Fahrkunst

Fahrung in einem Bergwerksschacht
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Die Fahrkunst diente lange Zeit zur Fahrung in einem Bergwerksschacht.

Prinzipskizze der Fahrkunst
Funktionsweise der Fahrkunst

Dabei war an einem, meistens von Wasserkraft angetriebenen, drehenden Rad exzentrisch eine Stange befestigt, die die Drehbewegung in eine schwingende Längsbewegung übersetzte: das Kunstgestänge. Diese Stange betätigte das Kunstkreuz (eine Art Wippe), an dessen Schenkelenden zwei lange Stangen bzw. leiterähnliche Vorrichtungen befestigt waren, die in den Schacht hinunterragten. Das Kunstkreuz sorgte dafür, dass sich, wenn sich das Rad drehte, zunächst die eine Stange im Schacht hob, während sich die andere senkte. Nach einer halben Umdrehung des Rades kehrte sich die Bewegung der Stangen um; nun senkte sich die erste, und die zweite hob sich. Durch Umsteigen zwischen den beiden Stangen nach jeweils einer halben Raddrehung konnte der Bergmann also entweder in den Schacht ein- oder aus ihm ausfahren.


Geschichte

Ausgangssituation

Die Bergwerke des Oberharzer Bergbaus hatten um 1800 Teufen von 500 - 600 Metern erreicht. Es handelte sich somit seinerzeit um die tiefsten Bergwerke der Welt. Für die Bergleute war jedoch das Ein- und Ausfahren auf den Fahrten (=Leitern) eine Zumutung: Bei diesen Bedingungen benötigte ein Bergmann eine Stunde für das Einfahren und zwei Stunden für das Ausfahren. Letzteres war dabei auch noch eine ausserordentliche körperliche Anstrengung. Bezahlt wurde dabei nur die Zeit vor Ort. Es gab Überlegungen, teilweise wohl auch Bittstellungen, den Bergleuten die Übernachtung unter Tage zu gestatten, um ihnen das häufige und belastende Ein- und Ausfahren zu ersparen. Dies wurde aber offensichtlich nur im Ausnahmefall praktiziert.

Die Seilfahrt war für die Bergleute seinerzeit keine Alternative: Einerseits gab es noch keine zuverlässigen Seile, die eine sichere Personenförderung zugelassen hätten. Andererseits hätten die damaligen Fördervorrichtungen nicht die Kapazitäten gehabt, eine Vielzahl von Bergleuten bei Schichtbeginn und -ende zu fördern. Nur Verletzte oder tote Bergleute wurden mit der Fördertonne bzw. Versehrtentonne zu Tage gebracht.

Erfindung

Zum Antrieb der Kolbenpumpen für die Sumpfung der Bergwerke befanden sich in den Schächten bereits Holzgestänge, die sich permanent im Wechsel auf- und ab bewegten. Dem Vernehmen nach soll der Oberbergmeister Georg Dörell in Clausthal beobachtet haben, dass sich ein Kunstknecht zur eigenen Arbeitserleichterung Nägel in diese Holzgestänge geschlagen hatte, um auf diesen durch geschicktes Umsteigen von einer Arbeitsebene auf die nächste zu gelangen. Diese Idee setzte Dörell, der als Erfinder der Fahrkunst gilt, im Jahre 1833 weiter um, in dem er die Gestänge mit stabilen Trittbrettern und Handgriffen ausstattete. Sehr schnell verbreitete sich diese Erfindung nicht nur im Oberharz, sondern auch im Internationalen Bergbau (unter anderem auch Norwegen und England).

Bedeutung

Angesichts des vorher äußerst anstrengenden und langwierigen Ein- und Ausfahrens bedeutete die Fahrkunst Mitte des 19. Jahrhunderts eine ganz erhebliche Erleichterung: Man konnte mit ihr ohne körperliche Anstrengung innerhalb von fünf Minuten etwa 100 Höhenmeter bewältigen. Damit wurden Kräfte frei, um weiter in noch größere Tiefen zum Erzabbau vorzudringen. Die längsten Fahrkünste erreichten Tiefen von etwa 800 Metern.

Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts blieb die Fahrkunst die wesentliche Einrichtung zur vertikalen Personenförderung in den Bergwerken. Erst mit der Entwicklung des Drahtseiles konnten moderne Bergwerke des späten 19. Jahrhunderts eine Personenförderung per Seilfahrt einrichten. Im Kaiser-Wilhelm-Schacht (Clausthal) wurde zwar 1880 bereits eine Seilfahrt eingerichtet, für die Personenförderung gab es aber immer noch eine Fahrkunst, die erst 1920 abgebaut wurde. Offensichtlich war das Misstrauen der Bergleute gegenüber einem Seil noch lange hoch.

Besonderheiten

Ein Nachteil der Fahrkunst war, dass Begegnungen von ein- mit ausfahrenden Bergleuten nicht möglich waren. Dies musste in irgendeiner Form organisiert werden. Vermutlich verständigte man sich und wartete auf einander an bestimmten Zwischenebenen (Sohlen). Dagegen konnten Einzelpersonen während der Schicht sehr unproblematisch zwischen verschiedenen Ebenen (Sohlen) hin - und herwechseln, was bei der modernen Seilfahrt immer die Anforderung und das Warten auf den Förderkorb erfordert. Die vertikale (saigere) Fahrkunst des Kaiser-Wilhelmschachtes in Clausthal war auf der Vorder- und Rückseite mit Trittbrettern versehen, so dass auf ihr die Bergleute gleichzeitig ein-, als auch ausfahren konnten. Als Antrieb wurden neben Wasserrädern bald auch Elektromotoren und Wassersäulenmaschinen eingesetzt.

Unfälle

Die Fahrkunst war nicht unfallträchtiger als die zuvor praktizierte Ein- und Ausfahrt per Fahrten (Leitern). In der Grube Samson in St. Andreasberg sind seit Einrichtung der Fahrkunst im Jahre 1837 bis heute ganze sieben Todesfälle im Zusammenhang mit ihrer Nutzung bekannt. In der Grube Rosenhof kam es im Jahre 1878 zu einem Bruch der Fahrkunst, an dessen Folgen 11 Bergleute starben.

Fahrkünste in der Gegenwart

Die letzte noch funktionierende Stahlseilfahrkunst aus dem Jahr 1837 kann in der Grube Samson in Sankt Andreasberg besichtigt werden. Sie geht jetzt noch bis in 190 Meter Tiefe und dient dem Betreiber der Wasserkraftwerke Samsonschacht bis heute als Zugang zu den Turbinen. Eine zweite Fahrkunst mit Holzgestänge ist in Kongsberg (Norwegen) erhalten, sie ist 25 m lang und wird nur noch im Museumsbetrieb vorgeführt. Im Oberharzer Bergwerksmuseum gibt es noch Originalteile einer Fahrkunst des Bockswieser Bergbaues, die aber nicht mehr funktionsfähig sind.

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