Rasse

Bezeichnung für eine Gruppe von Individuen
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Rasse ist ein abstrakter Ordnungsbegriff, vergleichbar mit der Klasse in der Logik oder der Sorte im umgangssprachlichen Sinne. Er dient als unspezifischer Sammelbegriff für eine Zusammenfassung von Lebewesen, sowie zu deren Ordnung und Bewertung. Sinn bzw. konkrete Bedeutung erhält er erst innerhalb eines bestimmten Kontexts oder durch eine Einzelwissenschaft, in der er benutzt wird.

Etymologie und Begriffsgeschichte

Der Begriff Rasse geht vermutlich auf romanische Sprachen zurück. Belegt ist es im 16. und 17. Jahrhundert in den Schreibweisen razza und raza, abgeleitet von ital. razza. Im 18. Jahrhundert bis etwa 1900 ist die Schreibweise race üblich, abgeleitet von franz. race mit der weiten Bedeutung von „Geschlecht, Stamm, Abstammung, Nachkommenschaft, Gattung, Sorte, Art (von Menschen und Tieren), also für eine Gruppe von Individuen mit bestimmten gemeinsamen Eigenschaften.“[1]

Die Wurzeln von franz. race lassen sich im Italienischen in den Schreibweisen razzo und razza für „Geschlecht“ bis in das 13./14. Jahrhundert zurückverfolgen und sind möglicherweise im mittellateinischen Wort rassa für „Abmachung unter den Angehörigen eines Berufes, einer Familie“ zu finden.

Eine alternative Herleitung des Wortes Rasse führt nach Spanien und wird als Hispanisierung des arabischen Ra´s (Kopf, Ursprung) zu raza gedeutet.[2] Ursprünglich bezeichneten die Spanier damit Menschen aristokratischer Abstammung oder „edlen Blutes“.

Im 17. Jahrhundert benutzte der französische Forscher François Bernier den Begriff noch synonym zu „espèce“ (Art). Er gilt als der erste Forscher, der den Begriff im Rahmen einer anthropologischen Taxonomie zum Zwecke der Klassifikation von Menschen angewandt hatte.[3]

In der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde Rasse als „ein naturgeschichtlicher Ordnungsbegriff zur Bezeichnung einer Tier- beziehungsweise Pflanzengruppe mit übereinstimmenden typischen (vererbbaren) Merkmalen des äußeren Erscheinungsbildes“ verwendet, oft im eingeschränkten Sinne eines durch Züchtung gewonnenen „edlen Geschlechts mit ausgeprägten, hervorragenden Eigenschaften“.[1]

In der heutigen Umgangssprache wird „Rasse“ auch in (bestimmte Einschätzungen ausdrückenden) Verbindungen wie „Rasse haben“ oder „rassig sein“ verwendet.

Zuchtwesen

Hauptartikel: Rasse (Züchtung)

Im Zuchtwesen wird der Begriff Rasse bei Haustieren zur Differenzierung innerhalb einer Art verwendet.

Biologie

Hauptartikel: Unterart und Rasse (Botanik)

Der Terminus „Rasse“ gelangte aus der Tierzucht in die frühe Biologie. Dort wurde er dann lange Zeit zur Klassifizierung und Einordnung von Organismen, auf verschiedenen taxonomischen Ebenen auf oder unterhalb des Artniveaus, verwendet. Die Definition und Verwendung der „Rasse“ erfolgte uneinheitlich, was eine Vielzahl unterschiedlicher Typen von Rassen zur Folge hatte, die weder gegeneinander noch klar gegen höhere oder niedere Taxa abgrenzbar waren. Zusätzlich erschwert wurde die Situation dadurch, dass man Rassen als Arten niederen taxonomischen Ranges begriff und sie entsprechend des damals vorherrschenden Artkonzepts völlig typologisch definierte und behandelte, was viel Spielraum für Willkür und subjektive Einschätzung ließ. Lediglich die „geographische Rasse“ erlangte eine gewisse Bedeutung, als Vorläufer der Unterart.

Heute spielt der Begriff „Rasse“ in der Biologie keine Rolle mehr, und ist weitgehend dem der „Unterart“ gewichen, der deutlich präziser definiert ist; die einzige Ausnahme bildet die Zuchtlehre. Darin wird er zur infrasubspezifischen Klassifikation von Haustieren verwendet, die eine Sonderstellung in der biologischen Systematik einnehmen und in ihrer Gesamtheit zu einer Unterart der jeweiligen Stammart zusammengefasst werden. In aktueller Literatur tauchen „Rassen“ kaum noch auf, und wenn doch, dann fälschlicherweise als Synonym für Unterart oder Varietät, oder sie bezeichnen mehr oder weniger willkürliche Zusammenfassungen phänotypisch ähnlicher Individuen einer Art deren taxonomischer Rang unklar ist, bzw. Populationen und Teilpopulationen ohne eigenen taxonomischen Rang. Andere Verwendungen, z. B. im Sinne von „Art“ oder „Gattung“ sind historisch.

Im Gegensatz zur biologischen Art sind weder Rassen noch Unterarten objektivierbar. Es handelt sich dabei um Kategorien des Denkens und nicht etwa um reale Naturkörper oder Einheiten der Evolution. Wie der Evolutionsbiologe Ernst Mayr betont, basieren alle rassistischen Theorien darauf, Rassen nicht als Abstraktion sondern als Realität aufzufassen.[4]

Klassifizierung und Bewertung des Menschen

Hauptartikel: Rassentheorie, Rassenideologie und Rassismus

In verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Milieus und zu verschiedenen Zeiten erfuhr der Begriff „Rasse“ jeweils unterschiedliche Verwendungen bei Versuchen zur Gruppierung oder Klassifizierung des Menschen. Rassekonzepte dienten oft zur Ab- und Aufwertung von Bevölkerungsgruppen. Unter anderem wurden in Anthropologie, Ethnologie und Soziologie auf den Menschen bezogene Rassekonzepte entwickelt. Diese lassen sich nicht immer von früher in der Zoologie benutzten Begriffsverwendungen abgrenzen.

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde Rasse als anthropologischer Begriff auf Menschen im Sinne einer „Menschenart mit gemeinsamen körperlichen Merkmalen“[5] übertragen und „im 19. Jahrhundert vielfach mit Volk gleichgesetzt“.[1] Zur selben Zeit wurden in Europa auf der Grundlage von Rassenbegriffen die ersten ethnologischen und anthropologischen Rassentheorien mit dem Anspruch auf Wissenschaftlichkeit aufgebaut. Diese Aneignung des Begriffs durch die seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vielfach als „pseudowissenschaftlich“ bezeichnete Rassenforschung (in Frankreich 1855 beginnend mit Gobineau,[6] in Deutschland mit dem Antisemitismus seit etwa 1880) hatte zur Folge, dass der Nationalsozialismus, „zu dessen zentralem Kampfbegriff sich Rasse entwickelte“, den Begriff „für seine Zwecke wohlpräpariert“ vorfand.“[5]

Einzelnachweise

  1. a b c Wolfgang Pfeifer (Hrsg.): Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. dtv, München 1995, S. 1084–1085, ISBN 3-423-03358-4.
  2. Nabil Osman: Kleines Lexikon deutscher Wörter arabischer Herkunf. C.H.Beck, 6. Aufl., München 2002, ISBN 3-406-47584-1.
  3. Imanuel Geiss: Geschichte des Rassismus. Frankfurt am Main, Suhrkamp 1993, S. 16–17, ISBN 3-518-11530-8.
  4. Ernst Mayr: Evolution und die Vielfalt des Lebens, Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg / New York 1979, vgl. S. 36f, ISBN 3-540-09068-1
  5. a b Hermann Paul: Deutsches Wörterbuch. 9., vollständig neu bearbeitete Auflage von Helmut Henne und Georg Objartel unter Mitarbeit von Heidrun Kämper-Jensen, Tübingen 1992, S. 678, ISBN 3-484-10679-4.
  6. Essai sur l’inégalité des races humaines („Versuch über die Ungleichheit der Menschenrasse“)