Wannseekonferenz

Konferenz von NS-Funktionären 1942 zur Organisation des Holocausts
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Auf der am 20. Januar 1942 im Gästehaus des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD am Berliner Wannsee streng geheim abgehaltenen Konferenz besprachen fünfzehn hochrangige Vertreter der SS, des Reichssicherheitshauptamtes, der NSDAP und verschiedener Ministerien die Kooperation bei der geplanten Deportation und Ermordung der europäischen Juden ("Endlösung der Judenfrage").

Blick von der Wannseebrücke auf den Wannsee

Die heute als Wannseekonferenz bezeichnete Besprechung wurde von Reinhard Heydrich, dem Chef des Reichssicherheitshauptamtes geleitet. Dieser wurde bereits am 31. Juli 1941 auf Anregung Adolf Hitlers von Hermann Göring in dieser Angelegenheit mit der Ausarbeitung eines "Gesamtentwurfes" beauftragt. Adolf Eichmann schrieb als Leiter des Gestapo-Referats IV B 4 "Judenangelegenheiten, Räumungsangelegenheiten" alle Einladungen, lieferte Heydrich die Vorlagen und fertigte schließlich das Protokoll an, das 1947 in den Akten des Auswärtigen Amtes gefunden wurde. Es dokumentiert mit erschreckender Deutlichkeit den Plan zur rationalisierten Ermordung aller europäischen Juden und die effektive Beteiligung des nationalsozialistischen Staatsapparates an diesem industrialisierten Völkermord. Die Wannseekonferenz war allerdings nur ein bürokratischer Beschluss, da die "Endlösung" längst in Angriff genommen wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten Heydrichs Einsatzgruppen bereits an die 370.000 Juden durch Erschießungsaktionen in den deutsch besetzten Ostgebieten ermordet.

Dr. Josef Bühler drängte Heydrich auf der Wannseekonferenz, die Aktionen im Generalgouvernement zu beginnen, weil er hier keine Transportprobleme sähe und »die Judenfrage in diesem Gebiete so schnell wie möglich zu lösen« wünschte.

Der "Endlösung", dem größten geplanten und ersten industriellen Massenmord der Geschichte, fielen bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges rund sechs Millionen Juden - Jude hier im Sinne der nationalsozialistischen Rassenideologie verstanden - zum Opfer.

Teilnehmer

SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich (Reichssicherheitshauptamt, Stellvertretender Reichsprotektor in Böhmen und Mähren)
Gauleiter Dr. Alfred Meyer (Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete)
Reichsamtsleiter Dr. Georg Leibbrandt (Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete)
Dr. Wilhelm Stuckart (Reichsministerium des Innern)
Dr. Erich Neumann (Beauftragter für den Vierjahresplan)
Dr. Roland Freisler (Reichsjustizministerium)
Dr. Josef Bühler (Amt des Generalgouverneurs in Krakau)
Dr. Martin Luther (Auswärtiges Amt)
SS-Oberführer Gerhard Klopfer (Parteikanzlei der NSDAP)
Ministerialdirektor Friedrich Wilhelm Kritzinger (Reichskanzlei)
SS-Gruppenführer Otto Hofmann (Rasse- und Siedlungshauptamt)
SS-Gruppenführer Heinrich Müller (Reichssicherheitshauptamt)
SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann (Reichssicherheitshauptamt)
SS-Oberführer Dr. Karl Eberhard Schöngarth (Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD im Generalgouvernemt)
SS-Sturmbannführer Dr. Rudolf Lange (Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für Lettland in Vertretung seines Befehlshabers)

Inhalte

In der Konferenz wurden folgende Inhalte erörtert und in einem Protokoll festgehalten:

  • Übertragung der Abwicklung auf die SS
  • freiwillige Sterilisation von "Mischlingen 1. Grades", die im Reich verbleiben wollen, ansonsten Behandlung als Jude gleichgestellt
  • Gleichstellung von "Mischlingen 2. Grades" mit "Deutschblütigen", die bei auffälligem jüdischem Aussehen oder bei schlechter polizeilicher und politischer Beurteilung wie Juden zu behandeln wären
  • Deportation der Juden als Zwangsarbeiter zu Arbeitseinsätzen im Osten (insb. Straßenbau), wobei "ein Großteil durch natürliche Verminderung ausfallen" werde
  • "entsprechende Behandlung" des "widerstandsfähigsten Teils", da dieser bei Freilassung als "Keimzelle eines neuen jüdischen Aufbaus" anzusprechen ist
  • Zwangsauflösung von Ehen zwischen Juden und Nichtjuden
  • "Überstellung" von über 65jährigen Juden, jüdischen Schwerkriegsbeschädigten und Trägern militärischer Auszeichnungen ab dem Eisernen Kreuz I. Klasse ins Ghetto des KZ Theresienstadt

Gedenk- und Bildungsstätte

In den Räumen der Villa wurde 1992 die Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz eröffnet. Im Erdgeschoss des Hauses informiert die Dauerausstellung "Die Wannsee-Konferenz und der Völkermord an den europäischen Juden" über den Prozess der Ausgrenzung, Verfolgung und Vertreibung der Juden zwischen 1933 und 1945 sowie über die während des Zweiten Weltkriegs von den Nationalsozialisten durchgeführte Ghettoisierung, Deportation und Ermordung der europäischen Juden im deutschen Einflussbereich.


Verfilmungen

Bereits zweimal war die Wannseekonferenz Thema eines Spielfilms:

* Die Wannseekonferenz (BRD 1984)

Die Darsteller:


* Die Wannseekonferenz (USA 2001) (US-Originaltitel: Conspiracy)

Die Darsteller:

In beiden Fällen wurde die Länge des Films der Länge der historischen Konferenz angepasst, und ist demnach 85 Minuten lang. Das Drehbuch beider Filme ist die zum größten Teil detailgetreue Rekonstruktion der bei der Konferenz geführten Dialoge.

Auch war die Wannseekonferenz in einer Szene der 4teiligen TV-Serie "Holocaust - Die Geschichte der Familie Weiß" zu sehen, allerdings mit nur 2 der 15 Teilnehmer (Heydrich und Eichmann).

Literatur

  • Mark Roseman: Die Wannsee-Konferenz. Wie die Bürokratie den Holocaust organisierte. Ullstein Verlag, München/Berlin 2002, ISBN 3548364039. - Übersetzung der englischen Originalausgabe The Villa, The Lake, The Meeting (Penguin Books, 2002). - Gut lesbare Übersichtsdarstellung, geschrieben zur Einführung für das angelsächsische Lesepublikum. Lesenswert auch ein kurzer Aufsatz im Anhang von Norbert Kampe: Überlieferungsgeschichte und Fälschungsvorwurf. Anmerkungen zum Faksimile-Anhang, in dem auf fehlerhafte vorherige Darstellungen kurz eingegangen wird, die Revisionisten für ihre Zwecke auszunutzen versuchten.
  • Christian Gerlach: Die Wannsee-Konferenz, das Schicksal der deutschen Juden und Hitlers politische Grundsatzentscheidung, alle Juden Europas zu ermorden. In: Christian Gerlach: Krieg, Ernährung Völkermord. Deutsche Vernichtungspolitik im Zweiten Weltkrieg, S. 79-152. Pendo, Zürich/München 2001, ISBN 358424048. - Erweiterte Fassung eines bahnbrechenden Aufsatzes, in dem Gerlach die endgültige Entscheidung zur Vernichtung aller europäischen Juden anhand einer internen Rede Hitlers auf den 12. Dezember 1941 datiert. (Siehe dazu etwa diese Rezension von Götz Aly.)
  • Johannes Tuchel: Am Großen Wannsee 56-58. Von der Villa Minoux zum Haus der Wannsee-Konferenz. Publikationen der Gedenkstätte Haus der Wannsee-Konferenz, Bd. 1, Edition Hentrich, Berlin 1992, ISBN 3894680261. - Sorgfältig gearbeitete Geschichte des Hauses.
  • Kurt Pätzold/Erika Schwarz: Tagesordnung: Judenmord. Die Wannsee-Konferenz am 20. Januar 1942. Eine Dokumentation zur Organisation der "Endlösung". Metropol-Verlag, Berlin 1992, ISBN 3926893125. - Fachwissenschaftlich gesehen, zum Teil überholt. Abdruck zahlreicher Dokumente, als kommentierte Edition nicht immer sorgfältig genug.

Siehe auch