Wikipedia /Enzyklopädie. Zur Zusammenarbeit nutzt sie ein Wiki, eine Software, mit der jeder Internetnutzer im Browser neue Artikel schreiben oder bestehende verändern kann.
/ ist eine von ehrenamtlichen Autoren verfasste, mehrsprachige, freie Online-Das im Januar 2001 gegründete Projekt bezeichnet sich als freie Enzyklopädie, weil alle Inhalte unter einer Lizenz stehen, die jedermann das Recht einräumt, die Inhalte unentgeltlich – auch kommerziell – zu nutzen, zu verändern und zu verbreiten. Es gilt als die umfangreichste Sammlung originär freier Inhalte. Der Begriff „Wikipedia“ ist ein Kofferwort, er setzt sich aus „Wiki“ und „Encyclopedia“ zusammen. Betrieben wird das Projekt von der Wikimedia Foundation, einer Non-Profit-Organisation mit Sitz in Florida, USA.
Geschichte
Die erste belegte Idee, das Internet zur kooperativen Erstellung einer Enzyklopädie zu verwenden, veröffentlichte Rick Gates am 22. Oktober 1993 im Usenet. Das als Interpedia diskutierte Projekt, wie auch die 1999 von Richard Stallman, einem der bekanntesten Vertreter der Freie-Software-Bewegung, angeregte GNUPedia kamen über das Planungsstadium allerdings nicht hinaus (siehe Vorgänger der Wikipedia).
Im März 2000 startete der Internet-Unternehmer Jimmy Wales seinen Anlauf zu einer Internet-Enzyklopädie. Er engagierte über die Firma Bomis, deren Teilhaber und Geschäftsführer Wales damals war, den Philosophiedozenten Larry Sanger und rief mit ihm als Chefredakteur die Nupedia ins Leben. Der Redaktionsprozess des Projekts lehnte sich stark an den konventioneller Enzyklopädien an. Autoren mussten sich bewerben und ihre Texte anschließend einen langwierigen Peer-Review durchlaufen. Entsprechend langsam entwickelte sich das Projekt.
Parallel zu Nupedia startete Wales, ebenfalls mit Larry Sanger als Chefredakteur, am 15. Januar 2001 die englischsprachige Wikipedia. Ursprünglich sollte Wikipedia als Plattform zur gemeinsamen Erstellung von Artikeln dienen, die später den Redaktionsprozess der Nupedia durchlaufen sollten. Vor allem aufgrund seiner Offenheit – das Wiki-Prinzip gestattete die Mitarbeit ohne Registrierung – entwickelte sich das Projekt so rasant, dass diese Idee immer mehr in den Hintergrund trat.
Am abend 15. März 2001 (16. März 01:24:53 UTC) brachte Jimmy Wales in einem Brief an wikipedia-l die Thema von "Alternative language wikipedias" auf und Minuten danach startete er die deutsche.wikipedia.com. Schon am 16. März 2001 wurde wahrscheinlich catalan.wikipedia.com zum ersten Mal bearbeitet und am 20. März 2001 existierte nihongo.wikipedia.com auf japanisch. Die älteste bewahrte Version von catalan.wikipedia.com verlinkte am 27. März 2001 an die deutsche.wikipedia.com, die später als de.wikipedia.org umbenannt wurde.
Am 11. May 2001 erklärte Bomis-Mitarbeiter Jason Richey in einem Brief dass er noch neun Sprachen dazu gefügt hatte. Darunter waren aber nicht polnisch oder schwedisch. Am 23. Mai wurde sv.wikipedia.com auf schwedisch zum ersten Mal bearbeitet, und am 28. September 2001 pl.wikipedia.com auf polnisch.
Ende des Jahres 2001 existierte Wikipedia bereits in 18 verschiedenen Sprachen. Im Februar 2002 entschied sich Bomis, nicht länger einen Chefredakteur zu beschäftigen und kündigte den Vertrag mit Larry Sanger, der kurze Zeit später seine Arbeit bei Nupedia und Wikipedia einstellte.
Im Februar 2002 musste die Wikipedia erstmals einen spürbaren Rückschlag hinnehmen. Zahlreiche Autoren der spanischen Wikipedia entschlossen sich zu einem Fork. Die Gründe für die Abspaltung unter dem Namen Enciclopedia Libre waren Gerüchte über die mögliche Einblendung von Werbung innerhalb der Wikipedia und das Unbehagen über mangelnden Einfluss in der englischsprachig dominierten internationalen Projektkoordination.
Um eine weitere Aufspaltung des Projekts zu verhindern, erklärte Jimmy Wales im gleichen Jahr, dass die Wikipedia auch künftig werbefrei bleiben solle. Außerdem änderte er die Adresse des Projekts von wikipedia.com auf wikipedia.org. Dies ist unter dem Hintergrund zu sehen, dass die Top Level Domain com ursprünglich für kommerzielle, org hingegen für nicht-kommerzielle Organisationen gedacht war.
Am 20. Juni 2003 schließlich verkündete Wales die Gründung der Wikimedia Foundation und übereignete der Non-Profit-Organisation die Server, auf denen die Projekte liefen, und die Namensrechte, die bis dato bei Bomis oder ihm persönlich lagen.
Mittlerweile existiert das Projekt in mehr als 100 Sprachen. Im September 2004 überschritt der Umfang des Gesamtprojekts die Grenze von einer Million Artikeln. Die deutschsprachige Wikipedia enthält 3.012.246 Artikel, die englische über 550.000 (Stand 5. Mai 2025).
Das Projekt gewann mehrere Preise, darunter im Mai 2004 einen Prix Ars Electronica und einen Webby Award.
Funktionsweise
Wikipedia ist ein Wiki, das heißt eine Website, bei der jeder Benutzer ohne Anmeldung Autor werden, Beiträge schreiben und bestehende Texte ändern kann. Eine Redaktion im engeren Sinne gibt es nicht, das Prinzip basiert vielmehr auf der Annahme, dass sich die Benutzer gegenseitig kontrollieren und korrigieren.
Der Inhalt ist als Hypertext organisiert. Querverweise und Formatierungsanweisungen geben die Autoren in einer einfachen Syntax ein. So wandelt die Software in eckige Klammern gesetzte Begriffe ([[Beispiel]]
) automatisch in einen Link auf den betreffenden Artikel um. Existiert dieser noch nicht, erscheint der Link in rot und beim Anklicken öffnet sich ein Eingabefeld, in dem der Leser einen neuen Artikel verfassen kann. Diese einfache Verlinkungsmöglichkeit hat dafür gesorgt, dass die Artikel der Wikipedia wesentlich dichter miteinander vernetzt sind als die der herkömmlichen digitalen Enzyklopädien.
Neben den im Kontext angebrachten Hyperlinks auf andere Artikel existieren noch weitere Navigationsmöglichkeiten wie Kategorien oder der alphabetische Index, die jedoch eine untergeordnete Rolle spielen.
Prinzipien
Der vorgegebene Rahmen für die Autoren ist sehr weit gefasst. Die Initiatoren des Projektes haben nur sehr wenige Richtlinien aufgestellt, die als unumstößlich gelten. Dazu zählt als erster Grundsatz, dass Wikipedia der Schaffung einer Enzyklopädie gewidmet ist. Der Grundsatz des neutralen Standpunkts legt die inhaltliche Ausrichtung der Artikel fest. Die Autoren willigen ferner mit dem Speichern darin ein, ihre Beiträge unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation (GFDL) zu veröffentlichen. Als Verhaltensvorschrift wird von Mitarbeitern am Projekt gefordert, ihre Mitautoren zu respektieren und niemanden persönlich anzugreifen.
Wikipedia ist eine Enzyklopädie
Wie andere Enzyklopädien verfolgt auch Wikipedia das Ziel, die Gesamtheit des Wissens unserer Zeit in lexikalischer Form anzubieten. Während frühere, gedruckte Enzyklopädien aus wirtschaftlichen Gründen Inhalte und Autorenzahl beschränken mussten, unterliegt die Wikipedia keinen solchen Einschränkungen: Festplattenplatz ist billig, die Autoren arbeiten ehrenamtlich.
Welche Themen aufgenommen werden und in welcher Form, entscheidet die Community in einem offenen Redaktionsprozess. Konflikte in der Wikipedia kreisen in diesem Zusammenhang meist darum, was Wissen darstellt, wo die Abgrenzung zu reinen Daten und gänzlich Irrelevantem liegt. Abgesehen von groben Leitlinien, die Wikipedia von anderen Werktypen wie Wörterbuch, Datenbank, Link- oder Zitatsammlung abgrenzen, gibt es keine allgemeinen Kriterienkataloge etwa für Biographien, wie sie in traditionellen Enzyklopädien gebräuchlich sind. Im Zweifel wird über den Einzelfall diskutiert. Empfindet ein Benutzer ein Thema als ungeeignet oder einen Artikel als dem Thema nicht angemessen, kann er einen so genannten Löschantrag stellen, der im folgenden diskutiert wird.
Neutraler Standpunkt
In Wikipedia arbeiten Autoren mit unterschiedlichstem politischen, religiösen und weltanschaulichen Hintergrund mit, die offene Enzyklopädie schließt von vorneherein niemand aufgrund seiner Einstellungen aus. Um dabei unwillkürlich aufkommende Kämpfe um Artikel zu verhindern bzw. einen Ausweg daraus zu schaffen, hat Gründer Jimbo Wales die Richtlinie des neutralen Standpunkts (NPOV, von englisch neutral point of view) aufgestellt. Nach dieser sollen Artikel so geschrieben sein, dass sowohl Gegner als auch Befürworter ihnen zustimmen können. Existieren zu einem Thema mehrere verschiedene Ansichten, so soll ein Artikel diese fair beschreiben, aber nicht selbst Position beziehen. Der neutrale Standpunkt verlangt jedoch nicht, dass alle Ansichten gleichwertig präsentiert werden müssen: Die wissenschaftlich plausiblere Ansicht kann etwa an erster Stelle genannt werden (siehe auch: Ockhams Rasiermesser). Wie die Eignung einzelner Artikel für eine Enzyklopädie wird auch die Einhaltung des neutralen Standpunkts durch den sozialen Prozess gewährleistet und gerade bei kontroversen Themen oft nur in mühevollen Diskussionen erreicht.
Urheberrecht und Freiheit der Inhalte
Alle Mitarbeiter der Wikipedia erklären sich mit dem Einstellen oder Bearbeiten von Artikeln damit einverstanden, von ihnen beigetragene Inhalte unter der GFDL zu veröffentlichen. Diese Lizenz erlaubt es anderen, die Inhalte nach Belieben zu ändern und auch kommerziell zu verbreiten, sofern die Bedingungen der Lizenz eingehalten werden und die Inhalte wieder unter der gleichen Lizenz veröffentlich werden. Die Lizenz macht es damit unmöglich, Wikipedia-Artikel und auf diesen basierende Texte unter Berufung auf das Urheberrecht exklusiv zu verwerten (Copyleft-Prinzip).
Für viele Autoren ist dieses aus der Freie Software-Bewegung bekannte Prinzip ein wesentlicher Grund, bei der Wikipedia mitzuarbeiten. Einige engagierte Autoren, die nicht anonym arbeiten, motiviert es jedoch auch, als Hauptautor von Artikeln bei weiteren Veröffentlichung der Werke außerhalb der Wikipedia namentlich genannt zu werden, was ebenfalls eine der Bedingungen der Lizenz ist.
Respektvoller Umgang
Auch wenn diese Richtlinie als unnötig angesehen werden kann, da der respektvolle Umgang mit anderen Menschen als Selbstverständlichkeit gelten sollte, zeigt die Realität doch, dass diese Richtlinie ihre Existenzberechtigung hat. Besonders die Offenheit des Projektes und der damit verbundene unkontrollierte Zustrom neuer Autoren, die rein schriftliche Kommunikation sowie die unterschiedliche soziale und kulturelle Herkunft der aktiven Benutzer machen es notwendig, sich von Zeit zu Zeit an diese Richtlinie zu erinnern.
Organisation
Sowohl die Interpretation der oben aufgeführten Grundsätze als auch weitere Vorgaben werden von der Gemeinschaft der Autoren festgelegt und beruhen vor allem auf sozialen Protokollen. Der Betreiber des Projekts, die Wikimedia Foundation, mischt sich in aller Regel nicht in diesen Prozess ein und vertraut stattdessen auf die Selbstorganisation der Gemeinschaft.
Aufbau der Wikipedia
Organisatorisch gliedert sich die Wikipedia in drei Bereiche, durch Präfixe im Seitennamen unterschiedene so genannte Namensräume: die eigentliche Enzyklopädie mit den angeschlossenen Diskussionsseiten, wo an den Artikeln gearbeitet wird, den Benutzernamensraum, in dem jeder Autor eine persönliche Seite erhält, auf der er sich vorstellen kann, und eine Nachrichtenseite, auf der andere mit ihm Kontakt aufnehmen können, und dem Wikipedia-Namensraum zur Verwaltung des Projekts.
Im Wikipedia-Namensraum finden sich Einführungstexte und das Software-Handbuch, Stilregeln und Formatkonventionen. Dort entscheidet die Autorengemeinschaft, welche Artikel gelöscht werden, kürt in einem Review-Prozess besonders gute Beiträge zu exzellenten Artikeln, die auf der Hauptseite vorgestellt werden, und wählt Administratoren, die erweiterte Software-Funktionen erhalten.
Entscheidungsfindung und Organisationsstruktur
Die Einflussstruktur der Wikipedia ist komplex und erschließt sich in der Regel erst nach längerer aktiver Teilnahme am Projekt. Sie vereint Züge von Anarchie, Meritokratie, Demokratie, Monarchie und Technokratie. Der anarchische Charakter folgt aus dem Wiki-Prinzip, nach dem jeder, auch anonym, Seiten ändern kann. Soziale Konventionen und größtenteils informelle Organisationsprozesse erhalten eine interne Organisationsstruktur aufrecht. Angemeldete Teilnehmer können sich mit ihren Beiträgen in der Community einen Ruf und Vertrauen erwerben. Neben der Überzeugungskraft ihrer Argumente bemisst sich danach auch der Einfluss, den Teilnehmer auf laufende Diskussionen haben.
Formalisiert wird der Prozess durch die Ernennung von Administratoren. Besonders engagierte Teilnehmer wählt oder bestimmt die Autorengemeinschaft zu Administratoren mit erweiterten Rechten. Bei Entscheidungen über Regeln wird in Wikipedia traditionell versucht, einen Konsens zu finden. Praktisch ist ein echter Konsens bei der Vielzahl der Mitarbeiter kaum möglich. Regeln, die über eine ausreichende Legitimität verfügen sollen, müssen von einer großen qualifizierten Mehrheit der Benutzer getragen werden. Die meisten Regeln und Prozesse etablieren sich so in der Praxis dadurch, dass viele Teilnehmer einen Vorschlag aufgreifen und anwenden. Andere Entscheidungen werden in Meinungsbildern getroffen, die zwischen Diskussion und Abstimmung anzusiedeln sind.
Die Entwicklung der Software, etwa den Einbau neuer Features, bestimmt das von der Community unabhängige Team der Programmierer, das sich aber an den Wünschen der Nutzer orientiert. Den größten persönlichen Einfluß – vor allem in der englischen Wikipedia, aber auch in manch anderen Sprachversionen – hat der Gründer Jimbo Wales, der in seiner Rolle als "Benevolent dictator" lange Zeit Konflikte in der Community als oberste Autorität schlichtete. Einen Teil seiner Aufgaben übertrug er Anfang 2004 in der englischen Wikipedia an ein von den Teilnehmern gewähltes "Arbitration committee". Eine diesem Schiedsgericht vergleichbare Institution in anderen Sprachversionen existiert bis jetzt nur in der französischen Wikipedia. Die Oberhoheit über Wikipedia hat schließlich die Wikimedia Foundation als Betreiberorganisation und Finanzier.
Internationale Zusammenarbeit
Obwohl anfangs nicht geplant, entwickelte sich Wikipedia zu einem mehrsprachigen Projekt. Sobald sich genug Interessierte finden, wird für eine Sprache ein Wiki angelegt. Über die Grenzziehung zwischen Sprache und Dialekt entstehen in der Community oft heftige Kontroversen.
Die Artikel der durch Interwiki-Links miteinander verknüpften Sprachversionen sind selten übersetzt, sondern entstehen meist separat. Bedingt durch die Sprachbarriere, besteht zwischen den Sprachen in der Regel wenig Austausch, die Communities organisieren und entwickeln sich unabhängig voneinander. Einzelne Projekte wie die „Übersetzung der Woche“ versuchen diese Barriere zu überwinden und für mehr Austausch zu sorgen. Besonders die Gründung von Wikimedia Commons sorgte für einen Aufschwung in der internationalen Zusammenarbeit. Auf den mehrsprachig angelegten Commons arbeiten Wikipedia-Teilnehmer aus allen Sprachversionen am Aufbau eines zentralen Medien-Repository.
Kritik und Probleme
Qualität und Verlässlichkeit der Inhalte
Der am häufigsten angeführte Kritikpunkt an der Wikipedia ist, dass jeder Internetnutzer Artikel verändern kann. Während herkömmliche Enzyklopädien mit bezahlten Experten und redaktioneller Kontrolle für die Einhaltung von Qualitätsstandards bürgen, bietet Wikipedia keine Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit ihrer Artikel.
Die Betreiber der Wikipedia stellen sich auf den Standpunkt, dass aufgrund der Einfachheit, Änderungen vorzunehmen, die Hemmschwelle sinkt, Fehler zu korrigieren. Nach ihrer Ansicht reifen die Artikel somit, da Fehler nach einiger Zeit gefunden und behoben werden.
Durch die Fähigkeit der Software, zu jedem Artikel dessen Versionsgeschichte aufzurufen und Querverweisen zu folgen, können Leser und Autoren den Werdegang eines Artikels verfolgen und sich damit ein umfassenderes Bild machen. Ebenso kann zu jedem Artikel eine Diskussionsseite abgerufen werden, die nicht in den Artikeltext gehörende Anmerkungen enthält. Die Annahme der Betreiber von Wikipedia ist, dass Leser das Gelesene hinterfragen und diese Angebote annehmen.
Anders als in herkömmlichen Enzyklopädien sagen Länge und Umfang eines Artikels in Wikipedia nichts über seine Bedeutung aus. Während viele Pop-Kultur- oder Computer-Themen in aller Breite dargestellt sind, kann es passieren, dass Wikipedia zu einem zentralen Begriff der Philosophie nur einen mageren, extrem kurzen Eintrag enthält.
Ein weiteres Problem stellen Interessengruppen dar, die versuchen, Artikelinhalte in eine bestimmte Richtung zu beeinflussen. Artikel zu umstrittenen Themen wie Sekten oder obskuren esoterischen Theorien entsprechen deshalb oft nicht dem Neutralitätsgrundsatz. Um besonders umstrittene Artikel zu schützen ist es jedoch auch möglich, diese vorübergehend für Bearbeitungen zu sperren.
Urheberrechtsverletzungen
Die offene Natur eines Wiki bietet zunächst keinen Schutz gegen Urheberrechts- und andere Rechtsverletzungen. Ergibt sich ein Verdacht, so prüfen aktive Nutzer deshalb neue Artikel darauf, ob sie von anderen Websites kopiert wurden. Wenn sich der Verdacht bestätigt, werden diese von den Administratoren nach einer Einspruchsfrist gelöscht. Hundertprozentige Sicherheit bietet dieses Verfahren jedoch nicht.
Wikipedia im Vergleich zu anderen Enzyklopädien
Der erste groß angelegte Vergleich der deutschen Wikipedia mit etablierten Nachschlagewerken Microsoft Encarta Professional 2005 und Brockhaus multimedial 2005 Premium erschien im Oktober 2004 in der Computer-Fachzeitschrift c't (Ausgabe 21/04). Wikipedia erzielte dort im Inhaltstest die höchste durchschnittliche Gesamtpunktzahl, in der Kategorie Multimedia schnitt die freie Enzyklopädie dagegen schlecht ab, ähnliche Wertungen erzielte die deutsche Wikipedia kurz darauf in einem Enzyklopädievergleich der Wochenzeitung Die Zeit. Beide Tests basierten auf einer kleinen Stichprobe von insgesamt 60 bis 70 Artikeln aus verschiedenen Themengebieten. Wissenschaftliche Vergleichsstudien oder Vergleiche der anderen Sprachversionen, etwa der englischen Wikipedia mit der Encyclopædia Britannica, existieren bislang nicht.
Verbreitung der Wikipedia-Inhalte
Zahlreiche Websites nehmen das Angebot der freien Lizenz wahr und spiegeln Wikipedia-Inhalte, einige verdienen dabei an der Einblendung von Anzeigen. Daneben entstanden auch mehrere Versionen für PDA. In der Verbreitung offline spielte die deutschsprachige Wikipedia eine Vorreiterrolle. Mehrere deutsche Wikipedianer stelllten WikiReader zusammen, Artikelsammlungen zu einem Thema, von denen einige in kleinen Auflagen auch gedruckt erschienen. Im Herbst 2004 veröffentlichte der Berliner Verlag Directmedia in Zusammenarbeit mit der Wikipedia-Community eine CD-Version der Wikipedia, im Frühjahr 2005 folgte eine DVD-Ausgabe, die beide gemäß den Lizenzbestimmungen auch frei im Netz zum Download bereitgestellt wurden.
Wissenschaftliche Analyse
Der Erfolg des offenen Enzyklopädiekonzepts weckte das Interesse vieler Forscher; einen Überblick publizierter Arbeiten gibt die unten verlinkte Bibliographie. Im Projekt Historyflow analysierte und visualisierte ein Forscherteam von IBM 2003 die Evolution von Artikeln. Martin Wattenberg und Fernanda B. Viégas stellten dabei fest, dass die Community Vandalismus erstaunlich schnell, manchmal schon nach drei Minuten, beseitigte.
Zur Sozialstruktur der Wikipedia-Autoren existieren noch wenig Untersuchungen. Eine Umfrage Würzburger Psychologen ergab einen hohen Männeranteil (88%) und etwa 50% Singles. 43% der Befragten arbeiten Vollzeit. Eine große Gruppe bilden Studenten. Zu ihrer Motivation befragt, bewerteten über 80% die Erweiterung des eigenen Wissens als wichtig bis sehr wichtig.
In einer Analyse des Partizipationsverhaltens angemeldeter Teilnehmer stellte Jimbo Wales fest, dass die Hälfte aller Beiträge von gerade einmal 2,5% der Nutzer stammte. Wales stützte damit seine These von der Wikipedia als "community of thoughtful users", die er einer Beschreibung der Wikipedia als emergentem Phänomen gegenüberstellte, in dem sich aus den Beiträgen einer Vielzahl anonymer Internetnutzer eher spontan eine Enzyklopädie herausbilde.
Schwesterprojekte
Da sich die Wikipedia selbst auf enzyklopädische Artikel beschränkt, sind inzwischen Ableger entstanden, die sich anderer Textsorten annehmen. Ein wichtiger Ableger ist Wiktionary, ein Projekt, das das Wiki-Konzept auf Wörterbücher anwendet. Im Juli 2003 wurde mit dem Ziel, freie Lehrbücher zu erstellen, das Wikibooks-Projekt begonnen. Das Projekt Wikiquote sammelt Zitate, Wikisource ist eine Sammlung freier Originalquellen. Aus der Community entwickelte sich im Frühjahr 2004 auch ein satirischer Ableger der Wikipedia, die Kamelopedia.
Seit September 2004 gibt es mit den Wikimedia Commons ein Projekt, das Bilder und andere Medien für alle Wikimedia-Projekte gemeinsam zugänglich macht. Ein weiteres Schwesterprojekt, Wikinews, das sich dem Aufbau einer freien Nachrichtenquelle widmet, wurde Anfang November 2004 ins Leben gerufen. Bis auf die Kamelopedia werden alle diese Projekte von der Wikimedia Foundation betrieben.
Technik
Anfangs verwendete Wikipedia als Software das in Perl geschriebene UseModWiki, das sich jedoch bald den Anforderungen nicht gewachsen zeigte. Im Januar 2002 stellte Wikipedia auf eine vom deutschen Biologen Magnus Manske geschriebene, MySQL-basierte PHP-Applikation (Phase II) um, die speziell an die Bedürfnisse der Wikipedia angepasst war. Nachdem das Projekt sich über ein Jahr die Resourcen mit dem Webangebot von Bomis geteilt hatte, zog die englische Wikipedia, später auch die anderen Sprachversionen, im Juli 2002 auf einen eigenen Server mit einer von Lee Daniel Crocker überarbeiteten und teils neugeschriebenen Version von Manskes Software (Phase III) um. Diese erhielt später den Namen MediaWiki.
Mit steigenden Zugriffszahlen erhöhten sich die Anforderungen an die Hardware. Waren es im Dezember 2003 noch drei Server, sind zum Betrieb der Wikipedia und ihrer Schwesterprojekte im Mai 2005 mittlerweile über 70 Server in Florida und Frankreich im Einsatz, die von einem Team ehrenamtlicher Administratoren betreut werden. Das Prinzip, die Server nach berühmten Enzyklopädisten zu benennen, wurde 2005 aufgegeben.
Als Betriebssystem werden verschiedene Linux-Distributionen, überwiegend Fedora, mit der Server-Software Apache, PHP und der Datenbank MySQL eingesetzt. Vorgeschaltete Squid-Caches versorgen nicht angemeldete Besucher, die nur lesen wollen, mit vorgenerierten Seiten. Die MySQL-Datenbank läuft auf mehreren Servern mit Replikation im Master-Slave-Betrieb.
Regelmäßig kommt es zu Kapazitätsengpässen, die dazu führen, dass Seiten nur sehr langsam oder gar nicht geladen werden.
Mehrere Unternehmen und Organisationen boten der Wikimedia Foundation ihre Unterstützung an. Im April 2005 erklärte sich der Suchmaschinenbetreiber Yahoo! bereit, 23 Server in seinem Rechenzentrum in Asien für den Betrieb der Wikipedia abzustellen. Mit Google steht die Wikimedia Foundation ebenfalls in Verhandlungen.
Weblinks
- Internationales Wikipedia-Portal – Übersicht über die verschiedenen Wikipedia-Ausgaben
- Statistiken zu Wikipedia
- Bibliographie zu Wikipedia
- Larry Sanger: "The Early History of Nupedia and Wikipedia: A Memoir."
- Project Historyflow. Untersuchung zur Evolution von Wikipedia-Artikeln
- Geschichte der Wikipedia