CERN (European Organization for Nuclear Research, frz.: Organisation Européenne pour la Recherche Nucléaire vormals Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire, nicht Centre Européen pour la Recherche Nucléaire, was ein häufiger Fehler ist), das Europäische Kernforschungslabor ist eine Großforschungseinrichtung mit zwei Speicherringen (Synchrotronen) sowie verschiedenen Teilchenbeschleunigern in Meyrin in der Nähe von Genf in der Schweiz. Da die Anlage in der Nähe der Grenze zu Frankreich gelegen ist, liegen ein Teil der Speicherringe und auch einige Experimentierplätze unter französischem Boden.

Geschichte
Das CERN wurde am 29. September 1954 gegründet, indem zwölf europäische Länder ein entsprechendes Übereinkommen unterzeichneten, und es feierte am 29. September 2004 seinen 50. Geburtstag.
Längjähriger Direktor war in den Jahren 1961–1965 Victor Weisskopf.
Derzeit hat es 20 Mitgliedsländer.
Mit seinen knapp 3.000 Mitarbeitern (Stand: 10.06.2005) ist das CERN das weltgrößte Forschungszentrum auf dem Gebiet der Teilchenphysik. Circa 6.500 Gastwissenschaftler aus aller Welt arbeiten an CERN-Experimenten.
Beim CERN wird die Zusammensetzung der Materie erforscht, indem Elementarteilchen wie Elektronen oder Protonen sehr stark beschleunigt und dann zur Kollision gebracht werden. Teile der Beschleunigeranlagen sind unter anderem das Super Proton Synchrotron (SPS) und der Large Electron-Positron Collider (LEP; Großer Elektron-Positron-Speicherring).
Im November 2000 wurde der LEP abgeschaltet. Im gleichen Tunnel wird zur Zeit der LHC (Large Hadron Collider) gebaut, in welchem Protonen aufeinander geschossen werden. Dort werden dann Energien erreicht, die in herkömmlichen Teilchenbeschleunigern bisher nicht möglich waren (bis 14 TeV!). In diesem Beschleuniger soll dann nach schweren supersymmetrischen Teilchen und dem umstrittenen Higgs-Boson sowie dem Quark-Gluon-Plasma gesucht werden. Zugunsten dieses Projekts wurden andere Aktivitäten stark reduziert. So wird es 2005 am CERN keinen Beschleunigerbetrieb geben.
Ein wichtiges, zur Zeit am CERN stattfindendes Experiment ist das CAST-Experiment. Dabei wird versucht, mittels eines sehr starken Magnetfelds so genannte Axionen nachzuweisen, subatomare, schwach wechselwirkende Teilchen (sog. Wimps), welche als Hauptkandidaten für „Dunkle Materie“ gelten (siehe auch: Primakoff-Effekt). Daneben gibt es noch eine Vielzahl kleinerer Experimente und die Vorbereitungen für die zukünftigen LHC-Experimente.
Historisch in Nebelkammern, heute in einer Vielzahl von unterschiedlichen Teilchendetektoren werden die Flugbahnen der in den Kollisionen entstehenden Teilchen rekonstruiert. Daraus lassen sich dann die Eigenschaften der kollidierten und neu entstandenen Teilchen bestimmen. Dies ist in der Regel mit ernormem technischem Aufwand und Rechenleistung verbunden, womit nicht zuletzt der internationale Ansatz dieses Großforschungsprojekts klar wird (Finanzierung).
Am CERN wurde auch die Idee des World Wide Web von Tim Berners-Lee auf den Weg gebracht.
Derzeit ist man am CERN u. a. intensiv an der Entwicklung des World Wide Grid beschäftigt, einem System für verteiltes Rechnen. Dieses wird benötigt, um die ungeheuren Datenmengen, die ab 2007 anfallen, wenn der neue Ringbeschleuniger seine Messungen aufnimmt, zu bewältigen.
Chronologie des CERN
29. September 1954: 7 der 12 Mitgliedstaaten ratifizieren den Staatsvertrag zur Gründung des gemeinsamen, europäischen Forschungszentrums CERN.
10. Juni 1955: Grundsteinlegung des CERN durch Felix Bloch (1. Generaldirektor des CERN)
1957: Das Synchro-Zyklotron (SC), das Protonen auf bis zu 600 MeV beschleunigt, wird in Betrieb genommen. Nach über 33 Jahren Betrieb wird es 1990 abgeschaltet.
24. November 1959: Das Protonen-Synchrotron (PS) mit einer (damals weltweit höchsten) Protonenergie von 28 GeV geht in Betrieb; es arbeitet heute als Vorbeschleuniger.
1968: Georges Charpak erfindet einen Teilchendetektor, der in einer gasgefüllten Kammer eine große Anzahl parallel angeordneter Drähte zur besseren Orts- und Energieauflösung enthielt. Er revolutioniert damit den Teilchennachweis. Nobelpreis für Physik 1992.
1971: Der erste Protonen-Speicherring, Intersecting Storage Ring (ISR), geht in Betrieb.
1971: Die große europäische Blasenkammer (BEBC) zur Untersuchung von Neutrino-Reaktionen geht in Betrieb.
1973: Entdeckung der neutralen Ströme der Z0-Teilchen in der flüssigkeitsgefüllten Gargamelle-Blasenkammer durch den Franzosen André Lagarrigue.
1976: Das Super-Protonen-Synchrotron (SPS) liefert auf einem Bahnumfang von 7 km Protonen mit 400 GeV.
1981: Das SPS wird zum Proton-Antiproton-Collider ausgebaut. Dabei wird die Technik der stochastischen Kühlung von Simon van der Meer genutzt.
1983: Entdeckung der W- und Z-Bosonen; Carlo Rubbia und Simon van der Meer erhalten 1984 dafür den Nobelpreis für Physik.
1989: Der Large Electron-Positron Collider (LEP) geht in Betrieb. In einem Tunnel von 27 km Länge treffen an ausgewählten Stellen (siehe Kasten „Detektoren“) Elektronen und ihre Antiteilchen, die Positronen, mit Energien von 100 GeV aufeinander. Im Jahr 2000 abgeschaltet für den Bau des LHC.
1990: Tim Berners-Lee entwickelt das World Wide Web.
1996: Am LEAR-Speicherring werden Antiwasserstoff-Atome produziert. Es gibt erste Hinweise auf geringfügige Unterschiede zwischen Materie und Antimaterie (CP-Verletzung); 2001: Bestätigung durch ein weiteres Experiment.
1999: Die Bauarbeiten für den Large Hadron Collider (LHC) beginnen.
2000: Erster Hinweis auf die Entstehung eines Quark-Gluon-Plasmas; Folgeexperimente am LHC mit dem ALICE-Detektor sind vorgesehen.
2000: Abschaltung des LEP.
2002: Produktion und Speicherung von mehreren tausend „kalten“ Antiwasserstoff-Atomen (ATHENA-Kollaboration). 2002: Produktion von Antimaterie mittels Teilchenkollision gelungen (größe: 1,425 Nanometer)
2007: Geplante Inbetriebnahme des Large Hadron Collider (LHC) mit Kollisionsenergien für Protonen und schwere Ionen im TeV-Bereich.
Detektoren am CERN
Detektoren am LEP
Alle vier Detektoren wurden für den Test des Standardmodells entwickelt.
ALEPH: Apparatus for LEp PHysics; Nachweis von Teilchen, die bei der Zerstrahlung von Elektronen und Positronen entstehen
DELPHI: Detector with Lepton Photon and Hadron Identification; Teilchenidentifikation sowie dreidimensionale Teilchenspuren
OPAL: Omni Purpose Apparatus for Lep; großer, zwiebelförmig aufgebauter Vielzweckdetektor zur Messung von Reaktionsprodukten
L3-Detektor: Der größte LEP-Detektor enthält mehr als 10.000 Kristalle aus Bismuth-Germanium-Oxid zum Nachweis von Elektronen und Photonen. L3 erhielt diesen Namen, weil der 3. Brief für LEP-Experimente („letter 3“) sich mit ihm befasste.
Detektoren am LHC
ALICE: A Large Ion Collider Experiment; ALICE ist ein Vielzweckdetektor, optimiert für Kollisionen von Schwerionen, bei denen extreme Energiedichten eintreten. Dort erwartet man das Quark-Gluon-Plasma.
ATLAS: A Toroidal LHC Apparatus; Atlas soll hochenergetische Proton-Proton-Kollisionen untersuchen und dem Higgs-Teilchen auf die Spur kommen; evtl. Teilchennachweis aus Supersymmetriemodellen: ATLAS hat einen zwiebelförmigen Aufbau zum Nachweis unterschiedlichster Teilchenspuren.
CMS: Compact Muon Solenoid; CMS untersucht ebenfalls Proton-Proton-Kollisionen; Besonderheit ist ein Kalorimeter aus Blei-Wolframat-Kristallen für hochenergetische Photonen, zusätzlich Halbleiterspurdetektoren und Myon-Nachweissystem. CMS und ATLAS sind so konzipiert, dass sie eine gegenseitige Überprüfung wissenschaftlicher Resultate garantieren.
LHCb: Large Hadron Collider beauty experiment; LHCb soll Messungen zur CP-Verletzung bei B-Mesonen vornehmen, seltene Zerfälle von Hadronen, die das schwere Bottom-Quark enthalten.
Mitglieder
Die ursprünglichen Mitgliedsländer waren Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, Jugoslawien, Niederlande, Norwegen, Schweden und Schweiz. Seitdem sind Bulgarien, Finnland, Österreich, Polen, Portugal, Slowakei, Spanien, Tschechien und Ungarn dazugekommen, Jugoslawien existiert nicht mehr als Staat.
Die EU hat Beobachterstatus.
Literatur
- Hannelore Dittmar-Ilgen: 50 Jahre CERN - Ein Beitrag Europas für die Zukunft. Naturwissenschaftliche Rundschau 57(12), S. 653 - 660 (2004), ISSN 0028-1050