfertigung der ebenso apokalyptischen wie fanatisch befolgten völkischen Erlösungslehre, sie gab den Völkischen überhaupt erst die Begründung für ihr antiegalitäres, rassistisches Denkgebäude, das in seinem Wesenskern davon ausging, »dass aus deutschem Blute das Heil der Welt komme« (Ernst Hunkel).“... „Religion und Religiosität galten als Treibfeder jedweden Denkens und Handelns im völkischen Geist... In scharfem Widerspruch zur christlichen Lehre war die völkische ›arteigene‹ Religion von dieser Welt, sie war auf das Diesseits und auf die alles Sein bestimmende Rasse ausgerichtet“... „Vorbedingung für die Germanisierung war die – so bezeichnete – Entjudung des Christentums (Alfred Heil).“[244]
Typisch für dieses wie für die anderen ideologischen Konzepte der Moderne ist denn auch hier abermals, dass das Gottesgericht quasi in diesseitige Welt verlagert wurde mit diesseitigen Personen und Organisationen (z. B. die SS, die sich ja als schwarzen Orden im Gefolge der Jesuiten betrachtete[245]) als Richtern. Tatsächlich ist später sogar die jüdische Theologie an diesem apokalyptischen Charakter der Schoah mitunter verzweifelt mit der Theodizee-Frage: Wo war Gott in Auschwitz?[246] und bis heute sehen ultraorthodoxe Rabbiner wie Ovadja Josef die Schoah als ein Strafgericht über die sündigen Juden.

Max Weber hat in seiner vor allem auf den Calvinismus bzw. Pietismus zielenden Schrift: „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“ aus dem Jahre 1904/05 die Beziehungen des Kapitalismus zum Protestantismus dargestellt. Zwei Zitate mögen genügen:

„Die Mahnung des Apostels (Anm.: Paulus) zum »Festmachen«  der eigenen Berufung wird hier als Pflicht, im täglichen Kampf sich die subjektive Gewissheit der eigenen Erwähltheit und Rechtfertigung zu erringen, gedeutet. An Stelle der demütigen Sünder, denen Luther, wenn sie in reuigem Glauben sich Gott anvertrauen, die Gnade verheißt, werden so jene selbstgewissen »Heiligen« gezüchtet, die wir in den stahlharten puritanischen Kaufleuten jenes heroischen Zeitalters des Kapitalismus und in einzelnen Exemplaren bis in die Gegenwart wiederfinden. Und andererseits wurde, um jene Selbstgewißheit zu erlangen, als hervorragendes Mittel rastlose Berufsarbeit eingeschärft. Sie und sie allein verscheuche den religiösen Zweifel und gebe die Sicherheit des Gnadenstandes.“

S. 97

„Jenes religiös geforderte, vom natürlichen Leben verschiedene Sonderleben des Heiligen spielte sich – das ist das Entscheidende – nicht mehr außerhalb der Welt in Mönchsgemeinschaften, sondern innerhalb der Welt und ihrer Ordnungen ab. Diese Rationalisierung der Lebensführung innerhalb der Welt im Hinblick auf das Jenseits war die Wirkung der Berufskonzeption des asketischen Protestantismus.“

S. 138

Insbesondere dieser durch asketische Lebensführung bestimmte Calvinismus vollzieht damit eine ähnliche Wandlung wie wir sie bereits im Wandel von der Ahnenverehrung zur ethisch forderndern Gottheit in frühen Stadien der Religionsentwicklung gesehen haben. Nur wird hier das Ergebnis des Totengerichtes als Heilsgewissheit bereits am Erfolg diesseitiger, vor allem wirtschaftlicher Tätigkeit abgelesen und vorweg genommen und nicht mehr wie noch bei Luther in der augustinischen Rechtfertigungslehre dem göttlichen Gnadenwillen anheim gestellt. Daraus erklären sich denn auch zwanglos die Gesetzlichkeiten des westlichen Kolonialismus und Imperialismus bis hin zur Globalisierung. Deren bereits von Las Casas bestrittene Rechtfertigung wurde schon seit der spanischen Eroberung der Neuen Welt und ihrer mit Völkermord unter dem Zeichen des Kreuzes einhergehenden exzessiven Sklaverei als Dienst an Gott und Beweis göttlicher Gnade angesehen (die Eingeborenen wurden nicht als Menschen betrachtet).[247] In diesen und späteren Fällen, insbesondere bis heute im angelsächsischen Raum, wurde und wird Erfolg somit als Resultat eines ins Weltliche vorgezogenen göttlichen Gnadenurteils gedeutet, nicht unähnlich manchen mittelalterlichen Vorstellungen der Käuflichkeit eines Totengerichtes.
In der vor allem westlichen Moderne sind also die klassischen metaphysischen Vorstellungen vom Totengericht inzwischen obsolet und wurden entweder durch atheistische Ablehnung, agnostische Neutralität oder materielle Transformation ins Diesseits im Sinne einer „Heils-Antizipation“[248] ersetzt, und zwar als Vorwegnahme des hier ausschließlich am weltlichen Erfolg orientierten göttlichen Gnadenwillens wie ihn der Pietismus/Calvinismus interpretiert, oder wie bereits in der Barockfrömmigkeit in einer stark figurativen Veräußerlichung von Glaubensinhalten.
Was bleibt ist hingegen eine Art psychische Leerstelle, ein spirituelles Unbehagen angesichts des nach wie vor und trotz enormer wissenschaftlicher Fortschritte weiterbestehenden und prinzipiell nicht auflösbaren Unwissens über das Leben nach dem Tode (und der Angst davor), ein Unbehagen, das viele in ostasiatisch, kulturell jedoch nicht übertragbare Seelenwanderungsvorstellungen, Ersatzreligionen wie die Esoterik oder aber in fundamentalistisches Gedankengut fliehen läßt (auch in den USA), denn der grundlegenden Frage, ob es ein Leben nach dem Tode gibt und wie es aussieht, ob und wie seine Taten möglicherweise dort bewertet werden, kann kein Mensch ausweichen, denn das Bewusstsein der eigenen Sterblichkeit und die damit einhergehende Angst davor sind fundamentaler Bestandteil der menschlichen Selbsterkenntnis, wie bereits die Genesis berichtet und wie sie letztlich zur Entstehung von Religionen geführt haben dürfte.[249].

Zusammenfassung der wesentlichsten Strukturelemente

Fasst man den Begriff des Totengerichts samt dem damit zusammenhängenden Komplex von Diesseits und Jenseits sowie seine Stellung innerhalb dieses metaphysischen Raumes weit genug, lassen sich anhand der oben im Einzelnen geschilderten Fakten folgende allgemeine Charakteristika feststellen:

  1. Die Vorstellung von einem Totengericht enthält wesensmäßig Heils- bzw. Erlösungsversprechen und gewöhnlich entsprechende Verdammungsurteile mit Strafzumessungen unterschiedlicher Schweregrade und Dauer in bestimmten, dafür jeweils vorgesehenen metaphysischen Regionen.
  2. Die für ein Totengericht wesentlichen Kriterien waren zu Beginn der Religionsgeschichte nicht so sehr ethisch bestimmt, sondern vielmehr gesellschaftlich, sozial sowie auch statusbedingt oder sie orientierten sich an der Todesursache und ähnlichen vergleichbaren Motiven. Stets basieren sie aber auf dem Vergeltungsprinzip.
  3. Ein Totengericht fand ursprünglich stets nach dem Tode im wie immer gearteten Jenseits statt, wurde später aber auch, da machtpolitisch sinnvoll, zumindest teilweise ins Diesseits verlagert und/oder mit diesseitigen Eschatologien verbunden.
  4. Ein Totengericht war meist institutionell strukturiert als formeller Gerichtshof mit Angeklagten, Zeugen, Anklägern und Richtern, eventuell sogar Protokollanten. In den ostasiatischen Religionen vor allem findet sich jedoch auch die Form des systemimmanenten Totengerichtes, das keiner Institutionalisierung bedarf, da es wesensmäßig im Rahmen der Seelenwanderung bereits angelegt ist . Gelegentlich wurden diese Formen dann noch in späteren Religionsphasen durch Institutionalisierungen ergänzt, etwa im Buddhismus, wo es jedoch als Teil des karmischen Erkenntnisprozesses und nicht als Entsühnungsinstrument wie im Hinduismus fungiert, während es im Daoismus-Konfuzianismus wiederum autonomer und regelrecht bürokratischer Teil der Unterwelt ist und lediglich die Taten dort sanktioniert.
  5. Hauptmotive für die Entstehung eines Totengerichtes waren Furcht vor dem Tod und die Hoffnung auf ein möglichst günstiges Schicksal danach. Ausgelöst wurde dieser Glaube vermutlich durch die Entstehung differenzierter, geschichteter Gesellschaften, in denen die Machtpotentiale immer unterschiedlicher verteilt waren und Instrumente nötig wurden, diese auch außerhalb des reinen Gewaltmonopols auf psychischer Ebene durch transzendente Straf- bzw. Belohnungselemente im Sinne von Furcht und Hoffnung stabil zu halten, was ein rein schamanischer Ahnenkult mit seiner nicht strafbewehrten Seelenwelt jedoch nicht mehr leisten konnte. Inwieweit dabei Klassenkampfmerkmale eine Rolle spielten, die wie marxistische Geschichts- und Religionsforschung postuliert, ist strittig.
  6. Es finden sich vor allem im historischen Längsschnitt häufig Übergänge und Mischformen zwischen den einzelnen Formen des Totengerichts, etwa in den chinesischen Religionen, im Buddhismus und Hinduismus, aber auch im Judentum, Christentum und Islam.
  7. Insgesamt fällt auf, dass es dort, wo es eine ausgeprägte Ahneverehrung gibt, etwa im Schamanismus und anderen frühen Religionsformen, kein Totengericht existiert. Wird diese Ahnenverehrung schwächer oder existiert nicht mehr, bilden sich neben augeprägten Göttervorstellungen und häufig in Verbindung mit Vegetationskulten auch Konzepte einer düsteren Unterwelt heraus, die irgendwann auch analog zur diesseitigen gesellschaftlichen Stratifizierung zur Differenzierung der Toten und schließlich zunächst nur für die führenden Schichten, später auf immer breiterer Basis zu Paradiesvorstellungen führen und damit zu der Notwendigkeit, eine selektierende Instanz dazwischen zu etablieren, die den nun immer mächtiger werdenden ethischen Forderungen der Gottheiten Rechnung trägt und derart den alten, ethisch indifferenten Ahnenkult nach und nach ablöst. In den östlichen Religionen mit ausgeprägter Seelenwanderung entwickeln sich auf der grundlage der Vorstellung, dass das Böse ins Gesetz des Karma eingebettet ist[250] entsprechende systemimmanente Mechanismen, die einem Totengericht entsprechen.
  8. Analog zu Totengerichtsvorstellungen entwickeln sich häufig auch eschatologische Konzepte, entweder lineare, wie in den abrahmitischen Religionen und im Zoroastrismus, oder zyklische wie zum Beispiel in Mesoamerika und teilweise im Hinduismus.

Literatur

Allgemeine und spezielle Nachschlagewerke
Religion und Mythologie allgemein
  • Richard Cavendish, Trevor O. Ling: Mythologie. Eine illustrierte Weltgeschichte des mythisch-religiösen Denkens. Christian Verlag, München 1981, ISBN 3-88472-061-9.
  • Harold Coward: Das Leben nach dem Tod in den Weltreligionen. Verlag HOHE, Erftstadt 2007, ISBN 978-3-86756-010-8.
  • Fernand Comte: Mythen der Welt. Wissenschaftliche Buchgesellschaft WBG, Darmstadt 2008, ISBN 978-3-534-20863-0.
  • Mircea Eliade: Geschichte der religiösen Ideen. 4 Bde., Verlag Herder, Freiburg i. Br., 1978/2002, ISBN 3-451-05274-1.
  • Adolf Ellegard Jensen: Mythos und Kult bei Naturvölkern. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1992, ISBN 3-423-04567-1, OA 1951.
  • Johannes Laube (Hrsg.): Das Böse in den Weltreligionen. Wissenschaftliche Buchgesellschaft WBG, Darmstadt 2003, ISBN 3-534-14985-8.
  • Julien Ries: Ursprung der Religionen. Pattloch Verlag, Augsburg 1993, ISBN 3-629-00078-9.
  • Richard Schaeffler: Religiöse Kreativität und Säkularisierung in Europa seit der Aufklärung. In: Eliade, Bd. 4., S. 410−447.
  • Fritz P. Schaller: Die Evolution des Göttlichen. Ursprung und Wandel der Gottesvorstellung. Patmos Verlag, Düsseldorf, ISBN 3-491-72502-X.
  • Sergej Aleksandrovich Tokarew: Die Religion in der Geschichte der Völker. Dietz Verlag, Berlin 1968.
  • Monika u. Udo Tworuschka: Religionen der Welt in Geschichte und Gegenwart. Bassermann Verlag/Bertelsmann 1992, ISBN 380-9445005-7.
Einzelne Religionen, Ethnien und Kulturen
Religionssoziologie, Anthropologie, Klimatologie, Philosophie, Recht, Ideologie

Einzelnachweise

<references \>

Literatur

  • Jan Assmann: Tod und Jenseits im Alten Ägypten, Beck, München 2001, ISBN 3-406-49707-1
  • Hans Bonnet: Artikel Jenseitsgericht, in: Hans Bonnet: Reallexikon der ägyptischen Religionsgeschichte, Berlin 1952, S. 334-341
  • Wolfgang Helck /Eberhard Otto: Jenseitsgericht, in: Kleines Lexikon der Ägyptologie, Harrassowitz Verlag Wiesbaden, 1999 ISBN 3-447-04027-0 S. 134f.
  • Klaus Koch: Geschichte der ägyptischen Religion, Kohlhammer, Stuttgart 1993, ISBN 3-17-009808-X
  • Siegfried Morenz: Rechts und links im Totengericht, in: Siegfried Morenz: Religion und Geschichte des alten Ägypten. Gesammelte Aufsätze, Köln 1975, S. 281-294
  • Richard Wilkinson: Die Welt der Götter im Alten Ägypten. Glaube Macht Mythologie. Theiss, Stuttgart 2003. ISBN 3806218196, S. 84
  1. Beide Bedeutungen sind durch den Begriff „Totengericht“ abgedeckt, vgl. Brockhaus-Enzyklopädie B. 28: Deutsches Wörtebuch, 1995.
  2. Brockhaus-Enzyklopädie, Bd. 22, 1993, S. 271.
  3. Z. B. für Ägypten: Helck/Otto, S. 106.
  4. Britannica, Bd. 26, S. 537 ff., 540 ff., 1013 ff.; Tworuschka, S. 406 f.; Ries, S. 18–25.
  5. Britannica, Bd. 26, S. 544–547.
  6. Jensen, S. 132–137.
  7. Britannica, Bd. 26, S. 544.
  8. Britannica, Bd. 26, S. 555–560.
  9. Ries, S. 115–156.
  10. Bellinger, S. 122f, 205 f. 515.
  11. Britannica, Bd. 26, S. 809 f.
  12. Hoffmann, S. 48–51; Britannica, Bd. 26, S. 804 f., Schaller, S. 82 ff.
  13. Britannica, Bd. 26, S. 804–810; Müller-Karpe: Altsteinzeit, S. 229–241; Grundzüge, Bd. 1, S. 28–33.
  14. Helck/Otto, S. 192 f.
  15. Britannica, Bd. 4, S. 468 f., Bd. 16, S. 987, Bd. 24, S. 110, Bd. 26, S. 807.
  16. Britannica, Bd. 17, 436ff.
  17. Schaller, S. 119 f.
  18. Coward, S. 119 f.
  19. Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, Teil II, Kap. V, S. 318 f., Schaller, S. 273 f.
  20. Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, Teil II, Kap. V, § 10, S. 321–348.
  21. Höffe, S. 13–20.
  22. Kelsen, S. 27.
  23. Schaller, S. 264-277.
  24. So Max Weber in Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus.
  25. Herzog, S. 78 ff., 99; vor allem aber Weber, Teil II, Kap. IX, Abschn. 6: Politische und hierokratische Herrschaft, S. 688 ff.
  26. Kelsen, S. 26.
  27. Tokarew, S. 428.
  28. Britannica, Bd. 17, S. 413.
  29. Britannnica, Bd. 17, S. 412–416.
  30. Helck/Otto, S. 213 ff.
  31. Schaller, S. 140 f.
  32. Brockhaus-Enzyklopädie, 19. Aufl. 1990, Bd. 12, S. 258.
  33. Schmökel, S. 102, 307 f.
  34. Helck/Otto, S. 134–137; Breasted, S. 120–123; Britannica, B. 24, S. 106–111; Baines/Málek, S. 218 f.
  35. Totenbuch, Spruch 125, S. 233–245.
  36. Vgl. dazu Assmann, S. 122–159.
  37. Baines/Málek, S. 220 f.
  38. Lamb, S. 138–141, 142; Schwarzbach, S. 224 f.; Britannica, Bd. 18, S. 108 f.
  39. Helck/Otto, S. 137.
  40. Tokarew, S. 400.
  41. Schmökel, S. 292–295; Tokarew, S. 426 ff.; Cavendish, S. 88 ff., 95.
  42. Ries, S. 90.
  43. Schmökel: Gilgamesch-Epos, S. 121 ff.
  44. Tokarew, S. 426 f.
  45. Schmökel: Gilgamesch-Epos, S. 118ff.
  46. Schmökle, S. 291.
  47. Britannica, Bd. 26, S. 808; Helck/Otto, S. 186 f.
  48. Cavendish, S. 90f.
  49. Schmökel, S. 294 f.
  50. Hierzenberger: Glaube in den alten Hochkulturen, S. 44 f.; [[1]].
  51. Ries, S. 103 ff.; Tokarew, S. 435–448; Tworuschka. S. 251–256; Cavendish, S. 40–48; Hierzenberger, S. 81–118: Britannica, Bd. 29, S. 1083–1088.
  52. Tokarew, S. 445.
  53. Tokarew, S. 440–448.
  54. Tokarew, S. 440 f.; zur ursprüngliche Bedeutung des Kain-Abel-Mythios s. jedoch Beltz, S. 66 f.
  55. Tokarew, S. 446 f.
  56. Hennig, S. 344, 354 f.
  57. Britannica Bd. 24, S. 111–115; Schmökel, S. 570–596; Eliade, S. 135–154.
  58. Fuchs, S. 63; Schmökel, S. 565ff.
  59. Hennig, S. 354 f.
  60. Hennig, S. 605 f; Negev, S. 24, 34, 113.
  61. Britannica, Bd. 24, S. 118.
  62. Schmökel, S. 301; Britannica, Bd. 25, S. 409 ff.
  63. Briannica, Bd. 24, S. 115.
  64. Britannica, Bd. 24, S. 119-124.
  65. Britannica, Bd. 24, S. 122.
  66. Schmökel, S. 425–441; 627–637; Eliade, S. 135–143.
  67. Brockhaus, Bd. 17, S. 113 f.; Herm, S. 154 ff.
  68. Britannica, Bd. 18, S. 799.
  69. Britannica, Bd. 18, S. 763.
  70. Krefeld, S. 62-67.
  71. Britannica, Bd. 18, S. 786; Hierzenberger: Griechen und Römer, S. 11–109; Cavendish, S. 134 f.; Tokarew, S. 486–541.
  72. Eliade, B. 1, S. 115–119; Cristofani, S. 136–167; Britannica, Bd. 18, S. 793.
  73. Britannica, Bd. 18, S. 791.
  74. Britannica, Bd. 18, S. 797; Hierzenberger: Glaube der Griechen und Römer, S. 138; Eliade, Bd. 2, S. 99–123.
  75. Golther, S. 108.
  76. Cavendish, S. 188–191.
  77. Demandt, S. 37–48; Cavendish, S. 170–177.
  78. Dillon/Chadwick, S.30.
  79. Parzinger, S. 95–119
  80. Wolfram, S. 58-64; Golther, S. 104–108, 471–477.
  81. Golther, S. 475.
  82. Golther, S. 96.
  83. Golther, S. 109–116.
  84. Cavendish, S. 192–197; Tokarew, S. 258-274.
  85. Eliade, Bd. 2, S. 151–158; Cavendish, S. 192–197; Tokarew, S. 258-274.
  86. Hierzenberger: Glaube in den alten Hochkulturen, S. 140–170; Cavendish, S. 242–259; Eliade, Bd. 4, S. 13–54; Glanz und Untergang des alten Mexiko, S. 120–154; Coe et al., S. 96 f., 103 f., 113, 138 f., 148 ff., 159, 170, 181 f., 198 f.
  87. Coe, S. 158 f.
  88. Stingl, S. 288.
  89. Stingl, S. 71–84, 97–101, 193 ff., 283–288.
  90. Hennig: Jerusalemer Bibellexikon; Koch/Otto/Roloff/Schmoldt: Das große Lexikon zur Bibel; Küng: Judentum, S. 28–38.
  91. Weber, Teil 2, S. 285–314.
  92. Scholem, S. 265.
  93. Hennig, S. 89 ff., 111 ff., 354 f., 531 f., 895 f., 898; Tworuschka, S. 11–25; Tokarew, S. 449–485.
  94. Coward, S. 21–41.
  95. Tokarew, S. 454.
  96. Fohrer, S. 27ff.
  97. Tokarew, S. 453 ff.
  98. Laube, S. 13–29.
  99. Tokarew, S. 468 f.
  100. Tokarew, S. 473.
  101. Hertzberg, S. 354–363.
  102. Tokarew, S. 479.
  103. Tokarew, S. 481.
  104. Ovadja Josef: [2]
  105. Coward, S. 42–61; Hennig, S. 89 ff., 111 ff., 354 f., 531 f., 895 f., 898; Tworuschka, S. 57–164; Tokarew, S. 602-651.
  106. Eliade, Bd. 3, S. 97.
  107. Tokarew, S. 617.
  108. Tokarew, S. 631 f.
  109. Tokarew, S. 690.
  110. Tokarew, S. 625.
  111. Laube, 78–81.
  112. Britannica, Bd. 16, S. 992.
  113. Laube, S. 82, ff., 85 f., 102 ff.
  114. Hennig, S. 860 ff.
  115. Coward, S. 58–61.
  116. Hennig, S. 646.
  117. Tokarew, S. 639.
  118. Küng: Christentum, S. 339.
  119. Cavendish, S. 162 f.; Britannica, Bd. 7, S. 175.
  120. Coward, S. 62–77.
  121. Britannica, Bd. 22, S. 7, 40.
  122. Hughes, S. 255 ff.
  123. Laube, S. 166; Hughes, S. 186 f.
  124. Khoury, S. 717 f.; Hughes, S. 716 ff; Koran, Sure 3.
  125. Totenbuch des Islam, S. 77–91, 101 ff., 120 ff. usw.
  126. Khoury, S. 423 f.
  127. Hughes, S. 463 f.
  128. Khoury, S. 253 ff.
  129. Laube, S. 131 ff., 144 ff.
  130. Laube, S. 132 ff.
  131. Comte, S. 175; Cavendisch, S. 18 ff.
  132. Coward, S. 78–99.
  133. Laube, S. 202.
  134. Tokarew, S. 352–384; Tworuschka, S. 257–275.
  135. Johnson, S. 64.
  136. Tokarew, S. 370.
  137. Johnson, S. 45, 50.
  138. Johnson, S. 64.
  139. Laube, S. 201.
  140. Laube, S. 229-246.
  141. Eliade, Bd. 2, s. 203 ff.
  142. Cavendish, S. 25; Waterstone, S. 128 f.
  143. Laube, S. 216 ff.
  144. Tworuschka, S. 283 ff.
  145. Tworuschka, S. 339–346.
  146. Coward, S. 100–118; Tworuschka, S. 291–308.
  147. Laube, S. 268.
  148. Waterstone, S. 34.
  149. Tworuschka, S. 296, Waterstone S. 35
  150. Schgumann, S. 87–98.
  151. Schumann, S. 93 f.
  152. Tworuschka, S. 300–308.
  153. Schumann, S. 55–132.
  154. Schumann, S. 133–218.
  155. Schumann, S. 220 ff., Tworuschka, S. 307 f.
  156. Schumann, S. 223–228.
  157. Lowenstein, S. 132 f.
  158. Schumann, S. 77.
  159. Schumann, S. 79 ff.
  160. Laube, S. 273 f.
  161. Laube, S. 273, 278, 280, 339 ff.
  162. Laube, S. 343, 345 ff.
  163. Coward, S. 108–118.
  164. Laube, S. 287.
  165. Schumann, S. 288 ff;; Tworuschka, S. 305 ff.
  166. Coward, S. 119–134; Tworuschka, S. 349–368; Tokarew, S. 314–338.
  167. Tworuschka, S. 349–356; Tokarew. S. 331.
  168. Blunden/Elvin, S. 188; Tokarew, S. 335.
  169. Tworuschka, S. 355 f.
  170. Hierzenberger: Chinesen und Japaner, S. 29 f., 72 f.
  171. Hierzenberger: Chinesen und Japaner, S. 29 ff.
  172. Tokarew, S. 321 f., 326 f.
  173. Hierzenberger: Chinesen und Japaner, S. 72–79.
  174. Tokarew, S. 334.
  175. Hierzenberger: Chinesen und Japaner, S. 79.
  176. Gierzenberger: Chinesen und Japaner, S. 98.
  177. Eliade, Bd. 4, S. 56.
  178. Jade-Bericht: [[3]]. WP.en.
  179. Hierzenberger, Chinesen und Japaner, S. 75 ff.
  180. Tworuschka, S. 369–382; Tokarew, S. 338-347; Colcutt et. al., S. 52–67; Cavensish, S. 74-86; Hierzenberger: Chinesen und Japaner, S. 107–156.
  181. Eliade, Bd. 4, S. 305 f.
  182. Comte, S. 234 f.
  183. Eliade, Bd. 4, S. 313 f., S. 324.
  184. Koshin: [4]
  185. Comte, S. 238 f.
  186. Tworuschka, s. 423 f.; Tokarew, S. 347 ff.
  187. Tworuscka , S. 405-437.
  188. Tokarew, S. 50.
  189. Tokarew, S. 120–139; Eliade, Bd. 4, S. 89–142.
  190. Cavendish, S. 48 f.
  191. Tworuschka, S. 428 f.
  192. Jensen, S. 164, 260–280.
  193. Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, S. 267.
  194. Murray, S. 31-41.
  195. Baumann, Bd. 1, 503.
  196. Baumann Bd. 1, S. 804
  197. Cavendish, S. 219 f.
  198. Tokarew, S. 183.
  199. Baumann, Bd. 1, S. 620 ff.
  200. Tokarew, S. 186 ff; Baumann, Bd. 1, S. 467, 695, Bd. 2, S. 173 f., 531 ff.
  201. Baumann, Bd. 2, S. 82.
  202. Baumann, Bd. 1, S. 402, 782 f.
  203. Baumann, Bd. 2, S. 57.
  204. Baumann, Bd. 1, S. 469, Bd. 2, S. 82.
  205. Jensen, S. 139 ff.
  206. Berteaux, S. 28.
  207. Baumann, Bd. 2, S. 341 f.
  208. Baumann, Bd. 2., S. 452 f.
  209. Baumann, Bd. 2, S. 265 ff.
  210. Baumann, Bd. 2, S. 195 f.
  211. Baumann, Bd. 2, S. 199, 558, 569, 591.
  212. Baumann, Bd. 2, S. 491.
  213. Murray, S. 35.
  214. Tokarew, S. 79–119; Eliade, Bd. 4, S. 143–183.
  215. Comte, S. 250.
  216. Cavendish, S. 274 f.
  217. Jensen, S. 137–141, 384–389.
  218. Comte, S. 248 f.
  219. Cavendish, S. 284–292; Tokarew, S. 43–78; Eliade, S. 184-207.
  220. Tokarew, S. 50, 73.
  221. Nile, S. 37 f.
  222. Tokarew, S. 65, 74.
  223. Cavendish, S. 288.
  224. Cavendish, S. 230–241, 260–265; Tokarew, S. 140–175.
  225. Coe, S. 220 ff.
  226. Tokarew, S. 167 f.
  227. Britannica, Bd. 13, S. 359–391; Cavendish, S. 230–241.
  228. Läng, S. 74, 103 f.
  229. Läng, S. 138.
  230. C. W. Ceram: Die ersten Amerikaner, 1972, S. 211, 235.
  231. Haberland, S. 168.
  232. Haberland, S. 223 ff.
  233. Läng, S. 287 f.
  234. Britannica, Bd. 13, S. 391-402; Cavendish, S. 260
  235. Britannica, Bd. 13, S. 402–417; Cavendish, S. 260–265.
  236. Tworuschka, S. 383–404.
  237. Cavendish, S. 266–270.
  238. Schaller, S. 291–300.
  239. vgl. Küng: Christentum, S. 865–879.
  240. Zit. nach Schaeffler, S. 411.
  241. Paradies der Werktätigen: [5]
  242. Schaeffler, S. 438–444.
  243. Benz, S. 57.
  244. Puschner/Sösemann, S. 29, 35 ff.
  245. Höhne, S. 135 f.
  246. de Lange, S. 126–130.
  247. Coe, S. 19 ff.
  248. Schaeffler, S. 414 ff.
  249. Damasio, S. 312 f.;Laube, S. 9 f; zur Gesamtdikussion des Problems Religion in der Moderne s. Schaller, S. 291–360; Schaeffler, S. 410–447; Oeser, S. 27, 184–196.
  250. Schaller, S. 173.