Der Begriff Aberglaube wird abwertend für einen Glaubenssatz oder ein Glaubensgebilde gebraucht, das als dem eigenen unterlegen eingestuft wird. So ist der (pantheistische) Glaube an Elfen nach Meinung des christlichen Kulturkreises genauso als Aberglaube einzustufen wie der (antisemitische und nationalsozialistische) Glaube an den Ewigen Juden .
In der Psychologie ist Aberglaube eng verwandt mit Begriffen wie Selbsterfüllende Prophezeiung, Mythos der eigenen Unverletzbarkeit,(siehe Arbeitssicherheit), Glaube an das "todsichere System" beim Glücksspiel (siehe Wahrscheinlichkeit, usw. verbunden. Er entsteht z.B. bei nichtdeterministischen Experimenten (z.B. die Abergläubische Ratte, Belohnungssystemen die der Lernkurve folgen usw. siehe Paul Watzlawick). Aberglaube bzw. magische Praktiken sind auch entwicklungspsychologisch relevant, da Kinder in einer so genannten Phase des Egozentrismus sich einem magisch-abergläubischen Weltbild zuwenden können.
Ausserdem können (Wander-)Sagen zum Aberglauben beitragen, wenn sie uns glaubwürdige Ereignisse schildern und wir damit deren Eintrittswahrscheinlichkeit überschätzen.
Verwendung
Meist besitzt ein als abergläubisch bezeichnetes Weltbild eine weniger in sich geschlossene logische Struktur, als sie beispielsweise von den Scholastikern für die katholische Kirche aufgebaut wurde. Es gibt starke regionale Unterschiede - die aber durch moderne Medien und die neueren Möglichkeiten der Kommunikation immer mehr verwischen - und die einzelnen Spielarten grenzen sich gegeneinander weniger stark ab, als dies bei den Weltreligionen der Fall ist. Dies bedeutet aber nicht unbedingt, dass zwischen konkurrierenden Formen des Aberglaubens unbedingt eine größere Toleranz bestehen muß.
Der Grund für das fehlende Grundgerüst ist häufig in der Christianisierung des ursprünglichen Volksglaubens zu sehen, wodurch der Unterbau verloren ging und nur Rituale wie das Silvesterschießen oder einzelne Zeremonien z.B. bei Totenfeiern erhalten blieben oder sich als katholisch gebilligter Heiligenglauben versteckten.
Geschichte
Der Begriff Aberglaube taucht in der christlichen Religion am Ende des Mittelalters auf, er sollte Abweichungen von der geltenden Kirchenlehre anprangern und ins Abseits stellen.
Die Bekehrung der Heiden war in Europa zwar abgeschlossen, doch die lokalen Volksglauben lebten in gewissen Grenzen weiter. Zauber, Amulette, Böser Blick, heilige Bäume und heilige Haine, nichts sollte die Christen von dem wahren Glauben und der Heilsbotschaft ablenken, kein anderes Heil sollte der einzig gültigen Religion konkurrieren dürfen. Die Gnade, den Ablass der Sünden und die Erlösung sollte es nur innerhalb der einzig gültigen Kirche geben.
Andererseits wollte man mit der Bezeichnung Aberglaube auch all den neuen, vorreformatorischen und sektiererischen Einflüssen entgegenwirken. Alle Kirchenkritiker und Abweichler, die Ketzer, sollten damit in die gleiche Position wie die Hexen und Zauberer gebracht werden. Und auch auf sie wartete die Inquisition.
Die meisten Kulturen außerhalb Europas, besonders diejenigen, die nicht mit monotheistischen Religionen leben, kennen auch den Begriff "Aberglaube" nicht. Da wird meistens die Vorstellung der Andersgläubigen als gleichwertig betrachtet, auch wenn man sich ihr selbst nicht anschließen möchte.
Aberglaube liefert noch heute viele Hinweise auf alte Sitten und Glaubensvorstellungen und ist Objekt zahlreicher volkskundlicher Forschungsarbeiten.
Beispiele
Heutzutage finden sich noch Reste in europäischen Kulturkreisen, wie etwa die Zahlenmystik, der Glaube, dass schwarze Katzen beim Vorübergehen aus einer bestimmten Richtung Pech bringen, oder dass es unvorteilhaft für das Lebensglück ist, unter einer Leiter hindurch zu gehen. Gleichzeitig vermittelt ein 4-blättriges Kleeblatt Glück (evtl. allein nur es gefunden zu haben), genauso wie sich der Ruß eines Schornsteinfegers zum persönlichen Glück wendet. Daneben finden sich noch eine Unzahl Bauernregeln, die besonders auf die bäuerliche Wetterprognose sowie auf Tätigkeiten rund um Haus und Hof (germanischer Stabreim) beziehen. Daran angelehnt kann man den so genannten Mondkalender sehen, wie er auch heute noch zur optimalen Bestimmung von Pflanz-, Gieß- und Erntetätigkeiten, aber auch zur persönlichen Hygiene wieder vermehrte Verbreitung in den Massen erfährt. Häufig entsteht auch ein persönlicher Aberglaube wie zum Beispiel die "Glückssocke", die ihrem Träger zu bestimmten Anlässen beisteht, wenn er sie nur trägt. Diese Art Aberglaube entsteht durch die falsche Zuordnung von Ursache und Wirkung und ist eine der häufigsten Arten des nicht-religiösen Aberglaubens. Seltener entspringt Aberglaube einem überlieferten Handlungswissen, für das sich bislang keine Erklärung fand.
Bewahrheiteter Aberglaube
Für bäuerlichen Aberglauben hielt man z.B. die Auffassung, dass dort, wo Berberitzen wachsen, die Getreide-Krankheit Schwarzrost auftritt, bis man wissenschaftlich nachweisen konnte, dass die Berberitze Zwischenwirt des Pilzes ist, der die Krankheit auslöst.
Siehe auch: Gewitterkerze, Glückskatze, Holunder, Schluckbildchen, Glückshaube, Hubertusschlüssel
Literatur
- Hanns Bächtold-Stäubli (Hrsg.): Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. 10 Bände. De Gruyter, Berlin und Leipzig 1929-1942 (unveränderter Nachdruck 2000: ISBN 3-11-016860-X)