Rassismus

Ideologie, die Rasse als grundsätzlichen Faktor menschlicher Fähigkeiten deutet
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Rassismus wird unterschiedlich definiert. So schreibt etwa Albert Memmi: "Der Rassismus ist die verallgemeinerte und verabsolutierte Wertung tatsächlicher oder fiktiver Unterschiede zum Nutzen des Anklägers und zum Schaden des Opfers, mit der seine Privilegien oder seine Aggressionen gerechtfertigt werden sollen". Er betont damit einerseits den sozialen und andererseits den ideologischen Charakter rassistischer Diskriminierung. Gleichzeitig weist er darauf hin, dass "die rassistische Anklage bald auf einen biologischen und bald auf einen kulturellen Unterschied" abstellt und das "biologische Merkmal" manchmal nur "undeutlich ausgeprägt" wäre oder sogar "fehlt". Damit wird deutlich gemacht, dass der auf angeblich natürliche und körperlich sichtbare Rassenunterschiede abzielende moderne Rassismus nur eine Variante rassistischer Diskriminierung darstellt.

Robert Miles hingegen versteht unter Rassismus einen "Prozess der Konstruktion von Bedeutungen", durch den "bestimmten phänotypischen und/oder genetischen Eigenschaften von Menschen Bedeutungen dergestalt zugeschrieben werden, dass daraus ein System von Kategorisierungen entsteht", in dem den Betroffenen "zusätzliche (negativ bewertete) Eigenschaften zugeordnet werden". Auch diese Definition betont den ideologischen Aspekt des Rassismus. Gleichzeitig verknüpft sie ihn aber eng mit dem "Prozess der Rassenkonstruktion" und beschränkt ihn so auf seine moderne Variante. Um letztlich unproduktiven idealtypischen Begriffsstreiterein zu entgehen, ist deswegen von Stuart Hall und anderen vorgeschlagen worden, generell von Rassismen zu sprechen und ihre jeweiligen Erscheinungsformen verstärkt konkreten historischen Analysen zu unterziehen.

Begriffliche Dimensionen

In der aktuellen Rassismusdiskussion besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass die kategoriale Verknüpfung von Rassismus und Rasse nicht unabdingbar ist und dass Rassismus in einem komplexen Diskriminierungszusammenhang zum Ausdruck kommt, in dem sich die Kategorien Rasse, Klasse, Geschlecht, Nation und Kultur verbinden.

Rassismus und Rasse

Seit Martin Barker den 'new racism' untersuchte, haben sich Vorstellungen eines differentialistischen oder kulturalistischen Rassismus ohne Rassen durchgesetzt und sind von Autoren wie Etienne Balibar, Pierre-André Taguieff u. a. theoretisch weiterentwickelt worden. Damit sind rassistische Argumentationen gemeint, die auf den Rassenbegriff verzichten und statt dessen angeblich fundamentale und unüberbrückbare kulturelle Differenzen zwischen verschiedenen Menschengruppen betonen. Ihre Untersuchung hat die Erkenntnis vertieft, dass die Menschenrassen selbst keine Produkte der Natur, sondern soziale Konstruktionen sind. Das heißt nicht, dass sie reine Erfindungen wären, sondern verlangt, sie als soziale Tatsachen zu verstehen, die sich aus unterschiedlichen Elementen wie tatsächlichen oder imaginierten körperlichen Eigenschaften, unterstellten kulturellen Fähigkeiten oder zugeschriebenen ästhetischen Merkmalen zusammensetzen. Selbst die bis heute verbreitete Einteilung der Menschen in Schwarze, Weiße, Rote und Gelbe ist eine solche Konstruktion. So zeigte Walter Demel, wie die Chinesen 'gelb' gemacht wurden, beschrieb Alden T. Vaughan die Verwandlung der Indianer in 'Rothäute' oder verfolgte Wulf D. Hund die Entwicklung des europäischen Afrikanerbildes vom Äthiopier der Antike über den Mohren des Mittelalters zum Neger der Neuzeit.

Rasse, Klasse, Geschlecht, usw.

In der Encyclopedia of Race and Ethnic Studies heißt es unter dem Stichwort 'Other': "The main axis of difference is the Big Three of race, class, and gender. Representations of racial (ethnic, national) others often overlap with those of women and lower-class people". Damit wird auf die ideologischen Verbindungen verschiedener Kategorien sozialer Diskriminierung verwiesen. Der moderne Rassismus hat die von ihm konstruierten Rassen nicht nur biologisch qualifiziert, sondern auch anderen sozialen Differenzierungen unterzogen: Der vermeintlich spärliche Bartwuchs der Indianer wurde als Beweis für ihren weiblichen Charakter genommen; der europäische Kolonialismus und Imperialismus wurde zur 'Last des weißen Mannes' stilisiert, der sich den Mühen unterziehen müßte, die angeblich kulturlosen farbigen Rassen zu zivilisieren; Juden wurden zum Staat im Staate und damit zu Fremdkörpern in völkisch begriffenen Nationen erklärt, um ihre staatsbürgerliche Gleichstellung zu hintertreiben oder in Frage zu stellen; usw.

Allgemein

Diese Form der Unterdrückung und Ausbeutung ist besonders seit Beginn der Neuzeit dokumentiert. Ihre historisch bekannten Wurzeln (Metöken) reichen aber mindestens in die Antike zurück. Der moderne Rassismus bildete sich in der Folge der Aufklärung im 18ten Jahrhundert heraus. Führende Theoretiker der westlichen Welt versuchten, die rassischen Unterschiede wissenschaftlich zu erklären. Ausgehend von der generellen Annahme, dass die menschlichen Rassen feststehende und unveränderbare Merkmale aufweisen würden, wie dies etwa Johann Gottfried Herder, Immanuel Kant und Georg Wilhelm Friedrich Hegel postulierten, entwickelte sich der moderne Rassismus, der bestimmten Rassen ihre Vollwertigkeit als Menschen absprach. Einer anderen Gruppe von Menschen wird damit abgesprochen, auf derselben Stufe zu stehen wie man selbst, und es wird ihr zudem abgesprochen, diese Stufe verlassen zu können.

Der Rassismus ist gegen den Begriff der Intoleranz abzugrenzen: verschiedene Formen kultureller oder religiöser Intoleranz führen zwar auch zu Ablehnung und Unterdrückung, anders als beim Rassismus aber wird die Differenz aber nicht als erblich und unveränderbar betrachtet. Durch die religiöse Konversion oder die Annahme einer anderen kulturellen Identität sei eine Integration unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen möglich.

Rassismus ist ein weltumspannendes Phänomen, dass u.a. mit der Hybris von Menschen auf der einen, und mit der Gehorsamkeit von Menschen auf der anderen Seite zu tun hat. Stereotype Vorurteile, Illusionen und Klischees begleiten in der Regel diese Attitüden. Es ist deshalb zuwenig, dieses Phänomen nur auf "Exoten" anzuwenden. Rassismus betrifft generell das Verhältnis gegenüber dem "Anderen" und "Fremden". Mobbing gehört gewissermaßen in dieselbe Kategorie. Wobei es immer um eigene existentielle Ängste geht, die man verdrängt, indem man scheinbar oder offensichtlich Schwächere mehr oder weniger drangsaliert. Man sucht sich, wie schon die biblische Metapher von Kain und Abel zeigt, sogenannte Prügelknaben oder Sündenböcke zur Bewältigung des eigenen Alltags. Es geht also nicht nur um Menschengruppen, sondern auch um Aggression und Ausgrenzung gegenüber dem Einzelnen.

Die willkürliche Einteilung von Menschen in besondere Gruppen, die sich abgrenzen, ist uralt. Aber erst die Neuzeit hat versucht, Rassismus wissenschaftlich zu begründen. Die moderne Biologie und Genetik im Gefolge von Charles Darwin schien dazu Anhaltspunkte zu liefern. Die biologische Ableitung von Rassen ist jedoch gerade durch Darwins Entdeckungen gescheitert. (Ausstellung: "Alle verwandt, alle verschieden" von Ninian Hubertus van Blyenburgh).

Die faschistischen Aufregungen darum genügten allesamt keinen wissenschaftlichen Kriterien. Seit 1995 (Unesco, Deklaration von Schlaining) wird nicht nur jede genetische, sondern auch jede soziologische Ableitung der Kategorie "Rasse" nachvollziehbar in Frage gestellt:

  • Kriterien, anhand derer Rassen definiert werden, sind beliebig wählbar.
  • Die genetischen Unterschiede zwischen Menschen innerhalb einer "Rasse" sind im Durchschnitt quantitativ größer als die genetischen Unterschiede zwischen verschiedenen "Rassen".
  • Von ausgeprägten Körpereigenschaften wie der Hautfarbe ist kein Schluss auf andere Eigenschaften und keine Bewertung derselben möglich.

Würde man die Welt auf den Spuren der Urmenschen ("Out of Africa-Theorie") erwandern, könnte man selbst leicht feststellen, dass es keine sprunghaften, also "rassenkonforme" Veränderungen gibt, sondern, dass die Übergänge bei Hautfarbe, Physiognomie und Habitus, genauso wie auch die Kulturen, fließend sind. Michael Stanzer

Die Verknüpfung von Körpermerkmalen mit Charaktertypen und deren Rangordnung ist also eine völlig willkürliche Wertung. Rassismus ist damit als unwissenschaftliche Ideologie anzusehen. Diese ist interessengeleitet und dient der Ab- und Ausgrenzung von anderen Menschen.

Nach 1945 trat offener Rassismus in der Wissenschaft zurück. Er wurde aber dennoch sozialpolitisch weiter vertreten und fälschlicherweise als Sozialdarwinismus verharmlost. Der kulturalistische "Neorassismus" versucht, die "Kultur" als gruppenspezifisch geprägten menschlichen Umgang mit der Umwelt zum natürlichen, unveränderlich der Person anhaftenden Merkmal zu erklären.

Diverse sozialwissenschaftliche Studien haben jedoch gezeigt, dass auch diese Neuauflage des Rassismus wissenschaftlich unhaltbar ist: Personen können neue Umgangsformen entwickeln, ihr Umfeld wechseln oder ihren Umgang damit verändern (siehe Migration, Integration, Multikulturalismus).

Den meisten Menschen ist gar nicht bewusst, dass sie im Grunde rassistisch denken und handeln. Sie sind u.a. deshalb für eine empirische Überprüfung ihrer Annahmen meist unzugänglich, was den wahren "Clash of Cultures" bedeutet. Denn sie verallgemeinern und verabsolutieren reale oder fiktive Unterschiede zu Werturteilen, um soziale Privilegien zu rechtfertigen. Dahinter stehen oft irrationale unbewusste Ängste vor "Überfremdung", Prestige- und Machtverlust. Diese werden in Form von Aggression gegen Andere kompensiert und abzubauen versucht. Deshalb gefährdet Rassismus das menschliche Zusammenleben in jeder Gesellschaftsform.

Noch gefährlicher ist allerdings die Instrumentalisierung dieser Ängste zum Erlangen und Ausüben von Herrschaft. Solche Absichten geben dem Rassismus oft erst das soziale Umfeld, in dem er gedeihen kann. Sie tarnen sich selbst als "tolerant" und vermeiden rassistisches Vokabular zu Gunsten von unverfänglicheren Begriffen wie "Kulturunterschieden" (Rassismus ohne Rassen). So werden rassistische Verhaltensmuster verharmlost und zu "berechtigten Anliegen" aufgewertet, um eigene politische Zwecke zu erreichen.

Formen von Rassismus

  • Rassistische Vorurteile: Vorgefertigte Meinungen über Personen aufgrund ihrer Zuordnung zu einer "Rasse". Beispiel: Person A denkt, dass Person B die Eigenschaft X hat, weil sie zur "Rasse" Y gehört.
  • Rassistische Diskriminierung: Die unterschiedliche Behandlung von Menschen aufgrund äußerlicher Merkmale, wie z.B. der Hautfarbe. Beispiel: Person A weigert sich, Person B einzustellen, weil Person B zur "Rasse" Y gehört.
  • Institutioneller Rassismus (strukturelle Diskriminierung): Ungleichbehandlung durch öffentliche Stellen und große Organisationen aufgrund der "Rassenzugehörigkeit".
  • Pseudowissenschaftliche Rassentheorien: Im Interesse politischer Kräfte entwickelte scheinwissenschaftliche Theorien, die die Überlegenheit bestimmter Rassen über andere untermauern sollen, z.B. die Hamitentheorie des Afrikanisten Carl Meinhof oder die Rassenlehre des Nationalsozialismus.
  • Kultureller Rassismus: Der moderne Rassismus bedient sich oftmals des Begriffs verschiedener "Kulturen", nachdem der klassische Rassismus als unwissenschaftlich entlarvt wurde. Beispiele: "Die Polen stehlen", "Die Araber sind frauenfeindlich", "Afrikaner sind besonders aggressiv" - der französische Philosoph Étienne Balibar nennt dieses Phänomen "Rassismus ohne Rassen".
  • Alltagsrassismus: Ist die Übernahme von Rassismus in alltägliche Situationen durch Denk- und Handlungsformen, die die dahinter liegenden Machtstrukturen stabilisieren und verfestigen. In dieser Form wird Rassismus nicht mehr hinterfragt, sondern von herrschenden Gruppen als "normal" hingenommen.

Geschichte

 
„Nur für Weisse“-Beschilderung in Südafrika während der Apartheid

Obschon rassistische Praktiken und der Kampf gegen sie recht alt sind, ist der Begriff Rassismus selbst relativ jung. Er wurde im Bezug auf die NS-Rassenlehre bzw. die politische Auseinandersetzung mit völkischen Theorien im Deutschland der 20er und 30er Jahre geprägt. Erstmals wurde der Begriff vom Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld in einer im englischen Exil publizierten Schrift verwendet. Die erste Definition stammt von der Amerikanerin Ruth Benedikt, deren Buch "Rassismus" 1946 erstmalig in deutscher Sprache erschien. Seither hat es zahlreiche Versuche der Neudefinition gegeben, denen eine Tendenz gemeinsam ist: Je moderner eine Definition ist, desto weniger spielt die Existenz von Rassen im biologischen Sinne eine Rolle. Ist in den ersten Definitionen noch die Existenz von Menschenrassen unumstritten und Rassismus eine Form der Verfolgung oder Selbstbeweihräucherung tatsächlicher biologisch gedachter Gruppen, so verschwindet die Bedeutung der Biologie in modernen Definitionen nahezu.

Im 20. Jahrhundert haben sich in vielen Ländern ausgeprägte Formen des modernen Rassismus herausgebildet, die zum Teil zu offiziellen Ideologien der jeweiligen Staaten wurden - Beispiele sind:

Europäische Antike

Die Frage, ob es im alten Griechenland und im alten Rom Rassismus gegeben hätte, wird unterschiedlich beantwortet. Autoren wie David Theo Goldberg oder George M. Fredrickson verneinen sie mit dem Hinweis, die Antike hätte keinen Rassenbegriff gekannt und deshalb auch keinen Rassismus hervorbringen können. Autoren wie Christian Delacampagne oder Benjamin Isaak sind anderer Auffassung und betonen, dass 1) dem Rassenbegriff analoge ideologische Konstruktionen existiert hätten und 2) Rassismus ohnehin im Kern kulturalistisch argumentieren würde. Beide verweisen ausführlich auf Aristoteles' Konstruktion des Barbaren und die mit ihr betriebene Legitimation der Sklaverei. Barbaren wurde ein minderes Menschsein zugeschrieben, weil sie nur bedingt über Vernunft verfügten. Hinsichtlich der damit verbundenen Körperlichkeit meinte Aristoteles, dass auf die Natur leider kein Verlaß wäre. Sie gäbe sich zwar Mühe, die Körper von Freien und Sklaven verschiedenen zu gestalten, doch hätte sie damit oft keinen Erfolg. Die ihnen zugeschriebene Minderwertigkeit konnte man den Barbaren also nicht unbedingt ansehen. Eine andere Dimension rassistischer Diskriminierung existiert hingegen schon in der Antike, insbesondere im alten Sparta, in einer Form, die sich bis in die Neuzeit erhält: die eugenische Bestreitung des Existenzrechtes für angeblich schwaches oder lebensunwertes Leben.

China, Indien, Japan

In Asien gibt es ebenfalls weit zurückreichende Formen rassistischer Diskriminierung, die klassenbezogene und kulturbezogene Grundlagen hatten und ohne Rassenbegriff funktionierten. Die Chinesen entwickelten schon Jahrhunderte vor den Griechen kulturalistische Vorstellungen von Barbaren. Nachdem sie ursprünglich davon ausgingen, dass diese durch den Kontakt mit der chinesischen Kultur zivilisiert werden könnten, wurden sie schließlich mit Tieren verglichen, die kulturell grunsätzlich defizitär wären. Frank Dikötter hat darauf hingewiesen, dass es deswegen in China eine langwährende eigene rassistische Tradition gab, ehe man dort mit dem europäischen Rassedenken in Kontakt kam.

Das gilt auch für Indien, wo Kastenschema und Unberührbarkeit mit Hilfe von organischen Metaphern und Vermischungsverboten legitimiert wurden. Diese Biologisierung sozialer Unterschiede war durchaus nicht einzigartig. Sie wurde im Zuge der durch den europäischen Imperialismus importierten Rassentypologie und mit Hilfe des auf sie gestützten arischen Mythos einer völkischen Interpretation unterzogen, die behauptete, das Kastenschema wäre das Produkt hellhäutiger arischer Einwanderer, die die dunkelhäutige Urbevölkerung unterworfen hätten. Gail Omvedt schreibt dazu: "Punjabi Brahmans and Punjabi Untouchables were ethnically the same, and Tamil Brahmans and Tamil Untouchables were not racially different" (siehe http://wcar.alrc.net/mainfile.php/For+the+affirmative/16/).

Sozial begründete Kastendifferenzen gab es auch in Japan. Die rassistische Diskriminierung der Buraku, einer mit niederen und als unrein geltenden Tätigkeiten beschäftigten Kaste, reicht bis ins 14. Jahrhundert zurück. Neben diesem nach innen gerichteten Rassismus gab es auch die nach außen gerichtete rassistische Diskriminerung der Ainu. Sowohl auf die Buraku als auch auf die Ainu wurde später der von den Europäern entlehnte Rassenbegriff angewandt und so, wie Richard Siddle, Michael Weiner und andere gezeigt haben, deren auf Kastendenken und Kulturchauvinismus gesützte Diskriminierung rassisiert. In allen Fällen wird deutlich, dass Rassismus ohne Rassen funktioniert und im Kern kulturalistisch bestimmt ist.

Frühes Christentum

Bereits bei den Kirchenvätern wird die Schöpfungsgeschichte als Erzählung von der gemeinsamen Herkunft aller Menschen mit Überlegungen kombiniert, die die Menschheit in sündige und gläubige Gruppen zu unterteilen trachten. Die dabei dokumentierte Feindschaft gegenüber Frauen und Juden enthält zahlreiche Elemente rassistischer Diskriminierung.

Frauen werden als den Männern nachgeordnete und ihnen gegenüber minderwertige Wesen dargestellt. Ihre Schönheit wird als äußerer Schein bezeichnet, der ein ekelhaftes Inneres verhüllte. Der Grad ihres Menschseins wird ausführlich diskutiert. Noch zu Beginn des 17. Jahrhunderts stellt ein in dieser Tradition stehender Autor die Frage "Ob die Weiber Menschen seyn". Die Juden werden als Gehilfen des Teufels, dauerhaft Verdammte und zur Sklaverei Verurteilte betrachtet. Sie werden mit Tieren verglichen und man schreibt ihnen einen unangenehmen Geruch zu. Ihre Synagogen werden als Bordelle und Orte des Wahnsinns bezeichnet, die in Brand gesteckt werden sollten.

Mittelalter

Der Rassismus des europäischen Mittelalters lässt sich an verschiedenen Indikatoren aufzeigen. Einmal ist es die Zeit eines umkämpften Bildes vom Afrikaner, zu dem Peter Martin Material zusammengetragen hat, das auf widersprüchliche Konzeptionen verweist, die zwischen Wolfram von Eschenbachs schöner schwarzer Königin Belakane und den schwarzen moslemischen Teufeln des Rolandsliedes schwanken. Ferner wird der Teufelsglaube zur Grundlage der Hexenverfolgungen gemacht, die Wolfgang Wippermann in einen inhaltlichen Zusammenhang mit dem späteren Rassenwahn zu bringen versucht. Schließlich stehen am Ende dieser Entwicklung mit den antisemitischen Pogromen während des ersten Kreuzzuges und der großen Pest Ideologien und Praktiken der Ausgrenzung und Vernichtung, die für Léon Poliakov und andere zur Geschichte des Antisemitismus und Rassismus gehören.

Die Eroberung Amerikas

Als die Spanier Amerika eroberten, kam es wiederholt zum Streit über die Behandlung der Ureinwohner. Vor allem Bartolomé de Las Casas, der selbst in den Kolonien lebte, kreidete wiederholt die menschenunwürdige Behandlung der Indios durch die Spanier an. ("...dass unsere Spanier für sie [die Indianer] nicht mehr Beachtung übrig haben als für Tiere.") Der Streit gipfelte im Disput von Valladolid in der Frage, ob "Indios" Menschen seien. Sepulveda vertrat die Ansicht, die "Indios" seien den Spaniern unterlegen wie die Affen den Menschen. Den theoretischen Rückhalt hierfür holte er sich von Aristoteles' Theorie der natürlichen Sklaverei, der einigen Menschen die Vernunftfähigkeit abgesprochen und ihre "natürliche" Unterlegenheit postuliert hatte. Der Disput blieb allerdings ohne politische Auswirkung.

Sklaverei

Die Verschleppung und Versklavung von Afrikanern in Amerika war Ausdruck einer rassistischen Ideologie. So wurden verschiedene rassistische Stereotype manifestiert: Einerseits jenes des "edlen Wilden" - Indianer seien noch so unverdorben, so weise und freiheitsliebend, dass sie in der Sklaverei einfach nicht leben können. Auf der anderen Seite war das Bild des starken, bestialischen Afrikaners, der eigentlich gerne arbeitet und "von Natur aus" untertänig sei, geschichtlich prägend.

Die Dominanz christlicher Akteure in den Südstaaten der USA führte hier zu absonderlichen Debatten, die um die Frage der Abkunft der Schwarzen von Adam und Eva kreisten. Die Vertreter der Monogenese, die davon ausgingen, dass Adam und Eva weiß waren, erklärten, dass farbige Menschen nach der Vertreibung aus dem Paradies entstanden. Die Vertreter der Polygenese vertraten die Auffassung, dass Gott mehrere unterschiedliche Urpaare geschaffen habe. Aus beiden Auffassungen lässt sich Rassismus ableiten. Im einen Fall als Änderung des göttlichen Planes, im zweiten Fall als gewollte göttliche Separation.

 
Separate öffentliche Wasserspender für "Weisse" und "Farbige" in den USA der 1920er Jahre

Die Sklavenbefreiung in den Südstaaten der USA beendete dort nicht die Rassendiskriminierung, sie veränderte sie nur. Zahlreiche rassistische Praktiken waren bis zur Bürgerrechtsbewegung in den USA gültig. Erst 1964 wurde die Diskriminierung von Schwarzen rechtlich untersagt. Doch auch heute noch sind die Lebenschancen, Bildungsmöglichkeiten etc. dort nach der tradierten Linie zwischen weiß und farbig ungleich verteilt, rassistische Ausschlussformen nach wie vor vorhanden.

Nach der Sklavenbefreiung in den USA entstand der Ku Klux Klan, eine der bekanntesten noch bestehenden Rassistenvereinigungen der Welt.

Imperialismus

Seinen ideellen Höhepunkt fand der Rassismus im Imperialismus des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Klischee- und Überheblichkeitsvorstellungen seitens europäischer Literaten und Publizisten waren damals an der Tagesordnung, auch wenn Gewalt gegenüber Mitgliedern anderer "Rassen" selten explizit gutgeheißen wurde.

Der deutsche Kolonialismus in Afrika beförderte die Entwicklung von Pseudowissenschaften, wie der Hamitentheorie des Afrikanisten Carl Meinhof, wonach die Bantu-Völker und ihre Sprache eine Verschmelzung von hamitischen (Sprachen mit grammatischem Genussystem) und Negersprachen (Sprachen ohne Genussystem) sei. Die für die die Bantusprachen typischen zahlreichen Nominalklassen seien ein (kognitiv überdifferenzierendes und deshalb primitives) Verschmelzungsprodukt als Ergebnis dieser Entwicklung. Der Konflikt zwischen Hutu und Tutsi in Ruanda ist eine der Nachwirkungen dieser Ideologie.

Extremer Vertreter des Rassismus und auch des Sozialdarwinismus war Houston Stewart Chamberlain, der die Auffassung vertrat, die germanische Rasse sei zum Retter der Menschheit auserkoren. Damit legte er auch Fundamente für den aufkeimenden Nationalsozialismus.

Weimarer Republik

In der Weimarer Republik war neben der antisemitischen Propaganda besonders die Agitation gegen die Besetzung des Rheinlandes von rassistischer Begleitmusik durchzogen und dieses nicht nur in den Kampfblättern der extremen Rechten. Anlass boten hier besonders die z.T. aus Afrika stammenden Truppen der französischen Besatzungsarmee. Die in der Besatzungszeit geborenen afrodeutschen Kinder einiger schwarzer Soldaten und deutscher Frauen wurden als Gefahr für die deutsche Rassenreinheit angesehen. Die betroffenen Kinder wurden als sogenannte 'Rheinlandbastarde' später von den NS-Behörden erfasst und vielfach zwangssterilisiert.

Das nationalsozialistische Deutschland

Rassismus war Teil der Ideologie des Nationalsozialismus. Man ging davon aus, dass es höherwertige und minderwertige Menschen gibt. Hochwertige Menschen konnten dabei nur aus der 'Herrenrasse' stammen. Die Mitglieder dieser 'Herrenrasse' hatten die Aufgabe, ihre Rasse 'reinzuhalten', weshalb sexueller Kontakt zwischen Angehörigen der 'hohen' und der 'minderwertigen' Rasse verhindert werden sollte. Bestimmten, von den Nazis als "Rasse" definierten Gruppen wie Juden, Roma oder Sinti unterstellten sie, dass diese "die Herrenrasse" zersetzen wollten.

Die Opfer des NS-Rassismus wurden verfolgt, zwangssterilisiert, deportiert und ermordet. Die gesamte Gesundheitsvorsorge, Sozialpolitik sowie die Bevölkerungspolitik wurde in ein "rassenhygienisches" Programm verwandelt, das bis hin zu Eheschließungen nahezu jeden erreichte. Teil dieses rassistischen Programms waren auch Ahnenpässe, die sich in vielen deutschen Familien heute noch finden. Der aufgrund dieser Ahnenpässe zu führende Ariernachweis bzw. der Große Ariernachweis war Bedingung z.B. für eine Karriere bei der SS. Ohne die Zusammenarbeit von NS-Stellen und Kirchengemeinden, die aufgrund der Kirchenbücher (mit ihren Eintragungen zur Geburt) an dieser Erfassung mitwirkten, wäre diese Arbeit nicht zu bewältigen gewesen.

Der NS-Rassismus berschränkte sich nicht auf Menschen, sondern richtete sich auch gegen Kulturgüter. Beispielsweise wurde Jazz als "Negermusik" diffamiert und verworfen, und Werke missliebiger Künstler galten als entartete Kunst.

Gegenwart

In der heutigen Zeit wird in deutschsprachigen Ländern oftmals bis zum heutigen Zeitpunkt z.T angenommen, dass Rassismus in erster Linie in Form von Xenophobie (v. griech.: xenos fremd;Gast / phóbos Furcht) vorhanden ist. Von dieser Xenophobie nimmt man an, dass sie keine Rassenbegriffe kennt, sondern eher einen Ethnopluralismus antagonisiert. Man nimmt auch an, dass rassistisch denkenden Menschen häufig nicht bewusst ist, dass sie rassistisch denken. Diese Annahme impliziert gleichzeitig aber auch, dass die Bevölkerung keinen Rassebegriff kennt und entsprechende Annahmen nicht mit dem Begriff "Rasse" verbunden werden. Der Begriff der Xenophobie (Furcht vor dem Fremden) wird daher oftmals auch benutzt, um das eigentliche Problem Rassismus nicht offen ansprechen zu müssen.

Datei:Rassistische-schmiererei.jpg
Rassistische Schmiererei an einer Hauswand.

Diese generelle Annahme wird unterstützt durch Studien in der Schweiz, wo aufgrund einer Studie der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (Carmel Fröhlicher-Stines und Kelechi Monika Mennel (2004) "Schwarze Menschen in der Schweiz. Ein Leben zwischen Integration und Diskriminierung") anzunehmen ist, dass Rassismus im engeren Sinne in der Schweiz sehr viel weiter verbreitet ist, als ursprünglich angenommen. So sind Schwarze trotz Assimilierung, Integration und Einbürgerung auch nach Jahrzehnten gesellschaftlich marginalisiert und werden, teilweise sogar unter eindeutiger Nennung der Hautfarbe als abwertender Faktor, bei Bewerbungen zurückgewiesen; ein weiterer Faktor ist das Anstarren, das für Schwarze in der Schweiz ein wesentlicher Stressor ist. Gewisse Secondos sprechen auch von 'silent apartheid', die von den Behörden bis anhin dementiert wurde. Von einem fehlenden Bewusstsein rassistisch denkender Personen kann aufgrund dieser Studie daher in der Schweiz nicht mehr zwingend ausgegangen werden.

Literatur

  • Balibar, Étienne und Wallerstein, Immanuel: Rasse, Klasse, Nation. Ambivalente Identitäten. Hamburg (Argument) 1990.
  • Barker, Martin: The New Racism. London (Junction Books) 1981.
  • Cavalli-Sforza, Luca und Francesco Cavalli-Sforza: Verschieden und doch gleich. München (Droemer Knaur) 1994.
  • Delacampagne, Christian: Die Geschichte des Rassismus. Düsseldorf u. a. (Artemis und Winkler) 2005.
  • Demel, Walter: Wie die Chinesen gelb wurden. Ein Beitrag zur Frühgeschichte der Rassentheorien. In: Historische Zeitschrift, 255, 1992.
  • Demirovic, Alex und Manuela Bojadzijev (Hrsg.): Konjunkturen des Rassismus. Münster (Westfälisches Dampfboot) 2002.
  • Diamond, Jared: Der Dritte Schimpanse. Frankfurt (Fischer Taschenbuch Verlag) 2000.
  • Dikötter, Frank: The Discourse of Race in Modern China. London (Hurst and Company) 1992.
  • Encyclopedia of Race and Ethnic Studies. Hrsg. v. Ellis Cashmore. London usw. (Routledge) 2004.
  • Fredrickson, George M.: Racism. A Short History. Princeton u. a. (Princeton University Press) 2002.
  • Geiss, Imanuel: Geschichte des Rassismus, Frankfurt/M. (Suhrkamp) 1988.
  • Goldberg, David Theo: Racist Culture. Philosophy and the Politics of Meaning. Malden u. a. (Blackwell) 1993.
  • Hund, Wulf D.: Rassismus. Münster (Westfälisches Dampfboot) 1999.
  • Isaak, Benjamin: The Invention of Racism in Classical Antiquity. Princeton u. a. (Princeton University Press) 2004.
  • Martin, Peter: Schwarze Teufel, edle Mohren. Afrikaner in Bewußtsein und Geschichte der Deutschen. Hamburg (Junius) 1993.
  • Memmi, Albert: Rassismus. Frankfurt (Athenäum) 1987.
  • Miles, Robert (Prof.)|: Rassismus. Einführung in die Geschichte und Theorie eines Begriffs. Hamburg (Argument) 1991.
  • Mosse, George L.: Die Geschichte des Rassismus in Europa. Königstein/Taunus 1978.
  • Poliakov, Léon: Geschichte des Antisemitismus. 8 Bde. Worms (Georg Heintz) 1977 - 1988.
  • Siddle, Richard: Race, Resistance and the Ainu of Japan. London usw. (Routledge) 1996.
  • Taguieff, Pierre-André: Le néo-racisme différentialiste. In: Langage et Société, 34, 1985.
  • Vaughan, Alden T.: From White Man to Redskin: Changing Anglo-American Perceptions of the American Indian. In: The American Historical Review, 87, 1982.
  • Weiner, Michael (Hrsg.): Japan's Minorities. The Illlusion of Homogeneity. London usw. (Routledge) 1997.
  • Wippermann, Wolfgang: Rassenwahn und Teufelsglaube. Berlin (Frank und Timme) 2005.

Filme

  • Bicots-negres vos voisins, engl. Arabs and Niggers, Your Neighbours, Frankreich 1974, Regie: Med Hondo
  • American History X, USA 1998, Regie:Tony Kaye

Siehe auch (alphabetisch)

allgemeines

  • hometown.aol.de/ Christine Morgenstern: Theorie, Geschichte und Gegenwart von Rassismus
  • www.dir-info.de/ Rassismus-Definition von Albert Memmi
  • www.comlink.de/ Rassismus und Rechtsextremismus - Der Streit um die Ursachen - von Birgit Rommelspacher
  • www.shoa.de Artikel zu Rassismus, Biologie und Rassenlehre]
  • www.nazis.de/ UNESCO-Erklärung gegen den "Rasse"-Begriff
  • www.civic-edu.net Entwicklung von Methoden zur Bekämpfung von Rassismus und anderen Phobien

Deutschland

Österreich

  • Afrikaner in Wien Homepage zu Vorurteilen gegenüber Afrikanern sowie deren Akzeptanz in verschiedenen Lebensbereichen
  • www.zara.or.at Verein für Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit, Österreich. Betreibt u.a. eine Beratungsstelle für Opfer und ZeugInnen von Rassismus und legt jährlich einen Report über rassistische Übergriffe und Strukturen in Österreich auf (kostenloser Download)
  • www.no-racism.net/rassismus Berichte über Rassismus in Österreich

Schweiz


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