Langes s

lateinischer Buchstabe
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ſ

Das lange s „ſ“ ist eine typographische Variante des Buchſtabens „s“ oder, ſprachwissenschaftlich ausgedrückt, eine ſtellungsbedingte allographische Variante des Graphems „s“. Es kommt in den heute üblichen Antiqua-Schriften normalerweise nicht mehr vor.

In Texten, in denen es verwendet wird, wird es in der Regel für das s-Graphem im Anlaut oder Inlaut einer Silbe geſchrieben, während im Auslaut einer Silbe das runde s oder Auslaut-s „s“ gebraucht wird. In den gebrochenen Schriften muſs das ſ an der richtigen Stelle gesetzt werden, in der Antiqua kann es verwendet werden. Es kam früher in allen romaniſchen ebenso wie den deutſchen, engliſchen, holländiſchen, weſtſlawiſchen und den ſkandinaviſchen Schriftformen vor.

„ſ“ bildet auch den erſten Beſtandteil der beiden Ligaturen „ſʒ“ („ſz“) und „ſs“, aus denen der deutſche Buchſtabe „ß“ hervorgegangen iſt.

Entſtehung des Minuskel-s

Datei:Enstehung-lang-s-950-px.jpg
Entſtehung des langen ſ und runden s aus der römiſchen Kapitalſchrift
 
9. Jh. – 12. Jh.
 
15. Jahrhundert

Mit der Halbunzial-Schrift (5. Jh. – 8. Jh.) entſtand eine Schriftart, in der gegenüber der Römiſchen Capitalis-Schriften einzelne Buchſtaben erſtmals Ober- und Unterlängen ausbildeten. Sie vermittelt, ohne ſelbſt ſchon ausgeſprochen eine Minuſkelſchrift zu sein, den endgültigen Übergang vom zweilinigen zum vierlinigen Schriftſyſtem. Dieſe ſelbſtändige Schriftart vermengt Elemente ſowohl der Kapitale wie der Unziale und der jüngeren römiſchen Kurſive zu etwas Neuem, ſie ſtellt den Beginn der Weiterentwicklung der antiken, lateiniſchen Großbuchſtaben- (Majuſkel-) Schrift zu einer Kleinbuchſtaben- (Minuſkel-) Schrift dar. Der Buchstabe S wird nun ſowohl in der zweilinigen Majuſkelform wie auch in der dreilinigen Minuſkelform des langen ſ verwendet.

Die Karolingiſche Minuſkel-Schrift (9. Jh. – 12. Jh.) lehnt ſich an die Nebenformen der Halbunzialen an und wandelt ſich unter inſularer, italiſcher und westgotiſcher Einwirkung zu der ſie kennzeichnenden Form. Aufgrund der kulturpolitiſchen Anſtrengungen zu einer Normierung im Fränkiſchen Reich nimmt ſie für den Gesamtablauf der abendländischen Schriftentwicklung eine epochale Stellung ein. Sie ist die Schrift, aus der ſich mittelbar ſowohl unser lateiniſches wie auch unſer kurrentes Alphabet entwickelt.

Im einzelnen ſind die Buchſtaben dieser Schrift dem Vierlinienſyſtem voll angepaſst. Der Charakter der Minuſkelſchrift ist damit vorherrſchend. Das Ideal der Karolingiſchen Minuſkel liegt in einem Alphabet ohne Doppelformen. In einigen Schreibſchulen kommt das „s“ daher ausſchließlich als langes ſ mit Oberlänge vor.

Das runde „s“ für das Wortende kommt allerdings ſchon im 9. Jahrhundert in einigen Schreibſchulen wieder dazu. Es breitet sich in der Folgezeit weiter aus, zunächſt gerne hochgeſtellt, während ſein Auftreten in der Wortmitte auf das 12. Jahrhundert verweiſt. Es iſt eine kalligraphiſche Variante von „ſ“ bzw. des Großbuchſtabens „S“, von dem ſich ja auch zuvor das lange ſ entwickelt hatte.

Verſchwinden des langen ſ im Antiquaſatz

 
Langes s im Antiquasatz

Die Differenzierung zwischen langem und kurzem s verlor ſeit dem 18. Jahrhundert im Antiquaſatz international an Bedeutung. Das lange ſ wurde in franzöſiſchen Texten faſt ſchlagartig mit der Revolution unüblich. Das Pariſer aſtronomiſche Jahrbuch Connaissance des temps beispielsweise benutzte „ſ“ bis zum Erſcheinungsjahr 1792, ab 1793 aber „s“, gleichzeitig änderte sich die Jahreszählung auf den Revolutionskalender und die Widmung der Buchreihe.

Um 1800 wurde zum erſten Mal auch deutſchſprachiger Text in größeren Mengen in Antiqua geſetzt (vgl. Antiqua-Fraktur-Streit). Anfangs wurde das lange ſ uneinheitlich verwendet. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bildete sich ein gewiſſer Konsens heraus. Grundſätzlich wurde im Antiquaſatz kein langes ſ verwendet. Die einzige Ausnahme war, daſs in Antiqua ſs geſchrieben wurde, wo im deutſchen Frakturſatz sz (Eszett, ß) geſchrieben wurde. So wurde „Wasser“ (ſic!) im Frakturſatz mit zwei langen ſ geſchrieben, im Antiquaſatz mit zwei runden. Dagegen wurde „Fluss“ im damaligen Frakturſatz mit ß geſchrieben, aber im Antiquaſatz als „Fluſs“. Der Duden von 1880 faſste die Regel ſo zusammen:

 

Mit der Vereinheitlichung der deutſchen Rechtſchreibung von 1901 wurde ſtatt dieser Zwiſchenlöſung die Verwendung eines ß-Zeichens auch im Antiquaſatz vorgeſchrieben. Dank einer Initiative[1] der Buchdruckerei- und Schriftgießereibeſitzer von 1903 verfügten die meiſten Druckereien ab 1904 über geeignete Lettern.

Seitdem entsprach die Verwendung eines langen ſ im Antiquaſatz nicht mehr der gültigen Rechtſchreibung. Der in Fraktur geſetzte Duden ſtellte 1915 klar, daſs „die mehrfach verſuchte Anwendung eines langen ſ in lateiniſcher Schrift für das ſ in der deutschen Schrift unzuläſſig ist.“[2] Die Ausgabe 14 (DDR, Leipzig, 1951) des Dudens iſt dagegen in Antiqua mit korrekt geſetztem langen ſ gehalten.

Langes ſ und rundes s

 
Verschiedene Ausführungen des langen ſ und des runden s in verschiedenen Schriften
 
„Kurz iſt das Leben“ Lang-ſ (noch in der Form vor Sütterlin) und Schluss-s in Kurrentschrift des frühen 19. Jh.

Synonyme für Lang-ſ: Anlaut-s, Inlaut-s, Silbenanfang-s, Schaft-s, Kleines Lang-s, Langes s.

  • In anderen Sprachen:
Englisch: Medial s, Descending s, Long s (Unicode-Bezeichnung: Latin Small Letter Long s).
Französisch: s long
Italienisch: s lunga
Spanisch: s larga

Synonyme für Rund-s: Schluss-s (alte Rechtschreibung: Schluß-s), Auslaut-s, Kurz-s, kurzes s, rundes s, Minuskel-s, Kleinbuchstaben-s.

  • In anderen Sprachen
Englisch: Terminal s, Short s, Final s, Lowercase s, Latin small letter s.
Französisch: s rond, notre s (unser s)

Verwendung

 
Wachs-tube und Wach-stube.

Im Frakturſatz iſt die Verwendung des langen ſ ſelbſtverſtändlich, im Antiquaſatz eher ungewöhnlich.[3] Allerdings werden einzelne Zweideutigkeiten durch eine Unterscheidung von ſ und s in deutſchſprachigen Texten verhindert. Dies kommt durch das Zusammenwirken folgender Eigenheiten zustande:

  • Viele deutſche Wörter enden mit s, da die Endung -(e)s bei den meisten maſkulinen und ſächlichen Subſtantiven den Genitiv kennzeichnet, bei vielen Fremdwörtern den Plural, und ſomit ſowohl als Pluralendung, als auch zur Fall-Kennzeichnung dient
  • Aufgrund ſeiner Genitivfunktion ſteht das s an der Fuge vieler Kompoſita.
  • Kompoſita werden im Deutschen zusammengeschrieben
  • S (mit Sch, Sp, St) ist in der deutſchen Sprache der häufigſte Anfangsbuchſtabe; Kompoſita, deren zweiter Wortbeſtandteil mit S beginnt, ſind auf dieſe Weiſe ſchneller erkennbar.
  • Ähnliches gilt für Kompoſita, deren zweiter Bestandteil mit Ch, P oder T beginnt: Hier verführt ein vorausgehendes rundes s gar nicht erſt dazu – ſoweit der Text das ſ verwendet und man die Regel kennt –, die Ausſprache des s irrtümlich in /sch/ zu ändern (Beispiel: Haus-tür, Häs-chen).

In dieſen Fällen iſt Ausſprache und Bedeutung abhängig davon, ob das S im Auslaut oder im Anlaut ſteht. Daher kann die Differenzierung zwischen ſ und s für den Leser von beſonderem Vorteil sein. Beispiel: Durch Verwendung des langen ſ iſt es auch ohne Kontext ſofort klar, ob eine Wachſtube (Wach-Stube) oder eine Wachstube (Wachs-Tube) gemeint iſt. Weitere Beiſpiele: Kreiſchen (Krei-schen, für Schreien) oder Kreischen (Kreis-chen, für kleiner Kreis), Verſendung (Ver-sendung) oder Versendung (Vers-Endung), Röschenhof (Rös-chen-hof, von kleine Rose) oder Röſchenhof (Rö-ſchen-hof, vom Eigennamen Röſch).

Andererſeits kann das lange ſ in manchen Schriftarten mit dem f verwechſelt werden, wenn die Unterſcheidung nur ſchwach herausgearbeitet iſt.

 
Falsch (oben) und richtig (unten) angewandtes Lang-ſ und Rund-s in Frakturschrift
 
Falsche Verwendung des langen s in einer Biermarke

Die Regeln zum langen ſ und runden s sind heute vielfach unbekannt, und ihre Unterſcheidung iſt mit vielen weit verbreiteten dekorativen aus engliſchen und US-amerikaniſchen bestehenden Computerſchriften (Fette Fraktur, Blackletter u. a.) und Computerprogrammen nicht ohne weiteres realiſierbar. Da insbeſondere für Werbezwecke und Druckſachen dennoch auch von typographiſchen Laien gebrochene Schriften eingeſetzt werden, ergeben sich häufig Fehler ſelbſt auf großformatigen Wirtshausſchildern, Straßenſchildern oder Plakaten. Da die genannten Schriften oft nur das runde s beſitzen oder um mögliche Verwechſlungen mit dem f zu vermeiden, wird ſtatt eines notwendigen langen ſ vielfach falſch ein rundes s gesetzt (so zum Beiſpiel seit 15. November 2004 in der FAZ).[4]

Der Typograph Friedrich Forſsman nennt eine Ausnahme: „In gotischen Schriften kann auch generell das runde s verwendet werden, vor allem in fremdſprachigen Anwendungen oder bei Verwechſlungsgefahr in Beſchriftungen.“[3] Dies ist aber eine persönliche Meinung, der viele typographiſche Fachleute widerſprechen. Allerdings ſpricht Forſsman nicht von den gebrochenen Schriften allgemein, sondern nur von der Untergruppe der gotiſchen Schriften. Die Verwendung des langen ſ in gebrochenen Schriften wird damit begründet, daſs das runde s für die Wortmitte viel zu breit und wuchtig iſt und dafür auch nicht von den Schriftgeſtaltern entworfen wurde.

Eine Reihe von Firmen haben, soweit sie für ihre Produkte Bezeichnungen in gebrochenen Schriften verwenden, das lange ſ in den letzten Jahren durch ein rundes s ersetzt, etwa Gilden-Kölsch oder Ostfriesentee. Beibehalten wurde das lange ſ etwa von Jägermeiſter, wobei es beim Waidmannsſpruch am Etikettenrand im Jahr 2005 ebenfalls entfernt wurde. Auch in der DDR wurden manche Produkte unter gebrochener Schrift verkauft, meiſt dann mit richtigem langen ſ. Nach der Wende erlebten die gebrochenen Schriften eine kleine Renaiſſance. Inzwiſchen wurde aber auch in Oſtdeutſchland das lange ſ oft durch rundes s ersetzt.

Manchmal wird allerdings bei vorhandenem langen ſ (wahrſcheinlich aufgrund einer Art typographiſcher Hyperkorrektur bzw. Übergeneraliſierung) auch dort das lange ſ verwendet, wo ein rundes s ſtehen müſste.

Regeln zur Verwendung von langem ſ und rundem s

Deutsche Sprache

 
Lübecker Straßenschild aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts mit rundem und langem s
Das runde s

Das runde „s“ kann nur im Silbenauslaut stehen (zumeist nur direkt am Silbenende als Wort- oder Teilwortſchluſs-s), niemals am Anfang eines kleingeſchriebenen Wortes, Teilwortes oder am Silbenanfang:

  • als Wortſchluſs-s:
z. B.: das Haus, der Kosmos, des Bundes, das Pils, aber im Hauſe, die Häuſer, das Pilſen, im Glaſe, ſkandalös, inſzenieren.
  • als Fugen-s und in Zusammenſetzungen ſonſt ſelbſtändiger Teilwörter (vgl. Komposita) vor dem anſchließend folgenden ſonſt ſelbſtändigen Teilwort und am Ende von Vorſilben:
z. B.: Liebes-brief, Arbeits-amt, Donners-tag, Unter-ſuchungs-ergebnis, Haus-tür, Kreis-ſpar-kaſſe, Dis-poſition, dis-harmoniſch, aber Achtung!: ſſ wird auch bei aſſimilierten Vorsilben verwendet, z. B. aſſimiliert; natürlich auch dann, wenn das folgende Teilwort mit einem langen ſ beginnt: das-ſelbe, Wirts-ſtube, Aus-ſicht, Namens-ſtempel, Zwangs-ſparen. Aber Achtung!: Dieſe Regel wird nur dann umgeſetzt, wenn dabei s auch tatſächlich am Ende der geſprochenen Silbe ſteht: so heißt es Miſanthrop (da geſprochen Mi-ſan-throp), trotz der Wortbeſtandteil-Trennung Miſ-anthrop.
Am Ende ſonst selbſtändiger Teilwörter auch dann, wenn nach dem s eine mit dem Mitlaut beginnende Nachsilbe wie -lein, -chen, -bar u.  Ä. folgt (jedoch nicht vor Endungen, die aus t und ggf. gemurmeltem e [ə] beſtehen):
z. B.: Wachs-tum, Weis-heit, Häus-lein, Mäus-chen, Bis-tum, nachweis-bar, wohlweis-lich, bos-haft (aber er lieſt, ſie hopſte, das ſechſte, vgl. unten zur Verbindung ſt).
  • als Silbenauslaut-s (ohne daſs ein [Teil-]Wortſchluſs vorliegen muſs):
z. B. kosmiſch, brüskieren, brüsk, Realismus, lesbiſch, Mesner, häufig tritt dieser Fall auch in Eigennamen auf: Oswald, Dresden, Schleswig, Osnabrück.
  • im Silbenauslaut ſteht jedoch unter beſtimmten Bedingungen auch ſ anſtelle von s (ſiehe auch Regeln zum Lang-ſ weiter unten!).
Dies liegt daran, dass das ſ auf alle Fälle in der erſten Poſition der Verbindungen ſſ/ſs, ſt und ſp (und seit 1901 auch in ſz) ſtehen muss, unabhängig von der Silbenſtruktur (z. B. Waſſer, Faſs [neue Rechtschr.], Aſt, du ſtehſt, paſſte [neue Rechtſchr.], beſte, knuſpern, Faſzination). Dasſelbe gilt auch für ſch, ſz (und andere Buchſtabenkombinationen aus anderen Sprachen: ſh usw.), aber nur wenn ſie als jeweils ein Laut geſprochen werden (also Digraphen ſind); ſo läſst ſich auch der Gebrauch von ſ in der Ligatur ſz in gebrochenen Schriften [für Antiqua-ß] erklären: Fuſz = Fuß, [alte Rechtſchr.:] Faſz = Faß); und für ſ vor l, n, r, aber nur wenn dazwischen ein „e“ ausgefallen ist z. B. Buſch, Eſche, Flaſh; Wechſler, Pilſner, unſre, aber: Eschatologie; Zuchthäusler, Oslo, Osnabrück.
Diese Regel für ſ gilt nicht für Teile zusammengesetzter Wörter und für Vorsilben (Präfixe) (Haustür, Dienstag, Dispoſition, austragen, Miſsſtand [neue Rechtschr.]); ſſ wird aber auch bei assimilierten Vorsilben verwendet, z. B. Aſſonanz.

In allen anderen Fällen muſs ſ verwendet werden.

Mit diesen vier Regeln werden die allermeiſten Fälle abgedeckt, zur Vervollſtändigung noch die Regeln des langen ſ:

Das lange ſ

Das lange „ſ“ ſteht immer im Silbenanlaut, nur unter beſtimmten Bedingungen auch im Silbenauslaut (anſtelle von rundem „s“).

Im Einzelnen gilt:

„ſ“ steht …

  • immer am Beginn einer Silbe und vor dem Selbſtlaut in der Silbenmitte (also generell im Silbenanlaut):
z. B. ſauſen, einſpielen, ausſpielen, erſtaunen, Pſyche, Gſtaad, so auch im Anlaut der Nachsilben -ſel, -ſal, -ſam: z. B. Rätſel, Labſal, ſeltſam. Dieſe Regel, die auf die geſprochenen Silben eines Wortes bezogen iſt, gilt ſelbst dann, wenn die grafiſche Silbentrennung eine andere iſt: Miſanthrop (trotz Miſ-anthrop), vgl. z. B. auch die folgenden Fälle.
  • in den Lautverbindungen ſp, ſt und ſz (auch in gebeugten Wortformen vor Endungen auf t und ggf. gemurmeltem e [ə]; auch wenn ſ dabei im Silbenauslaut steht!):
z. B. Eſpe, Knoſpe, Weſpe, faſten, Kiſte, Pfoſten, faſzinierend, Oſzillograph; Haſt, Luſt, Neſt, einſt, meiſtens, beſte, lieſt, hopſte, paſſte [neue Rechtschr.], ſechſte.
  • in Buchſtabenverbindungen, die einen Laut darstellen, also in Digraphen (auch beim doppelt dargestellten Mitlaut ſſ/ſs, auch wenn ſ dabei im Silbenauslaut ſteht!):
z. B. Wunſch, wünſchen, Flaſh, Puſzta, Waſſer, Biſſen, Zeugniſſe, Faſs [neue Rechtschr.], [auch bei aſſimilierten Vorsilben]: aſ-ſimiliert, Aſ-ſeſſor.
  • in den Lautverbindungen ſl, ſn und ſr, wenn ein unbetontes, gemurmeltes e ausgefallen ist (auch wenn ſ dabei im Silbenauslaut steht!):
z. B. unſre, Pilſner, Wechſler.
  • Bei Silbentrennung bleibt ein „ſ“ am Silbenende unverändert:
z. B. Weſpe – Weſ-pe, Waſ-ſer, unſ-re.

In allen anderen Fällen wird fast immer rundes s gebraucht (generell ist s nur im Silbenauslaut möglich, z. B. Haus, Eislauf, lesbar, kosmiſch, brüsk, Transport, vgl. oben).

Siehe auch: Deutſche Rechtſchreibung im 19. Jahrhundert

Die nordiſchen Sprachen

In den nordiſchen Sprachen Däniſch, Norwegiſch und Schwediſch ist ein einfaches ſ am Anfang oder in der Mitte eines Wortes ein ſ, am Ende ein s; Doppel-s innerhalb eines Wortes immer sſ und am Ende eines Wortes ſs:

z. B. Jonasſon, Aftenpoſten, Adresſeaviſen, Moſs Avis.

Die niederländiſche Sprache

Die niederländiſche Sprache verwendete das lange ſ ebenso wie die deutſche Sprache nach Wortbeſtandteilen, z. B. rechtsgeleerden, godsdienſten, misverſtants.

Die engliſche Sprache

 
Engliſcher Text in der Kathedrale von Exeter mit langem und rundem s.
 
Langes ſ in Fraktur und Antiqua,
Protestant Tutor von Benjamin Harris

Die engliſche Sprache verwendet das lange ſ eher nach graphiſchen als nach ſemantischen Gesichtspunkten. Es gelten folgende Regeln:

  • Am Ende eines Wortes und vor einem Apoſtroph wird rundes s gebraucht: is.
  • Vor und nach einem f wird rundes s gebraucht, z. B. offset, satisfaction.
  • Vor einem Bindeſtrich am Zeilenende ſteht immer langes ſ, z. B. Shaftſ-bury.
  • Im 17. Jh. wurde s vor k und b zu rundem s, z. B. ask, husband; im 18. Jh. hingegen schrieb man aſk und huſband.
  • Sonst wird langes ſ verwendet, z. B. ſong, ſubſtitute.
  • ss im Inneren eines Wortes wird in kursivem Text zu ſs, z. B. aſsure, Bleſsings, aber: aſſure.

Siehe auch: Frakturſatz

Die franzöſiſche Sprache

Auch hier iſt der Gebrauch von langem und rundem s graphiſch beſtimmt:

  • Am Ende eines Wortes, vor einem Apoſtroph oder Bindeſtrich ſowie vor einem der Buchſtaben f, b und h ſteht rundes s: ſans, hommes, s'est, presbyter, ſatisfaction, déshonneur. Sonst steht langes ſ.

Die italieniſche Sprache

Das runde s ſteht vor

  • Vokalen mit Akzent, z. B. sì, paſsò
  • nach einem langen ſ vor einem i: illuſtriſsimo
  • einem Apostroph: s'informaſſero
  • vor b und f
  • und natürlich am Ende eines Wortes.

Sonſt ſteht langes ſ.

Die ſpaniſche Sprache

Das runde s steht in folgenden Fällen:

  • vor einem Vokal mit Akzent: sí, sì
  • vor b, f und h
  • am Wortende.

Sonſt ſteht langes ſ.

Die lateiniſche Sprache

 
Lateiniſcher Text in der Kathedrale von Exeter: Die unterſchiedliche Buchſtabenwahl am Wortanfang („statua“ aber „ſpectatorem“) könnte graphisch bedingt ſein. Die Darſtellung der Buchſtabenfolge s-t-r im Wortinneren („illuſtris“ aber „Apostrophe“) ist nur nachvollziehbar, wenn das zweite Wort in ſeine Beſtandteile zerlegt wird: „apo-strophe“.

In der lateiniſchen Sprache wird unabhängig von Wortbeſtandteilen in der Mitte des Wortes ein langes ſ verwendet, z. B. nobiſcum, am Ende eines Wortes hingegen s: properas.

Die finniſche Sprache

In der finniſchen Sprache werden die s-Formen rein phonetiſch verwendet, wobei das s am Silbenende steht, das ſ am Silbenanlaut und -inlaut: Hämeesſä, tilustan, oſakſi

Mathematik

Das Integralzeichen, von Gottfried Wilhelm Leibniz eingeführt, leitet sich ebenfalls aus dem langen ſ für lateinisch summa ab.

Darſtellung in Computerſyſtemen und Erſetzung

Kodierung

Im internationalen Zeichenkodierungsſyſtem Unicode ist ſ im Unicode-Block Lateinisch, erweitert-A zu finden und liegt auf Position U+017F ›Latin small letter long s‹ (Lateiniſcher Kleinbuchſtabe langes ſ). Im ASCII-Zeichenſatz und in den Zeichenſätzen der Normenfamilie ISO 8859 iſt das Zeichen nicht enthalten,[5] weshalb viele ältere Computerſyſteme es nicht darstellen konnten.

Im Internet-Dokumentenformat HTML wird das Zeichen folgendermaßen kodiert:

  • ſ (hexadezimal) und
  • ſ (dezimal).

Anbieter von gebrochenen Schriften für PCs haben als Übergangslösung das lange ſ an anderen Stellen kodiert. Leider verwenden ſie unterſchiedliche Kodierungen, ſo daſs die Hilfsprogramme und Taſtaturtreiber der einzelnen Anbieter untereinander nicht kompatibel ſind.

Tastatur

Das »ſ« iſt bis auf die Neo-Taſtaturbelegung (dort kann es über <Mod3> + ß erreicht werden) nicht auf Taſtaturen vorhanden. Anſonſten kann es je nach Schriftart durch die Taſtenkombination <Alt Gr> + <ß> (normal für backſlaſh „\“) erreicht werden.

In Windows kann man das ſ eventuell mit Feſthalten der linken Alt-Taste und Eintippen von 383 auf dem Ziffernblock eingeben. Das funktioniert aber leider nicht in allen Programmen, da diese Codes oft nur bis 255 definiert ſind, ſiehe Alt (Taste).

Die nach Unicode korrekte Darſtellung kann auf X11-baſierten Systemen (wie Linux oder Unix-Syſtemen mit graphischer Oberfläche) wie folgt erreicht werden:

# xmodmap -e "keycode 39 = s S U017F section U017F section"

danach kann man mit <Alt Gr> + s das ſ schreiben. Damit verſchwindet das eigentlich doppelt belegte ß. Um es ſtattdeſſen auf <Alt Gr> + <Umschalt> + s zu legen, tauſcht man einfach „U017F“ mit „section“. Durch einen Eintrag in der ~/.xmodmaprc wird die Einſtellung beim Systemstart eingeladen.

Erſetzung

Kann das Zeichen nicht dargeſtellt werden, weil es in der verwendeten Schriftart oder dem Zeichenſatz fehlt, ſo ſollte es durch das normale Schluss-s ›s‹ erſetzt werden.

Da allerdings praktisch alle modernen Computerſyſteme und -ſchriften auf Unicode baſieren, kann das Zeichen heutzutage problemlos weltweit dargestellt, verarbeitet, übertragen und archiviert werden. Eine Erſetzung aus techniſchen Gründen ist deshalb kaum noch nötig. Auch wenn die verwendete Taſtatur das Zeichen nicht aufweiſt, kann es praktiſch immer über eine entſprechende Funktion des Betriebsſyſtems oder des jeweiligen Texteditors eingefügt werden.

Schriftſatz

Schriftſatz mit langem ſ ist vergleichsweiſe komfortabel möglich mit LaTeX ſowie mit XeTeX ſowie mit vielen Programmen, die OpenType- und AAT-Schriften unterſtützen.

Anwendungsbeiſpiele

Beispiele für fehlerhafte Verwendung

ſs

Zeitungsnamen mit langem s

Zeitungsköpfe in gebrochenen Schriften, die das lange ſ entsprechend der Regeln des Frakturſatzes anwenden:

 
Altes Redaktionsgebäude von Adresseavisen in Norwegen
 
Fünf lange s

Produktnamen mit langem s

Logos in gebrochenen Schriften mit ungewöhnlicher Verwendung des langen :

 
Fürſteneck Schwarzwälder Kirſchwaſſer
  • Dingslebener Brauerei (mit langem ſ statt rundem S an Silbenende)
  • Fürſtenberg Brauerei (inzwischen auf Rund-s umgestellt)
  • Fürſteneck Schwarzwälder Kirſchwaſſer (Fürſteneck mit richtigem Lang-s, Kirſchwaſſer mit drei falschen Rund-s)
  • Gilden Kölſch (inzwischen auf Rund-s umgestellt)

Logos in gebrochenen Schriften mit regelkonformer Verwendung des langen ſ:

Langes ſ findet sich in ferner in gebrochenen Schriften auf Etiketten von:

  • Mariacron (Weinbrand)

Fußnoten

  1. Zeitſchrift für Deutſchlands Buchdrucker, Steindrucker und verwandte Gewerbe. Leipzig, 9. Juli 1903. Nr. 27, XV. Jahrgang. Fakſimile in: Mark Jamra: The Eszett (ohne Datum) http://www.typeculture.com/academic_resource/articles_essays/ (Abgerufen 17. April 2008)
  2. J. E. Wülfing, A. C. Schmidt (Hrsg.): Duden, Rechtschreibung der deutschen Sprache und der Fremdwörter nach den für Deutschland, Österreich und die Schweiz gültigen amtlichen Regeln. 9. Auflage. Bibl. Inst., Leipzig und Wien, 1915 (Gesetzt in Fraktur)
  3. a b F. Forssman, R. de Jong: Detailtypografie. 2. Auflage. Hermann Schmidt, Mainz, 2004.
  4. Seit Anfang Oktober 2007 ganz auf Antiqua-Schrift umgestellt (außer dem Titel).
  5. Text: Unicode-Werte der 8859-Zeichenſätze

Siehe auch