Horst Szymaniak

deutscher Fußballspieler
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Horst Szymaniak (genannt „Schimmi“; * 29. August 1934 in Erkenschwick; † 9. Oktober 2009 in Melle) war ein deutscher Fußballspieler. Er wurde meist als linker Läufer oder Halbstürmer eingesetzt und galt zu seiner besten Zeit als einer der herausragenden europäischen Mittelfeldspieler. Bei der Wahl zu Europas Fußballer des Jahres konnte Horst Szymaniak sich von 1957 bis 1961 alljährlich platzieren; seine beste Einstufung war dabei der 8. Rang im Jahr 1958,[1] in dem er mit der Nationalelf Weltmeisterschafts-Vierter geworden war. Er war mit sehr guter Technik und Übersicht ausgestattet und in der Lage, lange Pässe zielsicher zum Mitspieler zu bringen, zugleich zweikampfstark – die Grätsche wurde zu seinem Markenzeichen.[2][3] Bundestrainer Sepp Herberger urteilte schon frühzeitig, Szymaniak sei „ein erstklassiger Mann [und] ein Instinktfußballer, [der] fühlt, wie ein Spiel läuft“, und verglich ihn wertschätzend mit Andreas Kupfer.[4]

Horst Szymaniak
Personalia
Geburtstag 29. August 1934
Geburtsort ErkenschwickDeutschland
Sterbedatum 9. Oktober 2009
Sterbeort MelleDeutschland
Größe 178 cm
Position Mittelfeldspieler

Während seiner 15 Jahre dauernden Karriere hat er in Deutschland, Italien, der Schweiz und den USA in der jeweils höchsten Liga gespielt, in 43 A-Länderspielen den schwarz-weißen Nationaldress getragen und an zwei Weltmeisterschaftsendrunden teilgenommen. Er stand mit Weltklassespielern wie Fritz Walter, Franz Beckenbauer, Luis Suárez und Sandro Mazzola in einer Mannschaft, aber außer dem Europapokal der Landesmeister 1963/64 hat er dennoch nie einen nationalen oder internationalen Titel gewinnen können – und bei diesem einzigen zählbaren Erfolg kam er im Endspiel nicht zum Einsatz.

Horst Szymaniak war einer der letzten – und einer der erfolgreichsten – Fußballer aus dem Bergarbeitermilieu in Deutschland, die ihrem Sport auf hohem Niveau nachgingen. Dabei blieb er „immer ein aufrechter Kerl [und] Kumpeltyp, der stets für gute Stimmung sorgte“ (Uwe Seeler).[5] Nach Beendigung seiner Karriere verschwand er nahezu in der Anonymität, wurde jahrzehntelang vom deutschen Verband ignoriert, von ehemaligen Mitspielern und Fußballanhängern an einigen Stätten seines Wirkens aber nie ganz vergessen. Seinen letzten Lebensabschnitt verbrachte er in äußerst bescheidenen finanziellen Verhältnissen. Über den Fußball seiner Zeit soll „Schimmi“ gegenüber dem jungen Franz Beckenbauer, bei der Nationalmannschaft 1965/66 sein Zimmergenosse, geurteilt haben:[6]

Wir sind die letzten Helden des 20. Jahrhunderts; nach uns kommen nur noch Spieler aus Kunststoff.

Spielerkarriere

In seinen Vereinen

Der Bergmann, der nach Abschluss der achtklassigen Volksschule wie sein Vater und sein Bruder auf der örtlichen Zeche Ewald Fortsetzung unter Tage arbeitete, spielte als Kind zunächst auf Hinterhöfen und Bolzplätzen nahe dem elterlichen Zechenhaus an der Ahsener Straße im Ortsteil Kleinerkenschwick sowie auf der Freizeitwiese bei Mutter Wehner am Südrand der Haard Fußball, ehe er der SpVgg Erkenschwick beitrat.[7] Dort wurde das damals noch „Schorse“ genannte Talent von dem Erkenschwicker „Urgestein“ Julius Ludorf entdeckt und zeitweise auch trainiert. 1949 wurde Szymaniak mit der B- und 1951 mit der A-Jugend des Vereins Pokalsieger, 1950 zudem auch Meister der A-Jugend-Leistungsklasse des Kreises Recklinghausen. Obwohl er der Kleinste und Schmächtigste in seinen Mannschaften war, spielte er schon in dieser Zeit die „dominierende Rolle“ auf dem Platz.[8] Ab der Saison 1952/53 gehörte er zum Kreis der ersten Mannschaft, die am Ende der Spielzeit aus der Oberliga West in die zweite Liga abstieg. Der Vertrag sah ein monatliches Gehalt von 80 DM vor.[9] Sein erster Einsatz in der Herren-Elf erfolgte am 17. Mai 1953 am Stimberg anlässlich eines Freundschaftsspiels gegen den 1. FC Saarbrücken.[7] 1954 schloss die SpVgg. Erkenschwick die Saison als Tabellen-11. ab; im Jahr darauf verpasste sie als Fünfter erneut den Wiederaufstieg – wenn ihr diesmal auch nur zwei Punkte dazu fehlten.[10]

Daraufhin wechselte „Schimmi“ 1955 für eine Ablösesumme von 15.000 DM zum gerade unter Trainer Raymond Schwab in die Oberliga West aufgestiegenen Wuppertaler SV. Die Bergischen hatten sich mit „Coppi“ Beck vom FC St. Pauli und Theo Kolkenbrock (VfB Bottrop) verstärkt, und im Jahr darauf stießen mit Erich Haase von Werder Bremen und dem Österreicher Erich Probst zwei weitere Nationalspieler dazu. Dennoch kam der WSV 1956 und 1957 über Mittelfeldplätze nicht hinaus. Für Horst Szymaniak bedeutete diese Zeit jedoch den Einstieg in eine internationale Laufbahn, denn 1956 wurde er von Sepp Herberger erstmals in die deutsche Auswahl berufen. Nachdem der WSV im Sommer 1958 wieder in die Zweitklassigkeit abgestiegen war, blieb er dem Verein noch ein weiteres Jahr treu. Dazu trug auch bei, dass er sich in Wuppertal persönlich sehr wohl fühlte, weil seine Eltern und Geschwister inzwischen ebenfalls dort lebten; außerdem konnte er neben seinem Vertragsspielergehalt durch seine Berufstätigkeit – ab 1955 als beim Sportamt beschäftigter Stadionarbeiter, ab 1957 als Angestellter des von seinem Vater geleiteten Wannen- und Brausebads am Höchsten – ein Zusatzeinkommen verdienen.[11]

Als dem WSV die sofortige Rückkehr in die erste Liga misslang, wechselte er zur Saison 1959/60 dann aber doch zum Süd-Oberligisten Karlsruher SC.[12] Für seine Vertragsunterschrift erhielt er 30.000 DM „Handgeld“ – damals ein kleines Vermögen, denn ein durchschnittlicher westdeutscher 4-Personen-Arbeitnehmerhaushalt gab 1960 pro Jahr 7.700 DM für seinen gesamten Konsum aus.[13] Mit den Badenern stand Szymaniak im Jahr darauf nach dem Gewinn der Südmeisterschaft in der Endrunde zur Deutschen Meisterschaft, wo der KSC aber am späteren Titelträger Hamburger SV scheiterte. Auch im Pokal-Finale 1960 zog die von Eduard Frühwirth trainierte Mannschaft den Kürzeren und unterlag Borussia Mönchengladbach mit 2:3. In Karlsruhe pachtete er eine Tankstelle, auf der er allerdings nicht mehr selbst arbeitete, und erwarb im Sommer 1961 ein Mietshaus, dessen Kaufpreis er zu einem erheblichen Teil aus der Einnahme bestreiten konnte, die sein neuer Verein ihm für seinen zu dieser Zeit vereinbarten Wechsel bezahlte:[14] Szymaniak war, nach Ludwig Janda (1949) und Horst Buhtz (1952), erst der dritte deutsche Spieler, der als Berufsfußballer zu einem italienischen Klub ging. Weitere Nationalmannschaftskollegen (1962 Helmut Haller und Albert Brülls, 1963 Karl-Heinz Schnellinger) sollten ihm bald folgen.

Szymaniak spielte von 1961 bis 1963 bei CC Catania, von dem er für seinen Wechsel 100.000 DM erhalten hatte. 1963/64 trug er die schwarz-blauen Farben des amtierenden italienischen Meisters Inter Mailand. Am Ende dieser Spielzeit hatte Inter den Europapokal der Landesmeister gewonnen, aber Szymaniak stand im Endspiel gegen Real Madrid nicht auf dem Rasen, obwohl er in den vorangegangenen Runden gegen den FC Everton, AS Monaco, Partizan Belgrad und Borussia Dortmund zu diesem Erfolg beigetragen hatte.[15] Aufgrund der damaligen Ausländerregelung in der italienischen Liga – die beiden erlaubten Plätze besetzten normalerweise der Brasilianer Jair und der Spanier Luis Suárez – war „Inters Edelreservist“[16] unter Trainer Helenio Herrera auch in den Ligaspielen nur relativ selten zum Einsatz gekommen.[17] So wechselte er zu Varese FC, blieb dort aber ebenfalls nur ein Jahr.

Horst Szymaniak kehrte 1965 nach Deutschland zurück und spielte 1965/66 für Tasmania Berlin in der Bundesliga. Das erste Spiel vor 81.000 Zuschauern im Olympiastadion konnte mit 2:0 gegen den KSC zwar gewonnen werden, am Ende der Saison stieg die Tasmania jedoch ab und ging mit nur zwei Siegen als schwächste Mannschaft in die Bundesligageschichte ein. Szymaniak ließ seine aktive Laufbahn beim Schweizer Nationalligisten FC Biel und 1967 in der National Professional Soccer League bei den Chicago Spurs ausklingen, gerade erst 33 Jahre alt.

In der Nationalmannschaft

 

(Nordirland)
(Brasilien)
(Schweden)
(Schweden)
(Sowjetunion)
Szymaniak
(Deutschland)
(Frankreich)
(Brasilien)
(Brasilien)
(Frankreich)
(Schweden)
„All-Star-Team“ der WM 1958

Als A-Nationalspieler war er von November 1956 (1:3-Niederlage gegen die Schweiz) bis Juni 1966 (1:0-Sieg gegen Rumänien) 43 Mal aktiv und erzielte zwei Tore.[18] Bei den Weltmeisterschaften in Schweden (1958) und Chile (1962) bestritt er sämtliche zehn Partien der deutschen Elf.

1958, bei der Begrüßung der deutschen Mannschaft durch den schwedischen König Gustav VI. Adolf vor dem WM-Halbfinale gegen den Gastgeber, sah Szymaniak dem Monarchen beim Handschlag in die Augen und rechtfertigte das anschließend vor dem Bundestrainer mit dem Bergmannsspruch „Kein Kniefall, auch nicht vor gekrönten Häuptern“.[19] Im Spiel um Platz Drei, in dem die Deutschen gegen Frankreich mit 3:6 unterlagen, kam es zu einer für Szymaniaks Einstellung auf dem Spielfeld typischen Konfrontation mit Raymond Kopa, zu dessen Manndeckung er von Herberger in der Halbzeitpause abgestellt worden war. Anfangs der zweiten Halbzeit foulte er den französischen Spielmacher, der dessen zur Entschuldigung ausgestreckte Hand ignorierte und stattdessen, vom Unparteiischen unbemerkt, eine Tätlichkeit gegen „Schimmi“ beging. Der dabei zu Boden gegangene Wuppertaler blieb nicht etwa „wehklagend liegen, … [sondern] sprang schnell wieder hoch, um sich an den Schiedsrichter zu wenden“.[20] Unmittelbar nach Abschluss des Wettbewerbs wurde er von europäischen und südamerikanischen Journalisten als einziger deutscher Spieler in das – damals bloß inoffizielle – „All-Star-Team“ dieses Turniers gewählt (siehe Abbildung rechts).[21] Als er aus Schweden nach Wuppertal zurückkehrte, bereiteten ihm Tausende am Bahnhof Elberfeld einen begeisterten Empfang; im benachbarten Hotel Kaiserhof trug er sich ins Goldene Buch der Stadt ein.[22] Später im Jahr stand er Modell für eine Büste, die der Arno-Breker-Schüler Hans-Günther Schmahl unter Brekers Aufsicht anfertigte und die „Schimmi“ dann geschenkt wurde.[23]

Trotz seines Wechsels nach Italien hielt der Bundestrainer weiterhin an Szymaniak fest und machte sich gegenüber dem DFB 1961 dafür stark, dass dieser ihm die Freigabe dafür erteilte; 1962 verzieh er dem Spieler sogar seine Autofahrt im alkoholisierten Zustand (siehe folgendes Kapitel).[24] Der war vor der WM-Endrunde 1962 von den Kicker-Lesern noch in die bundesdeutsche „Mannschaft des Volkes“ gewählt worden, und auch beim letzten Vorbereitungsspiel gegen Uruguay hatte er von den Fachjournalisten gute Noten erhalten.[25] In Chile hingegen reihten sich seine Leistungen in eine personelle Konstellation ein, in der zu viele Spieler „ihrer besten Form [nicht] nahe kamen“. Gegen Italien unterliefen ihm „verblüffend viele Fehlpässe“, gegen die Schweiz fiel er vor allem durch Unfairness auf – worunter namentlich Eschmann und Vonlanthen litten – und im Viertelfinale gegen Jugoslawien konnte er, diesmal auf der halblinken Sturmposition aufgestellt, dem deutschen Angriffsspiel kaum Impulse verleihen. Lediglich gegen Chile vermochte Szymaniak sich positiv auszuzeichnen: Sein sicher zum 1:0 verwandelter Elfmeter brachte Herbergers Mannen auf die Siegerstraße, und er trug anschließend viel zu der „taktischen Meisterleistung“ bei, die Deutschland das Überstehen der Vorrunde überhaupt erst ermöglichte.[26] Anders als in dieser zeitgenössischen Bewertung wurde seine Leistung in Chile später allerdings „zu den Lichtblicken in einer ansonsten zumeist enttäuschenden DFB-Equipe“ gerechnet.[2] Am Jahresende 1962 erreichte „Schimmi“ bei der erst seit 1960 stattfindenden Wahl zu Deutschlands Fußballer des Jahres den siebten Rang.[27]

Ab Juni 1962 erfuhr Horst Szymaniak – wie die anderen deutschen Auslandsprofis – zunächst keine Berücksichtigung mehr. Herberger setzte sich gegenüber dem DFB jedoch für eine Aufhebung dieser Regelung ein, weil er „seinem Nachfolger eine schlagkräftige Truppe … hinterlassen“ wollte. Bei seinem Abschiedsspiel im Mai 1964 gegen Schottland konnte er Szymaniak daraufhin wieder einsetzen.[28] Anschließend berief auch Helmut Schön ihn regelmäßig und machte ihn Ende 1965 sogar zum Spielführer der Nationalelf. Er hatte den Außenläufer auch für den DFB-Kader für die WM-Endrunde in England vorgesehen, schloss ihn kurz vor Turnierbeginn jedoch aus dem endgültigen 22er-Aufgebot aus:[29] Bei einer Kneipentour anlässlich eines B-Länderspiels in Augsburg hatte Szymaniak sich – anders als der ihn begleitende, ortskundige Helmut Haller – erwischen lassen.[30] Es bleibt zwangsläufig Theorie, ob das konstatierte „Loch“ zwischen Abwehr und Angriff Deutschlands beim WM-Finale in Wembley mit Szymaniak hätte geschlossen werden können.[31] Auch die gelegentlich zu lesende These, der „großbürgerliche Dresdner Kulturliebhaber“ habe zu dem „proletarischen Schlichtmenschen aus dem Ruhrgebiet“ nie ein positives Verhältnis entwickelt,[19][32] scheint in Würdigung der Gesamtumstände zu plakativ zu sein.

Der Deutsche Fußball-Bund hingegen ignorierte Szymaniaks Verdienste lange Zeit: Zu Jubiläumsveranstaltungen oder Ähnlichem wurde er nie eingeladen. Erst zu seinem 70. Geburtstag bekam er vom DFB ein kurzes Glückwunschschreiben mit faksimilierter Unterschrift des Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder und zur Weltmeisterschaft 2006 sogar ein neues Fernsehgerät.[33] Dagegen hielten ehemalige Nationalspieler wie Max Lorenz, Hans Tilkowski und Uwe Seeler über die Jahre den Kontakt ebenso aufrecht wie mehrere Spieler des Wuppertaler SV (u.a. Erich Ribbeck und Erich Haase) und sein erster Erkenschwicker Förderer „Jule“ Ludorf.[34]

Trainertätigkeit und Leben nach der aktiven Zeit

Zwischen 1968 und 1970 trainierte er den SV 21 Steinheim, für den er auch noch selbst spielte. Die Bezirksklassenmannschaft verlor erst ihr 36. Punktspiel unter Szymaniak. Seine Verpflichtung dort war durch das finanzielle Engagement zweier ortsansässiger Möbelfirmen ermöglicht worden.[35] Es folgten Tätigkeiten bei der SV Bünde-Ennigloh, anschließend für ein halbes Jahr beim TBV Lemgo und schließlich bis 1973 bei TuRa Melle.

Von 1973 bis 1977 betrieb „Schimmi“, dem der Satz „Ein Pilsken gibt einen flachen Schuß“ zugeschrieben wird,[36] gemeinsam mit seiner Frau Elfriede (Hochzeit 1962) in Melle das „Haus der 7 Biere“. In den 1980ern verschlechterte sich sein Gesundheitszustand; Andreas Boller, Sportchef der Wuppertaler Westdeutschen Zeitung, macht dafür den Alkohol und einen schon während seiner Spielerzeit „unsoliden Lebenswandel“ verantwortlich.[37] Bereits 1962 war Horst Szymaniak während eines Wuppertal-Aufenthalts mit 2,6 ‰ am Steuer seines Wagens angehalten worden; die folgende Verurteilung zu zehn Tagen Haft führte dazu, dass er erst nach Saisonbeginn zum CC Catania zurückkehren konnte.[38]

Auch seine finanzielle Situation verschlechterte sich in dieser Zeit; Szymaniak, der in besseren Tagen stets großzügig und freigiebig gewesen war und „sich immer nur von echten Freunden umgeben glaubte“,[39] musste 1983 sein Mietshaus in Karlsruhe und später gar einen Teil seiner Trophäen und Auszeichnungen verkaufen sowie eine Stellung als Lastwagenfahrer annehmen. 1989 heiratete Horst Szymaniak erneut; diese Ehe mit Marga blieb ebenso kinderlos wie seine erste und hielt bis 2002.[40] Zur Jahrtausendwende wurde er, vor Günter Pröpper, zu Wuppertals Fußballer des Jahrhunderts gewählt.[41] Nach Wuppertal hatte es ihn auch schon zurückgezogen, als seine Spielerverträge in Karlsruhe und in Catania ausgelaufen waren; bis 2004 hat er diese Stadt immer wieder besucht[42] und dort bis in die 1990er Jahre auch noch häufig in Ehemaligen-, Prominenten- und Journalistenmannschaften gespielt.[43] An Wochenenden pflegte er dabei regelmäßig mehrere Amateur- und Jugendspiele im gesamten Stadtgebiet zu besuchen.[44] In seinen Geburtsort Erkenschwick kehrte „Schimmi“ 2002 gleichfalls noch einmal zurück: Für die Aufnahmen zu Wolfgang Ettlichs Dokumentarfilm „Im Westen ging die Sonne auf. Kleine Geschichten von Kohle und Fußball.“ besuchte er gemeinsam mit Julius Ludorf seine inzwischen stillgelegte Zeche Ewald Fortsetzung.[7]

2005 erlitt er einen Schlaganfall. Seine letzten Jahre verbrachte er in einem Altenheim im Meller Stadtteil Wellingholzhausen, wo ihn seine Schwester und ein befreundetes Ehepaar pflegten.[45] Für seine acht Jahre Arbeit unter Tage bezog er eine schmale Knappschaftsrente.[46] In der ehemaligen Stadiongaststätte, die die Nordkurve des Wuppertaler Stadions am Zoo überragt, trägt der von ihm 1955 bewohnte Raum bis heute den offiziellen Namen „Szymaniak-Zimmer“.[47] Allen späteren Rückschlägen zum Trotz hat er über seine Spielerzeit und sein Leben auch im Nachhinein immer betont, sie genossen zu haben.[6]

Legenden über „Schimmi“

Die wohl bekannteste und sich am hartnäckigsten haltende Geschichte über Horst Szymaniak[48] ist diejenige über seine Vertragsverhandlungen. Dabei soll ihm sein Vereinspräsident angeboten haben, seine Bezüge deutlich zu erhöhen, worauf der Spieler angeblich antwortete: „Ich will ein Viertel, nicht nur ein Drittel mehr“. Diese Aussage wird, je nach Quelle, auch mit „ein Viertel / ein Achtel“ oder „zwei Drittel / 50 %“ kolportiert. Einmal soll sie in seiner Wuppertaler, dann wieder in seiner Karlsruher und auch noch in seiner Berliner Zeit[49] gefallen sein, alternativ sich beim Kauf seines Mietshauses zugetragen haben.[50] Und in Wuppertal soll der Gesprächspartner mal Wolfgang Entner, dann wieder Walter Kühlthau gewesen sein, wobei Letzterer überhaupt erst WSV-Präsident wurde, als der Spieler dort schon lange nicht mehr unter Vertrag stand.[51] Mitte der 1960er Jahre hat Szymaniak deswegen einen Verlag erfolgreich auf Unterlassung verklagt; er ist später allerdings gegen die zahlreichen Verstöße gegen diesen Richterspruch nicht immer mit letzter Konsequenz vorgegangen. Sein erster Trainer, Julius Ludorf, sagte später über ihn: „Der Schorse … war lediglich gleichgültig – Fußball war sein Leben. Er war nicht gebildet, aber keineswegs dumm.“[19]

Bezüglich seiner beruflichen Tätigkeiten wurde wiederholt, aber unzutreffend behauptet, er habe als Bademeister gearbeitet; mehrfach soll das Angebot einer solchen Stelle sogar einer der Hauptgründe für seinen Wechsel nach Wuppertal gewesen sein.[52] Tatsächlich hat der WSV sich erst Ende Juni 1955, als Szymaniak den Vertrag bereits unterschrieben hatte, überhaupt um ein „zweites Standbein“ für seinen neuen Spieler gekümmert – das allerdings wurde dann (und sehr zügig) die o. g. Stellung als Stadionarbeiter beim städtischen Sportamt.[53] Für diesen zählebigen Irrtum könnte neben der Tatsache, dass er im väterlichen Wannen- und Brausebad tätig war – wo es allerdings keine Schwimmlehrer gab –, eine Verwechslung mit seinem Mitspieler aus Erkenschwicker und Wuppertaler Tagen, dem Torwart Helmut Domagalla, verantwortlich sein, der dies, im Barmer Kurbad, tatsächlich war.

Auch in der Weltelf hat Szymaniak nie gespielt. Er stand lediglich einmal im Aufgebot einer von Helmut Schön betreuten Europaauswahl, die 1964 in Belgrad ein Benefizspiel zugunsten der Erdbebenopfer von Skopje austrug. Aufgrund einer Verletzung kam er dabei allerdings nicht zum Einsatz.

Keine Legende ist hingegen die Geschichte, dass Horst Szymaniak sich in der Vereinsgaststätte mit dem Schäferhund Rex des Wuppertaler Stadionchefs Fritz Kremer ein Kotelett geteilt hat, „weil der so traurig blickte“:[54] Schon als Kind in Erkenschwick und auch in den folgenden Jahrzehnten hatte „Schimmi“ zu Hunden immer ein besonders inniges Verhältnis; er aß „grundsätzlich nicht eher, bis [sein Hund] abgefüttert war“. Lange Zeit hielt er auch ein eigenes Haustier; seinen Boxer Billy hat er 1967 sogar nach Chicago mitgenommen.[55]

Ebenfalls zutreffend, wenn auch wenig bekannt ist die Tatsache, dass er schon seit Mitte der 1950er Jahren bis zu seinem Tod SPD-Mitglied war.[56]

Einsätze, Erfolge und Auszeichnungen

  • 43 A- (2 Tore) und 2 B-Länderspiele
  • Weltmeisterschaftsteilnehmer 1958, 1962 (dabei 10 Spiele, 1 Tor)
  • Gewinner des Europapokals der Landesmeister 1964 (ohne Einsatz im Endspiel)
  • DFB-Pokalfinalist 1960
  • 6 Endrundenspiele (1 Tor) um die Deutsche Meisterschaft, 128 Oberligaspiele (10 Tore), 29 Bundesligaspiele (1 Tor)[2]
  • 91 Spiele (8 Tore) in der Serie A
  • Wahl in die „Mannschaft des WM-Turniers 1958“
  • Platzierungen bei der Wahl zu „Europas Fußballer des Jahres“: 20. (1957), 8. (1958), 10. (1959), 9. (1960), 17. (1961)[57]
  • Wahl zu „Wuppertals Fußballer des 20. Jahrhunderts“

Literatur

  • Stefan Goch/Ralf Piorr (Hrsg.): Wo das Fußballherz schlägt. Fußball-Land Nordrhein-Westfalen. Klartext, Essen 2006, ISBN 3-89861-348-8 (darin v.a. Hans Dieter Baroths Szymaniak-Biographie)
  • Peter Keller/Otto Krschak: Horst Szymaniak. Wuppertaler Fußball-Legende. Sutton, Erfurt 2010, ISBN 978-3-86680-656-6
  • Jürgen Leinemann: Sepp Herberger. Ein Leben, eine Legende. Rowohlt, Reinbek 1998, ISBN 3-499-60700-X
  • Manfred Osenberg: Der WSV wird niemals untergehen! 50 Jahre Wuppertaler Sport-Verein 1954-2004. Edition Osenberg, Wuppertal 2004, ISBN 3-9808059-4-8

Quellen und Anmerkungen

  1. Ballon d’Or 1958 (französisch)
  2. a b c Lorenz Knieriem/Hardy Grüne: Spielerlexikon 1890–1963. AGON, Kassel o. J. [2006], ISBN 3-89784-148-7, S. 387
  3. Goch/Piorr, S. 248f.
  4. Keller/Krschak, Einbandrückseite; Leinemann, S. 402
  5. so Uwe Seeler, der 26 Länderspiele gemeinsam mit Szymaniak bestritt, in seinem Grußwort zum Buch von Keller/Krschak
  6. a b Goch/Piorr, S. 249
  7. a b c aus Gerd Böttcher: Erkenschwicker Jugenderinnerungen., in Keller/Krschak, S. 110f.
  8. Keller/Krschak, S. 11 und 13
  9. Keller/Krschak, S. 14; bei Goch/Piorr, S. 248, findet sich die Angabe 185 DM – die Differenz kommt möglicherweise dadurch zustande, dass Letztere die damals sehr begrenzt erlaubten Zusatzzahlungen dem Festgehalt hinzugerechnet haben.
  10. Harald Landefeld/Achim Nöllenheidt (Hrsg.): Helmut, erzähl mich dat Tor. Neue Geschichten und Portraits aus der Oberliga West 1947–1963. Klartext, Essen 1993, ISBN 3-88474-043-1, S. 124
  11. Keller/Krschak, S. 19 und 32
  12. Für die Aussage, dass es im Sommer 1959 auch weit gediehene Vertragsverhandlungen zwischen Szymaniak und Real Madrid gegeben haben soll – laut Matthias Kropp: Karlsruher SC. Agon, Kassel 1998, ISBN 3-89609-115-8, S. 53, war „ein geplanter Wechsel … nicht zustande gekommen“ –, liegt bisher keine weitere Quelle vor.
  13. Dieter Claessens, Arno Klönne, Armin Tschoepe: Sozialkunde der Bundesrepublik Deutschland. Diederichs, Düsseldorf/Köln 1981 (Neuaufl.), ISBN 3-42400-724-2, S. 321
  14. Keller/Krschak, S. 44; Leinemann, S. 400
  15. Matthias Weinrich: Der Europapokal. 1955 bis 1974. AGON, Kassel o.J. [2007], ISBN 978-3-89784-252-6, S. 153–158
  16. Klaus Leger: So wie einst Real Madrid. Die Geschichte des Europapokals 1955–1964. AGON, Kassel o.J. [2003], ISBN 3-89784-211-4, S. 114
  17. Szymaniak hatte für Mailand insgesamt sechsmal in der Liga, fünfmal im Europapokal und einmal im italienischen Pokalwettbewerb gespielt – siehe diese Vereinsseite.
  18. siehe die Liste seiner Länderspiele auf der Seite des DFB
  19. a b c nach Hans Dieter Baroth, „Kein Kniefall, auch nicht vor gekrönten Häuptern“ aus dem Freitag vom 27. August 2004
  20. nach dem Kicker vom 30. Juni 1958, faksimiliert in Frank Steffan (Hrsg.): So ein Tag. Die Spielberichte aller WM-Spiele der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Ed. Steffan, Köln 1994, ISBN 3-923838-04-2, S. 88; Friedebert Becker (Hrsg.): Fußball-Weltmeisterschaft 1958. Copress, München 1958 (Lizenzausg. für den Bertelsmann Lesering), S. 284f.
  21. Friedebert Becker (Hrsg.): Fußball-Weltmeisterschaft 1958. Copress, München 1958 (Lizenzausg. für den Bertelsmann Lesering), S. 13f.
  22. Foto auf dem vorderen Einband von Keller/Krschak
  23. Keller/Krschak, S. 4 und 34 (dort ein Foto mit dem an der Büste arbeitenden Breker und Szymaniak)
  24. Leinemann, S. 400–402
  25. Matthias Voigt: Fußballweltmeisterschaft 1962 Chile. AGON, Kassel 2002, ISBN 3-89784-200-9, S. 109f.
  26. Friedrich Hack/Richard Kirn: VII. Fußball-Weltmeisterschaft Chile 1962. Bertelsmann, Gütersloh 1962, S. 157, 189, 198 und 237ff.; ähnlich Dietrich Schulze-Marmeling/Hubert Dahlkamp: Die Geschichte der Fußball-Weltmeisterschaften. Die Werkstatt, Göttingen 2001, ISBN 3-89533-336-0, S. 164, die formulieren, auch Szymaniak sei „nur noch ein Schatten seiner selbst“ gewesen.
  27. nach kicker die sportrevue vom 29. Oktober 1962, S. 3f.
  28. Leinemann, S. 426f.
  29. SZ WM-Bibliothek: England 1966. München 2005, ISBN 3-86615-155-1, S. 22
  30. siehe bspw. „Ich konnte 'n bisschen besser Fußball spielen als andere“ auf der Seite des Deutschlandfunks
  31. Olaf Edig/Daniel Meuren/Nicole Selmer: Fußballweltmeisterschaft 1966 England. AGON, Kassel 2006, ISBN 3-89784-208-4, S. 145
  32. Für Goch/Piorr, S. 248f., habe zwischen Schön „und dem Proletarier aus dem Revier die Chemie nicht gestimmt“.
  33. nach diesem Artikel vom 28. August 2009 auf dem Portal der WAZ-Mediengruppe
  34. Keller/Krschak, S. 110, 119, 123 und 127
  35. Keller/Krschak, S. 85
  36. Keller/Krschak, S. 139
  37. Keller/Krschak, S. 114
  38. Keller/Krschak, S. 40
  39. Osenberg, S. 28; ähnlich Keller/Krschak, S. 114
  40. Keller/Krschak, S. 89
  41. Keller/Krschak, S. 113
  42. Keller/Krschak, S. 91–102, widmen dem ein eigenes Kapitel
  43. zahlreiche Beispiele dafür bei Keller/Krschak, z. B. S. 113, 117 und 137
  44. Foto Szymaniaks, dem „vor allem die jungen Fans am Herzen lagen“, an der Heckinghauser Widukindstraße (1955) bei Keller/Krschak, S. 20
  45. Keller/Krschak, S. 106 und 142f.
  46. nach „Ehemaliger Nationalspieler Szymaniak verstorben“ vom 9. Oktober 2009 auf dem Portal der WAZ-Mediengruppe
  47. nach Wuppertal.de
  48. Dieses Kapitel nach Keller/Krschak, S. 89, sofern nicht anders angegeben
  49. Ulrich Homann/Ernst Thoman: Als die Ente Amok lief. Geschichten aus den ersten zehn Jahren Fußball-Bundesliga 1963–1973. Klartext, Essen 1989, ISBN 3-88474-443-7, S. 26
  50. Goch/Piorr, S. 250
  51. Osenberg, S. 14
  52. so bspw. in Goch/Piorr, S. 248 („Mit einem Posten als Bademeister … lockte ihn der Wuppertaler SV“), und Hartmut Hering (Hrsg.): Im Land der 1000 Derbys. Die Fußball-Geschichte des Ruhrgebiets. Die Werkstatt, Göttingen 2002, ISBN 3-89533-372-7, S. 262 („wegen einer Stelle als Bademeister … nach Wuppertal gewechselt“)
  53. Bei Keller/Krschak, S. 18/19, sind zwei diesbezügliche Schreiben des geschäftsführenden Vereinsvorstands an das Sportamt vom 24. Juni (Bitte um Einstellung, „wenn möglich als Platzarbeiter“) und vom 1. Juli 1955 (Dank für die schon unter dem 27. Juni erfolgte Einstellungszusage) wiedergegeben.
  54. Osenberg, S. 27
  55. Keller/Krschak, S. 10, 57 und 86
  56. Keller/Krschak, S. 29; „Ich habe auch ganz gern draufgehauen“ (Szymaniak-Portrait im Spiegel vom 14. Oktober 2004)
  57. In den Jahren 1957 bis 1961 wurde Szymaniak zugleich, dieser Quelle bei BigSoccer zufolge, in der halbjährlichen Kicker-Rangliste des deutschen Fußballs in die Kategorie „Weltklasse“ eingestuft (1961 nur im ersten Halbjahr, weil im Ausland tätige Spieler nicht bewertet wurden), außerdem 1956 und 1965 in die „Internationale Klasse“.