Ingenieur
Ein Ingenieur (Abk.: Ing.) ist eine Berufsbezeichnung für wissenschaftlich ausgebildete Fachleute auf technischem Gebiet. Die Ausbildung zum Ingenieur und die Berufsausübung sind durch Gesetze geregelt. Die Ingenieurausbildung geschieht an Universitäten (TH, TU), Dualen Hochschulen (DH), Fachhochschulen (FH), Berufsakademien (BA), früher auch an Ingenieurschulen (Fachakademien (FA)/ Fachschulen (FS)) .
Die Bezeichnung Ingenieur wurde im Deutschen ursprünglich (1571) als Ingegnieur aus italienisch ingegnere (d. h. „Zeugmeister“, „Kriegsbaumeister“) und später erneut aus französisch ingénieur entlehnt und verallgemeinert als „Fachmann auf technischem Gebiet mit theoretischer Ausbildung“ – seit dem 17. Jahrhundert auf französisch und seit dem 18. Jahrhundert auf deutsch. Die italienischen und französischen Wörter stammen ihrerseits von lateinisch ingenium „sinnreiche Erfindung, Scharfsinn“, das seit dem Mittelalter auch „Kriegsgerät“ bedeutete.[1][2]
Im heutigen deutschen Sprachgebrauch umfasst der Ingenieursbegriff im weiteren Sinne ein Berufsbild, welches durch die systematische Aneignung, Beherrschung und Anwendung von wissenschaftlich-theoretisch fundierten und empirisch gesicherten technischen Erkenntnissen und Methoden gekennzeichnet ist. Im engeren Sinne und modernen deutschen Sprachgebrauch beschreibt er als Oberbegriff die Summe verschiedener an Hochschulen (Technische Hochschulen, Universitäten, Fachhochschulen, Dualen Hochschulen) erworbenen Berufsabschlüsse unter Erlangung des akademischen Grades eines Diplom-Ingenieurs, Bachelor und Master of Engineering oder Bachelor und Master of Science oder an Berufsakademien erworbene Berufsabschlüsse unter Erlangung der staatlichen Bezeichnung Diplom-Ingenieur (BA) oder Bachelor of Engineering. An den Höheren Fachschulen (ehemalige Technische Fach- und Ingenieurschulen) erwarb man den Berufsabschluss unter Erlangung der staatlichen Bezeichnung Ingenieur.
Ingenieure sind in einer von vielen Fachrichtungen ausgebildet und tätig. Ihre Unterteilung in Bau-, Maschinen- und Elektro-Ingenieure spiegelt die Chronologie der Entstehung dieses Berufsbildes. In den Hochschulen gehören die klassischen Studienfächer Bauingenieur-, Maschinenbauwesen und Elektrotechnik auch heute noch zu den größten Abteilungen mit den meisten Fachinstituten und mit den meisten Studenten.
Geschichtliche Entwicklung
Den mittellateinischen Titel ingeniarius, der auf die Wartung und den Einsatz militärischer Instrumente (Rüstungen, Waffen, Geschütze) bezogen war, trug auch Leonardo da Vinci in der damaligen italienischen Form ingegnier. Unter Sebastien le Pestre de Vauban, dem Festungsbaumeister von Ludwig XIV., bildete sich die französische bis heute übliche Form heraus.
Das erste (militärische) Ingenieurkorps für Straßen- und Brückenbau wurde 1720 in Frankreich gegründet. Im Jahr 1736 wurde in Wien in der heutigen Stiftskaserne die erste Ingenieurschule im damaligen Habsburgerreich gegründet. Zum Zweck der wissenschaftlichen Ausbildung der Ingenieure folgte die Eröffnung der Zivilingenieurschule 1747 in Paris, der die polytechnische Schule und die Schule für Straßen- und Brückenbau 1795 (École Nationale des Ponts et Chaussées) folgten. Seit dieser Zeit entstanden auch in zahlreichen anderen Ländern Ingenieurschulen und später auch Technische Hochschulen, die im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts den Rang von Technischen Universitäten erreichen konnten. In den 1970er Jahren wurden in Westdeutschland alle Ingenieurschulen aufgelöst. Die verbliebene Infrastruktur wurden zum Aufbau der damals neuen Hochschulform "Fachhochschule" genutzt. In Ostdeutschland schuf man aus ähnlichen Beweggründen ab 1969 die Ingenieurhochschulen, die 1992 in Fachhochschulen umgewandelt wurden.
Die militärische Tradition setzt sich in den Mineuren, Pontonieren und Sappeuren fort, und führt zum heutigen Pionier (Militäringenieure und Mannschaften).
Berufsbild
Ingenieure zeichnen sich im Allgemeinen durch analytisches Denken, gute theoretische und anwendungsorientierte Fachkenntnisse, verbunden mit praxisorientierten und auf termingerechte Umsetzung bedachte Vorgehensweisen aus; Grundlage für erfolgreiches Arbeiten ist ein fundiertes Fachwissen und eine gute technische Allgemeinbildung.
Eine der Hauptaufgaben des Ingenieurs stellt den Entwurf von Systemen dar. Dabei handelt es sich um einen komplexen Prozess, bei dem sowohl analytische Fähigkeiten als auch Kreativität eine große Rolle spielen. Die Entwurfstätigkeit ist eine schöpferische Tätigkeit, bei der Ingenieure ihr Wissen gezielt einsetzen, um Systemen bestimmte Funktionen, Formen oder Eigenschaften zu geben. Ein oftmals kritischer Faktor bei der Systementwicklung ist die durch äußerliche Einflüsse beschränkte Entwicklungsdauer. So gilt es für Ingenieure in der Praxis oft eine Lösung zu finden, welche mit den gegebenen Ressourcen die bestmögliche Lösung darstellt.
Ingenieure sind in fast allen Bereichen der Wirtschaft tätig. Die Berufsmöglichkeiten in den Unternehmen sind vorwiegend die Bereiche Beratung, Entwicklung, Planung, Fertigung, Messung (Chemische und Physikalische Untersuchungen), Gutachtenerstellung, Programmierung, Prototyping, Logistik, (Produktentwicklung), Vertrieb, Marketing, Steuerung (Produktions-, Prozess-), Konstruktion, Technische Dokumentation, Controlling und Management. Ingenieure arbeiten außerdem als selbständige Unternehmer, als Angestellte in Ingenieurbüros oder bei Behörden.
Die Industrie basiert hauptsächlich auf ingenieurmäßiger Umsetzung technischen Wissens, so etwa die Telekommunikation, die KFZ-Industrie, die Computertechnik, die Energieversorgung usw.
Die Ingenieure stellen die Berufsgruppe mit der größten Beteiligung an Erfindungen dar.
Länderspezifische Informationen
Europa
Deutschland
Die Berufsbezeichnung „Ingenieur“ ist in der Bundesrepublik Deutschland seit Anfang der 1970er Jahre durch die Ingenieurgesetze der Bundesländer geschützt und wird seither nur an Absolventen entsprechender Bildungseinrichtungen verliehen. Zuvor durften (und dürfen weiterhin) auch Personen ohne eine Ingenieurausbildung, aber mit langjähriger einschlägiger Berufspraxis die Standesbezeichnung „Ingenieur“ führen. Absolventen früherer Ingenieurschulen dürfen nach landesrechtlicher Regelung die vormals verliehene staatliche Bezeichnung „Ingenieur (grad.)“ (graduierter Ingenieur) führen oder im Rahmen eines Nachdiplomierungsverfahrens beim für die zu Grunde liegende Ausbildung zuständigen Kultusminister unter bestimmten Voraussetzungen die staatliche Bezeichnung „Dipl.-Ing. (FH)“ tragen. Die berufsständischen Angelegenheiten der Ingenieure in Deutschland werden in Selbstverwaltung von den Ingenieurkammern wahrgenommen. Diese haben öffentlich-rechtlichen Status und sind – da das Ingenieurrecht in Deutschland grundsätzlich Ländersache ist – auf Ebene der Bundesländer organisiert.
1999 | 2001 | 2003 | 2005 | 2007 |
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637.935 | 657.491 | 647.051 | 639.119 | 654.358 |
Der Ingenieur in der DDR
Die Ingenieure in der DDR wurden auf drei Niveaustufen ausgebildet:
- Ingenieurschulen (Fachschulen)
- An Ingenieurhochschulen (IHSen)
- Technischen Hochschulen, Technischen Universitäten und Universitäten
Ausbildung an Ingenieurschulen (Fachschulen)
Als Zugangsvoraussetzung galt der Abschluss der 10. Klasse, sowie eine Berufsausbildung. Eine Hochschulzugangsberechtigung in Form eines Abiturs o. ä. war nicht notwendig. Die Regelstudienzeit im Präsenzstudium betrug sechs Semester. Das letzte (sechste) Semester verbrachte der Student im Betrieb zur Einarbeitung auf seine zukünftige Stelle. Das Studium endete mit dem staatlichen Titel Ingenieur (Abk.: „Ing.“). Der Abschluss galt gleichzeitig als fachgebundene Hochschulreife. Häufig wurden Facharbeiter mit guten und sehr guten Leistungen vom Betrieb zum Fachschulstudium delegiert. Auch gab es spezielle Sonderstudienformen für Frauen (Frauensonderstudium), um die Frauenrate in den technischen Berufen anzuheben.
Mit der Wiedervereinigung Deutschlands wurden die in der DDR erworbenen oder staatlich anerkannte schulische, berufliche und akademische Abschlüsse oder Befähigungsnachweise eingeordnet. Laut Art. 37, Abs. 1 des Einigungsvertrags haben die Fach- und Ingenieurschulabschlüsse, dessen Ausbildungsniveau zwischen der Facharbeiter- und Hochschulbildung lag, keine Entsprechung im westdeutschen Bildungssystem. Manche Abschlüsse sind gleichwertig dem westdeutscher Ingenieurschulen und Ingenieurakademien bis Anfang der 1970er Jahre. Eine Gleichstellung zu westdeutschen Fachhochschulabschlüssen war nicht möglich. Die Gleichwertigkeit zu Fachhochschulabschlüssen konnte nur nach dem Erwerb zusätzlicher Qualifikationen (Aufbaustudium an einer FH) festgestellt werden.
Auf Drängen der neuen Länder wurde auch eine Regelung zum Erwerb des FH-Diploms aufgrund von Berufserfahrung, ohne Besuch des Aufbaustudienganges, vereinbart – die Nachdiplomierung. Hierbei wurde den Absolventen das Recht eingeräumt, nach Nachweis einer einschlägigen dreijährigen Berufstätigkeit den Titel Dipl.-Ing. (FH) zu tragen. Die auf diesem Wege verliehene Bezeichnung Dipl.-Ing. (FH) ist eine staatliche Bezeichnung und kein akademischer Grad, da sie vom Kultusministerium verliehen wurde und nicht durch eine Hochschule lt. §18 HRG. Vergleichbar mit der staatlichen Abschlußbezeichnung Dipl.-Ing. (BA) an einer Berufsakademie. Diese Regelung wurde an einen Stichtag gekoppelt. Für die Nachdiplomierung musste beim Kultusministerium ein kostenpflichtiger Antrag gestellt werden. Die Regelung zur Nachdiplomierung lief Ende 2008 aus.
Nach der Wende wurden die meisten Ingenieurschulen geschlossen bzw. Fachschulen zur Ausbildung Staatlich geprüfter Techniker. Einige wurden zu Fachbereichen von Fachhochschulen ausgebaut.
Ausbildung an Ingenieurhochschulen (IHSen)
Ab 1969 wurden im Rahmen der 3. Hochschulreform der DDR die Ingenieurhochschulen eingeführt. Als Zugangsvoraussetzung galt die Berufsausbildung mit Abitur (BmA) oder das Abitur der EOS mit einem Vorpraktikum. Auch bot man für Interessenten ohne Abitur einjährige Vorkurse zur Erlangung des Teilabiturs direkt an den IHSen an. Die Regelstudienzeit betrug anfangs 3,5 Jahre und wurde später auf 4 Jahre erhöht. Ein Semester war das große Industriepraktikum. Das Studium endete mit dem Hochschulgrad Hochschulingenieur (Abk.: „HS-Ing.“).
Die Ingenieurhochschule war von seiner Aufgabenstellung und vom akademischen Niveau das ostdeutsche Pendant zu den westdeutschen Fachhochschulen. Die Ingenieurhochschule sollte die Ingenieurfachschule ablösen. Aufgrund von Abiturientenmangel scheiterte dieses Vorhaben. Wegen der Verwechslungsgefahr zum Ing. wurde auch der Hochschulgrad HS.-Ing. ab 1977 nicht mehr vergeben. Die verbliebenen IHSen wurden zu THen umgebaut bzw. THen angegliedert oder wurden IHSen mit Promotionsrecht und dem Abschluss Diplomingenieur.
Mit der Wiedervereinigung Deutschlands wurden (gemäß Einigungsvertrag) die Abschlüsse der Ingenieurhochschulen als gleichwertig bzw. niveaugleich westdeutscher FH-Abschlüsse eingestuft. Die Absolventen konnten sich ohne Auflagen und Einschränkungen zum akademischen Grad Diplom-Ingenieur (FH) umdiplomieren lassen. Nach der Wende wurden sämtliche IHSen zu Fachhochschulen.
Ausbildung an Technischen Hochschulen, Technischen Universitäten und Universitäten
Zugangsvoraussetzung für das Ingenieurstudium an einer TH/TU oder Uni war das Abitur. Die Regelstudienzeit betrug 5 Jahre, später wurde sie per Ministerbeschluss einheitlich auf 4 Jahre begrenzt. Der Abschluss war der akademische Grad Diplomingenieur.
Mit der Wiedervereinigung Deutschlands wurden (gemäß Einigungsvertrag) die Abschlüsse an THen, TUen und Universitäten, die von Anfang an THen/TUen oder Unis waren, als gleichwertig bzw. niveaugleich den Abschlüssen der westdeutschen THen/TUen/Unis eingestuft. Abschlüsse, die an THen abgelegt wurden, die aus IHSen hervorgingen, unterzog man einer Inhaltsprüfung. Bei mindestens 9semestriger Studiendauer wurden sie wie TH bzw. TU-Abschlüsse gewertet. Bei 8-semestriger Studiendauer wurden sie als gleichwertig dem westdeutschen FH-Abschluss eingestuft.
Nach der Wende wurden die meisten THen zu Fachhochschulen. Einige erlangten den Status einer TU. Die meisten Universitäten blieben Universitäten mit teilweise jahrhundertlanger Tradition.
Der Bologna-Prozess
Auf Grund des Bologna-Prozesses haben bereits heute die meisten Fachhochschulen und Universitäten auch ihre Ingenieurstudiengänge auf den Abschluss Bachelor oder Master umgestellt oder bieten zumindest beide Varianten parallel an. Die entsprechenden akademischen Grade lauten Bachelor of Engineering (B. Eng.) oder Bachelor of Science (B. Sc.) bzw. Master of Engineering (M. Eng.) oder Master of Science (M. Sc.).
Berufsverbände und Ingenieurvereinigungen wie beispielsweise der Akkreditierungsverbund für Studiengänge des Bauwesens (ASBau) stehen der Umstellung auf die neuen Abschlüsse kritisch gegenüber und zweifeln an, dass das Bachelor-Studium eine ausreichend berufsbefähigende Ausbildung leistet. Sie sehen in den neuen Abschlüssen den Versuch, einen großen Teil der Ausbildung in das Berufsleben zu verlagern.
Der „Beratende Ingenieur“
Ein „Beratender Ingenieur“ muss bestimmte gesetzlich festgeschriebene Vorgaben erfüllen und sich in die „Liste der Beratenden Ingenieure“ der Ingenieurkammer seines jeweiligen Bundeslandes eintragen. Die Berufsbezeichnung Beratender Ingenieur für einen freiberuflich tätigen Ingenieur ist landesrechtlich geschützt.
Der Diplom-Ingenieur
Diplom-Ingenieure werden an Hochschulen (Universitäten, Technische Hochschulen, Fachhochschulen) und Berufsakademien ausgebildet. Der akademische Grad bzw. die staatliche Abschlussbezeichnung kann grundsätzlich nur so geführt werden wie in der verleihenden Urkunde angegeben. An Universitäten wird der akademische Grad „Diplomingenieur“ vergeben. In einigen Fällen kann der akademische Diplomgrad um die Bezeichnung der Hochschule ergänzt werden. An bayerischen Universitäten kann der Diplomgrad auch um den Zusatz „Universität“ ergänzt werden („Diplomingenieur Universität“, „Dipl.-Ing. Univ.“). Seit 1987 verleihen Fachhochschulen den akademischen Grad Dipl.-Ing. bundeseinheitlich mit dem Zusatz „FH“, also als „Diplom-Ingenieur (FH)“ oder „Diplom-Ingenieur (Fachhochschule)“, abgekürzt „Dipl.-Ing. (FH)“ (davor ohne den FH-Zusatz). An Berufsakademien wird der entsprechende Abschlusstitel als staatliche Bezeichnung mit dem Zusatz „BA” bzw. „Berufsakademie“ verliehen. Im Rahmen des Bologna-Prozesses werden die Diplomstudiengänge durch die Bachelor- und Masterstudiengänge ersetzt.
Ingenieurwissenschaftliche Bachelor- und Masterstudiengänge mit vorwiegender Anwendungsorientierung führen zum akademischen Grad eines Bachelor of Engineering (B. Eng.) und nach einem entsprechenden Aufbaustudium zum Master of Engineering (M. Eng.). Ist der Studienschwerpunkt überwiegend forschungsorientiert, wird ein Bachelor of Science (B. Sc.) bzw. Master of Science (M. Sc.) verliehen. Besondere Studiengänge, zum Beispiel der Architektur, können auf Grund von Studienschwerpunkten mit dem Bachelor of Arts (B. A.) bzw. Master of Arts (M. A.) abgeschlossen werden. Der Masterabschluss ist dem universitären Diplomabschluss gleichgestellt und berechtigt zur Aufnahme eines Promotionsverfahrens. Die Studiengänge unterliegen den Anforderungen einer Akkreditierung.
Derzeit findet in Deutschland ein heftiger Diskurs um die Wiedereinführung des akademischen Grades "Diplomingenieur" für Absolventen eines Masterstudiums an Technischen Universitäten statt,[4] wie das in Frankreich und Österreich erfolgreich umgesetzt wurde. Blockiert wird diese Intervention maßgeblich von der UAS7, eine Vereinigung sieben international ausgerichteter Fachhochschulen in Berlin, Bremen, Hamburg, Köln, Münster, München und Osnabrück, die die formale Gleichstellung mit Technischen Universitäten anstreben.
Nach einer Promotion in den Ingenieurwissenschaften wird der akademische Grad eines „Doktors der Ingenieurwissenschaften” (Doktoringenieur, Dr.-Ing.) verliehen, möglich sind aber auch der Dr. tech. bzw. der Dr. mont. für technische bzw. montanistische Wissenschaften.
Berufsverbände
Als Ingenieurverein hat sich in Deutschland der bereits 1856 gegründete VDI (Verein Deutscher Ingenieure) seit vielen Jahren erfolgreich etabliert. Mit derzeit rund 132.000 Mitgliedern (Stand Jahresanfang 2007) gehört er zu den größten technisch-orientierten Vereinen und Verbänden weltweit.
Speziell die Interessen weiblicher Ingenieure vertritt der deutsche ingenieurinnenbund e. V. (dib). Mit der Organisation Ingenieure ohne Grenzen gibt es zudem einen Verein, der das weltweite Engagement von Ingenieuren für humanitäre Projekte fördert.
Finnland
In Finnland erfolgt das Ingenieurstudium an Technischen Universitäten, an technischen Fakultäten anderer Universitäten und an Fachhochschulen. An Universitäten legen die Studenten zuerst das Examen tekniiikan kandidaatti mit 180 Leistungspunkten nach etwa sechs Semestern ab und setzen ihre Studien danach bis zum Examen diplomi-insinööri (Diplomingenieur) fort. Die Gesamtdauer des Studiums ist 300 Leistungspunkte, das heißt zehn Semester. Im internationalen Vergleich werden tekniikan kandidaatti und diplomi-insinööri als Bachelor of Science (Eng.) und Master of Science (Eng.) übersetzt. Die Absolventen können direkt promovieren.
An den Fachhochschulen heißt der Abschluss insinööri (AMK) (Ingenieur (FH)) mit 240 Leistungspunkten. Als Abschluss ist insinööri (AMK) mit tekniikan kandidaatti vergleichbar aber wird jedoch als Bachelor of Engineering übersetzt. Nach drei Jahren Berufserfahrung können die Fachhochschulingenieure ihre Studien an Fachhochschulen fortsetzen. Dann können sie den Abschluss insinööri (ylempi AMK) (Ingenieur (hohere FH)) mit 120 Leistungspunkten ablegen. Gesetzlich ist insinööri (ylempi AMK) mit diplomi-insinööri vergleichbar und wird als Master of Engineering gewertet. Die FH-Ingenieure haben auch die Möglichkeit an den Universitäten zu studieren. Dort ist es ihnen möglich mit Studien von 180 Leistungspunkten das Diplomingenieurexamen abzulegen.
Vor Einführung des finnischen Fachhochschulsystems in den 1990er Jahren wurden Ingenieure auch in technische Lehranstalten (teknillinen oppilaitos) ausgebildet. Das Ingenieursstudium in einer solchen technischen Lehranstalt dauerte vier Jahre und schloss mit dem Abschluss insinööri (Ingenieur) ab. Die Abschlüsse insinööri und insinööri (AMK) sind gesetzlich fast gleichgestellt.
Frankreich
In Frankreich erfolgt das Ingenieurstudium an „Écoles d’Ingénieurs“ (Ingenieurhochschulen), auch „Grande école“ genannt, und an den Universitäten. Der Titel und Beruf Ingénieur ist an sich in Frankreich nicht geschützt.
Die „Grandes écoles“ gelten als Ausbildungsstätten der Führungselite von Staat und Wirtschaft. Die Ausbildung an den Ingenieurhochschulen ist durch Projekte und Praktika während des fünf jährigen Studiums stärker an den Erfordernissen des Arbeitsmarkts orientiert. Es gibt ungefähr 240 Ingenieurhochschulen, an denen jährlich rund 26 000 Studenten ein Diplom erhalten. Um ein Ingenieurdiplom erteilen zu dürfen, muss die Schule vom Hochschulminister dazu berechtigt werden. Die an den „Grandes Écoles“ ausgebildeten Ingenieure tragen den Titel „ingénieur diplômé“ gefolgt von dem Namen ihrer Ingenieurhochschule. Das Studium an den „Grandes Écoles“ entspricht weitgehend einem verlängerten Studium des Ingenieurwesens an einer Fachhochschule (Masterniveau) in Deutschland. Dies liegt an der verschulten und praxisnahen weniger forschungsorientierten Ausbildung an einer Grande École.
1992 wurden die IUP (Institut Universitaire Professionnalisé = Praxisorientiertes Universitäts-Institut) an Universitäten eröffnet. Dort bekamen die Absolventen nach 4 Jahren Studium mit der Maîtrise IUP einen Titel als ingénieur-maître. Seit der Umsetzung des Bologna-Prozess wird dieser Titel nicht mehr verliehen. Andererseits gab es schon damals auf dem Arbeitsmarkt Ingenieure, die ein DESS nach 5 Jahren Studium an einer Universität erworben hatten. Heute ist in Frankreich jeder Master-Absolvent eines entsprechenden Studiengangs Ingenieur. Das Ingenieurstudium an einer Universität in Frankreich ist weitgehend mit dem Studium an einer deutschen (Technischen) Universität vergleichbar.
Die ca. 50 %der in Frankreich arbeitenden Ingenieure, die von den Universitäten kommen, sind meistens in einem besonderen Fach spezialisiert, während die in Grandes Ecoles ausgebildeten ingénieurs diplômés (Diplom-Ingenieure) grundsätzlich allgemeine Kenntnisse haben. Deswegen werden diese auch Ingénieur généraliste genannt. Dessen Spezialisierung ist also relativ gering und soll theoretisch den französischen ingénieur diplômé vielseitige Einsatzfähigkeiten geben.
In den Unternehmen werden sowohl Ingenieure von Universitäten als auch ingénieurs diplômés d'École am selben Posten Ingénieur genannt, die Lohnskala ist allerdings unterschiedlich: ein ingénieur diplômé verdient in der Regel mehr.
Italien
In Italien ist der Titel ingegnere gesetzlich geschützt und an ein Hochschulstudium sowie eine Staatsprüfung gebunden.
Österreich
Die Ausbildung zum Ingenieur und die Führung der Berufsbezeichnung Ingenieur ist bundeseinheitlich geregelt. In Österreich werden Ingenieure mit wissenschaftlich fundierter Ausrichtung traditionell an technischen Universitäten und Fakultäten und Ingenieure mit fachpraktisch fundierter Ausrichtung im Rahmen des Schulsystems an Höheren Technischen Lehranstalten (HTL) sowie an Höheren Bundeslehranstalten für Landwirtschaft ausgebildet. Im Rahmen des EU-Beitritts wurden im Jahr 1994 die Fachhochschulen gegründet. Akademisch ausgebildete Ingenieure mit fachpraktischem Schwerpunkt und wissenschaftlicher Orientierung werden seitdem an Fachhochschulen ausgebildet.
In Österreich ist der Titel Ingenieur eine Standesbezeichnung, die vom Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend verliehen wird. Grundlage ist das Ingenieurgesetz 2006 (IngG 2006).
Voraussetzung hierfür ist die Reife- und Diplomprüfung einer österreichischen Höheren Technischen Lehranstalt oder einer Höheren Land- und Forstwirtschaftlichen Lehranstalt, sowie der Nachweis der Absolvierung einer mindestens 3-jährigen fachbezogenen Praxis, die gehobene Kenntnisse auf jenen Fachgebieten voraussetzt, auf denen Reife- und Diplomprüfungen abgelegt werden können (§ 2 Z 1 lit. b IngG 2006).
Ohne Reife- und Diplomprüfung, aber mit nachgewiesenen gleichwertigen Fachkenntnissen, kann der Ingenieurtitel auch nach sechs Jahren Praxis verliehen werden. Es ist hierzu eine kommissionelle Ingenieurprüfung abzulegen, die Gleichwertigkeit der Kenntnisse als Prüfungsvoraussetzung wird vom Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend streng geprüft nach Maßgabe der Dinge.
Zusätzlich gab es auch den Diplom-HTL-Ingenieur, der sechs Jahre Praxis sowie eine Diplomarbeit und eine kommissionelle Diplomprüfung ablegen musste. Diese Möglichkeit der akademischen Nachqualifizierung für HTL-Ingenieure war für die Übergangsphase nach Einführung der Fachhochschulen gedacht und lief mit dem 31. Dezember 2006 aus (Ingenieurgesetznovelle 2006).
Den Absolventen der 10-semestrigen technischen Diplom- bzw. Magisterstudien der Technischen (und anderer) Universitäten und der Universität für Bodenkultur Wien wird der akademische Grad Diplomingenieur (Abk.: Dipl.-Ing. oder DI) mit 300 ECTS-Leistungspunkten verliehen, den Absolventen der 8-semestrigen Fachhochschulen der akademische Titel Diplomingenieur (FH) (Abk.: Dipl.-Ing. (FH) oder DI (FH) ) mit 240 ECTS-Leistungspunkten verliehen. An Fachhochschulen und Universitäten werden in letzter Zeit vermehrt Bakkalaureats-Abschlüsse nach 6 Semestern erworben, die mit 180 ECTS bewertet werden. Die Absolventen von Diplom-Studiengängen beider Studienformen werden für ein anschließendes Doktoratsstudium zugelassen, wobei sich die Mindeststudiendauer der FH-Absolventen gegenüber den TU-Absolventen um zwei Semester verlängert.
Der Zugang und die Ausübung des Berufs des „Ziviltechnikers“ (Architekten und Ingenieurkonsulenten) wird durch das Ziviltechnikergesetz reglementiert, die Vertretung der Ingenieurkonsulenten erfolgt durch die Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten.
Der reglementierte Beruf „Beratender Ingenieur“ bzw. die Zugangsvoraussetzung zum Betreiben eines Ingenieurbüros wird geregelt in der Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend über das BGBL. II 89/2003 (Zugangsvoraussetzungs-Verordnung für reglementierte Gewerbe Ingenieurbüros (Beratende Ingenieure).
Die Berufsvoraussetzung ist gegeben für Personen die
- eine technische Hochschule oder Fachhochschule und eine mindestens dreijährige fachliche Tätigkeit im betreffenden Fachgebiet, oder
- eine dem Fachgebiet entsprechende HTL (Höhere Technische Lehranstalt bzw. entsprechende Sonderform HFL) und eine mindestens sechsjährige fachliche Tätigkeit im betreffenden Fachgebiet, und
- eine Befähigungsprüfung gemäß Gewerbeordnung 1994, BGBL. Nr. 111/2002, nachweisen.[5]
Personen die für das reglementierte Gewerbe Ingenieurbüro/beratende Ingenieure in Österreich zugelassen sind, dürfen dieses auch in den anderen EU-Ländern ausüben (EU-Diplomanerkennungsrichtline für reglementierte Berufe).
Als Ingenieurvereine haben sich in Österreich der VÖI (Verein Österreichischer Ingenieure) und ÖIAV (Österr. Ingenieur- und Architektenverein) seit vielen Jahren erfolgreich etabliert. Das österreichische Ingenieurregister wird vom Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend geführt.
Die berufsständischen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen der Ziviltechniker in Österreich werden in Selbstverwaltung von den Ingenieurkammern wahrgenommen. Diese sind die gesetzliche Interessensvertretung des Berufsstandes und haben daher öffentlich-rechtlichen Status. Sie sind in vier Länderkammern organisiert, deren bundesweite Dachorganisation die Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten ist. Innerhalb der Kammern sind neben den den Ingenieurkonsulenten auch die Architekten vertreten, jedoch in getrennten Sektionen organisiert.
Schweiz
In der Schweiz können Ingenieurwissenschaften an den beiden Eidgenössischen Technischen Hochschulen (in Zürich und Lausanne, Titel Bachelor/Master of Science ETH) und an den Fachhochschulen (Titel Bachelor/Master of Science FH) studiert werden.
Als Ingenieurvereine haben sich in der Schweiz einerseits der 1837 gegründete „Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein“ und andererseits „Swiss Engineering“ (ehemals Schweizerischer Technischer Verband, STV), etabliert. Ingenieurkammern wie in Deutschland und Österreich gibt es in der Schweiz nicht.
Andere europäische Staaten
In vielen Staaten Osteuropas wie z. B. der Slowakei, Tschechien, Ungarn und Polen wird gemäß dem Bologna-Prozess inzwischen der Bachelor bzw. Master verliehen. Hier verwendet man mittlerweile auch den internationalen Bachelor of Engineering (B. Eng.) bzw. Master of Engineering (M. Eng.).
Englischsprachige Staaten
Die Bezeichnung Engineer ist auch in den meisten englischsprachigen Staaten kein geschützter Begriff. Nur Titel wie Professional Engineer (P. E. oder Pr. Eng.), Chartered Engineer (CEng) in UK, Irland, Indien, Registered Engineer (R. Eng.), civil engineer (Bauingenieur) oder mechanical engineer (Maschinenbauingenieur) sind teilweise (z. B. in Kanada und einigen Bundesstaaten der USA) gesetzlich geschützt.
Fachrichtungen
Sehr bekannte ingenieurwissenschaftliche Fachrichtungen sind beispielsweise:
Weitere Fachrichtungen finden sich in der Liste der ingenieurwissenschaftlichen Fachrichtungen.
Siehe auch
Literatur
- Walter Kaiser, Wolfgang König: Geschichte des Ingenieurs. Ein Beruf in sechs Jahrtausenden. Carl Hanser Verlag, München u. a. 2006, ISBN 3-446-40484-8.
- Horst Czichos, Manfred Hennecke (Hrsg.): Hütte – Das Ingenieurwissen. 33. aktualisierte Auflage. Springer, Berlin u. a. 2007, ISBN 978-3-540-71851-2.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Friedrich Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Berlin 1948 und 2002.
- ↑ Günther Drosdowski: Duden Band 7 - Das Herkunftswörterbuch: Etymologie der deutschen Sprache. Dudenverlag, Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich 1989, ISBN 3411209070.
- ↑ Berufe im Spiegel der Statistik 1999 - 2007. Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, abgerufen am 14. April 2009.
- ↑ RWTH-Rektor: Wollen akademischen Grad «Diplom» zurück.
- ↑ http://www.ingenieurbueros.at