Harnwegsinfekt

Infektionskrankheit
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Klassifikation nach ICD-10
N39 Harnwegsinfekt
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ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Unter einem Harnwegsinfekt versteht man eine durch Krankheitserreger verursachte Infektion der ableitenden Harnwege. Die Infektion kann sich dabei bis in die Nieren und Blutbahn ausbreiten und infolgedessen zu bedrohlichen Krankheitsbildern führen. Ziel der Behandlung ist die Ausschaltung des Erregers mit Antibiotika. Dabei kommen nach dem Risikopotential des Patienten verschiedene Medikamente zur Anwendung.

Verbreitung

Die Anzahl der Neuerkrankungen in einem Jahr (Inzidenz) liegt bei Frauen im jüngeren Alter bei rund 5 %. Sie steigt im Alter auf rund 20 % an. Während bei jüngeren Männern Harnwegsinfekte eher selten sind, gleicht sich ihr Risiko bei zunehmendem Lebensalter dem der Frauen an.[1] Insgesamt gibt es drei Häufigkeitsgipfel für Harnwegsinfekte in der Bevölkerung. Ein erstes gehäuftes Auftreten findet sich bei Säuglingen und Kleinkindern, da diese öfter noch unbehandelte Fehlbildungen der Harnwege aufweisen. Ebenso sind in dieser Altersgruppe Schmierinfektionen häufiger. Der zweite Häufigkeitsgipfel betrifft erwachsene Frauen. Er wird auf die erhöhte Rate von Infekten bei sexueller Aktivität und die erhöhte Anfälligkeit bei Schwangerschaften zurückgeführt. Ältere Menschen beider Geschlechter sind das dritte Kollektiv mit erhöhter Häufigkeit der Erkrankung. Gründe hierfür sind Einengungen der Harnwege durch altersbedingte Degenerationen wie etwa eine Prostatahyperplasie oder ein Vorfall der Gebärmutter.[2]

Unter den im Krankenhaus erworbenen (nosokomialen) Infektionen zählen Harnwegsinfekte zu den häufigsten. Eine deutsche Studie aus den 1990er-Jahren veranschlagte den Anteil der Harnwegsinfekt an den nosokomialen Infektionen bei über 40 %.[3]

Krankheitsentstehung

 
Stabförmige Bakterien und weiße Blutkörperchen bei der mikroskopischen Untersuchung von Urin

Ein Harnwegsinfekt kommt in 95-98 % über den Aufstieg der Erreger über die Harnröhre zustande. Zu 2-5 % erfolgt die Infektion des Urogenitaltrakts über den Blutweg.[1][2] Die Erreger (in der Regel Bakterien) entstammen in den meisten Fällen der körpereigenen Darmflora, gelangen zur äußeren Harnröhrenöffnung und wandern die Harnröhre hinauf in die Harnblase, wo sie zu einer Blasenentzündung (Zystitis) führen. Bei weiterem Aufstieg kann es zu einer Nierenbeckenentzündung, einschließlich der Beteiligung des Nierengewebes selbst (Pyelonephritis), und schließlich zu einer Blutvergiftung (Urosepsis) kommen.[2][4]

Die Erreger müssen hierzu die körpereigenen Abwehrmechanismen überwinden. Durch den Flüssigkeitsstrom beim Urinieren, dem einer Anhaftung von Bakterien entgegenwirkenden Urothel der Harnwege und dort vorkommenden IgA-Antikörpern wird die Blase beim Gesunden keimfrei gehalten. Der Urin selbst wirkt nur gegen wenige Arten antibakteriell und kann sogar das Wachstum vieler Formen von Erregern fördern. Faktoren, die den Keimen beim Aufstieg helfen, sind die Bildung einer Bakterien-Kapsel, die Produktion von Hämolysinen zur Auflösung von roten Blutzellen und die Ausbildung von Pili zum Anheften an das Oberflächengewebe der Harnwege.[2][4]

Neben diesen Eigenschaften der Erreger fördern noch zahlreiche andere mögliche Faktoren des Wirts die Ausbildung eines Harnwegsinfekts. Instrumentelle Eingriffe wie zum Beispiel eine Blasenspiegelung oder ein Blasenkatheter bilden eine mögliche Eintrittspforte. Fehlbildungen der Harnwege, Funktionsstörungen der Blase oder auch eine Verminderung des Harnflusses beeinträchtigen das Ausspülen von Erregern und erleichtern so ihren Aufstieg. Ebenso ist sexuelle Aktivität ein Risikofaktor, da sie die Verschleppung von Keimen begünstigt. Diabetes mellitus trägt ebenso zu einer Harnwegsinfektion bei, da es die Funktionsfähigkeit des Immunsystems vermindert und gegebenenfalls im Urin ausgeschiedene Glukose als Nährboden für die Bakterien dient.[2] Weitere Risikofaktoren für Frauen sind der Gebrauch von Spermiziden oder Pessaren zur Verhütung. Ebenso kann eine vorhergehende Antibiotikatherapie durch das Abtöten der physiologischen Scheidenflora die Ansiedlung pathogener Keime begünstigen. Eine Harnwegsinfektion in der Vorgeschichte stellt – unabhängig vom Geschlecht – einen bedeutenden Risikofaktor dar, da Rezidive häufig sind.[5] Auch die vergleichsweise kurze Harnröhre bei Frauen wird als begünstigender Faktor für den Aufstieg von Erregern benannt. In aktuellen Publikationen wird aber die individuelle Infektanfälligkeit durch Abnormalitäten des Immunsystems stärker gewichtet als diese anatomische Tatsache.[6] So werden heute eine niedrige Ausscheidung des Proteins Uromodulin bei Kindern und Frauen, sowie gewisse Isotypen des T-Zell-Rezeptors mit erhöhter Häufigkeit von Harnwegsinfekten in Verbindung gebracht.[7]

Einteilung

Die Unterteilung erfolgt nach den beteiligten Organen in einen unteren oder oberen Harnwegsinfekt oder entsprechend der potentiellen schwere des Verlaufs in einen komplizierten oder unkomplizierten Infekt.

Der untere Harnwegsinfekt betrifft nur die Harnröhre und Harnblase und wird vom oberen Harnwegsinfekt, bei dem die Nieren oder Harnleiter mitbeteiligt sind, abgegrenzt. Der oberen entsteht meist aus einem unteren Harnwegsinfekt.[1]

Im Weiteren wird zwischen einem komplizierten und unkomplizierten Infekt unterteilt. Als kompliziert gelten Harnwegsinfekte bei Patienten bei denen

  • die Entstehung begünstigt wird, z.B. durch eingeschränkte Abwehrkräfte bei Immunsuppression oder Diabetes mellitus,
  • normalerweise keine Harnwegsinfekte auftreten (Männer oder Kinder),
  • Folgeschäden wahrscheinlich bzw. besonders gefährlich sind (Schwangere, ältere Patienten),
  • ein instrumenteller Eingriff an den ableitenden Harnwegen vorgenommen wurde (Harnblasenkatheter, Zystoskopie, Operation unabhängig davon, wie lange die Operation zurückliegt),
  • eine anatomische oder neurologische Störungen der Blasenfunktion oder
  • eine Fehlbildung (etwa Zystennieren) oder Niereninsuffizienz vorliegt.[5]

Von einem wiederkehrenden Harnwegsinfekt (Rezidiv) spricht man wenn binnen sechs Monaten die Erkrankung zweimal oder während eines Jahres dreimal auftritt.[7]

Ein besonders schwerer, potentiell lebensgefährlicher Verlauf wird als Urosepsis bezeichnet.

Erregerspektrum

Man unterscheidet hierbei zwischen im Krankenhaus oder Pflegeeinrichtungen erworbenen sogenannten nosokomialen Harnwegsinfekten und in der Normalbevölkerung erworbenen sogenannten ambulanten Infekten.[4]

Außerhalb von Gesundheitseinrichtungen ist mit 70 % Escherichia coli, ein gramnegatives Stäbchenbakterium aus der Darmflora führend. Des Weiteren treten auch andere Enterobakterien wie Klebsiellen oder Proteusarten auf. Auch Staphylokokken oder Enterokokken sind nicht ungewöhnlich. Selten können auch schwer nachzuweisende Keime wie Ureaplasma urealyticum oder Mycobacterium hominis vorkommen. Außerdem kann Chlamydia trachomatis, das vor allem sexuell übertragen wird eine Harnwegsinfektion auslösen.[4] Ein weiterer Erreger der auch sexuell übertragen wird ist Neisseria gonorrhoeae, der Erreger der Gonorrhoe.[6] Insgesamt überwiegen gramnegative Erreger in rund 86% der unkomplizierten Infektionen stark gegenüber grampositiven Erregern.[7]

Bei Infektionen, die in Gesundheitseinrichtungen erworbenen werden, kommt auch Escherichia coli häufig vor. Es treten aber auch vermehrt Klebsiellen, Proteusarten und Pseudomonaden auf. Die Keime in Gesundheitseinrichtungen sind häufig resistent gegen mehrere Antibiotika. Eine Resistenztestung ist deshalb bei dieser Art von Infektion unbedingt notwendig.[4]

Als seltene Erreger der Harnwegsinfektionen sind in der Literatur Viren und Protozoen wie Trichomonas vaginalis beschrieben.[6]

Klinische Erscheinungen

Je nachdem wie weit die Infektion im System der Harnwege aufgestiegen sind, gestalten sich die Symptome vielfältig. Ein Befall der Harnröhre selbst löst Schmerzen beim Urinieren (Algurie) oder auch Jucken aus. Bei einer Blasenentzündung kommen diese Symptome auch vor. Außerdem ist der Harnfluss oft vermindert. Charakteristisch ist auch häufiger Harndrang, bei dem die Patienten aber nur kleine Mengen absetzen (Pollakisurie). Typischerweise tritt bei einer Zystitis kein Fieber auf. Bei der akuten Nierenbeckenentzündung stehen Flankenschmerz, Fieber, Übelkeit und Brechreiz im Vordergrund. In der klinischen Untersuchung zeigen sich oft Schmerzen beim Beklopfen der Niere oder des Nierenlagers. Eventuell kann sich auch eine blutige Beimengung im Urin zeigen. Die Nierenbeteiligung kann aber auch vollkommen ohne Symptome verlaufen. So zeigen sich bei rund 30 % der Blasenentzündungen eine symptomlose Nierenbeckenentzündung. Ist bei Männern die Prostata mitbetroffen, zeigen die Patienten oft ein schweres Krankheitsbild mit Schmerzen im Unterbauch, in der Dammregion und Fieber. Bei Kindern, alten Menschen oder Patienten, die ein Nierentransplantat erhalten haben, können die Symptome sich ganz uncharakteristisch auftreten. So kann sich selbst ein schweres Krankheitsbild mit Nierenbeteiligung nur in Fieber oder Bauschmerzen äußern. Auch wurde Verwirrtheit als einziges mögliches Symptom beschrieben. Die Unterscheidung zwischen oberem und unterem Harnwegsinfekt ist anhand der klinischen Symptome nicht sicher abgrenzbar.[1][2]

Bei Kindern gestalten sich die Symptome je nach Altersgruppe noch unterschiedlicher. Dies kann mitunter die Diagnosestellung und adäquate Behandlung entscheidend erschweren. Beim Neugeborenen können Gewichtsverlust, Trinkschwäche, Ikterus, grau-blasse Verfärbung der Haut, Störungen des zentralen Nervensystems und Berührungsempfindlichkeit auf einen bereits in die Niere aufgestiegenen Infekt hinweisen. Bei älteren Säuglingen zeigt sich oft hohes Fieber. Oft treten auch Durchfall, Erbrechen und Meningismuszeichen auf. Diese können den Verdacht auf eine andere Erkrankung fehlleiten. In 4–7 % aller Säuglinge mit Fieber ungeklärter Ursache liegt eine Harnwegsinfektion zu Grunde. Kleinkinder zeigen bei unteren Harnwegsinfektionen oft typische Symptome, bei einer Pyelonephritis fehlen diese mitunter. Oft werden in diesem Falle als einziges fassbares Krankheitszeichen Bauchschmerzen angegeben. Den typischen Flankenschmerz, der auf die Nierenbeteiligung hinweist, können Kinder bis zum vierten oder fünften Lebensjahr oft nicht äußern.[8]

Untersuchungsmethoden

Nach der Erhebung der Krankheitsgeschichte (Anamnese) kann bei typischen Symptomen eines unkomplizierten Harnweginfekts bei Frauen auf eine weiterführende Diagnostik verzichtet werden. Komplizierte oder im Krankenhaus erworbene Infektionen bedürfen aber weitergehender Untersuchungen. Im Vordergrund steht dabei der Nachweis des Erregers. Eine Untersuchung des Urins mittels eines Teststreifens kann Leukozyten und Nitrit nachweisen. Nitrit wird von vielen der infektverursachenden Bakterien (z. B. auch E. coli) gebildet. Das Fehlen von Nitrit schließt einen Infekt jedoch nicht aus. Die weißen Blutkörperchen stellen im Rahmen der Entzündungsreaktion die Antwort des Immunsystems auf den Infekt dar. Im Urinsediment sind die Leukozyten ebenfalls nachweisbar, ab einer Anzahl von 10 weißen Blutkörperchen pro μl gilt der Nachweis als klinisch bedeutsam. Ebenso sind bei dieser mikroskopischen Untersuchung die Bakterien unter Umständen direkt sichtbar. Das Vorhandensein von Erythrozytenzylindern weist daraufhin, dass die Infektion bereits in die Niere aufgestiegen ist und eine Pyelonephritis verursacht hat. Eine weitere Untersuchungsmethode ist die Urinkultur, bei der mit Urin benetzter Agar der Anzucht von Bakterien dient. Die Urinprobe sollte dabei schnell verarbeitet, oder gekühlt werden, um falsch hohe Werte zu verhindern. Ab einer Zahl von 105 koloniebildenden Einheiten pro Milliliter ist von einer bakteriellen Besiedlung auszugehen. Diese signifikante Keimzahl schwankt je nach der Methode der Uringewinnung. Sie ist selbst auch nur eine relative Größe. Die Zahl hat aber nur eine relative Bedeutung. Bei typischen Symptomen kann auch bei geringerer Koloniezahl von einem Infekt ausgegangen werden. Zeigen sich in der Kultur zwei oder mehr verschiedene Keimarten, ist eine Verunreinigung der Probe wahrscheinlich.[1]

Methode der Uringewinnung signifikante Keimzahl[6]
Mittelstrahlurin 105/ ml
Blasenpunktion 102/ ml
Katheterurin 102-103/ ml

Beim Vorliegen von Fieber ist eine Blutuntersuchung durchzuführen. CRP, Blutsenkungsgeschwindigkeit und eine Vermehrung der weißen Blutkörperchen sind ein Zeichen für einen Entzündungsprozess. Die Entnahme einer Blutkultur ist beweisend für den Nachweis des Übertritts des Erregers in die Blutbahn (Urosepsis), auch kann die Art des Erregers durch die Kultur festgestellt werden. Die Entnahme der Kultur hat vor dem Beginn einer antibiotischen Behandlung zu erfolgen. Ein erhöhter Kreatinin-Wert zeigt eine Funktionsschädigung der Nieren an, die durch einen weit aufgestiegenen Infekt erfolgen kann. Ist dies der Fall, ist ebenso eine Ultraschalluntersuchung notwendig, um Abflußhindernisse der Harnwege als Ursache auszuschliessen.[1]

Behandlung

Unkomplizierter Harnwegsinfekt der Frau

Harnwegsinfekte werden generell mit Antibiotika behandelt, um die verursachenden Erreger zu bekämpfen. Dabei ist eine Einnahme des Antibiotikums kurz vor dem Schlaf optimal, um eine Ausschwemmung des Medikaments mit dem Urin zu verhindern.[4] Mittel der ersten Wahl bei einem unkomplizierten Harnwegsinfekt ist Trimethoprim. Diese Substanz hemmt den bakteriellen Folsäurestoffwechsel somit dessen Wachstum. Infolgedessen wirkt sie gegen grampositive und gramnegative Bakterien gleichwertig. Ein weiteres Mittel stellt Nitrofurantoin da. Beide Medikamente sind relativ preisgünstig und gut verträglich für die körpereigene Bakterienflora. Schwere Nebenwirkungen, unter anderem Lungenentzündungen, Hepatitis oder Polyneuropathien treten nur extrem selten auf. Die Behandlung erfolgt im Rahmen einer Kurztherapie nur drei Tage. Resistenzen gegen Nitrofurantion sind sehr selten. Aus dem europäischen Ausland liegen Studien über das vermehrte Auftreten von Resistenzen gegen Trimethoprim vor. Bisher fehlen solche Studien in der Bundesrepublik. [5]

Das Kombinationspräparat Cotrimoxazol, das neben Trimethoprim noch das Sulfonamid Sulfamethoxazol enthält, wird in den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin nicht mehr empfohlen. Durch den Sulfonamidanteil treten bei rund 4 % der Patienten allergische Hautreaktionen auf. Außerdem sind Hypoglykämien und medikamenteninduzierte Hautschädigungen (Lyell-Syndrom) möglich. Diesen Nebenwirkungen stünde beim unkomplizierten Infekt keine gesteigerte Wirkung des Kombinationspräparates gegenüber Trimethoprim allein gegenüber.[5] Andere aktuelle Publikationen sowie die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe empfehlen die Kombination aber weiterhin.[9][7]

Bei Schwangeren wird der Einsatz eines Cephalosporins der 1. Generation als Mittel der ersten Wahl empfohlen. Die Behandlung kann aber dann nicht in einer Kurzzeittherapie erfolgen, sondern muss auf sieben Tage ausgedehnt werden. Nebenwirkungen der Cephalosporine sind eine Schädigung der Keimflora des gesunden Menschen. Dies kann eine Besiedlung der Vagina durch Pilze oder Enterobakterien begünstigen. Als weiteres Reservemittel können Fluorchinolone eingesetzt werden. Mit ihnen ist auch eine Behandlung über drei Tage möglich, sie sind aber teurer als die Medikamente der ersten Wahl. Darüber hinaus sind Fluorchinolone bei Schwangeren nicht anwendbar.[5] Des Weiteren wird eine Trinkmenge von mindestens eineinhalb Litern pro Tag empfohlen. Dadurch werden die Keime aus den besiedelten Gebieten ausgeschwemmt.[2] Laut den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin liegen über die häufig verwendeten pflanzlichen Präparate, Tees und Cranberryprodukte keine verlässlichen Studien vor die deren Effektivität beweisen.[5] Die Sinnhaftigkeit einer Untersuchung zur Kontrolle des Therapieerfolgs nach symptomatischer Besserung ist zwischen Leitlinien und Lehrbüchern umstritten.[5] Tritt binnen 48 Stunden keine klinische Besserung ein, so ist vom Versagen des Medikaments auszugehen. In diesem Falle sollte auf ein anderes Mittel umgestellt werden.[4]

Wiederauftretender unkomplizierter Harnwegsinfekt

Bei rund 50 % der Patientinnen tritt innerhalb eines Jahres ein Rezidiv des Infektes auf.[2] Tritt der Infekt binnen 14 Tagen auf, ist von einem Überleben des Erregers trotz klinischer Besserung auszugehen. In diesem Fall sollte mit einem anderen Medikament der ersten Wahl behandelt werden als bei der ersten Therapie, um Resistenzentwicklungen entgegenzuwirken. Die Therapie sollte in diesem Fall auf zehn Tage ausgedehnt werden. Tritt ein Harnwegsinfekt mehr als 14 Tage nach klinischer Abheilung des ersten Infekts auf, ist von einer Neuinfektion auszugehen. Ein Wechsel des Medikaments und eine Verlängerung der Kurzzeittherapie ist dabei nicht notwendig.[5]

Besteht bei einer Patientin ein Zusammenhang zwischen den wiederkehrenden Infekten und Geschlechtsverkehr, kann eine Prophylaxe mit Trimethoprim jeweils nach dem Geschlechtsverkehr abhelfen. Außerdem wirkt das Wasserlassen direkt nach dem Beischlaf dem Aufstieg von Erregern entgegen.[5] Außerdem ist in der Literatur erwähnt, den Urin mit L-Methionin anzusäuern. Das saure Milieu des Urins bietet dabei schlechtere Wachstumsbedingungen für Bakterien.[2]

Komplizierter Harnwegsinfekt

Im Falle eines komplizierten Infekts ist vor dem Beginn der Antibiotikatherapie eine Urinkultur anzulegen. Die Therapie sollte dann ohne Nachweis eines Erregers mit den Medikamenten der ersten Wahl für mindestens sieben Tage begonnen werden. Sobald der Erregernachweis durch die Kultur vorliegt, sollte falls nötig ein anderes Antibiotikum gewählt werden, das optimal gegen den festgestellten Erreger wirkt. Falls für die komplizierte Infektion eine behandelbare Grunderkrankung ursächlich ist, sollte diese therapiert werden.

Asymptomatische Bakteriurie

Findet sich in der Urinuntersuchung Bakterien, aber keine Symptome eines Harnwegsinfekts, wird ab einer gewissen Bakterienzahl von einer asymptomatische Bakteriurie gesprochen. Diese ist nur bei Schwangeren behandlungsbedürftig. Nach erfolgreicher Therapie sollte bis zur Entbindung eine monatliche Kontrolle des Urins auf Bakterien erfolgen, um Schäden für das Kind auszuschließen.[5]

Pyelonephritis

Hauptartikel: Pyelonephritis

Ist ein Harnwegsinfekt so weit fortgeschritten, dass er zu einer Nierenbeckenentzündung geführt hat, ist das Kombinationspräparat Cotrimoxazol Mittel der ersten Wahl. Es sollte über mindestens 14 Tage eingesetzt werden. Schwangere, Kinder und je nach klinischem Bild andere Patienten mit kompliziertem Infekt sollten stationär in einem Krankenhaus behandelt werden. Als Mittel der zweiten Wahl sind Chinolone beschrieben.[5] Darüber hinaus wird in der Literatur auch der Einsatz von Kombinationen mehrere Antibiotika empfohlen. Mögliche Kombinationen bestehen aus einem Aminoglykosid und einem Breitspektrum-Penicillin oder aus einem Breitspektrum-Cephalosporin mit einem Acylamino-Penicillin.[2]

Urethritis

Hauptartikel: Urethritis

Tritt eine isolierte Entzündung der Harnröhre auf, liegt häufig ein Infekt mit Chlamydien zugrunde, der per Abstrich nachgewiesen werden kann. Die Therapie eines Chlamydieninfekts besteht in einer siebentägigen Gabe von Doxycyclin. Schwangere dürfen mit diesem Medikament nicht behandelt werden. Sie können mit einer Einmaldosis Azithromycin oder einem Cephalosporin behandelt werden. Da Chlamydien vorwiegend sexuell übertragen werden, ist eine Mitbehandlung des Sexualpartners, auch wenn dieser keine Symptome aufweist, zwingend notwendig.[5] Bei einer Gonorrhoe im Harntrakt ist ebenso eine Mitbehandlung des Sexualpartners empfehlenwert. Eine mögliche Therapie ist die Einmalgabe von Ampicillin oder Amoxicillin. Es kann aber auch eine siebentägige Behandlung mit Tetracyclin oder Doxycyclin erfolgen. Auch Gyrasehemmer sind als wirksam beschreiben worden.[6]

Vorbeugung

Zur Vorbeugung und auch zur Besserung der Symptome werden weiterhin in der medizinischen Literatur zahlreiche Maßnahmen empfohlen. Eine ausreichende Trinkmenge von rund 2 l pro Tag falls keine Vorerkrankungen vorliegen die dagegen sprechen. Außerdem soll der Harndrang nicht unterdrückt werden. Die Blase soll beim Wasserlassen möglichst vollständig entleert werden. Zur Verminderung der Infektionen nach dem Beischlaf wird Wasserlassen direkt danach empfohlen. Eine Verstopfung soll Harnwegsinfekte fördern und solle deshalb behandelt werden. Außerdem soll die Hygiene im Intimbereich nicht übertrieben werden, da dadurch die normale Keimflora zerstört werden könne. Bei wiederauftretenden Infektionen bei Frauen wird auch der Wechsel der Methode der Empfängnisverhütung empfohlen. Außerdem sollen gefährdete Personen Nässe und Unterkühlung meiden. Die Wirksamkeit dieser Arten der nicht-medikamentösen Prophylaxe ist allerdings bisher nicht durch Studien nachgewiesen worden.[7]

Einzelnachweise

  1. a b c d e f Herbert Renz-Polster, Steffen Krautzig: Basislehrbuch Innere Medizin, München, Jena 2008, S. 941-950
  2. a b c d e f g h i j M. Gimdt, E. Wandel, H. Köhler: Nephrologie und Hochdruck in Hendrik Lehnert, Karl Werdan (Hrsg.): Innere Medidzin - essentials, 4. Auflage, Stuttgart, 2006, S. 530f
  3. P Gastmeier et. al. : Prevalence of nosocomial infections in representative German hospitals, J Hosp Infect. 1998 Jan;38(1):37-49, PMID 9513067
  4. a b c d e f g G. Weiss, H. Pall, M. Dierich in Wolfgang Gerok et al. (Hrsg.): Die Innere Medizin, Stuttgart, 2007, S. 1338f
  5. a b c d e f g h i j k l Leitlinie Brennen beim Wasserlassen der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM), online abrufbar (html/pdf), zuletzt abgerufen am 22. Mai 2008 16.46 Uhr
  6. a b c d e H. Huland, S. Conrad : "Harnwegsinfektion" in Richard Hautmann, Hartwig Huland : "Urologie"', 3. Auflage, Heidelberg, 2006 S. 134-148
  7. a b c d e G. Stein, R. Fünfstück: Medikamentöse Therapie von Harnwegsinfekten. In: Der Internist, Springer, Berlin, Heft Volume 49, 6 / Juni 2008, S. 747-755 PMID 18327562
  8. Rolf Betz et al : Harnwegsinfektionen im Säuglings- und Kindesalter - Consensus Empfehlungen zu Diagnostik, Therapie und Prophylaxe, Chemother J, 2006;15:163-171, Online abgerufen als pdf am 31. Mai 2008
  9. K. Tamussino et al. : Harnwegsinfekt, Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, 2006, online abgerufen am 6. Juni 2008,

Literatur

Leitlinien

  • Leitlinie Brennen beim Wasserlassen der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM), online abrufbar (pdf/html), zuletzt abgerufen am 22. Mai 2008
  • K. Tamussino et al. : Harnwegsinfekt, Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, 2006 (html) zuletzt abgerufen am 7. Juni 2008

weitere Publikationen

  • M. Gimdt, E. Wandel, H. Köhler: Nephrologie und Hochdruck in Hendrik Lehnert, Karl Werdan (Hrsg.): Innere Medidzin - essentials, 4. Auflage, Stuttgart, 2006
  • H. Huland, S. Conrad : "Harnwegsinfektion" in Richard Hautmann, Hartwig Huland : "Urologie"', 3. Auflage, Heidelberg, 2006 S. 134-148
  • G. Weiss, H. Pall, M. Dierich in Wolfgang Gerok et al. (Hrsg.): Die Innere Medizin, Stuttgart, 2007, S. 1338f
  • G. Stein, R. Fünfstück: Medikamentöse Therapie von Harnwegsinfekten. In: Der Internist, Springer, Berlin, Heft Volume 49, 6 / Juni 2008, S. 747-755