Der Unternehmensstandort ist der Ort, an dem sich ein Unternehmen befindet. Entgegen einer häufig in der betriebswirtschaftlichen Literatur vertretenen Auffassung wird der Unternehmensstandort bei Unternehmensgründung selten aus rationalen Überlegungen heraus festgesetzt: Neue Unternehmen entstehen in der Regel dort, wo der oder die Gründer ansässig sind. In der Mehrzahl aller Fälle kommen betriebswirtschaftliche Überlegungen erst dann ins Spiel, wenn ein Unternehmen gewachsen ist und neue Standorte sucht. Standortplanung tritt also dann ein, wenn ein Unternehmen eine expansive Phase erreicht hat.
Allgemeines
Die Wahl eines Standortes ist von verschiedenen Einflussgrößen abhängig; hierzu zählt insbesondere die relative Nähe eines Marktes für die Produkte oder Dienstleistungen, die das Unternehmen herstellt oder anbietet. Für die Standortwahl "im Kleinen" (etwa der Straße, in der ein Friseurgeschäft gegründet wird) gilt diese Einflussgöße bereits bei der Gründung. Das Vorhandensein von Rohstoffen und Hilfsstoffen spielt heutzutage eine eher untergeordnete Rolle, die Verfügbarkeit von Arbeitskräften (Arbeitsmarkt), die Arbeitskosten, die Anbindung an Verkehrswege (insgesamt Infrastruktur) und steuerliche Überlegungen (Steuerpolitik) sind ausschlaggebender. Inwiefern ein Betrieb sich an oben genannten Größen orientiert ist von der Betriebsart (Branche) und vom Wirtschaftssektor abhängig. Die Standortwahl zählt somit, neben der Geschäftszweigwahl, zu den ersten unternehmerischen Entscheidungen.
Bedingt durch die Globalisierung verliert die räumliche Nähe zwischen Unternehmensstandort (Zentrale) dem Fertigungsstandort und einem Vertriebsbüro an Bedeutung. Auf Grund schnellerer Transportmöglichkeit und sinkenden Kosten sind Entfernungen relativ. Das Bedeutet das es trotzdem noch, in Abhängig der benötigten Waren oder Dienstleistungen, eine maximale Entfernung gibt, ab der die Transport- bzw. Reisekosten die Ersparnis überschreiten. Erst wenn diese maximale Entfernung den Erdumfang überschreitet, besitzt ein Unternehmen faktisch absolute Freiheit bei der Standortwahl.
In der Standortforschung wird die Frage nach dem optimalen Standort eines Betriebes untersucht (siehe hierzu auch Standorttheorien).
Standortkriterien
Im folgenden werden einzelne Faktoren erläutert. Da es für viele Branchen spezifiesche Faktoren gibt, ist diese Aufzählung auf keinen Fall vollständig.
Infrastruktur
Eine sehr gute verkehrstechnische Anbindung eines Unternehmens ist in jedem Fall wünschenwert. Es besteht dabei aber ein Zielkonflikt, da Gebäude und Flächen, die sich in einer gut erschloßenen Lage befinden, auch gleichzeitig teurer zu mieten oder kaufen sind. Beispielsweise sind Büroflächen in unmittelbarer Nachbarschaft eines Fernbahnhofs in jedem Fall teuerer, als solche, die abseits großer Verkehrswege liegen.
Im industriellen Bereich sind auf Grund der globalen Produktionsverkettung gut erschloßene Frachtflughäfen ein positer Unternehmensstandortfaktor, sofern er für die Beschaffung oder Absetzung der Waren eine Rolle spielt. Ähnliches betrifft Güterbahnhöfe oder Häfen. Welche Form der Infrastruktur bzw. welche Kombination der Anlagen benötigt wird, hängt stark von der Art der Wertschöpfungskette des Unternehmens ab.
Clustering
Ein immer bedeutender Faktor für den Ort einer Unternehmung oder Unternehmensanlage wird die Integration in Cluster sein. Cluster versuchen dort wo die Wertschöpfungskette auf mehrere Unternehmen (daher eine Kette von Zulieferern und einen Endprodukthersteller) verteilt ist, Synergieeffekte zu schaffen. In Cluster wird z.B. versucht, die Produktentwicklung zusammen mit Zulieferern optimal zu gestalten. Ein Cluster gibt jungen und neuen Zulieferunternehmen langfristige Sicherheit. Er ist in die Unternehmensplanung eingesetzt und erhöht die Bonität des Unternehmens.
Arbeitsmarkt
Ebenfalls bedeutend für ein Unternehmen ist selbstverständlich das Vorhandensein von möglichen Arbeitnehmern, ohne die ein Unternehmen nicht wirken kann. Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass eine hohe Arbeitslosigkeit in einer Region die Löhne senkt, die ein Unternehmen zahlen muss.
Ein anderer wesentlicher Faktor des Arbeitsmarkt ist der Grad der Ausbildung. Ob ein Unternehmen mehr Wert auf akademisch ausgebildete Arbeitsnehmer legt, oder den möglichst niedrigsten Lohn an einem Standort zahlen möchte, hängt wieder stark von der Wertschöpfungskette am Standort ab. Wie bei der Infrastruktur ergibt sich an dieser Stelle ein Zielkonflikt.
Prestige
Einige Standorte haben im Wesentlichen einen bedeutenden Prestigewert. Zum Beispiel ist es für global wirkende Banken unerlässlich in Frankfurt am Main oder New York eine Niederlassung zu führen, auch wenn diese auf Grund von hohen Mieten und Unterhaltungkosten nicht gewinnbringend arbeitet.
Ökologie
Eine intakte Umwelt spielt im Allgemeinen wichtiger, je höher die Angestellten eines Unternehmens ausgebildet sind. Luft- und Wasserverschmutzung wirkt sehr demotivierend auf die Mitarbeiter, insbesondere wenn das Unternehmen eine Teilschuld daran trägt.
Einige Branchen, wie die Biotechnologie oder die Mikroelektronik, legen hohen Wert auf eine saubere Luft, weil stark belastete Luft die Kosten für die Luftreinigung der Reinräume erhöht.
Nähe zum Absatzmarkt
In der modernen (marktorientierten) Betriebswirtschaftlehre setzt sich wieder durch, dass es nicht im jeden Fall sinnvoll ist, durch neue Unternehmensstandorte in anderen Regionen, Produktionen zu verlagern (Stichwort Offshoring). Stellt man durch kurzfristig günstigere Standorte in anderen Ländern, die Produktion am Hauptabsatzmarkt ein, kann es durchaus passieren, dass das Unternehmen einen Absatzeinbruch erlebt. Es schadet der Außenwirkung eines Unternehmens, wenn an seinem Hauptmarkt nicht als vollwertiger Bestandteil des Wirtschaftskreislauf empfunden wird. Langfristig muss daher ein Unternehmensstandort in einem lohnkostengünstigeren Land nicht unbedingt die optimalste Lösung sein.
In der Diskussion um den Standort Deutschland spielt das keine unwesentliche Rolle. Es sind nicht unbedingt die Lohnkosten in Deutschland zu hoch, sondern im Grunde genommen bei vielen exportorientierten Unternehmen die Kunden an anderer Stelle. Volkswirtschaftlich stellt dieser Verlust des Standortwerts die Kosten für den Exportüberschuss eines Landes dar.
Staat
Der Staat ist ebenfalls ein nicht zu vernachlässigender Standortfaktor. In wie fern er einen Unternehmensstandort direkt oder indirekt (Steuerersparnis) subventioniert, ist häufig sogar der ausschlaggebendste Grund für eine Standortentscheidung. Ebenfalls wichtig ist, dass der Staat eine die Sicherheit garantieren kann die das Fortbestehen des Standorts gewährleistet. Dazu gehört das Erhalten einer inneren Ordnung oder auch die Korruptionsbekämpfung.
Klima
Eines der Kriterien für einen geeigneten Standort ist das Klima. Es spielt aber nicht gleichermassen für alle Unternehmensformen eine Rolle. Insbesondere für Unternehmen, die an landwirtschaftlich Produktionen angeschloßen sind, oder selbst Agrarunternehmen sind, spielt Klime eine Hauptrolle. Siehe hierzu folgende Tabelle:
Klimagröße | Günstig für |
---|---|
Niedrige Lufttemperatur | Schokoladenfabriken, Pharmazeutische Industrie,
Brauereien, Käsereien, Lagerräume für Nahrungsmittel, Bier, Weine |
Luftfeuchtigkeit hoch | Woll- und Baumwollspinnereien und -webereien, Käsereien |
Luftfeuchtigkeit niedrig | Schokoladen-, Süßwaren-, Teigwarenfabriken, betriebe der feinmechanisch-optischen und elektrotechnischen Industrie, Maschinenbau, Pelzwarenherstellung |
Luftreinheit hoch | Filmfabriken, Chemisch-pharmazeutische Betriebe, Luftverflüssigungsanlagen, Betriebe zur Herstellung von Nahrungs- und Genussmitteln, hochwertigen Papieren, elektronischen Bauelementen und feinmechanisch-optischen Präzisionsgeräten |
starke Luftbewegung | Viskosefaserstoff-, Zellstoff-, Farbenfabrikation; Betriebe der chemischen Industrie, Molkereien, Käsereien, Bonbonkochereien |
Nebelfreiheit | Schokoladen- und Süßwarenindustrie, Filmfabriken und chemische Industrie |
Extreme Schwankungen des Klimas |
für alle Industriezweige eher ungünstig |
Stark geneigtes Terrain | für alle Industriezweige eher ungünstig |
Spezifiesche Beispiele
- Thermisches Kraftwerk: ebener hochwassersicherer Platz an einem Fluß mit möglichst günstiger Anbindung an das Hochspannungsnetz. Anbindung an das Bahnnetz ist fast immer nötig.
- Wasserkraftwerk: Standort an einem Fluß mit starkem Gefälle. Standortkriterien schärfer als bei thermischem Kraftwerk
- Elektroden für Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung. Gebiet hoher Bodenleitfähigkeit. Möglichst weit weg von Kabeln und Rohrleitungen (Streustromkorrosion)
- Sendeanlage für UKW: optimaler Standort hoher Berg vor einer Ebene. Der Senderstandort Wendelstein ist in dieser Hinsicht optimal
- Sendeanlage für VLF, LW und MW: Standort in einem Gebiet hoher Bodenleitfähigkeit, zum Beispiel in einer Flußniederung einem ehemaligen Moor oder am Meer. Der Sendestandort Soelvesborg für den MW-Sender des schwedischen Auslandsdienstes ist unter diesen Aspekten optimal gewählt
- Raketenstartplatz: möglichst freie Schußbahn über unbewohntes Gebiet, meistens große Wasserflächen. Für Satellitenstarts ist ein Standort am Äquator mit freier Schußrichtung in östlicher Richtung optimal