Christoph Schlingensief
Christoph Schlingensief (* 24. Oktober 1960 in Oberhausen) ist ein deutscher Film- und Theaterregisseur, Hörspielautor, Aktionskünstler und Talkmaster.
Er ist Sohn eines Apothekers und einer Kinderkrankenschwester. Geprägt wurde er unter anderem von seinem Einsatz in der Katholischen Jugend, u.a. als Ministrant.
Film
Schlingensief begann bereits mit zwölf Jahren mit Schmalfilmen zu experimentieren, versuchte sich in seiner Studienzeit als Musiker (Vier Kaierserlein) und wurde durch seine provokanten Filme seiner Deutschlandtrilogie 100 Jahre Adolf Hitler-Die letzte Stunde im Führerbunker, Das deutsche Kettensägenmassaker und Terror 2000 bekannt.
Filmografie (Auswahl von ca. 35)
- Tunguska (1985)
- Menu Total (1985/86)
- Egomania (1986)
- Mutters Maske (1987/88)
- 100 Jahre Adolf Hitler - Die letzte Stunde im Führerbunker (1989)
- Das Deutsche Kettensägenmassaker (1990)
- Terror 2000 - Intensivstation Deutschland (1991/92)
- United Trash (1995/96)
- Die 120 Tage von Bottrop (1997)
- Freakstars 3000 (2003)
Fernsehen
Aktionskunst
Mit seiner Theaterperformance im Bundestagswahlkampf 1998 verwischte er wie so oft die Grenzen zwischen Kunst und politischer Agitation mit der Gründung seiner Partei Chance 2000. Der mediale Höhepunkt war die Einladung an alle sechs Millionen deutschen Arbeitslosen, gemeinsam im Wolfgangsee zu baden und ihn so zum Überlaufen zu bringen, um das Urlaubsdomizil von Helmut Kohl zu fluten, was selbstverständlich nicht gelingen konnte. Er nannte sie die Partei der Arbeitslosen und von der Gesellschaft Ausgegrenzten. Der Wahlslogan war bezeichnenderweise "Scheitern als Chance!". Das Parteiprogramm konnte man im Buchhandel käuflich erwerben.
Diese und folgende Theater- und Kunstaktionen stehen in der Tradition der sozialen Plastik nach Joseph Beuys (Erweiterter Kunstbegriff). Zur Methodik Schlingensiefs gehört die Überidentifikation, indem er rechte Positionen ernst nimmt und durch Übertreibung ins Absurde und Kriminelle übersteigert, um so die Gedankenwelt des Gegners zu überführen.
Weitere Beispiele
- Die Mission war eine Aktion in Hamburg, bei der am Hauptbahnhof eine Art sozial-kulturelle Missionsstation gegründet wurde, in der kulturelle Veranstaltungen stattfanden, aber auch Obdachlose und Junkies sich aufhielten und Kommunikation jenseits von "Betreuung" stattfand, die Mission besteht bis heute
- 2002 startete Schlingensief die Aktion Tötet Möllemann, mit der er die von manchen als antisemitisch empfundenen Äußerungen von Jürgen Möllemann persiflierte. Außerdem eröffnete er die Internetseite aktion18.de, die vorgab, eine FDP-Seite zu sein und mit rechtsextremen Inhalten gefüllt war.
- Er selbst zog sich den Vorwurf des Antisemitismus zu, indem er sich im Rahmen eines Auftritts des Bubis-Grabschänders Meir Mendelssohn mit einem ironischen Aufruf an das Publikum, das Wort Judensau (...), ganz normal und ganz natürlich zu sagen, beteiligte.
- Mit seiner Aktion bei den Wiener Festwochen 2000 Bitte liebt Österreich führte er den Umgang mit Asylbewerbern vor, indem er einen Container mit Asylanten vor die Wiener Staatsoper stellte und deren angebliche Abschiebung per Internet-Voting propagierte.
- In der Kunstaktion Nazis raus (2001) thematisierte er den Umgang mit Aussteigern aus der Neonaziszene.
- Kontrovers wurde auch seine Freakshow auf Viva aufgenommen, in der er laut Gegnern Behinderte auf schäbige Art vorgeführt und sich über sie lustig gemacht hätte.
Theater
Schlingensief inszenierte zahlreiche Produktionen an der Volksbühne Berlin. Danach wurde er auch an viele andere bedeutende Schauspielhäuser im deutschsprachigen Raum zu Produktionen eingeladen, wobei meist mit bewusst inszenierten Skandalen zu rechnen war.
2004 inszenierte er bei den Richard-Wagner-Festspielen in Bayreuth mit Parsifal seine erste Oper, bei der er der überwältigenden Musik Wagners eine ebenso bombastische Bilderflut entgegensetzte. Die Skandale spielten sich diesmal eher hinter den Kulissen ab sowie in pressewirksamen Schlagabtauschen zwischen Regisseur und Parsifaldarsteller. Vom Geschehen auf der Bühne zeigten sich die Kulturkritiker erstaunt, wie ernsthaft die Auseinandersetzung mit dem Werk Wagners gelang und wie überraschend sich der Bürgerschreck tatsächlich als Regisseur anstatt als Provokateur betätigt habe.
Theaterinszenierungen
- "Schlingensiefs Animatograph" Reykjavik Art Festival (2005)
- "Fickcollection, A. Hipler" bundesweite Theatertournee (2005)
- "Kunst und Gemüse" Volksbühne Berlin (2004)
- "Parsifal" Bayreuther Festspiele (2004)
- "Attabambi-Pornoland-Trilogie" (frei nach Elfriede Jelinek) 2003/2004 Volksbühne Berlin / Burgtheater Wien / Schauspielhaus Zürich
- "Church of Fear" 2003, Kunstbiennale Venedig (IT)
- "Hamlet" (frei nach William Shakespeare) 2001, Schauspielhaus Zürich
- "Erster imaginärer Opernführer" zusammen mit Alexander Kluge 2001, Volksbühne Berlin
- "Bitte liebt Österreich" 2000, Wiener Festwochen
- "Berliner Republik" 1999, Volksbühne Berlin
- "Artisten in der Zirkuskuppel – Ratlos" 1998, Volksbühne Berlin im Prater
- "Passion Impossible – 7 Tage Notruf für Deutschland" 1997, Deutsches Schauspielhaus Hamburg
- "Mein Fett, mein Filz, mein Hase – 48 Stunden Überleben für Deutschland" 1997, documenta Kassel
- "Schlacht um Europa I-XLII – Ufokrise 97" 1997, Volksbühne Berlin
- "Rocky Dutschke '68" 1996, Volksbühne Berlin
- "Hurra, Jesus! Ein Hochkampf!" 1995, Steirischer Herbst Graz
- "Kühnen ‘94 – Bring mir den Kopf von Adolf Hitler" 1994, Volksbühne Berlin
- "100 Jahre CDU – Spiel ohne Grenzen" 1993, Volksbühne Berlin
Bücher, Hörbücher und Videofilme
- "Rosebud" Hörbuch-CD Ausgezeichnet mit dem Hörspielpreis der Kriegsblinden 2003. 40 Min. 2004, PATMOS
- "Rosebud" 2002, KIEPENHEUER & WITSCH
- (mit Torsten Lemmer): "Nazis rein/Nazis raus". 2002, SUHRKAMP
- (mit Johannes Stüttgen): "ZUM KAPITAL - Als Christoph Schlingensief das Unsichtbare gesucht hat." 2000, FIU-Verlag, Vorzugsausgabe mit Video
- "Engagement und Skandal" Gespräch zwischen Jodef Bierbichler, Christoph Schlingensief, Harald Martenstein und Alexander Wewerka. Mit e. Essay v. Diedrich Diederichsen 1998, ALEXANDER VERLAG
Weblinks
- Offizielle Homepage
- Vorlage:IMDb Name
- Live-Chat-Duell "Politik oder Show?" mit Gregor Gysi und Christoph Schlingensief
- Christoph Schlingensief für Kinder erläutert
- Goetheinstitut: Seine Theater-Inszenierungen
Personendaten | |
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NAME | Schlingensief, Christoph |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Film- und Theaterregisseur, Hörspielautor und Aktionskünstler |
GEBURTSDATUM | 24. Oktober 1960 |
GEBURTSORT | Oberhausen |